Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; vgl. auch Signatur 6/FLBL002623, gleiches Flugblatt nur anderer Herausgeber und andere Druckerei
Herrn Max Reimann [] Düsseldorf [] [] GERHART EISLER [] Berlin, den 5. Juli 1949 [] [] Lieber Max Reimann! [] Als ich im Brixton-Gefängnis in London saß, da schriebst Du mir, daß Du alles tun würdest, um mich freizubekommen, sodaß ich nach Deutschland zurückkehren könne. [] Nun bin ich frei, und Du bist im Gefängnis. Deine Hand kann ich immer noch nicht drücken, und das Wiedersehen mit Dir altem Kameraden muß ich noch weiter verschieben. [] Als Du in den Gefängnissen und Konzentrationslagern Hitler-Deutschlands warst und kein Wort über Dein Schicksal zu erfahren war, da bangte ich sehr um Dich. Würdest Du mit dem Leben davonkommen und wenn ja, in welchem Gesundheitszustand würdest Du die für uns alle so traurige und furchtbare Zeit überstehen? [] Eines war für mich klar: Was sie Dir Immer auch antun würden, Deinen Mut und Deine Treue zu einer großen Sache würden sie nicht brechen können. Du mit allen anderen Helden des Widerstandes gegen die Barbarei warst ein Beweis dafür, daß es nicht wahr ist, wenn überall gesagt wird, daß alle Deutschen immer vor irgend einer Reaktion kapitulieren, sei es vor unserer eigenen, sei es vor einer fremden. [] Und nun bist Du wieder im Gefängnis, krank, infolge der erlittenen Mißhandlungen und Entbehrungen in Hitlers Kerkern, und Du bist verhindert, im Wahlkampf Deine Pflicht zur Aufrüttelung der Deutschen zu tun. [] Was für eine Schande für die britischen Behörden, einen Mann wie Dich unter so lächerlichen Vorwänden ins Gefängnis zu werfen. Was für eine Schmach für die Militär-Behörden eines Landes, daß sich demokratisch nennt, einen Mann ins Gefängnis zu werfen, weil er von einem demokratischen Grundrecht, "der Meinungsfreiheit", Gebrauch machte. Es scheint, daß sich diese Herren fürchten vor einem Deutschen, der für den Frieden eintritt statt für den Krieg, der nicht bereit ist, sich zu verkaufen, das Maul zu halten, wenn es Pflicht ist, anzuklagen: [] Anzuklagen die neuen Kriegshetzer, anzuklagen die Spalter Deutschlands, anzuklagen die Räuber des Ruhrgebietes, anzuklagen das Verbrechen der Demontage, anzuklagen die deutschen politischen Stiefelputzer der Lords und Sir's und der britischen Pfeffersäcke, dieser Helden der Schmutzkonkurrenz, die uns mit ihren "großen" kolonialen Erfahrungen der Degradierung von Menschen in sich bekämpfende und gegenseitig den Hals abschneidende deutsche Hindus und Mohammedaner verwandeln wollen, wobei sie um Beifall bittend auf ihre amerikanischen Oberherren schielen. [] Aber lieber Max, es wird Dich freuen zu wissen, daß die große Masse der wirklichen englischen Demokraten, des großen englischen Volkes und besonders die englischen und schottischen Arbeiter auf Deiner Seite stehen. Es wird Dich freuen zu wissen, daß Dein Fall in der ganzen Welt gewaltige Entrüstung hervorgerufen hat. [] Ich habe eben in zwei Dutzend großen Versammlungen vor vielen zehntausenden Arbeitern, Bauern und Bürgern in der Ostzone gesprochen, vor Menschen der verschiedensten politischen und religiösen Überzeugung. Glaube mir, es gibt keine Differenzen in ihrem Protest gegen Deine Behandlung. Eine große Welle der Bitterkeit, der Verachtung gegen Deine Kerkermeister gehen durch unser Land. Die kann man nicht spalten, sie geht über alle Zonengrenzen und sie schlägt klatschend jenen ins Gesicht, die an Deiner Einkerkerung die Schuld tragen und sie aufrecht erhalten. [] Lieber Max Reimann, meine brüderlichen Grüße an Dich muß ich aus der Ferne an Dich richten. Aber ich und unzählige Millionen sind Dir nahe, ganz nahe. [] Wir tun alles, um Dich zu befreien. Wir tun alles, um jene zur Besinnung kommen zu lassen, einen Augenblick wenigstens, die ihre kolonialen Methoden nun an uns ausprobieren wollen und die nun im Zeitalter des Verlustes von Kolonien uns zum Kolonial-Ersatz in Europa ernennen wollen. [] In alter Freundschaft und mit großem Respekt [] Dein Gerhart Eisler [] [] Abs: Gerhart Eisler, Berlin [] Herausgeber: Parteivorstand der KPD, Verantwortlicher: Karl Schabrod, MdL. Volksdruckerei GmbH., Hannover, Rosenstr. 7
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