Meine sehr geehrte Wählerinnen und Wähler!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Meine sehr geehrte Wählerinnen und Wähler! [] Am 6. September 1953 werden die deutschen Männer und Frauen, soweit sie in der Bundesrepublik ihren Wohnsitz haben, zur Wahlurne gehen, um die politische Zusammensetzung des zweiten deutschen Bund...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Höcker, Heinrich, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Presse-Druck GmbH, Bielefeld
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/D25E48AA-7613-4701-9BC0-A704819F5024
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Meine sehr geehrte Wählerinnen und Wähler! [] Am 6. September 1953 werden die deutschen Männer und Frauen, soweit sie in der Bundesrepublik ihren Wohnsitz haben, zur Wahlurne gehen, um die politische Zusammensetzung des zweiten deutschen Bundestages zu bestimmen. Unterzeichneter ist, wie vor 4 Jahren, auch dieses Mal von der Sozialdemokratischen Partei als Kandidat für die Bundestagswahl für den Wahlkreis Herford Stadt und Land aufgestellt worden. [] In den vergangenen vier Jahren habe ich mich als Mitglied des Bundestages bemüht, die Interessen meines Wahlkreises und allgemein die deutschen Interessen soweit wie möglich zu vertreten. Der Bundestag, der vor vier Jahren gewählt worden ist, hat nicht die Erwartungen erfüllt, die Millionen von Wählern in ihn gesetzt hatten. Manches ist durch die Initiative der Opposition erreicht worden, und auch im kommenden Bundestag werden ich und meine Partei, wenn uns soviel politische Kraft gegeben wird, versuchen, die Ziele der Sozialdemokratischen Partei der Wirklichkeit näherzubringen. [] In der Wirtschaftspolitik verfolge ich das Ziel: Arbeit für alle, die arbeitsfähig und arbeitswillig sind; eine Erhöhung der Kaufkraft für alle Schaffenden in Stadt und Land und die Unterordnung der Wirtschaft unter die Interessen der Gesamtheit des Volkes. Ich bin der Auffassung, daß die Voraussetzung dafür ist, die Überführung der Grundstoffindustrien in Allgemeinbesitz, d. h. die Sozialisierung von Kohle und Stahl, auf denen das gesamteökonomische und gesellschaftliche Leben unseres Volkes beruht, um Gewerbefleiß und freie Initiative gegen Profit und egoistische Machenschaften zu schützen. Meine Partei besteht auf dem Mitbestimmungsrecht der arbeitenden Menschen in Betrieb und Wirtschaft. Die politischen Rechte eines Volkes im Staat müssen ihre Ergänzung finden in der Demokratisierung der Wirtschaft. Bei der Forderung nach Mitbestimmung in der Wirtschaft handelt es sich um einen wohlerworbenen Anspruch der arbeitenden Menschen durch die großen historischen Leistungen, die sie in den ersten Jahren nach 1945 vollbracht haben und ohne die der Aufstieg Deutschlands nicht denkbar gewesen wäre. [] Ich bin der Meinung, daß die Eigentumsbildung nicht nur bei bestimmten Volksschichten gefördert werden darf. Jeder Staatsbürger hat das Recht, Eigentum zu erwerben, und dem Arbeitnehmer muß wie jedem anderen die Bildung von Eigentum aus seinen eigenen Einnahmen ermöglicht werden, in erster Linie aus einem einkömmlichen Lohn oder Gehalt. [] Das große Problem des kommenden Bundestages ist die Überwindung der Kriegs- und Nachkriegsschäden - eine Hinterlassenschaft des Dritten Reiches und des zweiten Weltkrieges - auf eine sozial gerechte Weise und die Neugestaltung der Wirtschaft mit dem Ziel der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung und der Beschäftigung für alle. Eine Eingliederung der Kriegsopfer im weitesten Sinne - der Kriegsbeschädigten, der Kriegshinterbliebenen und der Heimkehrer - in das soziale Gefüge ist die Aufgabe jeder verantwortungsbewußten Staatsführung, und sozialgerechte Verteilung der Lasten aus Krieg und Zusammenbruch muß erfolgen. Den Arbeitsunfähigen, Kranken und Alten muß die Furcht vor Not und Existenzunsicherheit genommen werden. Eine gerechte Steuerpolitik ist notwendig, die leider der jetzt zu Ende gehende Bundestag hat vermissen lassen. [] In völliger Übereinstimmung mit meiner Partei bejahe ich die Demokratie auf der politischen und wirtschaftlichen Ebene und bin - im Falle der Bedrohung - bereit, die Demokratie zu verteidigen. Aber ein Verteidigungsbeitrag setzt die völlige Gleichberechtigung unseres Volkes voraus. Diese Gleichberechtigung ist uns weder im Schumanplan noch im General- und EVG-Vertrag zugestanden worden. Deshalb haben wir Sozialdemokraten nach reiflicher Überlegung und gewissenhafter Prüfung diese Verträge abgelehnt, weil sie uns auch nicht geeignet erscheinen, die Wiedervereinigung Deutschlands in friedlicher Weise zu fördern, sondern die Gefahr eines neuen Krieges und damit das Ende Deutschlands und des deutschen Volkes bedeuten würden. [] Mit dieser Zielsetzung, wie ich sie in Kürze hier eben aufgezeichnet habe, geht die Sozialdemokratische Partei in den Wahlkampf. Mit dieser Zielsetzung wissen wir uns einig mit Millionen Menschen in unserem Volke. Mit Vernunft und gutem Willen müßte es möglich sein, unser Volk aus der noch trüben Gegenwart in eine bessere Zukunft hineinzuführen. Für mich wird das in diesem Bundestag eine ernste Verpflichtung sein. Darum bitte ich, wenn Sie den großen Linien der von mir aufgezeichneten Politik zustimmen, am Wahltag mir Ihr Vertrauen zu geben. [] Hochachtungsvoll [] Heinrich Höcker [] Oberbürgermeister der Stadt Herford, MdB [] So wählen Sie richtig! [] Erststimme für die Wahl des Wahlkreisabgeordneten [] Zweitstimme für die Wahl nach Landeslisten [] Presse-Druck GmbH., Bielefeld [] Postwurfsendung [] An alle Haushaltungen
Published:06.09.1953