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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Der Krach begann um Mitternacht [] [] Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, wie spinnefeind sich die Politiker der CDU und der FDP im Grunde ihres Herzens sind! [] [] Was nämlich in Bonn (trotz gelegentlicher Zornesausbrüche des FDP-Vorsitzenden Dr. Dehler) noch mühsam zusammengekittet ist, dürfte in den Ministersesseln der Koalition einen sehr nüchternen Hintergrund haben. [] In Düsseldorf grollt man bereits deutlicher. Aber man nimmt noch Rücksicht darauf, daß nach den bevorstehenden Wahlen vom 27. Juni ja wieder eine Regierung gebildet werden muß, und weder CDU noch FDP möchten sich endgültig alle Türen zu künftigen Ministerzimmern zuschlagen. [] In Minden verzichtete man jedoch auf jede zweckgebundene Rücksichtnahme, nachdem es im Stadtparlament wie auch im Kreishaus bereits manchen lauten Krach gegeben hatte und CDU und FDP eigentlich - ja, und auch die Bevölkerung - nur noch auf den letzten Knall warteten. Den gab es in einer Wählerversammlung der CDU, in der Minister Dr. Sträter sprach. Seit Hitlers Zeiten erlebte Minden nicht solchen Tumult, wie ihn Landtagskandidat Zoglmann aus Düsseldorf mit seinem FDP-Anhang herausforderte. Dieser Rückfall in gottlob verflossene Kampfmethoden des Tausendjährigen Reiches hat in Minden und Umgegend viel Aufsehen erregt. [] Erst um die Mitternachtsstunde und am Ende seines Referates startete Minister Dr. Sträter, dem anscheinend entsprechendes Material als Unterlage zur Verfügung stand, scharfe Angriffe gegen Zoglmann, in denen folgende wörtliche Äußerungen fielen: [] "Sie, Herr Zoglmann, waren von 1939 bis 1943 HJ-Gebietsführer in Böhmen und Mähren und hatten Ihren Dienstsitz in Prag, wo auch die Massenmörder Heydrich und Kaltenbrunner residierten. Wollen Sie uns erzählen, daß Sie von den Massenmorden in Prag nichts gewußt haben? Daß Sie manches andere von der Nachkriegszeit nicht wissen, glaube ich Ihnen gern, denn wahrscheinlich haben Sie damals unter falschem Namen gelebt. Ich bestreite Ihnen das moralische Recht und halte Sie nicht für befähigt, an einer demokratischen Gesetzgebung mitzuwirken. Sie sollten sich lieber mit den Händen ein ehrliches Brot verdienen, Sie, der Sie mit dafür verantwortlich sind, daß unter den Nazis ehrliche Demokraten verfolgt und vergast worden sind. Es ist eine Zumutung der FDP an die CDU, Sie auf einem sicheren Platz der Reserveliste für den Landtag zu präsentieren!" [] [] In diesem Zusammenhang wandte sich Dr. Sträter, dessen Erregung sich bei diesen Worten sichtlich steigerte, auch gegen die Kandidatur von Dr. Achenbach, jenem Rechtsanwalt, der durch die berüchtigte Naumann-Affäre so belastet erschien, daß FDP-Vorsitzender Dr. Dehler ihn für die FDP als "nicht tragbar" erklärte. (Naumann, im Volksmunde "Nau-Nau" genannt, war bekanntlich enger Mitarbeiter von Goebbels gewesen und hatte die "Unterwanderung demokratischer Parteien" propagiert.) Daß Dr. Achenbach trotzdem als Spitzenkandidat auf der Landesliste der FDP erscheint, war für Dr. Sträter Gegenstand massivster Kritik. [] [] Zoglmann erklärte in der Diskussion u.a.: "Ich bestreite nicht, zu den alten Schlachtrössern der Nazis gehört zu haben!" [] Daß er im übrigen den Anschuldigungen Dr. Sträters wenig entgegenzustellen hatte, sei am Rande vermerkt. Die Erregung steigerte sich jedoch in einer Flut von Schimpfworten unter dem Anhang beider Parteien, wobei es zu Anrempeleien kam und eine allgemeine Schlägerei nur mit Mühe verhindert werden konnte. [] So unerfreulich das Gesamtbild sein mag - aber der Streit der beiden Koalitionsbrüder förderte eben doch Dinge zutage, die jeder Wähler wissen muß! [] Mit Minister Dr. Sträter sind wir dabei durchaus einer Meinung, daß weder Nau-Nau-Anhänger noch "alte Nazi-Schlachtrösser" ins Parlament gehören. Sie haben entscheidenden Anteil daran, daß unser deutsches Vaterland in das größte Unglück seiner Geschichte gestürzt wurde. Ihr anmaßendes Begehren, wieder Einfluß auf die demokratische Entwicklung unseres Volkes zu gewinnen, muß zurückgewiesen werden! Auch die Millionen ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die einer guten Sache zu dienen glaubten, lehnen jede Spekulation auf ihre Stimme ab! Wenn die FDP glaubte, auf die Mitwirkung verflossener Größen nicht verzichten zu können, so darf sie sich nicht wundern, wenn ihr das Vertrauen weiter Bevölkerungsschichten versagt bleibt! [] Aber auch die CDU, die mit Mitteln der Verleumdung und Dokumentenfälschung den Wahlkampf des 6. September bestritt, hat das Vertrauen verwirkt. Die Art jener Kampfesführung war mehr als unwürdig! [] [] Keine Stimme deshalb diesen Parteien! [] Wer nicht blutige Vergangenheit heraufbeschwören und den Geltungsdrang "alter Nazi-Schlachtrösser" fördern will, der wählt Sozialdemokraten! [] [] Presse-Druck GmbH., Bielefeld
Published:27.06.1954