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SAARAUSSCHUSS DER SPD [] INFORMATIONSDIENST [] Nachstehend geben wir Auszüge aus einem Artikel wieder, den der amerikanische Journalist Edwin Hartrich nach einem Besuch in Saarbrücken am 20. Februar 1952 in der großen amerikanischen Zeitung "New York Herald Tribune" veröffentlichte. Er hat nach unserer Auffassung die wirklichen Verhältnisse im Saargebiet klar erkannt. [] Edwin Hartrich schrieb u. a. [] "Etwas scheint hier (in Saarbrücken) vollkommen sicher. In Wirklichkeit verändert die Ernennung von Grandval den gegenwärtigen Status des Saargebietes oder die angekündigten französischen Pläne für dieses Gebiet nur wenig. Die französischen Beamten lassen ihre Absicht den Besuchern gegenüber vollständig klar werden, nämlich eine vollkommene und unangefochtene Kontrolle und Ausbeutung des Kohle- und Stahlreichtums an der Saar beizubehalten und das Saargebiet Deutschland zu versagen. Die Franzosen haben die Gesetze der Saar umgestaltet, um so diese Kontrollen zu verewigen. [] Ob nun Grandval "Botschafter" oder Hoher Kommissar des Saargebietes ist, so besteht kein Zweifel darüber, daß er der eigentliche Machthaber des Saargebietes als Vertreter des Quai d'Orsay ist und bleiben wird. Beweise können überall, wenn nötig, gefunden werden. Zum Beispiel sieht das Bugdet [!] [Budget] des Saargebietes für das Jahr 1952 einen Sonderfonds von 2800000000 Francs für die Gesandtschaft von Grandval vor. Es ist etwas Einmaliges in den Beziehungen ausländischer Mächte, daß ein Land die Ausgaben der "diplomatischen Mission" bezahlt, die bei ihm akkreditiert ist ... [] Trotz Grandvals amtlicher Stellung hat Frankreich die politischen Kontrollen über das Saargebiet so verstärkt, daß sie nur durch Gewalt oder die stärkste Art diplomatischen Drucks wieder gelockert werden können. Außerdem haben die Franzosen in Wirklichkeit die Wirtschaft des Saargebietes zu ihren Gunsten reorganisiert. Sie haben die Kohlenbergwerke und einige der Stahlwerke übernommen, während andere unter französische Verwaltung gestellt wurden. Die großen deutschen Banken und Versicherungsgesellschaften wurden durch neue französische Gesellschaften oder durch schon existierende französische Firmen ersetzt. Das Kreditwesen der Saar steht unter der genauen Aufsicht der von den Franzosen kontrollierten Re-Diskont-Bank, die den Fluß des Kapitals in die pro-französischen Betriebe leiten kann. [] Die besondere Art der französischen Herrschaft hat hier und in Bonn eine steigende Reaktion hervorgerufen, da demokratischer Fortschritt und politische Freiheit auf die Dauer stillschweigend aufs Eis gelegt wurden. Die Presse und der Rundfunk des Saargebietes sind nicht frei, und Anträge von deutschfreundlichen Gruppen, ihnen eine eigene Presse zu gewähren, wurden kurzerhand abgelehnt ... [] Doch völlig unbekümmert über die heutigen Ansichten der Saarländer wird ihre Zukunft durch einige nüchterne, greifbare wirtschaftliche und politische Faktoren und nicht durch ihre eigenen Stimmen oder Wünsche bestimmt. Nach den Wahlen von 1947 wurde von dem französischfreundlichen Parlament der Saar mit 48 gegen 2 Stimmen eine neue Verfassung gebilligt. Dieses politische Kontrollinstrument wurde weiterhin durch ein Abkommen zwischen Frankreich und dem Saargebiet vom 3. März 1950 untermauert, das die besonderen Rechte und Privilegien festlegt, die die Franzosen im Saargebiet haben. Die Franzosen haben der Saarregierung politische Autonomie zugestanden; aber sie behalten das Recht, um gegen jede Bedrohung der Zoll- und Wirtschaftskontrollen Frankreichs, Frankreichs Kontrolle der auswärtigen Angelegenheiten der Saar und ihrer äußeren Sicherheit, oder gegen jeden Versuch der Saarländer, politische Unabhängigkeit zu erlangen, einzuschreiten. Kurz gesagt, verwirkte die jetzige Saarregierung jedes Recht und jede Hoffnung auf politische Unabhängigkeit oder wirtschaftliche Trennung von Frankreich. [] Zum Beispiel verlangt die Verfassung der Saar besonders die politische Trennung von Deutschland, die wirtschaftliche Vereinigung mit Frankreich und gewährt den Franzosen gewichtige Aufsichts- und Interventionsrechte. Der saarländische Strafkodex führt das äußerst nachdrücklich aus. Der Artikel 80 verhängt eine fünfjährige Gefängnisstrafe bei schwerer Arbeit für jeden, "der mit Gewalt oder Drohung von Gewalt versucht, das Saargebiet oder einen Teil desselben einem fremden Lande einzuverleiben"", wobei hier Deutschland gemeint ist. Artikel 81 sieht eine Gefängnisstrafe für jeden vor, "der durch Gewalt oder Drohung versucht, den gegenwärtigen Zustand des Landes oder der Regierung zu ändern, zu entfernen oder abzuschaffen, der auf eine Verfassung gegründet ist", indem man somit eine formal gesetzmäßige Autorität mißbraucht. [] Infolgedessen kann also jeder Saarländer, der dafür arbeitet oder Propaganda treibt, daß das Saarland wieder an Deutschland angegliedert oder daß der gegenwärtige pro-französische Charakter der Saarverfassung und der Regierung geändert wird, vor Gericht gestellt werden. [] Doch die drastische Negation jeder politischen Freiheit innerhalb des Saargebietes ist der Artikel 90 des Strafgesetzbuches. Dieser bestimmt, daß jeder, "der unwahre oder beleidigende Angaben über die Mitglieder der Saarregierung entweder öffentlich oder privat durch Verteilung von gedrucktem Material, Flugblättern oder in irgendeiner anderen Form macht, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird". [] Dieser Artikel beschützt ganz deutlich die Mitglieder der pro-französischen Saarregierung vor jeder Kritik über ihr Verhalten im Amt oder vor jeder Drohung, sie durch eine unzufriedene Wählerschaft von ihrem Posten zu entfernen. Außerdem erfreut sich die französische Sureté nach den Bestimmungen der Konvention vom März 1950 einer obersten politischen Polizeigewalt, um die politischen und wirtschaftlichen Kontrollen Frankreichs vor jeder nicht damit einverstandenen oder irredentistischen Bewegung zu schützen. [] Außer den politischen Kontrollen wird die Kohle- und Stahlindustrie des Saargebietes jetzt vollständig von den Franzosen beherrscht. Die Regie des Mines de la Sarre übernahmen die Kohlenbergwerke auf der Grundlage eines erzwungenen Pachtvertrages für die Dauer von 50 Jahren. Es gibt fünf bedeutende Stahlwerke im Saargebiet. Eines davon gehört dem luxemburgischen Stahltrust ARBED und hat daher keine französischen Maßnahmen zu befürchten. Die Dillingenwerke wurden nach Kriegsende von den französischen Aktionären zurückverlangt. Wer immer den letzten Krieg gewinnt, kommt gewöhnlich in den Besitz dieser Stahlgesellschaft. Die restlichen drei, die Röchlingwerke in Völklingen, die Stummwerke in Neunkirchen und die Mannesmannwerke in Bous, wurden durch die Franzosen einem zermürbenden Krieg über die Mehrheitskontrolle der noch ausstehenden Aktien unterworfen. [] Die Franzosen beanspruchten als Reparation den Wert von 17000000 Dollar, der ihnen von der internationalen alliierten Reparationskommission in Brüssel angeblich zugebilligt war, als "übertragbaren Besitz" (Maschinen, die zu transportieren sind, und andere Ausrüstung für die Stahlgewinnung) für diese drei Eisenwerke. Die Franzosen erklärten sich dazu bereit, auf ihre Ansprüche zu verzichten und die Eisenwerke nicht zu demontieren, so daß sie in ihrer Stahlgewinnung fortfahren konnten. Sie verlangten aber dafür eine Teilhaberschaft von 60 vH an jedem Werk. Als erklärte Alternative sollten diese Eisenwerke sonst als Reparationen demontiert werden. Die Teilhaber der Mannesmannwerke gaben nach. Die der Völklingen- und Neunkirchenerwerke haben bis jetzt Widerstand geleistet. Diese beiden Werke sind "beschlagnahmt" worden und werden von den französischen Verwaltungsbeamten geleitet, als ob sie französisches Eigentum wären. Zum Beispiel hatte die Familie Röchling die Absicht, Völklingen, die größten Stahlwerke des Saargebiets, an einen amerikanischen Konzern, die französisch-amerikanische Wirtschaftsgesellschaft, zu verkaufen. Doch wurde dieses Angebot von den Franzosen solange blockiert, bis ihre Ansprüche auf diese Werke entschieden sein werden. Bis zu dieser Entscheidung haben die Franzosen nachdrücklich betont, daß die Völklinger Stahlwerke unter französischer Verwaltung bleiben werden." [] Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 170
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