Handelspolitische Flugblätter der "Nation" Nr. 1. . Die Wirkungen der Handelsverträge von 1892 und 1894

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic!; [?] = vermutete Leseart Handelspolitische Flugblätter der "Nation." [] Nr. 1. [] Die Wirkungen der Handelsverträge von 1892 und 1894. [] Um die Mitte des Jahres 1895 traten 2 hochgeborene Grafen vor das deutsche Volk und...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Reimer, Georg, H.S. Hermann, Berlin / Georg Reimer, Berlin
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: ca. 1900
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/9C2162E1-346D-40B2-9FF9-48E1E6BBFABD
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic!; [?] = vermutete Leseart Handelspolitische Flugblätter der "Nation." [] Nr. 1. [] Die Wirkungen der Handelsverträge von 1892 und 1894. [] Um die Mitte des Jahres 1895 traten 2 hochgeborene Grafen vor das deutsche Volk und Predigten ihm handelspolitische Buße. [] Der Eine, Graf Strachwitz, erklärte: "Die Tagesgeschichte hat das endgiltige Urtheil über die Handelsverträge gesprochen; es lautet dahin, daß sie für Deutschland einem verlorenen Kriege gleichkommen." [] Und der Andere, Graf Kanitz, konstatirte, daß sämmtliche Handelskammerberichte den totalen Mißerfolg der Handelsverträge zugäben. [] "Das deutsche Volk" - fügte der erstere Graf hinzu - "ist sich dieser Thatsache innerhalb aller Produzirenden Stände voll bewußt und wird darnach handeln." [] Und Graf Kanitz handelte, indem er es durchsetzte, daß der "Ausschuß zur Vorbereitung von Handelsverträgen" seinen ehrlichen Namen aufgeben mußte und "Ausschuß zur Vorbereitung wirtschaftlicher Maßnahmen" genannt wurde. [] Die Aeußerung des Grafen Kanitz bezüglich der Handelskammerberichte war schon damals den Thatsachen schnurstracks widersprechend. Alle großen Handelskammern und kaufmännischen Korporationen, die großen und kleinen des Ostens ohne jede Ausnahme, erkannten schon damals den Segen der Handelsverträge an; es gibt wohl in ganz Deutschland heute nicht mehr eine einzige, die nicht die Fortführung der Handelsvertragspolitik als unerläßlich für das wirtschaftliche Gedeihen des Vaterlandes ansähe. [] Selten ist [?] ferner [?] ein [?] Prophet [?] von [?] den [?] Thatsachen [?] so [?] widerlegt [?] worden, wie Graf Strachwitz mit seiner Prophezeiung des totalen Mißerfolges der Handelsverträge. Denn nie zuvor hat Deutschland einen so allgemeinen, kräftigen und nachhaltigen wirthschaftlichen Aufschwung genommen wie seit dem Abschluß des Handelsvertragswerks von 1892 und 1894. [] "Ein verlorener Krieg" kostet Menschen und ein wirthschaftlich verlorener, eine niedergehende Konjunktur, äußert sich in verstärkter Auswanderung, in Verringerung der Geburtenüberschüsse über die Todesfälle. [] Während nun in den beiden letzten Jahren vor den Handelsverträgen von 100 000 Einwohnern in Deutschland jährlich 219 auswanderten, fiel die Zahl in den Jahren 1898/99 auf 42 jährlich; die Auswanderung ist also auf weniger als ein Fünftel zurückgegangen. Wurden 1890 in Deutschland nur 560 247 Menschen mehr geboren, als starben, so in 1898: 846 871. [] Der Geburtenüberschuß ist in weniger als 10 Jahren um 51 Prozent gestiegen. [] Kamen damals auf 10 000 Einwohner jährlich 256 Todesfälle, so 1898 nur noch 218; ein weiterer Beweis für die Besserung der Lebenshaltung der breiten Schichten des Volles in dieser Zeit. [] Um 6 735 000 Menschen hat sich in diesem verlorenen Kriege Deutschlands Bevölkerung bisher vermehrt; bis zum Ablauf der Handelsverträge werden es volle 10 Millionen sein. [] Es gibt keine thörichtere Auffassung als die, daß der Handelsverkehr mit einem Lande für uns nachtheilig sei, weil unsere Ausfuhr zu ihm hinter unserer Einfuhr von dort zurückbleibe, weil wir ihm gegenüber eine passive Zahlungsbilanz haben, daß wir deshalb verarmen müßten, denn der Ueberschuß der Einfuhr müsse mit Geld bezahlt werden. [] Wäre das richtig, so müßten wir im Laufe der letzten 10 Jahre um nahezu 9-10 Milliarden Mark ärmer geworden sein; statt dessen haben wir in dieser Zeit mehr als 3/4 Milliarden Mark an Gold und Silber mehr ein- als ausgeführt; das ist aber nur ein verschwindender Bruchtheil dessen, um was wir reicher geworden sind: nicht nur viele Milliarden ausländischer Wertpapiere, auch viel Grundbesitz und industrielle Anlagen, Handelsunternehmungen im Ausland sind im deutschen Besitz, das Ausland muß uns auch an Schiffs- und Eisenbahnfrachten, an Vermittelungsspesen ec. fortwährend große Summen entrichten, die wir zur Bezahlung des Ueberschusses der Einfuhr verwerthen. [] Gegenüber der Mehrzahl der Staaten, mit denen wir in den Jahren 1892/94 Handelsverträge abgeschlossen haben, war die Einfuhr immer großer als die Ausfuhr; nur im Verkehr mit der Schweiz war es stets anders. Rechnet man die Einfuhr und die Ausfuhr*) dieser sämmtlichen Staaten zusammen, so ergibt sich, daß wir von denselben 1690 für [] *) Sämmtliche Ein- und Ausfuhrziffern beziehen sich auf den Spezialhandel unter Ausschluß von Edelmetallen. [] 776 Mill. Mark, 1891 für 739 Mill. Mark mehr einführten, als ausführten, daß 1898 aber der Einfuhrüberschuß nur 641 und 1899 gar nur 554 Mill. Mark betrug; unsere Handelsbilanz den Vertragsstaaten gegenüber hat sich also um 135 bezw. um 185 Mill. Mark gebessert. Die Einfuhr aus denselben ist von 1890 bis 1899 von 1757 Mill. Mark auf 2018 Mill. Mark, die Ausfuhr von 981 Mill. Mark auf 1464 Mill. Mark gestiegen. Da die gesammte Ausfuhr Deutschlands in dieser Zeit um rund 1 Milliarde Mark gestiegen ist, kommt auf die nach den Vertragsstaaten nahezu die Hälfte der Zunahme. [] Zur Herstellung des sich in diesem Zeitraum ergebenden Mehrwerths unserer Ausfuhr waren rund 1. Mill. Arbeiter nothwendig, die ca. 1 ½ Mill. Angehörige ernährten; für die Lebensbedürfnisse dieser ausschließlich für die Ausfuhr Thätigen sorgen wiederum fast 800 000 Arbeiter, auf die eine weitere Million an Angehörigen, entfällt. Also über 4 Millionen Menschen fanden ihren Unterhalt direkt und indirekt in der Arbeit für die Zunahme unserer Ausfuhr seit Abschluß der Handelsverträge. [] Betrachten wir die einzelnen Staaten, mit denen wir Handelsverträge abgeschlossen haben. Zunächst Oefterreich-Ungarn. Der Vertrag soll ja ganz schlecht sein, weder Oesterreich noch uns genutzt haben. [] Unsere Einfuhr von dort betrug in den beiden letzten Jahren vor dem Handelsvertrag 582 und 569 Mill. M., 1898 und 1899 dagegen 627 und 715 Mill. Mark, nachdem sie allerdings in den Jahren 1892-97 ziemlich gleich geblieben war. [] Die [?] größte [?] Steigerung [?] hat [?] nach [?] Menge [?] und [?] noch [?] viel [?] mehr [?] nach [?] Werth [?] die [?] Einfuhr von Holz aus [?] Oesterreich erfahren, die heut [...] Gesammtwerths [?] der Einfuhr von dort ausmacht, damals nur 1/13; die Werthzunahme [?] beträgt 75-80 Millionen Mark. Die Einfuhr von Eisenerzen hat sich verdreifacht, dem Werth nach vervierfacht, die von Braunkohlen ist um 40 Mill. Zentner oder 331/3 Prozent, dem Werth nach um 30 Mill. Mark, die von Eiern um 400 000 Ztr. oder 65 Prozent, dem Werth nach um 14 Mill. Mark oder 43 Prozent gestiegen. Allein bei diesen 4 Waarengattungen, die für unsere Volkswirthschaft ganz unentbehrlich sind, macht der Mehrwerth der Einfuhr seit Abschluß der Handelsverträge 126 Mill. Mark oder 90 Prozent des ganzen Mehrwerths aus. [] Wir müssen die meisten dieser Produkte Oesterreich heut viel theurer bezahlen, als vor dem Abschluß des Handelsvertrags: wir können sie eben von anders her auch nicht billiger beziehen; und die Steigerung der Preise für gleichartige Inlandswaaren ist dieselbe; das entkräftet den Vorwurf, daß die Inlandspreise regelmäßig durch die Einfuhr gedrückt würden. Auch Malz, dessen Einfuhr allerdings um 35 Prozent zugenommen hat, ist im Werth um 8 Mill. Mark oder 55 Prozent gestiegen. [] Unsere Ausfuhr nach Oesterreich-Ungarn werthete 1890: 332 Mill. Mark, 1891: 331 Mill. Mark, dagegen 1898: 426 Mill. Mark, 1899: 450 Mill. Mark, sie ist also seit Bestehen des Handelsvertrags um 94 bezw. 119 Mill. Mark gestiegen. [] Bei dieser Ausfuhr nehmen Steinkohlen und Kokes die erste Stelle ein; deren Export dorthin um 44 Mill. Zentner oder um 66 Prozent der Menge nach, um 24 Mill. Mark oder 54 Prozent dem Werth nach gestiegen ist; namentlich in den Jahren 1893-96, als der inländische Absatz schlesischer Steinkohlen einen starken Rückgang erfuhr, war der steigende Absatz nach Oesterreich für den schlesischen Bergbau vom höchsten Werth. An Büchern, Karten und Musikalien stieg gleichzeitig unsere Ausfuhr nach Oesterreich um 13.3 Mill. Mark, an Farbendrucken, Stichen, Zeichnungen und Gemälden um 6 Mill. Mark, an Maschinen um 10 Mill. Mark, an Instrumenten um 1 Mill. Mark, an Eisen und Eisenwaren um 4.7 Mill. Mark, an Alizarin, Anilin und andern Teerfarbstoffen um 4 Mill. Mark, an nicht besonders genannten chemischen Fabrikaten um 2.8 Mill. Mark, Waaren aus edlen Metallen um 2.3 Mill. Mark u. s. w. [] Gewiß ist die Ausfuhr mancher Industrieerzeugnisse nach Oesterreich zurückgegangen, weil inzwischen die eigene Industrie daselbst erstarkt ist und die Zölle zu hoch sind; gewiß werden manche auch in stärkerem Maß als früher von Oesterreich nach Deutschland ausgeführt, im großen Ganzen aber ist auch dieser vielgeschmähte Handelsvertrag für uns von entschiedenem Vortheil gewesen. [] Der Handelsvertrag mit Italien hat die deutsche Ausfuhr etwas, wenn auch nicht stark belebt; das liegt einmal an der ungünstigen wirthschaftlichen Lage, in die Italien durch seine finanzielle Mißwirtschaft und finanzielle Bedrückung gerade der wenigst leistungsfähigen Schichten des Volkes gekommen ist, theils an der steigenden industriellen Entwickelung und den immer noch übermäßig hohen Schutzzöllen. [] Unsere Einfuhr aus Italien ist von 1890-99 von 133 auf 193 Mill. Mark gestiegen; davon entfielen allerdings 79 Mill. Mark auf die Einfuhr von Rohseide gegen 54 Mill. Mark der Jahre 1890/1; an Südfrüchten führen wir von dort für fast 21 Mill. Mark gegen 7.2 Mill. Mark vor zehn Jahren ein, an Nüssen und Maronen für 2.4 Mill. Mark gegen 1.2 damals; die Weineinfuhr beträgt trotz der Zollermäßigung nur 3/7 derer von 1889; und beim Abschluß des Handelsvertrages prophezeite man in Winzerkreisen von der Zollermäßigung auf Verschnittweine den Ruin des deutschen Weinbaues. Die Einfuhr von Hanf ist um rund 5 Mill. Mark gestiegen, hat sich fast verdoppelt, die von Eiern um 6 Mill. Mark, die von Trauben und Weinbeeren um [?] 4.8 [?] Mill. Mark, von Schwefel um 1.3 Mill. Mark. Allein auf diese Rohstoffe oder Halbfabrikate, von denen doch niemand behaupten kann, daß durch deren Einfuhr unsere Landwirtschaft oder Industrie geschädigt wird, entfallen mehr als 7/8 der Einfuhrvermehrung. [] Unsere Ausfuhr nach Italien weist von 1890 bis 1899 eine Steigerung von 87.5 auf 111.8 Mill. Mark auf, an welcher Zunahme Eisen und Eisenwaren mit 3.7 Mill. Mark, Maschinen, Instrumente und Fahrzeuge mit 5.1 Mill. Mark, gefärbte Rohseide mit 4 Mill. Mark, Leder und Lederwaaren mit 1.9 Mill. Mark, Anilin mit 3.2 Mill. Mark, Bücher, Musikalien, Stiche, Farbendrucke mit 1.3 Mill. Mark betheiligt sind. [] Immerhin haben also wichtige Industriezweige ihre Ausfuhr nach Italien steigern können: der Antheil Deutschlands an der Gesammteinfuhr Italiens ist von 10.9 Prozent in den Jahren 1889/91 auf 12.1 Prozent in den Jahren 1896/3 gestiegen, während England an derselben heut nur noch mit 18.6 Prozent gegen 21.8 Prozent in 1839 betheiligt ist. [] Also selbst Italien gegenüber ist das Resultat des Handelsvertrags für uns ein verhältnißmäßig günstiges. [] Belgien führte 1890 für 314.4 Mill. Mark, 1891 für 247.1 Mill. Mark Waaren zu uns aus; 1898 dagegen für 197 Mill. Mark, 1899 für 243 Mill. Mark. Die Zunahme im letzten Jahr kommt zu 2/5 auf Wolle und Kohlen. Gleichzeitig stieg die Ausfuhr Deutschlands nach Belgien von 152 Mill. Mark auf 207 Mill. Mark. [] Der wichtigste Einfuhrartikel ist Wolle mit 82.5 Mill. Mark im letzten Jahr gegen 1890/1 mehr 15.3 Mill. Mark. Selbstverständlich kommt Belgien nur als Durchfuhr- und Veredlungsland für Wolle, Wollwäscherei, Wollkämmerei in Betracht: dagegen ist die Einfuhr von Wollgarnen um 2.6 Mill. Mark zurückgegangen, die von Eisen und Eisenwaaren hat sich um 3.7, die von Blei und Bleiwaaren um 5,5, die von Steinkohlen und Kokes um 10.2, die von Leinengarn um 1.8 Mill. Mark vermehrt. [] Unsere Ausfuhr nach Belgien übertrifft in allen Industrieerzeugnisseu - ausgenommen Blei, Zink, Steine, Leinengarn und Leinenwaaren sowie Oel - die Einfuhr von dort bei Weitem und ist in ständigem Zunehmen. [] Seit 1891 hat sich unser Antheil an der belgischen Gesammteinfuhr von 10 auf 13 Prozent erhöht. Also auch hier wiederum ein sehr gültiges Resultat des Handelsvertrages. [] Die Schweiz war Anfang der 90er Jahre dem Beispiel aller sie umgebenden Staaten gefolgt und war ins schutzzöllnerische Lager übergegangen, wenngleich ihre Zölle erheblich hinter denen der Nachbarstaaten zurückblieben. Deutschland konnte bis Schluß 1891 seine Erzeugnisse noch zu dem früheren niedrigeren Vertragstarif einführen; mit dem neuen Handelsverträge traten auf Seite der Schweiz nicht unwesentliche Zollerhöhungen ein, die zu lebhaften Klagen mancher Industriezweige Anlaß gaben; freilich sind die jetzigen Schweizer Zölle viel niedriger als die deutschen. Unsre Einfuhr aus der Schweiz ist von 167.9 Mill. Mark in 1890 auf 163.4 Mill. Mark in 1899, also um ½ Mill. Mark, unsere Ausfuhr gleichzeitig von 175.5 Mill. Mark auf 280.4 Mill. Mark, also um 105 Mill. gestiegen. [] Während die Einfuhr [?] [...] nur in Baumwollgarnen um [?] 2.4 Mill. Mark, [?] in [?] Taschenuhren und Gehäusen [?] um 4.4 Mill. Mark, und in Käse um 1.6 Mill. Mark nennenswerth gestiegen ist, zeigt dieselbe in den wichtigsten Einfuhrartikeln, so in Seide, einen beträchtlichen Rückgang (um 7.8 Mill. Mark). [] Dagegen ist die deutsche Ausfuhr von Fabrikaten fast aller Industriezweige nach der Schweiz erheblich gestiegen, was in erster Linie auf den Zollkrieg zwischen Frankreich und der Schweiz zurückzuführen ist. Die Befürchtung, daß mit dessen Beilegung ein Theil des gewonnenen Absatzes uns wieder verloren gehen würde, hat sich nicht bestätigt, im Gegentheil nimmt unsere Ausfuhr dorthin stetig zu. Die Schweizer Kundschaft ist schwer zu gewinnen, bleibt aber, einmal gewonnen, auch treu. [] Unsere Ausfuhr würde noch mehr gestiegen sein, wenn sie nicht in Vieh, Kartoffeln, Obst, Mehl, Malz, Holz und Häuten einen Rückgang zeigte, der aber lediglich darauf zurück zu führen ist, daß bei dem stärkeren Verbrauch in Deutschland für die Ausfuhr weniger übrig bleibt. Die Schweiz ist in Eisen und Eisenwaaren mit 41.5 Mill. Mark einer unserer besten Abmehmer [!], ebenso in Brennstoffen mit 30.3 Mill. Mark, in Baumwoll- und Leinenwaaren mit 25 Mill. Mark, in wollenen Garnen, Tuchen und Wollwaaren mit 21.5 Mill. Mark, in Seidenwaaren mit 14.2 Mill. Mark, in Kleidern, Leibwäsche und Putzwaaren mit 14.6 Mill. Mark, in Instrumenten und Maschinen mit über 12 Mill. Mark, in Glas, Porzellan und Thonwaaren mit 6.3 Mill. Mark, in Papierwaaren, litterarischen und Kunstgegenständen mit 15.7 Mill. Mark, in Droguen, Apotheker- und Farbwaaren und Chemikalien mit 19.2 Mill. Mark, in Kautschukwaaren mit 3.6 Mill. Mark, in Material- und Spezereiwaaren mit 12.8 Mill. Mark, in Leder- und Lederwaaren mit 12.6 Mill. Mark u. s. f. [] Es ist erstaunlich, wie aufnahmefähig dieses kleine, industriell selbst so hoch entwickelte Land für industrielle Erzeugnisse ist, der beste Beweis dafür, daß es für unsere Ausfuhr keine Gefahr, sondern ein Vortheil ist, wenn die Länder, nach denen wir ausführen, immer reicher werden, sich auch immer mehr industriell entwickeln: freilich ist es nothwendig, daß man seine Handelsbeziehungen nicht gewaltsam stört. Wenn wir dem Rath unserer Agrarier und Hochschutzzöllner gefolgt wären, so wären wir, ebenso wie Frankreich, mit der Schweiz in einen Zollkrieg gekommen, von dem England, Italien und Belgien den Vortheil, wir den Nachtheil gehabt hätten. [] Rumänien hat in seiner Bedeutung für die Einfuhr nach Deutschland seit dem russischen Handelsvertrag erheblich abgenommen; führte es 1893 für 83 Mill. Mark Produkte nach Deutschland ein, so im letzten Jahr nur noch für 26.8 Mill. Mark. Auch unsere Ausfuhr nach Rumänien weist seit Beendigung des Zollkrieges mit Oesterreich-Ungarn einen Rückgang auf, der übrigens auch sehr auf die letzten schlechten Ernten daselbst zurückzuführen ist; sie ist von 38.7 Mill. Mark in 1890, und 50.8 Mill. Mark in 1891, auf 37.1 und 34.8 Mill. Mark in 1898/9 zurückgegangen, wovon alle Industriezweige - am stärksten seine Lederwaaren, Seiden und Halbseiden, sowie Wollwaaren und Herrenhüte - betroffen sind. Immerhin ist Deutschland an der rumänischen Einfuhr noch in erster Linie, stärker sogar als Oesterreich-Ungarn betheiligt. [] Uebergehen wir die minder wichtigen Handelsverträge mit Aegypten und Columbien und betrachten zum Schluß, wie der Handelsvertrag mit Rußland gewirkt hat. [] Da Rußlands (durchweg, einschließlich Finland) Ausfuhr neben Holz ganz vorwiegend aus Getreide und Spinnstoffen (Flachs und Hanf) besteht, so ist der Werth der deutschen Einfuhr von dort, je nach dem Ausfall der russischen und der deutschen Ernten, außerordentlich verschieden; so ging er von 734.7 in 1893 auf 635 Mill. Mark in 1899 zurück, nachdem er 1896 nur 628 Mill. Mark betragen hatte; aber auch schon 1891 die hohe Ziffer von 579 Mill. Mark erreicht hatte. [] Die Einfuhr von Getreide und anderen Erzeugnissen des Landbaues, die 1891 schon 296.6 Mill. Mark betragen hatte, erreichte 1898 mit 341 Mill. Mark ihren höchsten Stand, um im nächsten Jahre auf 232.6 Mill. Mark zurück zu gehen, worunter für mehr als 90 Mill. Mark zu Fütterungszwecken, für 20.4 Mill. Mark Leinsaat und fast 10 Mill. Mark andere Sämereien. Ein Fünftel der Einfuhr besteht aus Holz, die mit 131.6 Mill. Mark Werth 1898 ihren höchsten Stand erreichte, und im folgenden Jahr auf 111.8 Mill. Mark zurückging. Es folgen Eier mit 37.4 Mill. Mark, lebendes Federvieh mit 20 Mill. Mark, Pferde mit 18 Mill. Mark, Flachs, Hanf und Haare mit 40.5 Mill. Mark, Kleie mit 22 Mill. Mark, Oelkuchen mit 15.1 Mill. Mark, Häute und Felle mit 32 Mill. Mark, Haare, Federn, Borsten mit 16.9 Mill. Mark, Petroleum mit 17.9 Mill. Mark, Oel und Fette mit 15.2 Mill. Mark, Kautschuk mit 17.3 Mill. Mark, Blasen, Magen, Därme mit 8.7 Mill. Mark, Kaviar mit 5 Mill. Mark, Manganerze mit 7 Mill. Mark und Schweine mit 4.9 Mill. Mark. [] Die Einfuhr setzt sich also nahezu ausschließlich aus Rohprodukten zusammen, welche wir für unsere Industrie, sowie zur Ernährung unserer Bevölkerung nicht entbehren können, und die, falls sie uns Rußland nicht liefert, wir von einem anderen Lande beziehen müssen, wie dies während des Zollkrieges der Fall war, ohne daß irgend Jemand in Deutschland einen Vortheil, im Gegentheil alle Theile erhebliche Nachtheile hatten. [] Unsere Ausfuhr nach Rußland ist seit dem Jahr 1892, wo sie mit 129.8 Mill. Mark ihren Tiefstand erreicht hatte, ununterbrochen bis auf 365.7 Mill. Mark gestiegen, hat sich demnach in dieser Zeit nahezu verdreifacht. [] Unsere Ausfuhr von Instrumenten, Maschinen und Fahrzeugen nach Rußland<NZ>ist m diesem Zeitraum von 11.8 auf 67.2 Mill. Mark gestiegen, hat sich also fast versechsfacht, die von Eisen und Eisenwaaren stieg von 13 auf 62.7 Mill. Mark, die [...] auf 14.8, bei Kleidern und Leibwäsche von 0.8 auf 5.6, Kurzwaaren und Quincaillerien von 2.8 auf 10.6, Leder und Lederwaaren von 2.4 auf 7.5, bei litterarischen und Kunsterzeugnissen, Papierwaaren von 5.2 auf 16.5, Wollengarne von 2.25 auf mehr als 8 Mill. Mark, Wollwaaren von 2.5 auf 5.6, Zink und Zinkwaaren von 1.7 auf 5.4, bei Drogen, Chemikalien, Farbwaaren, deren Ausfuhr heut 60 Mill. ausmacht gegen 22.6 Mill. Mark in 1892 und 18.3 Mill. Mark in 1893. [] Kurz, wo wir Hinsehen, eine glänzende Entwickelung, die auch von Handel und Industrie willig anerkannt wird, wie aus allen Berichten der Handelskammern, aus zahllosen einzelner Industrieller klar hervorgeht. [] Daß für eine ganze Reihe von Waaren auch jetzt eine Ausfuhrmöglichkeit nach Rußland noch nicht vorhanden ist, muß ohne weiteres zugegeben werden; bei dem Neuabschluß eines Handelsvertrages werden wir eben sehen müssen, von Rußland weitere Zollnachlässe zu erlangen. Ein solcher Erfolg kann aber nicht erreicht werden durch eine Erhöhung unserer Zölle auf russische Ausfuhrartikel; im Gegentheil ist zu befürchten, daß dieselbe von Rußland mit der Rückkehr zum starren Absperrungssystem beantwortet werden würde. [] Nicht jeder Industrielle kann sich für den Export einrichten, aber alle haben den Vortheil davon, denn ohne ihn würden die Preise im Inland durch Überproduktion aufs Aeußente gedrückt werden; die Ausfuhr schafft die Entlastung des innern Marktes von der den Inlandsverbrauch übersteigenden Produktion. [] Die Ausfuhr gerade da gesichert und gefördert zu haben, wo sie am schwersten bedroht war, ist das große Verdienst, welches sich die damaligen leitenden Staatsmänner Deutschlands erworben haben; ohne diese That würde die gegenseitige Absperrung der Staaten immer weitere Fortschritte gemacht haben und wären wir außer Stande gewesen, unserer stark wachsenden Bevölkerung Arbeit d. h. Brot zu verschaffen. [] Die den Handelsverträgen feindliche Richtung will dem Volk das Brot vertheuern und die Arbeit verschränken. Siegt sie, so haben wir später Menschen statt Waaren zu exportiren. Dabei hat sie die Stirn, das "nationale Wirtschaftspolitik" zu nennen. [] Der Verlag der "Nation" (Georg Reimer, Berlin W., Lützowstraße 107/108) stellt dies Flugblatt weiteren Kreisen zum Preise von 10 Mark für die ersten 1000 Stück, zum Preise von 5 Mark für jedes weitere 1000, zur Verfügung. [] Verlag von Georg Reimer, Berlin W., Lützowstraße 107/108. - Druck von H. S. Hermann in Berlin.
Published:ca. 1900