Macht Europa stark

Wahlaufruf und ausführliche thematische Positionierungen zur Europawahl 1984; Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Macht Europa stark. [] SPD [] Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! [] In diesem Jahr, am 17. Juni 1984, wird in der Europäischen Gemeinschaft zum zweiten Mal direkt d...

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Bibliographic Details
Main Authors: Gruppe der SPD-Abgeordneten in der Sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments, Union Druckerei, Frankfurt
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 12.1983
Subjects:
[Focke, Katharina, Sozialistische Fraktion im Europäischen Parlament, Bebel, August, Focke, Katharina, Brandt, Willy, Engel, Veronika, Engel, Brigitte, Schmidt, Marianne, Simons, Barbara, Niehuis, Edith, Salisch, Heinke, Weber, Beate, Hoff, Magdalene, Wieczorek-Zeul, Heidemarie, Bourguignon-Wittke, Roswitha, Young, Helga, Rothe, Mechtild, Bürsmeier, Mechtild, Böhm, Oskar, Mahlberg, Heinz-Dieter, Grömmer, Hans, Topmann, Günter, Osswald, Klaus-Dieter, Randzio-Plath, Christa, Junker, Karin, Seibel-Emmerling, Lieselotte, Schmidtbauer, Barbara, Peters, Hans, Schinzel, Dieter, von der Vring, Thomas, Mihr, Karl-Heinz, Euler, Max, Brennecke, Horst, Rogalla, Dieter, Friedrich, Bruno, Schwichtenberg, Hermann, Sakellariou, Jannis, Walter, Gerd, Wettig, Klaus, Tobie, Wolfgang, Reinhard, Lothar, Vetter, Heinz-Oskar, Otten, Dieter, Thomin, Wilhelm, Schultz, Karl-Heinz, Schulz, Martin, Gautier, Fritz, Maraun, Georg, Reich, Utz-Peter, Reitzel, Michael, Rothley, Willi, Zimmermann, Karl Rudolf, Fellermaier, Ludwig, Seeler, Hans-Joachim, Pieczynski, Helmut, Vittinghoff, Kurt, Stähle, Kurt-Werner, Linkohr, Rolf, Schmid, Gottfried, Papcke, Sven, Pelger, Edgar, Wirth, Hans, Kallmann, Lothar, Brinkmeier, Jürgen, Schreiber, Heinz, Rust, Ulrich, Schmid, Gerhard, Wagner, Manfred, Hänsch, Klaus, Arndt, Rudi, Seefeld, Horst, Katzy, Roland, Röhrich, Werner, Pott, Harri, Lutz, Wolf-Dieter, Nagel, Erhard, Rüstungspolitik, Arbeitslosigkeit, Gleichberechtigung, Umweltschutz, Bauern, Parlamentarismus, Europawahl, Europa-Flagge, Foto]
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/185BB6EB-D43C-48B0-B59E-0FCEE141B30B
Description
Summary:Wahlaufruf und ausführliche thematische Positionierungen zur Europawahl 1984; Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Macht Europa stark. [] SPD [] Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! [] In diesem Jahr, am 17. Juni 1984, wird in der Europäischen Gemeinschaft zum zweiten Mal direkt das Europäische Parlament gewählt. Gerade weil die Europäische Gemeinschaft derzeit in einer tiefen Krise steckt, ist es wichtig, daß jetzt viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, damit ihr Parlament stärken und den Abgeordneten mit auf den Weg geben: So darf es nicht weitergehen! [] Die Bürger spüren immer deutlicher, daß sich viele der uns bedrängenden Probleme im nationalen Alleingang nur unbefriedigend oder gar nicht mehr lösen lassen. Deshalb brauchen wir Deutschen, vielleicht mehr als alle anderen europäischen Völker, ein starkes Europa und zugleich eine starke Vertretung unserer deutschen Interessen. Ein starkes Europa ist für uns Sozialdemokraten ein solidarisches Europa, das folgende Aufgaben entschlossen angehen muß: [] 1. Neue Arbeit schaffen, die Menschen an ihr gerecht teilhaben lassen und das Feld nicht jenen neokonservativen Ideologen überlassen, die die Wirtschaft durch Ausgrenzung der Schwächeren sanieren wollen. [] 2. Wir wollen wirtschaftliche Chancen und Entwicklung für alle. Wir wenden uns gegen die blinden Anbeter eines "Marktes", der ganze Regionen unseres Vaterlandes und unserer größeren europäischen Heimat veröden läßt. [] 3. Arbeit und Umwelt schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: an ökologischen Gesichtspunkten orientierte Technik ist eine große Beschäftigungschance für die kommenden Jahrzehnte. [] 4. Wir wollen die praktische Gleichstellung der Frauen und nicht den Schmus von der "sanften Macht der Familie", mit der die soziale Wirklichkeit übermalt wird. [] 5. Wir wollen Liberalität, die der Tradition des europäischen Fortschritts entspricht, und nicht autoritäre oder militaristische Abartigkeiten, wie sie am Rande der EG bis in diese Tage praktiziert werden, und wie sie von manchen im eigenen Land mit unverhohlenem Wohlwollen begleitet werden. [] 6. Wir wollen eine gründliche Reform der Agrarpolitik und sinnvollere Verwendung der Finanzen. [] 7. Wir wollen eine Außenpolitik der Sicherheit, des entspannenden Ausgleichs und der Kooperation, nicht das Kultivieren einer übersteigerten Machtpolitik, die nur in Totentanz enden kann. [] Wir Sozialdemokraten wollen bewahren und erneuern. Was wir bewahren wollen, was wir erneuern wollen, bestimmen wir nach dem Interesse der vielen in unserem Volk. Eine Gesellschaft der Freien und der Gleichen, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, ohne Erniedrigung, ohne Not - das sind alte, doch nicht überholte Ziele. Europa ist zwar der alte Kontinent, aber die Hoffnungen vieler in der Welt, die nach einem humanen Weg in die Zukunft suchen, richten sich eher auf das, was wir in Europa tun, als auf die Modelle der Supermächte. [] Bitte helfen auch Sie mit, daß wir gemeinsam ein starkes und solidarisches Europa bauen können. Ihre Stimme für die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament ist ein erster Schritt. [] Willy Brandt [] Seit über hundert Jahren für ein starkes und solidarisches Europa. [] Alle sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien Europas haben einen gemeinsamen Ursprung. Sie entstanden als Selbsthilfebewegung der Arbeiter gegen kapitalistische Ausbeutung und nationalistischen Fanatismus. Weil sie überall ausgebeutet und unterdrückt wurden, entstand eine starke Solidarität der arbeitenden Menschen über die Grenzen hinweg. Von den Reaktionären und Konservativen wurden die deutschen Sozialdemokraten deshalb jahrzehntelang als "vaterlandlose Gesellen" beschimpft. Weil gerade in letzter Zeit aus den Reihen der CDU das Schmähwort von der "fünften Kolonne" laut wurde, ist es gut, daran zu erinnern, daß es Sozialdemokraten waren, die sich zugleich für die deutsche Einigung und für ein starkes Europa eingesetzt haben. Und zwar als politische Kraft in Deutschland. [] Schon in ihrem Leipziger Programm von 1866 hat die SPD festgehalten: "Unter deutscher Einheit versteht die Arbeiterpartei den zentralistischen deutschen Volksstaat und erstrebt selbigen einfach als einen Anfang des solidarischen europäischen Staates." Dafür setzten sich in den folgenden Jahrzehnten zwei befreundete Europäer ein: August Bebel, der Mitbegründer der SPD, und Jean Jaures, der Führer der französischen Sozialisten. Bis zuletzt haben sie den Ersten Weltkrieg verhindern wollen. Er blieb Europa nicht erspart. [] 1925, auf ihrem Heidelberger Parteitag, tritt die SPD ein "für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa, um damit zur Interessensolidarität der Völker aller Kontinente zu gelangen". Mit diesem Programm wäre den Deutschen und ihren Nachbarn vieles erspart geblieben. [] Sozialdemokraten hielten auch im Widerstand und im Exil den Gedanken an ein vereintes Europa wach. Sofort nach Kriegsende erklärte ihr Vorsitzender Kurt Schumacher: "Die Diskussion über Europa ist in Wahrheit das Suchen nach einer Sinngebung des Lebens, nachdem wir jetzt eine Periode sinnlosen Vegetierens durchgemacht haben." [] Um solche Sinngebung haben sich die Sozialdemokraten seitdem mit aller Kraft bemüht. [] In den 50er Jahren hatte die SPD aus damaliger politischer Sicht begründete Vorbehalte gegen den Europarat und die Montanunion. Sie nahm Anstoß an den ungleichen Startbedingungen und befürchtete, daß die junge Bundesrepublik nicht voll gleichberechtigt wäre. Andererseits sprach sich die Partei schon früh für direkte europäische Wahlen aus. Ein Wunsch von Carlo Schmid, dem großen sozialdemokratischen Europäer, hat sich inzwischen erfüllt: "Europa wird ein Parlament brauchen, und dieses Parlament sollte europäisch gewählt werden, das heißt, direkt, allgemein und gleich vom Volke Europas." [] Mit dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt 1969 kam auch neuer Schwung in die deutsche Europapolitik. Die EG erweiterte sich von sechs auf zehn Saaten. Und zum zweiten Mal finden am 17. Juni 1984 direkte Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Unsere Spitzenkandidatin heißt Katharina Focke. Sie wird eine gute sozialdemokratische Tradition fortsetzen: Für ein starkes und solidarisches Europa. [] Ein starkes und solidarisches Europa kann etwas tun für unsere Sicherheit. [] Die meisten Menschen in unserem Land sind besorgt und betroffen, seit der Bundestag am 22. November 1983 mit der Mehrheit der CDU/ CSU und FDP die Raketenstationierung in der Bundesrepublik beschlossen hat. Die SPD hat dazu ein klares Nein gesagt. Sie hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Die Sozialdemokraten sind davon überzeugt, daß in Genf keineswegs die Verhandlungsmöglichkeiten so ausgeschöpft wurden, wie es der NATO- Doppelbeschluß verlangte. [] Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 17. Juni haben alle Bürger, die gegen die Nachrüstung sind, aber nie danach gefragt wurden, eine große Chance, ihrem politischen Willen und ihrer Hoffnung Ausdruck zu verleihen. Wir Sozialdemokraten halten es mit ihnen für unsere Pflicht, die Raketen wieder wegzuschaffen. Das geht nur durch erneutes Verhandeln, aber es muß ernsthaft und mit der größten Anstrengung verhandelt werden. Jedes Angebot muß geprüft werden. Und die Europäer, als die direkt Betroffenen, müssen mitbeteiligt werde, wenn die beiden Supermächte über die Sicherheit Europas verhandeln. Es darf nicht einfach über uns verfügt werden. [] Katharina Focke, die Spitzenkandidatin der SPD, richtete im vergangenen November, kurz vor der Stationierung, einen eindringlichen Appell an die Außenminister der EG- Länder. [] "Ich fordere die zehn Außenminister auf: Kommen Sie Ihrer Pflicht nach, die große Betroffenheit der Bevölkerung Europas hinsichtlich ihrer eigenen, europäischen Sicherheitsinteressen aufzugreifen, und suchen Sie nach gemeinsamen, politischen Lösungen. Die Menschen in Europa haben erkannt, daß die Sicherheit Europas nicht durch immer mehr, sondern durch weniger Vernichtungswaffen gewahrt werden kann, und daß ihre Sicherheit nicht durch nationale Grenzen teilbar ist. Es ist eine Illusion zu glauben, in Rom lebe es sich sicherer als in Bonn, oder in Paris sicherer als in Brüssel, in London sicherer als in Kopenhagen oder umgekehrt. Der nukleare Holocaust würde vor nationalen Grenzen nicht haltmachen. Deshalb ist auch das Streben nach Sicherheit und Frieden, das von Millionen von Menschen in Europa ausgedrückt wird, eine grenzüberschreitende Demonstration europäischer Verbundenheit, ist die größte, die entschlossenste, die zukunftsträchtigste europäische Gemeinsamkeit seit dem Zweiten Weltkrieg." [] Ein starkes und solidarisches Europa hat Arbeit für alle. [] 12 Millionen Bürger in der Europäischen Gemeinschaft sind arbeitslos. Und diese Zahl ist noch alarmierender, wenn man daran denkt, wieviele Familien, wieviele Kinder mit davon betroffen sind, wenn die Lohntüte leer und nichts auf dem Konto ist. Deshalb steht für uns Sozialdemokraten der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit in Europa wie in der Bundesrepublik an oberster Stelle. [] Die Konservativen behaupten, allein durch Wachstum und den "freien Markt" wären neue Arbeitsplätze zu schaffen. Aber die Rezepte sind untauglich. Da, wo sie mit eiserner Faust durchgeboxt werden, in England und in den USA, ist die Arbeitslosigkeit gestiegen. Wir Sozialdemokraten raten dringend, diesen Irrweg endlich zu verlassen. [] Am Beispiel der Stahlkrise wird das Problem leider mehr als deutlich: Wie alle Konservativen in Europa vertraut die Regierung Kohl auf die sogenannten "Selbstheilungskräfte" des Marktes. Wie diese Roßkur aussieht, zeigt das Beispiel von ARBED-Saarstahl, einem der größten deutschen Stahlerzeuger. Hier wurde mit Unterstützung der Regierung der Tarifvertrag von seiten des Unternehmens aufgekündigt - und die Arbeitnehmer waren die Dummen. Dieser Trend muß gestoppt werden. Es gilt das Wort von Willy Brandt: [] "Wir werden die harte Auseinandersetzung mit denen führen, die - wie beim Stahl - die Krise ausnutzen, die Löhne durch staatlichen Machtanspruch herunterzufahren, über soziale Errungenschaften willkürlich zu verfügen und gewerkschaftlichen Schutz auszuhebeln. Es kann kein Zweifel daran sein, wo angesichts von Erpressungen der Standort der SPD ist: an der Seite der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften." [] Weil die Stahlkrise das Ergebnis einer europäischen Wirtschaftskrise ist, kann sie auch nur europäisch gelöst werden. Aufgrund der Forderungen des Europäischen Parlaments wurden seit 1982 für soziale Maßnahmen im Stahlbereich eine halbe Milliarde Mark gesichert. [] Die Sozialdemokraten und die Sozialisten im Europäischen Parlament haben weitgehende Vorschläge auf den Tisch gelegt. Bis 1986 sind Hilfen der Gemeinschaft bei folgenden Maßnahmen notwendig: Vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, Beihilfe bei Kurzarbeit, Arbeitszeitverkürzung in jeder Form, Einführung einer fünften Schicht, Abbau ungerechtfertigter Überstunden, Beihilfen für die Wiederbeschäftigung Arbeitsloser, Fortbildung und Nachschulung der Arbeitnehmer. [] Maßnahmen dieser Art dürfen nicht auf den Stahlbereich beschränkt bleiben. Sie müssen auch für andere Branchen wirksam werden. Das betrifft vor allem die Verkürzung der Arbeitszeit. Katharina Focke sagt, worum es geht: [] "Der Kampf um die 35-Stunden-Woche der deutschen Gewerkschaftsbewegung oder um andere Formen einer erheblichen Arbeitszeitverkürzung fällt mit dem Europa-Wahlkampf zusammen. Diese enge Verknüpfung zwischen der innenpolitischen Auseinandersetzung bei uns und der entsprechenden Auseinandersetzung in der Europäischen Gemeinschaft müssen wir nutzen." [] Kürzer arbeiten - mehr Beschäftigung. In allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft. [] Nur ein starkes Europa sichert den Frauen gleiche Rechte. [] Man sieht oft darüber hinweg, daß bei uns die Frauen immer noch benachteiligt sind. In Stellenanzeigen werden überwiegend Männer angesprochen. Für gleiche Arbeit bekommen Frauen weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. Für Mädchen ist es immer noch fast unmöglich, z. B. Automechanikerin zu werden. [] Das alles sind Verstöße gegen geltende Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft (EG), die auch bei uns verbindlich sind und von jeder Frau vor Gericht eingeklagt werden können. Es sind dies die EG-Richtlinien über gleiches Entgelt, über gleichberechtigten Zugang zu Ausbildung und Arbeitsplatz. "Wenn die Bonner Rechtskoalition diese Richtlinien nicht ernst nimmt, wird sie sich vor dem Europäischen Gerichtshof verantworten müssen", sagt Katharina Focke. [] Der sozialpolitische Kahlschlag der Wendepolitik geht vor allem zu Lasten der Frauen. Deshalb ist es für die Frauen in der Bundesrepublik gut, daß es viele engagierte Frauen in der Sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments gibt. Sie achten darauf, daß die EG-Bestimmungen für die Gleichstellung der Frauen befolgt werden. Sie fordern eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit, eine Arbeitsumverteilung zwischen Männern und Frauen und Elternurlaub statt Mutterschaftsurlaub (der übrigens von der Regierung Kohl drastisch gekürzt wurde). Gegen den Widerstand der Konservativen kämpfen sie dafür, daß der Schwangerschaftsabbruch - auch wenn er immer nur ein letzter Ausweg bleiben muß -überall in Europa legalisiert werden muß, damit die Frauen in Europa nicht auf Notreisen in andere Länder angewiesen sind. [] Es leuchtet ein, daß diese Interessen am besten von Frauen vertreten werden. Mehr Frauen im Europäischen Parlament haben bessere Chancen, die politische Arbeit und den politischen Stil zu beeinflussen. Willy Brandt: [] "Vor fünf Jahren habe ich meine Kandidatur für das Europäische Parlament auch davon abhängig gemacht, daß mehr Frauen auf sichere Listenplätze kommen. Wir haben Annäherungswerte erzielt, immerhin. Jetzt sind wir einen Schritt weiter, nicht nur, was die Kandidatenliste angeht: Zum erstenmal treten wir bei einer großen bundesweiten Wahl mit einer Frau, mit Katharina Focke als Spitzenkandidatin, an. Das ist ein Vorgang von prinzipieller, also mehr als symbolischer Bedeutung und einer, der seine Fortsetzung finden muß." [] Nur ein starkes Europa schafft es noch, Frieden mit der Natur zu schließen. [] Vor fast 20 Jahren forderte Willy Brandt den "blauen Himmel über der Ruhr". Etwas später tauchten im Programm der SPD zwei eigenartige Wörter auf, die damals noch nicht einmal im Lexikon standen: "Umweltschutz" und "Lebensqualität". Wer hätte gedacht, daß schon wenige Jahre später dieses Thema die Menschen bewegen würde wie kaum ein anderes. Nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa wünschen sich die Menschen, mit der Natur Frieden zu schließen. Denn wir stehen in Europa kurz vor dem ökologischen Bankrott. Katharina Focke zieht in kurzen Worten Bilanz: [] "In einem gigantischen Wachstumsprozeß haben die Industriestaaten in den letzten 30 Jahren versucht, die wirtschaftlichen Lebensbedingungen zu verbessern. Aber in keiner geschichtlichen Epoche hat sich gleichzeitig die ökologische Grundlage des Lebens so drastisch verschlechtert. Wir haben das Wasser verseucht, Tiere und Pflanzen ausgerottet und ganze Landstriche verkarsten lassen und vergiftet. Unsere Wälder sind dramatisch von sauren Niederschlägen betroffen. 34% der Waldfläche sind heute erkrankt - und praktisch zerstört. Die Verseuchung des Rheins zwingt schon jetzt unsere holländischen Nachbarn, Trinkwasser-Notvorräte anzulegen. Und die Seveso-Katastrophe zeigt in ihrem ganzen Ausmaß die europäische Verantwortung für diesen Skandal. In den westlichen Industrieländern belaufen sich die Schäden der Umweltverschmutzung - es ist kaum vorstellbar - auf 40-70 Milliarden Mark pro Jahr." [] Die Richtlinien der EG haben in den Einzelländern die Geltung von Rahmengesetzen. Es sind die Richtlinien gegen den Giftmülltourismus, gegen die grenzüberschreitende Luftverschmutzung, für den Gewässerschutz und für die Erhaltung freilebender Tiere und wildwachsender Pflanzen. Es ist traurig, daß die konservativen Parteien Europas in der Umweltpolitik keinen Weitblick haben. Ihre vollmundigen Beteuerungen (CSU-Zimmermann: "Umweltschutz ist eine im konservativen Denken beheimatete Aufgabe") sind keinen Pfifferling wert. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! Bei uns verschleppen sie neue Abgasgesetze und die Einführung von bleifreiem Benzin, baggern weiter am Rhein/Main/Donaukanal und klotzen unsinnige neue Autobahntrassen in die Landschaft. Im Europäischen Parlament verwässern und verzögern sie fast jede umweltpolitische Entscheidung: So z. B. die europäische Meldepflicht für gefährliche Produkte, die Asbest-Richtlinie und die Richtlinie für Mehrwegflaschen und -verpackungen. Hintergrund: Der Druck der Interessenten. [] Sicher - Umweltschutz kostet Geld, aber Umweltschutz schafft auch hunderttausende neuer Arbeitsplätze. Dies ist von Fachleuten unwiderlegbar bewiesen worden und betrifft alle wirtschaftlichen Bereiche, vor allem die Entsorgungs- und Investitionsgüterindustrie. Gegen den Frieden mit der Natur gibt es keine Argumente, auch keine volkswirtschaftlichen. Deshalb gehören zu den zentralen Forderungen der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament: Drastische Maßnahmen zur Verbesserung der Luft, Notprogramm gegen das Waldsterben, Stufenplan zur Sanierung der Flüsse und Meere, Schutz des Grundwassers und Beendigung der Zerstörung des Bodens durch eine falsche Landwirtschaft. [] "Die Menschen erwarten von Europa keine Ladenhüter. Um ihr Vertrauen zurückzugewinnen, brauchen wir ein neues Konzept für Europa. Eines, das die Versöhnung von Wirtschaft und Umwelt zu seiner Grundlage macht." (Katharina Focke) [] Wir wollen in unseren Wäldern wandern und in den Flüssen wieder schwimmen können. [] Nur ein vernünftiger Agrarmarkt macht Europa stark. [] Die Agrarpolitik ist bis heute die einzige wirklich gemeinsame Politik der EG. Das klingt sehr schön, heißt aber im Klartext: [] "Zum Grundpfeiler der Gemeinschaft wurde eine gemeinsame Agrarpolitik gemacht, die wir heute zu den groteskesten und ärgerlichsten Fehlentwicklungen zählen müssen." [] Mit dieser Einschätzung steht Katharina Focke gewiß nicht allein da. Über die Agrarpolitik der EG hat kaum noch jemand eine gute Meinung. Diese Agrarpolitik ist unsinnig, sie ist skandalös und sie ist reformbedürftig. Sie ist schuld daran, daß die EG so gut wie pleite ist. Warum? [] 70 Prozent des gesamten EG-Haushaltes werden in den Agrarmarkt gesteckt - im wahren Sinn des Wortes "hineingebuttert". Der Butterberg ist das unrühmliche Denkmal der EG. Es klingt wie ein Schildbürgerstreich: Manchmal wäre es billiger, die Butter auf den Müll zu kippen, als sie zu verkaufen. Allein im Jahr 1982 haben uns die Milchmarktordnung - Exporterstattungen, Subventionen, Aufkäufe, Lagerung - rund 8 Milliarden Mark gekostet. So kann es nicht weitergehen. [] Die EG garantiert den Bauern die Abnahme ihrer Produkte zu festen Preisen. Dabei läßt sie den bereits wohlhabenden Landwirten große Gewinne zukommen und den wirklich bedürftigen hilft sie wenig. Abnahme-und Festpreisgarantie heißt für die Verbraucher: Unsere Nahrungsmittel sind zu teuer. Denn wir alle müssen auch die Überschüsse mitbezahlen, die Jahr für Jahr mit voller Absicht produziert werden. Die Produktion, die Verarbeitung, die Lagerung der Überschüsse - ja, sogar ihre Vernichtung - kostet viel Geld. Aber damit nicht genug. Der widersinnige Anreiz zur Überproduktion führt auf geradem Weg zur Umweltzerstörung. [] Die konservativen Parteien, die im Europäischen Parlament die Mehrheit stellen, glauben zwar immer noch, diese Art Landwirtschaft sei der beste Bürge für Umwelt- und Naturschutz. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ohne Rücksicht auf Verluste werden Anbauflächen vergrößert. Landschaften bleiben auf der Strecke und die Lebensräume von Vögeln und der Pflanzenreichtum werden vernichtet. Massiver Chemieeinsatz soll die Erträge noch weiter vergrößern. Aber Getreidepflanzen, Obst und Reben werden immer anfälliger gegen Krankheiten und Schädlinge. Außerdem wandern die Dünge- und Pflanzenschutzmittel vom Boden direkt ins Grundwasser. Schlimmer noch. Sie lagern sich auch in den Nahrungsmitteln ab. Unsere Gesundheit ist bedroht und nichts schmeckt mehr so wie früher. Salat, Tomaten, Äpfel - meist geschmacklos und wässrig. [] Der schöne Schein der Handelsklassen trügt. Die innere Qualität der Früchte wird nicht bewertet. Der wohlschmeckende schrumpelige Apfel und die aromatische kleine Tomate sind aus dem Angebot verschwunden. Aber es zeichnet sich ein Trend ab, daß die Verbraucher bereit sind, umzudenken. Eine Wende im Agrarbereich kann nur Erfolg haben, wenn alle ihre Konsumgewohnheiten ändern, wenn die EG ihre Subventionspolitik ändert und wenn die Bauern selbst zur Umkehr bereit sind. Die Initiative muß dabei vom Europäischen Parlament ausgehen. Die Sozialdemokraten haben das Problem erkannt. Ihre Reformvorschläge sind einleuchtend und sofort durchführbar. Deshalb sollte jeder sie unterstützen. [] Wir fordern die Einschränkung der Preisgarantie. Wir fordern für wirklich bedürftige Landwirte direkte Einkommensbeihilfen. Die Umweltbelastung durch die Landwirtschaft und die Verschwendung von Energie dürfen nicht auch noch gefördert werden. Insgesamt gilt: Alle Beihilfen sind auf das Notwendigste zu begrenzen. Nur so läßt sich verhindern, daß die EG-Agrarpolitik im Interesse bestimmter Gruppen der Landwirtschaft betrieben wird und die Verbraucher vernachlässigt werden. Katharina Focke kann der verfahrenen Situation zu recht auch etwas Gutes abgewinnen. [] "Der Zeitpunkt für eine Reform der Agrarpolitik ist günstig, denn der Europäischen Gemeinschaft gehen die Mittel aus. Das zwingt endlich zum Handeln. Dieser heilsame Druck darf nicht von der EG genommen werden. Das heißt auf gut deutsch, daß sie nicht mehr Einnahmen bekommen darf, ehe wirksame Beschlüsse zur Eindämmung der Überschüsse zustande gekommen sind." [] Ein starkes Europa braucht ein starkes Parlament. [] Die direkte Wahl des Europäischen Parlaments 1979 war ein Schritt zur Demokratisierung der Gemeinschaft. Ein erster Schritt. Denn das Parlament ist noch zu schwach. Seine Möglichkeiten für Kontrolle, Mitwirkung und Entscheidung müssen verstärkt werden. [] Wir Sozialdemokraten wollen dem Europäischen Parlament ein erweitertes und verbessertes Haushaltsrecht geben. Wir wollen für die Bürger Europas mehr Einwirkungsmöglichkeiten erreichen und zwischen ihnen und der Europäischen Gemeinschaft mehr demokratische Verbindung und Durchschaubarkeit schaffen. [] Als für Europas Konservative und Liberale der Nationalstaat noch als einer der höchsten politischen Werte galt, war der Gedanke des Internationalismus in der deutschen Sozialdemokratie ebenso fest verankert wie in den Reihen der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Wir wollen niemanden ausgrenzen, aber wir wissen, was uns alle weiterbringt in Europa. Willy Brandt: [] "Das freie Europa braucht Raum für alle gewachsenen Strömungen der europäischen Demokratie, alle müssen sich in ihm zu Hause fühlen können. Doch ist heute noch klarer geworden, daß die EG und Europa starke sozialdemokratische Impulse nötig haben." [] Wir bitten unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, mit der SPD einzutreten: für ein starkes und solidarisches Europa! [] Europa-Wahl 1984. Warum stellen die Sozialdemokraten Katharina Focke an ihre Spitze? [] Katharina Focke erlebte mit sechzehn noch ein ganz anderes Europa. Mit ihrer Familie lebte sie, vor Hitler geflüchtet, im Fürstentum Liechtenstein. Schon in dieser Zeit, vor dem 2. Weltkrieg, beschäftigte sich ihr Vater, der Sozialphilosoph Ernst Friedlaender, mit dem Entwurf einer friedlichen Völkergemeinschaft in Westeuropa. Im Gespräch mit ihm kam sie zu der Überzeugung, daß die Verwirklichung des Friedens nur durch eine Gemeinschaft zwischen demokratischen Nationen möglich ist. In ihrer Doktorarbeit und ihrer Mitarbeit am heutigen Institut für Europäische Politik in Bonn entwickelte sie Konzepte für eine europäische Einigung. [] Weil sie sah, daß der SPD neben dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit eine engagierte Europapolitik wichtig war, entschloß sie sich 1964, mit 42 Jahren, in die SPD einzutreten. [] Sehr viel bedeuteten ihr die Jahre von 1969 bis 1972. Hier arbeitete sie als Parlamentarischer Staatssekretär an der Seite des Bundeskanzlers Willy Brandt, der mit seiner Ostpolitik die Grundlage für den Frieden in Europa bis heute begründet hat: Der deutsche Beitrag zu einer gemeinsamen europäischen Außen- und Friedenspolitik. In dieser Zeit war Katharina Focke für die Beziehungen zu den anderen westeuropäischen Staaten zuständig. Sie bereitete das entscheidende Gipfeltreffen in den Haag 1969 mit vor, mit dem der Beitritt Großbritanniens, Dänemarks und Irlands vorbereitet und grundlegende Beschlüsse für eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion gefaßt wurden. [] Mit ihrem Freund Jean Monnet, dem eigentlichen Inspirator der EG, versteht sie die Gemeinschaft als eine Etappe auf dem Weg zu neuen wirtschaftlichen und politischen Organisationsformen der Welt von morgen. [] 1972 wird sie Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit. In dieser Zeit muß sie miterleben, wie mit der Ölkrise die positive Entwicklung der Europapolitik und die Verständigungsbereitschaft in den europäischen Hauptstädten abnehmen. Aber gerade deshalb entschließt sie sich 1979 zu einer Kandidatur für das erste direkt gewählte Europäische Parlament. [] Und sie geht mit Freude an die Arbeit, sie schätzt vor allem die nationale Vielfalt und die Kontakte zu den vielen außergewöhnlichen Frauen und Männern im Europäischen Parlament. Ärgerlich jedoch sind die kleinkarierten Interessengegensätze der Regierungen und der bürokratische Apparat, an dem so viele gute Forderungen des Europäischen Parlaments oder der Sozialistischen Fraktion auflaufen. Deshalb betrachtet es Katharina Focke als ihre Hauptaufgabe, neue Perspektiven und Organisationsformen für ein Europa der achtziger und neunziger Jahre zu entwickeln. Dazu müssen sich Regierungen, Parteien und Gewerkschaften viel mehr engagieren und besonders die europäische Jugend aus ihrer Mut- und Orientierungslosigkeit herausgerissen werden. Als Spitzenkandidatin will sich Katharina Focke einsetzen "für eine neue Qualität des Zusammenlebens in Europa - um des Friedens, um der Arbeit, um der Umwelt willen". [] Unsere Bürger-Aktionen für ein starkes und solidarisches Europa. [] Unser Wahlkampf zum Europäischen Parlament soll anders sein als andere Wahlkämpfe. Wir wollen nicht so viel Lärm machen und Sie lieber mit Argumenten überzeugen. Wir suchen den Streit in der Sache und verzichten auf den Streit um Worte. Wir wollen statt Reklame das Gespräch mit Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern Europas. [] Deshalb bieten wir in diesem Wahlkampf viele Bürger-Aktionen an. Für alle, die mit uns davon überzeugt sind, daß wir ein starkes und vor allem solidarisches Europa brauchen, wenn wir eine menschenwürdige Zukunft für alle haben wollen. Wir wollen Sie ermuntern, aktiv und erfinderisch zu sein und selbst Politik zu machen. Wir wollen Ihnen zeigen, daß Probleme zu lösen sind. Wir laden Sie ein, teilzunehmen an unserem Wahlkampf für den äußeren Frieden, für Frieden mit der Natur, für den sozialen Frieden, -gegen die Tu-nix-Regierung in Bonn. [] Wir freuen uns, wenn Sie daran Interesse haben und wenn Sie Lust drauf haben mitzumachen.
Published:12.1983