| Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals
An die Sozialdemokratie [] Berlins [] Genossinnen und Genossen! [] Der Terror, gegen den wir zwölf Jahre unter dem Hitler-Regime in brüderlichem Verbundensein zusammenstanden, dem wir in der illegalen Arbeit, in den Gefängnissen, Zuchthäusern und Konzentrationslagern Trotz boten, hat in die Reihen unserer Partei in aller Form seinen Einzug gehalten. [] Dem Zentralausschuß und seinen Trabanten ist jedes Mittel recht: Mit Propagandaphrasen und Gewalt, mit Vorspiegelungen, an die er selbst nicht glaubt, und Lügen, kurz gesagt, mit "Zuckerbrot und Peitsche" versucht er alles, um Euch so kurzfristig wie möglich in die Reihen der SEP zu zwingen. [] Genossinnen und Genossen! Wie konnte es dahin kommen? Wie ist es möglich, daß führende Parteifunktionäre sich so weit von der gesunden demokratischen Ueberlieferung entfernten? [] Erst hat man uns mit Kompromiß-Resolutionen hingehalten, die von den Verfassern selbst niemals eingehalten wurden. [] Uns hat man systematisch jede Möglichkeit verweigert, unsere abweichende Haltung im Parteiorgan zum Ausdruck zu bringen. [] Der Beschluß der Funktionärkonierenz vom 1. März, eine Urabstimmung zu veranstalten, ist im "Volk" in der Berichterstattung mit keinem Wort erwähnt worden. [] Als wir endlich zu dem Mittel der Selbsthilfe schritten, das immer notwendigst, wenn die Macht das Recht zu beugen sucht, begann die Parteiausschluß-Guillotine des Zentralausschusses zu arbeiten. Funktionäre, die von dem einstimmigen Vertrauen ihrer Kreisorganisation getragen waren, wurden brutal aus der Partei ausgestoßen. [] Man hat den Kreisvorstand Charlottenburg aufgelöst, weil er entsprechend seinen Pflichten als Versammlungsleitung über einen ordnungsgemäß eingebrachten Antrag abstimmen ließ, in dem dem ausgeschlossenen Kreisjugendleiter einstimmig das Vertrauen bekundet wurde. Gegen den Kreisvorsitzenden von Schöneberg plant eine kleine Oppositionsgruppe unter Führung von Zentralausschußmitgliedern Maßnahmen, die nichts mehr mit sachlicher Politik zu tun haben, weil er dem gleichen Kreisjugendleiter auf der Schöneberger Delegiertenkonferenz das Wort gab, wie es die erdrückende Mehrheit der Versammlung verlangte. [] Genossinnen und Genossen! [] Kann es eine ungeheuerlichere Vergewaltigung der primitivsten demokratischen Spielregeln und Ueberlieferungen geben? Selbst ein Göring und Goebbels hätten von den Methoden, mit denen der Zentralausschuß gegen die Mehrheit der Berliner Genossen wütet, noch lernen können! [] Sozialdemokraten Berlins! [] Aus diesem Verhalten des Zentralausschusses könnt Ihr leicht ablesen, was Euch in der neuen SEP erwartet, wenn Ihr es wagt, einmal wider den Stachel zu löcken. [] Sozialdemokraten Berlins! [] Wir empfinden keine Minderwertigkeitskomplexe gegenüber der KPD, wenn wir uns einem sofortigen Zusammenschluß widersetzen, sondern wir wissen, daß jedes zentralistische System, jede Diktatur der natürliche Feind der Intelligenz und der aufrechten Haltung ist. [] Sozialdemokraten Berlins! [] Ohne diese beiden Bedingungen kann Deutschland nicht, leben! Ohne die Garantie wahrhaft demokratischer Freiheiten und Rechte wird die Sache des Sozialismus ihren gewaltiges Kredit verscherzen, den sie im deutschen Volke besitzt. [] Sozialdemokraten Berlins! [] Rettet Demokratie, Freiheit und Sozialismus gegen jeden Versuch einer zentralistischen Parteidiktatur! Auf Euch sieht Deutschland, auf Euch sieht die Welt! [] Für die Sozialdemokraten Berlins: gez. Dr. Schulz, Germer [] Nr 2981.3,46
|
|---|
