Hiermit geben wir der Saarbevölkerung einen Brief bekannt, der dieser Tage geschrieben wurde

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Hiermit geben wir der Saarbevölkerung einen Brief bekannt, der dieser Tage geschrieben wurde [] Liebe Frau Müller! Sie haben zum ersten Male während des Landtagswahlkampfes 1952 von der SPD, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Saar...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), [Landesverband Saar], Artur Unterkeller GmbH, Dudweiler-Saar
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 18.12.1955
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/EB0E8478-6B61-41C4-A89A-08C527AD0C0D
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Hiermit geben wir der Saarbevölkerung einen Brief bekannt, der dieser Tage geschrieben wurde [] Liebe Frau Müller! Sie haben zum ersten Male während des Landtagswahlkampfes 1952 von der SPD, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Saargebiet, gehört, und sind, wie Sie schreiben, nicht abgeneigt, ihr am 18. Dezember Ihre Stimme zu geben, da Sie den mutigen Einsatz der SPD trotz Verbot bewundern. Sie möchten nun wissen, was die SPD jetzt beabsichtigt. Ich will versuchen, Ihnen in Bild und Text von der Art, dem Willen und den Zielen der SPD im Saargebiet zu berichten. Im ganzen Saargebiet (und darüber hinaus!) soll ein jeder im Rahmen des öffentlichen Anstandes (niemand soll beleidigt werden!) reden und schreiben können, was ihm beliebt. Wer die Wahrheit ausspricht, soll niemals dafür bestraft werden, eher ist er zu loben. Wir wissen wie Sie, dass das Saargebiet seine eigenen Probleme hat, die so recht nur wir Hiesigen beurteilen können. Aber wir wissen, was immer auch zu geschehen hat, es kann nur im Rahmen Deutschlands geschehen. Darum will die SPD, dass ein in sich geschlossenes Bundesland Saar Teil des ganzen grossen Deutschland wird. Beamte kosten auch Ihr Geld, Frau Müller. Darum will die SPD so wenig Beamte wie möglich und möglichst viel Aufgaben der "Selbstverwaltung der Bürger" übertragen. Sehr oft wird es "unten" besser gemacht, als es "oben" gemacht werden kann. Wie auch Sie, achtet die SPD Frankreich, sein Volk und seine Geschichte. Unser aller Wunsch ist, mit ihm in Frieden zu leben. Sie Frau Müller, und wir von der SPD, wollen doch nur, dass die gemeinsamen Fragen nicht durch einseitige Verordnungen, sondern unter G1eichberechtigten ausgehandelt werden. Ihr Einkommen, Frau Müller, hängt davon ab, daß unsere Saarwirtschaft so erträglich arbeitet wie nur möglich. Hemmungen wie die Tatsache, dass unsere wichtigsten Gesetze in Paris gemacht werden, müssen fallen. Es sind Mittel bereit zu stellen, damit unsere Gruben und Fabriken bald so modern werden wie in Lothringen und an der Ruhr und sich unsere Arbeiter nicht mehr mit den alten Klamotten abmühen müssen. Für Sie, Frau Müller, ist es wie für die SPD, ganz selbstverständlich, dass die Warndtkohle der Saarbevölkerung und damit dem deutschen Volke gehört. Bei allen neuen Gesetzen sollen die betroffenen Bevölkerungsgruppen durch ihre Fachorganisationen auch vorher gehört werden. Das gilt für alle Wirtschaftskreise, selbstverstandlien auch für die Arbeiter. Kein Gebiet, auch nicht die Saar., kann ohne eine leistungsfähige Landwirtschaft leben. Ihre Erzeugnisse müssen für den Käufer erschwinglich sein und dem Bauern eine gesunde Existenz gewährleisten. Das Wohnen, Sie wissen es, Frau Müller, ist die Grundlage jedes Familien-, jedes Feierabendglücks. Unsere Familien an der Saar dürfen nicht nur untergebracht, sie miissen auch so untergebracht werden, dass die Kinder, die Hausfrauen und die Männer sich wohlfühlen können. Mit Ihnen, Frau Müller, sind wir der Meinung, dass es untragbar ist, wenn der Reiche wie der Arme die gleichen Steuern zahlt. Sie glauben es nicht? Und doch ist es leider wahr. Durch die in Frankreich besonders bevorzugten indirekten Steuern, die jetzt noch automatisch bei uns gelten, und die fast ausnahmslos auf alle Waren erhoben werden, zahlt arm wie reich die gleichen Steuern, z. B. für 1 kg Kristallzucker müssen Sie 99 Fr. zahlen. In diesem Preis stecken an indirekten Steuern und Abgaben rund 22 Fr. = 22 %. Wenn Sie ein Paket Einweichtip in der Normalpackung von 300 g zu 25,60 Fr-. einkaufen,.zahlen Sie an indirekten Steuern 17,06 %. Ein jeder muss mitarbeiten, damit alle leben können. Wer aber sein Bestes hergibt, muss auch wissen, dass die Gemeinschaft für ihn eintritt, wenn Krankheit, Alter oder unverschuldete Arbeitslosigkeit ihn hemmen. Dass hier mit kleinstmöglichen Beiträgen das beste geschaffen wird, ist die dauernde Sorge der SPD. Damit ist es ganz klar, dass es die vornehmste Aufgabe der SPD ist, für die unbedingte Sicherung der Rentner einzutreten. Sie wissen, wie die SPD, sehr geehrte Frau Müller, dass jedes lebenskräftige Volk zuerst an seine Kinder und Jugend zu denken hat. Die Schule soll den Lebensweg erleichtern, der Sport soll stählen und Freude am und im Beruf eine Selbstverständlichkeit sein. Die Jugend wird mit der SPD gemeinsam ihr Leben zu gestalten haben. Die SPD weiss, Frau Müller, dass das Glück der Familie nur dann gesichert ist, wenn ihr Mittelpunkt, die Frau, sich wohlfühlt. Sie werden deshalb verstehen, dass die SPD bereit ist, alles zu unterstützen, was gerade den Frauen ihren harten Lebenskampf erleichtert, ganz gleich, ob berufstätig oder als Hausfrau. Manche sagen, dass nur zuverlässig sei, wer das Wort christlich laut im Munde führe. Sie, Frau Müller, werden religiös sein im besten Sinne den Wortes. Das achtet die SPD. Niemand soll wegen seiner Konfession oder seiner Religionszugehörigkeit her abgesetzt werden oder Nachteile erleiden. Wer sich vertragen will, findet auch die Möglichkeiten dazu. Unfrieden bringt immer Kriegsgefahr. Darum will die SPD mit Ihnen, Frau Müller, das Menschenmögliche tun, um uns, Ihnen und unseren Kindern die Schrecken kriegerischer Verwicklungen zu ersparen. Sie sehen, dass die SPD, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, sehr wohl weiss, wie sie politisch und menschlich auftreten soll. In der grossen sozialistischen Gemeinschaft jener, die sich gegenseitig helfen wollen, werden auch Sie sich wohlfühlen. Wer so deutsch denkt wie Sie, Frau Müller, wer so menschlich eingestellt ist wie Sie, wird es nicht.bereuen, der SPD und ihren Kandidaten am 18. Dezember seine Stimme zu geben. Ihr Kurt Conrad [] Saarbrücken, Försterstrasse 12 [] Liste 8 [] Kennwort: SPD-Deutscher Heimatbund [] Druck: Artur Unterkeller GmbH, Dudweiler-Saar
Published:18.12.1955