Liebe Wählerin, lieber Wähler!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Liebe Wählerin, lieber Wähler! [] Für die Sozialdemokratische Partei im Wahlkreis Calw-Freudenstadt-Horb wurde ich als Kandidat bestimmt. [] Ich wurde am 26. August 1899 in Rotenburg (Han.) geboren, besuchte dort die Volks- und Mittelschule u...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Haake, H., Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/5E5001DD-FA5C-438D-92A6-B1A90D32BB38
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Liebe Wählerin, lieber Wähler! [] Für die Sozialdemokratische Partei im Wahlkreis Calw-Freudenstadt-Horb wurde ich als Kandidat bestimmt. [] Ich wurde am 26. August 1899 in Rotenburg (Han.) geboren, besuchte dort die Volks- und Mittelschule und später die Oberschule in Bremen. [] Schon als Junge mußte ich in der Landwirtschaft der Eltern mithelfen und vom zehnten Lebensjahr ab als Milchausträger mit verdienen. Auch bei den Nachbarn, einem Schreiner und einem Schmied, half ich nach besten Kräften. [] Während des ersten Weltkrieges arbeitete ich im Hilfsdienst zeitweise als Kohlentrimmer im Bremer Freihafen, zeitweise in der Landwirtschaft meiner Eltern, bis ich zum Militärdienst eingezogen wurde. [] Ich bin jetzt Miterbe der elterlichen Landwirtschaft und langjähriges Mitglied des Schwäbischen Heimatbundes, denn ich bin seit 20 Jahren in Schwaben heimisch. [] Mein beruflicher Werdegang: [] Ich wurde Verwaltungsbeamter des gehobenen Dienstes und legte die erforderlichen Examen ab. [] Nachdem ich mich in meinem Beruf sehr bewährt hatte und schon einige Jahre ständiger Vertreter eines Landrats war, trat ich im Jahre 1929 aus religiös-ethischen Motiven der SPD als Mitglied bei und stemmte mich mit allen Kräften der damals bekanntlich von Jahr zu Jahr stärker anschwellenden politischen Umsturzflut entgegen. [] Ich wurde deshalb nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus aus meinem Amt beseitigt und fortan in einer niedrigeren Stellung beschäftigt. Infolge meiner starken Abhängigkeit als Beamter wurde ich im Dritten Reich zwangsläufig zum "Mitläufer". [] Nach dem Waffenstillstand setzte ich mich für die Neugründung der SPD ein, wurde als Liegenschaftssachbearbeiter im Jahre 1947 nach Hirsau versetzt und bereiste dienstlich und außerdienstlich in den seitdem vergangenen Jahren die Kreise Calw, Freudenstadt und Horb. Ich bin also im Wahlkreis kein Unbekannter. [] Infolge meines Werdeganges besitze ich einen umfassenden Überblick über alles, was in meinem Wahlkreis von Bedeutung ist: über die Angelegenheiten der staatlichen und der Selbstverwaltung, über die Sorgen der Landwirtschaft und des Handwerks, über die industrielle Besiedlung, über die Bedürfnisse der sozialen Fürsorge und mancherlei anderer Gebiete. [] Wenn Sie mir Ihr Vertrauen schenken, so werde ich mich bemühen, es durch meine Tätigkeit in jeder Hinsicht zu rechtfertigen. [] Ihr H. Haake [] Das Ergebnis der Bundestagswahl von 1949 war eine Regierung, die innenpolitisch gegen die SPD und außenpolitisch ohne die SPD regierte [] Die Folge war eine zunehmende Verschärfung der Gegensätze im Innern, außenpolitisch aber eine bedenkliche Aufspaltung deutscher Politik. [] Einige Tatsachen zur Innenpolitik: [] Die Umsatzsteuer wurde von 2% auf 4% erhöht. [] Die Folge: eine enorme Belastung des Haushaltungsgelds der breiten Verbraucherschichten. Eine gerechte Steuerpolitik schont die wirtschaftlich Schwachen und zieht die wirtschaftlich Starken mehr heran. Die Bundesregierung aber machte das Gegenteil, sie erhöhte die Verbrauchssteuern und ermäßigte die direkten Steuern. Wie die Einnahmen des Bundes gedeckt wurden, zeigt folgende Tabelle: [] 1949 zu 48 % aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, zu 52 % aus allgem. Verbrauchssteuern [] 1951 zu 39 % aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, zu 61 % aus allgem. Verbrauchssteuern [] Die kleinen Sparer wurden bei der Währungsreform enteignet, das Aktienkapital dagegen wurde geschont. Folgende Übersicht zeigt das klar: [] Spareinlagen des Volkes [] 1 Tag vor der Währungsreform 71 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 3,6 Milliarden [] Aktienbesitz [] 1 Tag vor der Währungsreform 21 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 17 Milliarden [] Trotz der Propaganda um das sogenannte deutsche Wirtschaftswunder hinken die Löhne hinter den Kapitalgewinnen drein. Wahrend die industrielle Lohnquote von 1936 auf 1951 um mehr als 100% fiel, stieg die Bruttogewinnquote im selben Zeitraum um mehr als 10% an. [] Eine vierköpfige Arbeiterfamilie muß 44%, eine zwei/dreiköpfige Rentnerfamilie sogar 50,5% ihres Einkommens allein für Lebensmittel ausgeben. Steigende Preise und Verbrauchssteuern machten jede kleine Erhöhung des Lohnes wett. Die Rentenempfänger werden durchweg mit viel zu niederen Renten abgespeist. [] 931000 Angest.-Vers.-Rentner erhalten durchschn. 70.70 DM [] 3,2 Millionen Sozialrentner erhalten durchschn. 58.50 DM [] 1,8 Millionen Fürsorgeempfänger erhalten ganze 38.- DM [] Insgesamt sind es etwa sechs Millionen Menschen, die mit ihren Angehörigen von Bezügen leben müssen, die unter dem Existenzminimum liegen. Auf der anderen Seite ermöglichte es die Steuerpolitik der Bundesregierung, daß über 10000 Personen nach Abzug ihrer Steuern [] über ein Einkommen von mehr als 65000 DM [] verfügen können, und dies nach einer Währungsreform, nach der alle mit 40.- DM in der Hand dastanden. Im sozialdemokratisch regierten Schweden geht es gerechter zu. Dort ehrt man das Alter durch eine Volkspension von 4886.- Kronen = 3909.- DM im Jahr. Wahrend bei uns an den notwendigsten Sozialausgaben gespart wird, behauptet Bundesfinanzminister Dr. Schäffer, ohne neue Steuern [] 10 Milliarden für die neue Aufrüstung [] aufbringen zu können. Gegen denselben Minister erzwang die SPD auch die Senkung der Kaffee- und Teesteuer. Immer mußte es zu Kampfabstimmungen im Bundestag kommen, bevor sich die Regierungsparteien zu kleinen Verbesserungen bereit fanden. Meist aber wurden die Vorschlage der SPD stur niedergestimmt. [] Es ist derselbe Pharisäer-Geist, [] der auch in der Außenpolitik den Gegensatz zwischen Regierung und Opposition immer schärfer hervortreten ließ. Von Anfang an betrieb die Regierungskoalition unter dauernder Ausschaltung der SPD ihre sogenannte [] Politik der Stärke. [] Man behauptet, nur dadurch könne man Rußland zum Entgegenkommen zwingen. Diese Auffassung wurde durch die jüngsten Ereignisse glatt widerlegt. Durch diese Politik kam immer wieder [] neues Elend über die Menschheit [] und die Gefahr, daß es auch diesmal so sein wird, ist viel größer, als man wahrhaben will. [] Wir warnen das Volk vor Adenauers Rüstungspolitik! [] Jede Regierung, die sich einbildet, sich nur auf Divisionen verlassen zu brauchen, hat diese Auffassung mit dem Blut ihres Volkes bezahlen müssen. [] Wollt Ihr wieder Kanonen statt Butter? [] Wer mit seinem Stimmzettel die Fortsetzung dieser CDU-Politik ermöglicht, lädt eine ungeheure Verantwortung auf sich. [] Noch ein Wort zum sogenannten "Nein-Sagen der SPD": Wir nehmen diesen Vorwurf deshalb ernst, weil er für viele Wähler etwas Bestechendes haben mag. Die Außenpolitik der Bundesregierung war keine Politik aus deutschem Willen, sondern war der Wunsch der westlichen Alliierten. Unsere Hinweise auf die Verfassungswidrigkeit dieser Politik wurden in den Wind geschlagen. Die von uns beantragte [] Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde hintertrieben. [] Da diese Entscheidung immer noch aussteht, kann die SPD aus politischen und verfassungsrechtlichen Gründen dieser Politik weder ganz noch teilweise folgen. Unser Nein ist die logische Folge des Verhaltens des Bundeskanzlers und seiner Regierung, die ausländische Presse und Staatsmänner besser unterrichtete als die eigenen Landsleute. [] Dr. Kurt Schumacher sagte einmal: "Wenn einer seine Jacke beim ersten Knopf falsch zumacht, dann ist nachher der ganze Anzug nicht in Ordnung." So ist es auch mit der Außenpolitik Adenauers. [] Liebe Wählerinnen und Wähler! Sie werden in diesen Tagen viel Propagandamaterial erhalten. Für die CDU wird es von der Industrie bezahlt, denn diese Kreise haben ein lebhaftes Interesse an der Fortsetzung dieser Politik. [] Wir können Sie nur noch einmal auf die Ergebnisse der letzten vier Jahre verweisen und Sie aufrufen, daraus auch politische Schlußfolgerungen zu ziehen. Es liegt in Ihrer Hand, diesen Kurs zu ändern. Die SPD und ihre Kandidaten versprechen keine Wirtschaftswunder für die oberen Zehntausend, sondern arbeiten unermüdlich für das große Ziel: Soziale Sicherheit für alle, für Frieden in Freiheit. [] Wählen Sie den Kandidaten und die Liste der SPD [] Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
Published:06.09.1953