Liebe Kollegen vom Bau!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; DEUTSCHER BUNDESTAG [] Abgeordneter August Berlin [] BONN, im April 1953 [] Liebe Kollegen vom Bau! [] Sie wissen genau so gut wie ich, in welchem Umfange die tätigen Bauarbeiter mit der Aufgabe betraut sind, aus dem Trümmerfelde des verloren...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Berlin, August
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 02.1953 - 04.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/A6035BFA-A7D2-4BFF-AF46-A68998048B29
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; DEUTSCHER BUNDESTAG [] Abgeordneter August Berlin [] BONN, im April 1953 [] Liebe Kollegen vom Bau! [] Sie wissen genau so gut wie ich, in welchem Umfange die tätigen Bauarbeiter mit der Aufgabe betraut sind, aus dem Trümmerfelde des verlorenen Krieges Neues zu gestalten. Fleißige Hände sind am Werk, um für Millionen ordentliche Wohnungen und durch die Erstellung von Fabriken Arbeitsplätze zu schaffen. [] Wer nicht selbst im Baugewerbe groß geworden ist, weiß gar nicht , welche Härte und Zähigkeit die Bauarbeit von jedem Kollegen erfordert. [] Es ist deshalb notwendig geworden, die in zunehmendem Maße auftretenden Mißstände im Baugewerbe zu beleuchten. Sie gefährden die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit und die Sicherheit der Bauarbeiter aufs Schwerste. [] Selbst aus dem Baugewerbe kommend, habe ich im Herbst vorigen Jahres Gelegenheit genommen, in Verbindung mit der Gewerkschaft Bau- Steine- Erden, Vertretern der Gewerbeaufsicht und der Bauberufsgenossenschaft eine Großbaustelle für belgische Besatzungstruppen unter deutscher Bauleitung zu besichtigen. [] Das Ergebnis war alarmierend und die Zustände waren genau so menschenunwürdig, wie sie gleichlautend von vielen Großbaustellen in der Bundesrepublik, vor allem den Besatzungs-Großbauten in Berichten unserer Kollegen geschildert worden sind. [] Die Mißstände beziehen sich in allererster Linie auf die Unterkünfte der Bauarbeiter, die ihren Wohnsitz weitab von der Baustelle haben. Die Unterkünfte auf diesen Großbaustellen sind in den meisten Fällen nur Bretterbuden, in die es hineinregnet. Wir haben darüber hinaus Unterkünfte ohne Holzfußböden, in Rohbauten, auf Beton, ohne Fenster, ohne Beleuchtung, ohne die Möglichkeit der notwendigen Sauberhaltung gesehen. [] Eine der Hauptursachen für diese Zustände liegt in der kurzen Terminstellung für die Vorbereitung und Durchführung der Bauten. Jeder Unternehmer ist bestrebt, den Auftrag zu bekommen und beim Wettbewerb ist nicht nur der Preis, sondern auch die Kürze des Termins für die Durchführung der Arbeit bei der Zuschlagserteilung von entscheidender Bedeutung. [] Die Ausarbeitung und das Einreichen von Angeboten und die Baustellenvorbereitung hängen von den kurzen Terminen ab. [] Die Folgen sind: keine gute Kalkulation, zu niedrige Preise, die Gefahr des Konkurses und die Entstehung von Lohngeldschulden in größten Ausmaßen. [] So kommt der Bauarbeiter nicht zu seinem Recht! [] Ein weiterer entscheidender Punkt ist die enorme Steigerung der Unfälle im Baugewerbe infolge dieser Mißstände. Im Jahre 1948 betrug die Unfallziffer 22412. Sie ist bis zum Jahre 1951 auf 39348 gestiegen. [] Vorzeitige Invalidität, Belastung der Sozialversicherung, sowie Notstände in den Familien der Bauarbeiter sind unverantwortliche Auswirkungen. [] Die Sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat deshalb folgenden Antrag im Bundestag eingebracht: [] Der Bundestag wolle beschließen: [] Die Bundesregierung wird ersucht, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die Mißstände auf den Großbaustellen in der Bundesrepublik zu beseitigen, und zwar insbesondere dadurch, daß [] 1. die Bestimmungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) , vor allem bei den Bauten der öffentlichen Hand und bei der Vergabe von Bauaufträgen genauestens beachtet werden; [] 2. die Unterkünfte für die Bauarbeiter auf diesen Großbaustellen erstellt werden, daß sie den notwendigen Anforderungen an die Gesundheit und an die Leistungsfähigkeit der Bauarbeiter entsprechen; [] 3. die Überarbeit bei Bauvorhaben, die mit öffentlichen Mitteln ganz oder teilweise finanziert werden, auf ein erträgliches Maß beschränkt wird; [] 4. der Bund auf die Länder dahin wirkt, die Gewerbeaufsichtsämter personell so zu verstärken, daß die notwendige Kontrolle im Interesse der Unfallverhütung gewährleistet ist; [] 5. Arbeitskräfte von auswärts, die ihre Wohnung nach Arbeitsschluß wegen der räumlichen Entfernung nicht erreichen können, durch die zuständigen Arbeitsämter erst dann zu vermitteln, wenn die Gewähr für eine ordnungsmäßige Unterkunft besteht. [] Der Antrag wurde angenommen und dem Ausschuß für Arbeit zur schnellen Beratung überwiesen. [] Ich hatte im Rahmen des Auftrages meiner Fraktion die Möglichkeit, in der Plenarsitzung des Bundestages am 26. Februar dieses Jahres u.a. folgende Worte an die Abgeordneten zu richten: [] "Ich möchte deshalb an sie, meine Damen und Herren, appellieren, daß neben dem Aufbau, den wir hier im Hause auf dem Gebiete der gesetzgeberischen Arbeit zu leisten uns bemühen, auch jene Millionenzahl der Bauarbeiter nicht vergessen werden darf, die Tag für Tag mit ihren Händen daran wirkt, daß für viele Menschen endlich wieder ein Dach über den Kopf geschaffen wird. Es geht bei unserem Antrag um den Menschen und um diese Gruppe. Ihnen die nötige Hilfe und den möglichen Schutz zu gewähren, ist unser Anliegen." [] Wir Sozialdemokraten stehen zu Ihnen, den Bauarbeitern. Sie wissen von der Bedeutung eines guten Fundaments. Der neu zu wählende Bundestag ist ein solches für das gesetzgeberische Bauwerk. [] Sorgen Sie mit dafür, daß das Fundament Bundestag durch viele sozialdemokratische Abgeordnete gebildet wird. [] Mit bestem Gruß [] Ihr [] August Berlin
Published:02.1953 - 04.1953