Offener Brief des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an die Mitglieder und Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei Deutschlands

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Offener Brief [] des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an die Mitglieder und Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei Deutschlands [] [] Werte Genossinnen und Genossen! [] Die B...

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Main Authors: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), Parteivorstand; Müller, Oskar, Rheinisch-Westfälische Volksdruckerei Düsseldorf
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Published: 1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/D97EBF35-1E9F-44D2-8779-1B151F359116
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Offener Brief [] des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an die Mitglieder und Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei Deutschlands [] [] Werte Genossinnen und Genossen! [] Die Bevölkerung und vor allem die Arbeiterklasse Westdeutschland befinden sich in einer ernsten, ja man darf sagen, unheilvollen Situation. Nachdem die amerikanischen Kriegstreiber bei ihrem Interventionsabenteuer in Korea sowie bei den Wahlen in Frankreich und Italien schwere Niederlagen erlitten haben, betreiben sie jetzt mit höchster Beschleunigung die Remilitarisierung Westdeutschlands, das sie zum Hauptstützpunkt ihrer Kriegsvorbereitungen in Europa machen wollen. Seit dem Petersberg-Memorandum, das von den Hitler-Generalen Speidel und Heusinger ausgearbeitet wurde, wird offen Kurs auf die Wiedereinführung einer Wehrpflicht von zwei Jahren genommen. [] Nach den Erfahrungen von zwei Weltkriegen weiß jeder einsichtige Sozialdemokrat und Gewerkschafter ebenso wie jeder Kommunist, daß aus dieser beschleunigten und umfassenden Remilitarisierung Westdeutschlands die drohende Gefahr eines neuen Krieges erwächst. Jeder von uns muß sich klar darüber sein, was die Remilitarisierung bedeutet. [] Remilitarisierung bedeutet Reaktion. Sie bedeutet die Herrschaft der Konzern- und Bankherren, der alten faschistischen Offiziere und Beamten. Remilitarisierung ist die Wiedererrichtung faschistischer Terrororganisationen und die Schaffung von Soldatenvereinigungen zur Unterdrückung des werktätigen Volkes. [] Remilitarisierung, das bedeutet Krieg! Die Zerstörungsvorbereitungen und die militärischen Anlagen lassen nicht den geringsten Zweifel zu, daß der Eisenhowersche Generalstab diesen Krieg auf deutschem Boden austragen will. Der amerikanische Krieg in Europa würde Deutschland zu einem Leichenfeld und einer Trümmerwüste machen. [] Aus dieser gefahrvollen Situation erwächst der deutschen Arbeiterklasse, ihren Parteien und Organisationen eine riesige Verantwortung, die in der Schaffung der Aktionseinheit als dem dringendsten Gebot der Stunde ihren Ausdruck finden muß. Im Bewußtsein dieser Verantwortung wenden wir, die Vertreter der geeinten Arbeiterpartei der Deutschen Demokratischen Republik, uns an Euch, Genossinnen und Genossen der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei Westdeutschlands. [] Wir wissen, daß sich führende Funktionäre der SPD angesichts der politischen Entwicklung in Westdeutschland die bange Frage vorlegen: Soll sich alles noch einmal wiederholen, was von 1918 zur Hitlerdiktatur und zum Hitlerkrieg führte? - Sollen alle Opfer in den Jahren des grausamen Gestapoterrors umsonst gewesen sein? Sollen die Hitler-Generale an der Spitze einer neuen westdeutschen Armee wieder das politische Geschehen diktieren können? Sollen sich die Staatsstreiche der Herrenreiter und Reichswehr-Generale aus den Jahren 1932/33 wiederholen? Was wird dann aus uns, was aus der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften werden? Ist es nicht an der Zeit, zu prüfen, wohin diese unheilvolle Politik führt? [] In der Tat, die Fragen sind berechtigt. Die Erfahrungen der Weimarer Republik lehren, daß für die wirkliche Macht in Deutschland nicht schwungwolle [!][schwungvolle] Reden von Parlamentstribünen und auch nicht Ministerposten in einigen Länderregierungen ausschlaggebend sind. Heute wird in Westdeutschland die wirtschaftliche und politische Macht des kriegs- und revanchelüsternen Monopolkapitals wiederhergestellt. Die Finanzherren Pferdmenges und Abs, die Großindustriellen Henle und Zangen, Roelen und Kost, die mit Hitler den zweiten Weltkrieg vorbereitet haben, stehen wieder an der Spitze riesiger industrieller Besitzungen und bestimmen die reaktionäre Politik der Bonner Regierung. Die Politik der CDU ebenso wie die der FDP wird in Zusammenkünften mit den Finanzherren und den Herren von Kohle, Stahl und Chemie festgelegt. [] Der "Bundesverband der deutschen Industrie" hat in einem Memorandum vorn 15. März 1951 "die vorbehaltlose Eingliederung der deutschen Wirtschaft in die Gesamtaufgaben" der Kriegsrüstungen des Atlantikpaktes gefordert und erklärt: "Die deutsche Industrie stellt daher in den Mittelpunkt ihres Programmes ihr Angebot an die USA und die übrigen Staaten der westlichen Welt." Die amerikanischen und englischen Imperialisten haben durch ihre gesamte Nachkriegspolitik diesen Herrschaften das Fundament ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht erhalten und gesichert. Vorbei sind die Zeiten, da Dr. Schumacher die sogenannte Entflechtung als "englische prinzipielle Sozialisierung" preisen konnte. Mit der Bildung der sogenannten "Kerngesellschaften" erhalten die Bankherren und Schlotbarone ungeschmälert ihren Besitztitel auf die Kohlen- und Stahlindustrie und die Blutprofite aus dem Hitlerkrieg noch als Zugabe. [] Die amerikanischen Imperialisten wollen die deutschen Imperialisten zu ihren Hauptverbündeten bei den Kriegsvorbereitungen in Europa machen, Diese kriegslüsternen Monopolisten haben ihre alten Pläne der Vorherrschaft in Europa noch nicht aufgegeben und hoffen, sie jetzt unter amerikanischer Oberherrschaft zu verwirklichen. In einer von der Bonner Regierung herausgegebenen illustrierten Flugschrift, "Was bringt der Schumanplan?" wird gesagt: [] "Die Ruhrproduktion, Deutschlands industrielles Herz, wird der Kern der neuen Wirtschaftsgemeinschaft sein ... Von der Seite der Produktion her gesehen ist Deutschland der überragende Partner des Schumanplans ... Auf Kohle und Stahl beruht aber auch die Kriegsmacht eines Volkes. Kein Volk ohne Stahl könnte einen Krieg führen, sei es zum Angriff oder zur Verteidigung." [] Das ist die Sprache der deutschen Imperialisten, deren Herrschaft unser Volk mit Krieg bedroht. Sie sind es, die die Remilitarisierung und die Aufstellung eines neuen Kriegsheeres betreiben. Sie sind es, die die terroristische Unterdrückung der werktätigen Bevölkerung mit Hilfe faschistischer Legionen und Offiziersverbände betreiben, die dem werktätigen Volk die demokratischen Rechte und Freiheiten rauben. Gegen die Herrschaft dieses kriegslüsternen deutschen Monopolkapitals muß sich der gemeinsame Kampf der Arbeiterklasse und aller werktätigen und friedliebenden Menschen richten. [] [] Genossinnen und Genossen der Sozialdemokratischen Partei! [] Wir sind gewiß, daß Ihr diesen Feststellungen, die den unbestreitbaren Tatsachen entsprechen, zustimmen werdet. So mancher von Euch wird aber einwenden, daß Dr. Schumacher und Euer Parteivorstand doch den Kampf gegen die Bonner Regierung des Monopolkapitals führen. Gewiß, sie lassen es an heftigen Reden gegen Adenauer und seine Minister nicht fehlen. Aber sagt selbst: Führt diese "Opposition" etwa zu einem wirksamen Kampf gegen die Adenauer-Regierung? Carlo Schmid erklärte einem Vertreter Eures Zentralorgans, des "Neuen Vorwärts": [] Beide Gruppen aber, und das scheint man häufig auf der gegenwärtigen Regierungsseite zu vergessen, erfüllen staatliche Funktionen ... Darum muß auch, wie es Dr. Schumacher sagte, die Opposition so wirken und handeln, daß sie erbfähig bleibt." [] Der amerikanische Hohe Kommissar McCloy sagte das einfacher, indem er feststellte, daß zwischen der Adenauer-Regierung und der sozialdemokratischen Opposition keine grundsätzlichen Gegensätze bestehen, daß es nur taktische Meinungsverschiedenheiten gibt. Dr. Schumacher will "erbfähig" bleiben, er will also Adenauers imperialistische Politik fortführen. In der Tat: Dr. Schumachers Opposition dient - wenn auch auf andere Weise als Adenauers Remilitarisierungspolitik - der Kriegsvorbereitung, der Vertiefung der Spaltung Deutschlands, der Aufrechterhaltung der Spaltung der Arbeiterbewegung, sie dient der Politik des deutschen Imperialismus. [] Wir wissen, Genossinnen und Genossen, das ist eine schwerwiegende Anklage gegen den Führer einer Partei, die sich sozialdemokratisch nennt. Unsere Verantwortung vor der deutschen Arbeiterklasse gebietet uns jedoch, diese Anklage offen auszusprechen. Ihre absolute Berechtigung wird durch die Stellungnahme Dr. Schumachers und Eures Parteivorstandes zu den Hauptfragen bewiesen, die über das Schicksal Deutschlands entscheiden. [] Ueberall, wo das deutsche Volk befragt wurde, hat sich mit erdrückender Mehrheit gegen die amerikanischen Kriegsvorbereitungen auf deutschem Boden entschieden. Auch Ihr seid gegen die Remilitarisierung und für die Sicherung des Friedens. Dr. Schumacher aber fordert die "Zentralisierung der Streitkräfte der westlichen Welt auf deutschem Boden" und die "Verteidigung Deutschlands durch die Weltdemokratie offensiv nach Osten" ("Neuer Vorwärts", 13. 7. 1951). Das ist nichts anderes als ein Bekenntnis zum Angriffskrieg, zum Ueberfall auf die Deutsche Demokratische Republik, auf das volksdemokratische Polen und die sozialistische Sowjetunion. Dafür fordert Dr. Schumacher die "unbedingte politische, wirtschaftliche und militärische Gleichberechtigung" (ebenda). Mehr noch. Kein anderer als der sozialdemokratische Parteiführer Dr. Schumacher war es, der in seiner Pressekonferenz in Westberlin "Die Neuverteilung der Einflußsphären zwischen den Mächten der Welt" verlangte ("Berliner Anzeiger" 17. 8. 1951). [] Niemand kann bezweifeln, daß das Forderungen der kriegslüsternen deutschen Imperialisten sind. Keineswegs aber ist es eine Forderung nach deutscher Unabhängigkeit, denn Dr. Schumacher tritt zugleich für die amerikanische Führung der alliierten Armeen in Europa ein. [] Von dieser Politik der "offensiven Verteidigung" - also des militärischen Ueberfalls - "nach Osten" behauptet Dr. Schumacher, daß sie "eine Ablehnung des sinnlosen deutschen Opfers und der Politik der verbrannten Erde" wäre. Alles das ist nicht neu. Auch Hitler hat unter der Losung der "Gleichberechtigung" aufgerüstet und am Ende stand der Krieg. [] Auch Hitler hat dem deutschen Volk versichert, mit der "offensiven Verteidigung" habe er den Krieg in andere Länder getragen und Deutschland davor bewahrt, Kriegsschauplatz zu sein. Die Ruinen unserer Dörfer und Städte, das Leid verkrüppelter Frauen und Kinder bezeugen noch heute die Verlogenheit derartiger Behauptungen. Sie sind bei Dr. Schumacher noch verlogener, als sie es bei Hitler schon waren; denn bei der heutigen Weltlage würde jeder europäische Krieg von vornherein Westdeutschland zum Schlachtfeld machen. [] So ist der entschlossene und bedingungslose Kampf gegen jede Remilitarisierung und Kriegsvorbereitung, für die volle Entmilitarisierung ganz Deutschlands zur Lebensfrage des deutschen Volkes geworden. [] Aber, wird vielleicht mancher sozialdemokratische Genosse einwenden, ist Dr. Schumacher nicht wirklich der Herold im Kampf gegen den Schumanplan? Dazu muß man erst klarstellen, was die sogenannte "Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl" eigentlich darstellt. Sie soll der fieberhaften Aufrüstung des Kriegsblocks der Atlantikpaktmächte in Europa die wirtschaftliche Basis geben. Ihre "Hohe Behörde" wird nichts anderes sein als das Vollzugsorgan des Rüstungsproduktionsamtes des Atlantikpaktes, das unter der Leitung des Amerikaners William H. Herod steht, des Präsidenten des Internationalen Elektrotrustes. [] Nach amtlichen Erklärungen hat er "auf dem Gebiet der Rüstungsproduktion die gleiche Stellung wie General Eisenhower auf dem militärischen Sektor". Dieser amerikanische Oberbefehlshaber der Rüstungsproduktion bestimmt Ausmaß und Verwendung der Kohlenförderung und Stahlerzeugung der europäischen Länder. Hat Dr. Schumacher jemals auch nur ein einziges Wort gegen dieses amerikanische Oberkommando der europäischen Rüstungswirtschaft gesagt? Im Gegenteil, der Parteivorstand feiert in der Broschüre "Es geht um die Freiheit" den Atlantikpakt als "ein militärisches Bündnis- und Beistandssystem der Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und aller westeuropäischen Länder". Er tritt für den Einschluß Westdeutschlands an diesen Kriegsblock ein. [] Aber warum betreibt Dr. Schumacher denn Opposition gegen den Schumanplan und eine nationalistische Hetze gegen Frankreich? Weil er als "Oppositionsführer" die Herrschaftsansprüche des deutschen Monopolkapitals noch hemmungsloser vertreten kann als Herr Adenauer, der den Schumanplan unterzeichnet hat. Unter der Losung der "Gleichberechtigung" fordert Dr. Schumacher in der Tat die Vorherrschaft des deutschen Zechen- und Hüttenkapitals in Europa. Mit der Forderung nach schrankenloser Verbundwirtschaft und Erhaltung des deutschen Kohlenverkaufskontor vertritt er die Konzern- und Kartellinteressen der westdeutschen Schlotbarone. Sind das aber nicht "deutsche Interessen", die Schumacher hier vertritt? Nein, es sind die Interessen des kriegslüsternen deutschen Monopolkapitals, für die das deutsche Volk bereits in zwei Weltkriegen mit Blut und Leben, Hab und Gut zahlen mußte. Für ihre Herrschafts- und Profitinteressen begehen die Monopolherren den schlimmsten Verrat und sind bereit, Deutschland unter amerikanischem Oberbefehl in den Abgrund eines dritten Weltkrieges zu stürzen. Zu ihrem Herold macht sich Dr. Schumacher, in dem er sich zur "europäischen Idee" bekennt und dabei Bedingungen zur Sicherung der Vorherrschaft der deutschen Imperialisten in ganz Europa stellt. [] Gegen den Schumanplan kann es für die deutsche Arbeiterbewegung nur den entschlossenen und bedingungslosen Kampf geben. Das ist zugleich der Kampf dafür, daß die Zechen und Hütten an Rhein und Ruhr in die Hand seines einzig rechtmäßigen Eigentümers, in den Besitz des Volkes gegeben werden. Das allein wird eine wirkliche Gewähr sein, daß die Kohlenförderung und die Stahlerzeugung dem Frieden und dem Wohlstand des deutschen Volkes und der europäischen Völker dient. [] Aber, werden vielleicht andere sozialdemokratische Genossen einwenden, hat nicht Dr. Schumacher recht, wenn er sagt, daß die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften mit dem Gesetz über das Mitbestimmungsrecht einen Erfolg errungen haben, der sich nur mit der Erringung des allgemeinen Wahlrechts vergleichen lasse? Vor Vertretern anderer sozialistischer Parteien hat Dr. Schumacher in Frankfurt a. M. geprahlt, das Mitbestimmungsrecht in Deutschland wäre "die einzige hier bisher mögliche Form des sozialistischen Angriffsgeistes". Wir zweifeln nicht an Eurem ehrlichen Glauben, mit diesem Gesetz den Herren von Kohle und Stahl ein Zugeständnis abgerungen zu haben. Prüfen wir jedoch, was es wirklich bringt. [] Das Mitbestimmungsrecht tastet das alleinige Bestimmungsrecht der Großaktionäre, die das sogenannte Wahlorgan bilden, nicht im geringsten an. Sie haben die volle Möglichkeit, sich in jedem Aufsichtsrat der unter das Mitbestimmungsgesetz fallenden Betriebe eine Mehrheit aus willfährigen Kreaturen zu sichern. Von den 11 Mitgliedern dieser Aufsichtsräte darf nur ein Arbeiter und ein Angestellter aus der Grube oder dem Hüttenwerk selbst kommen. Diesen zwei Betriebsvertretern stehen vier Vertreter der Aktionäre, je ein "neutraler Vertreter" der Aktionäre und der jeweiligen Gewerkschaft, zwei Gewerkschaftsvertreter und ein "überparteilicher" Vorsitzender gegenüber, bei dessen Bestimmung das Wahlorgan der Aktionäre in jedem Falle das letzte Wort hat. Die beiden Konzessionsschulzen aus der Belegschaft können - sogar wenn sie die Unterstützung der beiden Gewerkschaftsvertreter haben - die berechtigten Ausbrüche der Arbeiter niemals gegen die Mehrheit aus Unternehmervertretern, "Neutralen" und dem Vorsitzenden durchsetzen. Wie das ein "dritter Weg" zum Sozialismus oder eine "Form sozialistischen Angriffsgeistes" sein soll, bleibt für jeden Arbeiter mit fünf gesunden Sinnen unerfindlich. Weitaus zutreffender dürfte ein Eingeständnis sein, das Dr. Schumacher vor der Bundespressekonferenz in Bonn entschlüpft ist: [] "Die Mitbestimmung ist auch für die Großunternehmer die beste und letzte Chance." ("Neuer Vorwärts", 14. 4. 1951). [] Die beste Chance für die Großunternehmer, für die Wehrwirtschaftsführer Hitlers, aber kann nie und nimmer eine Chance für die Arbeiter sein. Die ständige Verschlechterung der Lage der Werktätigen in Westdeutschland ist ein überzeugender Beweis dafür. [] Trotz Rüstungsproduktion sinkt die Massenarbeitslosigkeit selbst nach offiziellen Angaben nicht unter 1½ Million. Die Rüstungslieferungen haben in der verarbeitenden Industrie in steigendem Maße Kurzarbeit und Feierschichten zur Folge. Rund ein Drittel aller Arbeiter und Angestellten hat ein Monatseinkommen von weniger als 100 DM. Die Preise, die Steuern, die Abgaben aber gehen ununterbrochen in die Höhe. Mit dieser ständigen Verschlechterung ihrer Lebenslage bezahlen die westdeutschen Werktätigen die Rüstung Adenauers und die von Dr. Schumacher geforderte "Zentralisierung der Streitkräfte der westlichen Welt auf deutschem Boden". Darum drängen die Massen der Arbeiter und Angestellten zum Kampf um höhere Löhne. Seit einem Vierteljahrhundert gab es in Deutschland nicht so viel Tarifkündigungen wie im letzten Jahr. Aber noch keine dieser offiziellen Tarifkündigungen hat zum Einsatz der gewerkschaftlichen Kampfmittel, zur Erzwingung der berechtigten Forderungen der Arbeiter und Angestellten durch umfassende Massenstreiks geführt. Noch stets haben der sozialdemokratische Parteivorstand und der Bundesvorstand des DGB den Kampfwillen der Massen abgewürgt, ihre Forderungen entweder ganz preisgegeben oder faule Kompromisse geschlossen. Wer wie Dr. Schumacher die "offensive Verteidigung nach Osten" fordert, wer wie Christian Fette den Schumanplan und den militärischen Beitrag Deutschlands zum Kriegsblock des Atlantikpaktes anerkennt, der kann eben auch die berechtigten Forderungen der werktätigen Menschen nicht mehr vertreten, der muß sie den Kriegsvorbereitungen zum Opfer bringen. Nur da, wo der einheitliche Wille der Arbeiter den DGB-Führern einen Strich durch die Rechnung machte, wurden Erfolge erzielt. Das bedeutendste Beispiel dafür lieferten die Bergarbeiter, die 12 Prozent Lohnerhöhung durchgesetzt haben. Es kommt jetzt darauf an, den Kampf für diese Forderungen in allen Industriezweigen auszulösen. [] Der Kampf um Lohn und Brot, um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen ist heute zwangsläufig ein Kampf gegen die Lasten der Remilitarisierung, der Aufrüstung und des Schumanplans. Soll dieser Kampf aber erfolgreich geführt werden, so müssen sich Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter zu einer festen Aktionseinheit zusammenschließen. [] Doch Euer Parteivorstand sagt Euch, sozialdemokratische Genossen, es gehe um die Freiheit. Für sie müsse man Opfer bringen, ja man müsse sogar bereit sein, sie offensiv zu verteidigen. Diese Freiheit, die Ihr im Massengrab eines neuen Krieges finden sollt, ist jedoch wenig verlockend. Darum wird diese heuchlerische Losung stets mit einer demagogischen Hetze gegen die Deutsche Demokratische Republik, gegen die volksdemokratischen Länder und die Sowjetunion verbunden. [] Die Freiheit, die Dr. Schumacher meint, ist allerdings nicht unsere und auch nicht Eure Freiheit. [] In der Bundesrepublik haben Hitlers Wehrwirtschaftsführer die Freiheit erhalten, erneut zum Krieg zu rüsten, scharfmacherische Unternehmerverbände zu gründen, reaktionäre Parteien und faschistische Terrorgarden zu finanzieren. Die Reaktionäre besitzen bereits heute die Freiheit, Kinder zu verfolgen und zu drangsalieren, die sich zur Erholung in die Deutsche Demokratische Republik begeben. Sie haben die Freiheit, junge Menschen zu terrorisieren. niederzuschlagen und zu erschießen, die sich zu den III. Weltfestspielen der Jugend und Studenten für den Frieden in die Hauptstadt Deutschlands, Berlin, begaben. [] Wir haben diese Konzernherren für ihre Verbrechen am deutschen Volke bestraft und enteignet. Dafür haben wir den Arbeitern und Angestellten die Freiheit gegeben, ihre Betriebe selbst zu verwalten, ihr Können frei zu entfalten, zum Wohle des Volkes das Beste zu leisten. [] Bei Euch haben die junkerlichen Generale, diese Steigbügelhalter Hitlers, wieder die Freiheit, reaktionäre Offiziersbünde und faschistische Legionen zu organisieren, neue Fememordverbände aufzubauen und die Jugend für einen neuen Krieg zu drillen. Allerdings, diese Freiheit haben wir ihnen genommen. Wir haben sie für ihre Kriegsverbrechen bestraft und enteignet. Dafür haben wir den werktätigen Bauern vom Joch der Junkerherrschaft befreit, haben ihn zum freien Herrn des Bodens gemacht. [] Bei Euch haben die Söhne der Großunternehmer und Junker die Freiheit, die Hochschulen und Universitäten zu bevölkern, schlagende Verbindungen zu schaffen und sozialistische Studenten zu drangsalieren. Allerdings, diese Freiheit haben wir ihnen genommen. Wir haben dafür den Söhnen und Töchtern der Arbeiter und Bauern die Freiheit gegeben, sich fortzubilden, die Hochschulen und Universitäten zu besuchen, sich auf die großen Aufgaben in unserer volkseigenen Wirtschaft und in unserem gesamten staatlichen und kulturellen Leben vorzubereiten, das entscheidend durch die Kraft unserer geeinten Arbeiterpartei bestimmt wird. [] Die Freiheit der Monopolherren ist eben eine andere als die des Arbeiters, die Freiheit des Kriegshetzers eine andere als die des Friedensfreundes. [] Als die SRP in Niedersachsen im Mai dieses Jahres einen Wahlerfolg erzielte, antwortete der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Kubel auf die Frage, warum die Landesregierung diese neofaschistische Partei nicht verboten habe: [] "Die niedersächsische Landesregierung hat es abgelehnt, die Sozialistische Reichspartei zu verbieten, da ihr die Rechtsgrundlagen für ein solches Vorhaben fehlen." ("Neuer Vorwärts", 11. 5. 1951). [] Dieselbe sozialdemokratische Koalitionsregierung aber verbot auf Weisung Adenauers - ebenso wie alle anderen Länderregierungen - wider alle verfassungsmäßigen Grundrechte die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung und für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland sowie die Freie Deutsche Jugend. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verhalf der Adenauer-Regierung sogar zur Annahme des sogenannten Blitzgesetzes. Nach diesem Terrorgesetz kann jedes Auftreten gegen die Kriegsvorbereitungen der Bonner Regierung, jede Kritik an ihr oder an ihren Organen als Hochverrat oder Vorbereitung dazu bestraft werden. Mit seiner Hilfe sollen Streiks gegen die Remilitarisierung verboten und jeder Meinungsaustausch zwischen Ost und West unterbunden werden. [] Genossen von der Sozialdemokratie! Laßt Euch nicht von der Versicherung irreführen, dieses Terrorgesetz richte sich nur gegen die Kommunisten. Heute trifft es die KPD die FDJ oder andere Friedenskämpfer, aber vielleicht morgen schon Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Hat es nicht auch in der Weimarer Republik mit dem Republikschutzgesetz begonnen, das anfangs nur gegen die Kommunisten Anwendung fand, um schließlich bei dem unverhüllten Terror der Gestapo zu enden? [] Noch ist es nicht zu spät, ihn zu vermeiden. [] Das aber erfordert den gemeinsamen Kampf der Sozialdemokraten und Kommunisten, der Gewerkschafter und unorganisierten Arbeiter gegen jeden Anschlag auf ihre sozialen Rechte und demokratischen Freiheiten, gegen die geplante Wehrpflicht und alle Formen der Remilitarisierung, gegen jede Verschlechterung ihrer Lebenshaltung. Für diesen gemeinsamen Kampf muß in den Betrieben und Gewerkschaften, Gemeinden, Kreisen und Ländern, kurz überall, wo sich Gelegenheit dazu bietet, die Aktionseinheit von Sozialdemokraten und Kommunisten geschaffen werden. [] Dr. Schumacher verhandelt hinter verschlossenen Türen mit Heuß, Adenauer und sogar mit den Hitlergeneralen Speidel und Heusinger. Die DGB-Führer sitzen im "Paritätischen Ausschuß für Löhne und Preise" mit den übelsten Scharfmachern in trauter Arbeitsgemeinschaft zusammen. Euch aber, sozialdemokratische Genossen und Gewerkschaftskollegen, wollen dieselben Leute verbieten, daß Ihr mit Euren kommunistischen Genossen und Kollegen, die mit Euch das gleiche Los teilen, dir genau wie Ihr unter Teuerung und Steuerdruck leiden zusammenkommt und mit ihnen die nächsten Maßnahmen gegen die steigende Not und die Remilitarisierung beratet. Im gemeinsamen einheitlichen Vorgehen aller Arbeiter, der Sozialdemokraten und Kommunisten, Gewerkschafter und Christen, aber liegt ihre stärkste Waffe. Sie kann nur durch die gegenseitige Verständigung geschmiedet werden. Ueber alle Meinungsverschiedenheiten hinweg müssen diese Aussprachen zwischen Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter in den Betrieben und Ortsverbänden zustandekommen. [] [] Genossinnen und Genossen der Sozialdemokratischen und Kommunistischen Partei! [] Wir betrachten die Herstellung der Aktionseinheit zwischen Euch als die entscheidende Aufgabe der Arbeiterbewegung in Westdeutschland. Darum richten wir unser mahnendes Wort auch an die Kommunisten. Noch haben bei weitem nicht alle Kommunisten die ganze Dringlichkeit und zwingende Notwendigkeit des gemeinsamen Vorgehen und des einheitlichen Kampfes mit ihren sozialdemokratischen Genossen erkannt. Noch gibt es nicht wenige Kommunisten, die ihre sozialdemokratischen Kollegen mit Schumacher und Ollenhauer gleichstellen, die nicht sehen wollen, daß der Sozialdemokrat ebenso wie sie selbst unter den Folgen der Kriegsvorbereitungen, unter Teuerung und kapitalistischer Rationalisierung leidet und von der Kriegsgefahr bedroht ist. Noch gibt es nicht wenige Kommunisten, die es unterlassen, in den Gewerkschaften kühn und unermüdlich für die Forderungen ihrer Kollegen und für die Organisierung des gewerkschaftlichen Kampfes einzutreten. [] Wir stehen nicht an, vor der gesamten westdeutschen Arbeiterklasse zu erklären, daß solche Kommunisten ihre höchsten Pflichten gröblichst verletzen und nicht würdig sind, Mitglieder der Partei Ernst Thälmanns zu sein. In seinem Geist fordern wir von allen Kommunisten die kameradschaftliche Verständigung mit Ihren sozialdemokratischen Kollegen und Genossen für den gemeinsamen Kampf. [] Zur Verteidigung der Lebensinteressen der Arbeiterklasse und zur Rettung unseres Volkes vor Militarismus und Krieg kann und muß die Verständigung über alle sonstigen Meinungsverschiedenheiten hinweg erzielt werden. Niemand darf dabei eine andere Bedingung stellen als die, daß der Kampf für die gemeinsamen Forderungen einheitlich und im gegenseitigen Vertrauen geführt wird. Daraus wird jene feste Aktionseinheit erwachsen, die die Arbeiterklasse Westdeutschlands befähigen wird, an der Spitze aller werktätigen und friedliebenden Menschen erfolgreich für den Frieden und für die demokratische Einheit unseres Vaterlandes zu kämpfen. [] [] Für den gemeinsamen Kampf der Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaften sehen wir folgende Aufgaben: [] 1. Die geplante Wiedereinführung der Wehrpflicht soll unter Bruch des Bonner Grundgesetzes geschehen. Darum ist es die vordringliche Aufgabe aller friedliebenden Deutschen, den Kampf um die allgemeine Volksbefragung über die Remilitarisierung mit verstärkter Kraft fortzuführen. Das verfassungsmäßige Recht aller friedliebenden Deutschen, ihre Stimme gegen die Rekrutierungsgesetze der Hitlergenerale Adenauers abzugeben, muß erzwungen werden. [] 2. Der Dienst in allen getarnten und offenen militärischen Formationen ist zu verweigern. Eine breite Aufklärungskampagne muß dafür sorgen, daß sich kein junger Deutscher für diese Kriegsvorbereitungen gegen sein eigenes Volk mißbrauchen läßt. [] 3. Die Konzernherren von Kohle, Stahl, Eisen und Chemie sind erneut die Einpeitscher des Militarismus und der Kriegsvorbereitung. Der Friede kann dem deutschen Volk nur gesichert werden, wenn diese Rüstungsherren enteignet und ihre Gruben, Hütten und Werke in die Hände des Volkes gegeben werden. [] 4. Verweigerung jeder Rüstungsproduktion und jedes Transports von Kriegsmaterial. [] 5. Kampf gegen die Lasten der Remilitarisierung und Kriegsvorbereitungen, für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen unter Führung frei gewählter Streikleitungen. [] 6. Gemeinsame Verteidigung aller demokratischen Rechte und Freiheiten, Abwehr aller terroristischen, Anschläge des faschistischen Innenministers Dr. Lehr und seiner Helfershelfer gegen die Organisationen der Arbeiter und Friedenskämpfer. [] 7. Gemeinsamer Schutz und solidarische Hilfe für alle Arbeiter und Friedenskämpfer, die von den Terrormaßnahmen der Bundesregierung und ihrer ausführenden Organe betroffen werden. [] 8. Kampf für die sofortige Entlassung und Bestrafung aller landesverräterischen Generale und Offiziere, die die deutsche Jugend an fremde Heerführer ausliefern und für fremde Interessen sterben lassen wollen. [] 9. Auflösung und Verbot aller reaktionären, militaristischen Verbände und Bünde, die den Geist des Krieges und der Revanche züchten und die friedliebende Bevölkerung terrorisieren. [] [] Genossinnen und Genossen! Der Friede wird dem deutschen Volk so lange nicht endgültig gesichert sein, so lange keine gesamtdeutsche Verständigung erfolgt und kein Friedensvertrag mit ganz Deutschland geschlossen ist. Als die Partei der Arbeiterklasse, die in der Deutschen Demokratischen Republik entscheidende Positionen innehat, erklären wir der organisierten Arbeiterschaft Westdeutschlands noch einmal, daß wir zu einer gesamtdeutschen Verständigung über die demokratische Einheit Deutschlands und über gemeinsame Forderungen in die Siegermächte für den Abschluß eines Friedensvertrages nach wie vor bereit sind. [] Wir appellieren noch einmal an Euch, Genossen der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei, weil wir fest davon überzeugt sind, daß die in der Aktionseinheit zusammengeschlossene Arbeiterklasse auch die Kraft hat, eine gesamtdeutsche Verständigung zu erzwingen und den Weg zum Abschluß eines Friedensvertrages zu bahnen. Die Arbeiterklasse Westdeutschlands hat eine hohe Verantwortung für die Erhaltung des Friedens, für die Rettung der deutschen Nation vor der Gefahr eines neuen Krieges, der durch die amerikanischen, englischen und deutschen Imperialisten heraufbeschworen wird. [] Genossinnen und Genossen! Wir hoffen, mit unserem Offenen Brief dazu beizutragen, daß die Arbeiterbewegung Westdeutschlands den Weg zur Verständigung und Einheit findet, damit sie sich auf der Höhe ihrer Aufgaben erweist. [] Es lebe die Aktionseinheit der Sozialdemokraten und Kommunisten Westdeutschlands! Es lebe der Kampf gegen Remilitarisierung und Krieg! [] Es lebe der Kampf der deutschen Arbeiterklasse für ein einheitliches, friedliebendes und demokratisches Deutschland! [] Berlin, im September 1951. [] Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands [] Herausgeber: PV der KPD. Verantwortlich: Oskar Müller, MdB, Bonn. Druck: Rheinisch-Westf. Volksdruckerei, Düsseldorf
Published:1951