Sozialdemokraten Deutschlands! Vereinigt Euch

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic!; [?] = vermutete Leseart Sozialdemokraten [] Deutschlands! [] Vereinigt Euch! [] Worte zur Verständigung der beiden sozialdemokratischen Parteien [] Von Eduard Bernstein. [] Wir stehen jetzt in einer ganz anderen Situation wie vor...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: N.N.
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 12.1918
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/2645B96D-F533-44CD-BBF4-D5DB47B03D76
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic!; [?] = vermutete Leseart Sozialdemokraten [] Deutschlands! [] Vereinigt Euch! [] Worte zur Verständigung der beiden sozialdemokratischen Parteien [] Von Eduard Bernstein. [] Wir stehen jetzt in einer ganz anderen Situation wie vor dem Kriege. [] Jetzt muß der Parteihader begraben werden! [] Was trennt denn die beiden sozialdemokratischen Parteien? [] Wir können doch denen auf der anderen Seite nicht bestreiten, daß sie Sozialdemokraten sind, und daß sie sozialdemokratische Ziele haben. Ihr könnt die Politik der Mehrheitler verurteilen, aber Ihr könnt ihnen die sozialdemokratische Gesinnung nicht absprechen. Was sie auch getan haben mögen, sie haben nicht nur stets beteuert, daß sie internationale Sozialdemokraten geblieben sind, sondern sie haben wiederholt die Hand zu internationalen Konferenzen geboten. Nicht die Grundsätze und nicht das Ziel trennen uns von den Mehrheitssozialisten, sondern nur bestimmte Methoden des Kampfes. Das ist durchaus nichts Geringes. [] Den Anlaß zur Spaltung gab bekanntlich die Bewilligung der Kriegskredite. Noch heute bin ich der Überzeugung, daß die Bewilligung ein großer politischer Fehler gewesen ist. Ich mache es mir zum größten Vorwurf, daß ich am 4. August 1914 für dte [!] Bewilligung nicht nur gestimmt, sondern auch gesprochen habe. Ich habe das Unheil der Welt gesehen, das die Abstimmung herbeigeführt hat. [] Aber so leidenschaftlich ich das empfunden [?] habe, [] niemals habe ich den anderen den guten [?] Glauben abgesprochen. [] Die Frage lag doch außerordentlich kompliziert. Wenn wir jetzt sehen, wie sich der Imperialismus in Frankreich und England gebärdet, wer will dann sagen, daß die Mehrheitssozialisten in jeder Hinsicht im Unrecht waren? [] So leidenschaftlich ich auch den Gegensatz zwischen beiden Richtungen empfand, habe ich Ostern 1917 in Gotha doch gegen die Gründung einer eigenen Partei der Unabhängigen gesprochen und gestimmt. Eben so Kautsky und Haase. Ich, der ich seit 41 Jahren Sozialdemokrat bin, kenne aus eigener Anschauung die alten Kämpfe zwischen Lassalleanern und Eisenachern und habe eifrig mitgekämpft. Ich hätte 1874 nicht geglaubt, daß wir ein Jahr später wieder zusammengehen würden. Es ist geschehen, trotz der Erbitterung, trotz des Hasses, womit sich die beiden sozialdemokratischen Richtungen bekämpft hatten. Das ist, meine ich, lehrreich genug. [] Nach dem Beschluß von Gotha hatten wir drei sozialdemokratische Parteien: Die alte Partei, die Unabhängigen und die Spartakusgruppe. Dazu kam im Jahre 1917 [] der Einfluß des russischen Bolschewismus [] auf Deutschland. Die Diktatur des Proletariats war die Losung. [] Das, was die ursprüngliche Parteimehrheit und die Unabhängigen getrennt hatte, war durch die revolutionären Ereignisse zum größten Teil verschwunden. [] Jetzt kommt es zu allererst darauf an, feste, geordnete Zustände in Deutschland zu schaffen. Wir müssen Frieden haben, damit wir wieder wirtschaften können. Habt Ihr so geringes Vertrauen in die Macht der Arbeiterklasse, daß sie ihren Willen nicht durchsetzen kann? Was nutzt Euch denn die Räterepublik? Geht es denn den Arbeitern in Rußland besser als uns? Da stehen die Fabriken still. Da herrscht nicht das Proletariat, sondern eine Minderheit übt mit Hilfe von bezahlten Garden eine despotische Herrschaft aus. Die Folge: [] mit Riesenschritten gehts in Rußland rückwärts. [] Zwei Drittel der deutschen Arbeiter leben von der Industrie. Kommt es bei uns wie in Rußland, dann wird die Industrie vernichtet und die Arbeiter verlieren die Grundlage ihrer Existenz. Das größte Elend wird eintreten und dann kommt die Reaktion und die Gegenrevolution. [] Wir können die Republik nur dann sicherstellen, wenn wir zusammenarbeiten, Schulter an Schulter. [] Was steht dem Zusammenarbeiten entgegen? Auf der einen Seite Personenfragen. Aber wenn so Großes auf dem Spiele steht, darf man es an Personenfragen scheitern lassen? Wenn Parteien zusammengehen, dann muß jede von ihnen die Personen annehmen, die die andere als ihre Vertrauensleute vorschlägt, was man auch sonst gegen diese Personen haben mag. Es trennen uns auch sachliche Differenzen: Aber darin sind wir einig: Die Demokratie muß befestigt und ausgebaut, die Wirtschaft muß schrittweise sozialisiert und in der Zwischenzeit muß dafür gesorgt werden, daß unsere Wirtschaft nicht zugrunde geht. Die Hoffnung der Spartakusgruppe auf die Weltrevolution ist eine Spekulation ins Unbestimmte. In Frankreich und England stehen wir nicht vor der Revolution. Noch weniger in den Vereinigten Staaten. Entweder sie sind Demokraten, oder sie kommen zur Diktatur einer Minderheit wie in Russland, [] dann haben sie den Massenmord. [] Zu solchen Gewaltmaßnahmen führt die Logik der Tatsachen, wenn man nicht die Demokratie will. Wer keine Gewalt will, wer an der Demokratie festhalten und sie organisch fortentwickeln will, der muß sich dafür entscheiden, daß wir Sozialdemokraten Schulter an Schulter arbeiten müssen. Es kann nicht sofort die Verschmelzung der beiden Parteien erfolgen. Erst müssen sich die politischen Differenzen noch weiter verringern. Die Gegensätze zwischen beiden Parteien müssen auf sachliche Fragen beschränkt und diese müssen demokratisch und in brüderlicher Weise erörtert werden. Wenn wir uns das zum Grundsatz machen, dann können wir alle gegen die Revolution gerichteten Bestrebungen mit vollem Erfolg bekämpfen. Wenn nicht, dann ist die Gegenrevolution da. Wenn Karl Marx seinerzeit sagte: "Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!", so rufen wir heut: [] Sozialdemokraten [] Deutschlands! [] Vereinigt Euch!
Published:12.1918