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Für die Wiedervereinigung Deutschlands [] Der Aufstand der deutschen Bevölkerung in Ost-Berlin und der sowjetisch besetzten Zone gegen Unfreiheit und Unterdrückung hat die Spaltung Deutschlands wieder in den Brennpunkt der außenpolitischen Auseinandersetzungen gerückt. Was hat sich in Ost-Berlin und der Ostzone ereignet? Nach jahrelanger Unterdrückung, nach Ausbeutung und Terror haben sich die arbeitenden Menschen gegen die sowjetischen Machthaber erhoben und die Wiederherstellung der Menschenrechte gefordert. [] Ausgehend von dem Protestmarsch der Bauarbeiter in der Frankfurter Allee, überspringend auf den Ostsektor Berlin, und von da aus wie ein Lauffeuer sich ausbreitend über das ganze mitteldeutsche Gebiet, sich immer neu entflammend in Magdeburg, Jena, Erfurt, Leipzig und vielen anderen Städten und kleineren Orten, entwickelte sich der Aufstand für Freiheit und Recht, gegen Terror und Unterdrückung, gegen Panzer und Maschinengewehre. Die Sowjets sind durch diesen Ausbruch überrascht worden. Nur mit äußersten Zwangsmaßnahmen ist es ihnen gelungen, der Situation wieder Herr zu werden. [] Über die Zahl der Toten und Verletzten liegen bis heute authentische Nachrichten noch nicht vor. Sowjetzonale Stellen haben lediglich zugegeben, daß bei dem Juniaufstand 25 Personen getötet und 388 Personen verletzt worden seien. Wir haben Grund zu der Annahme, daß nach den Unruhen 62 Todesurteile vollstreckt worden sind. Darüber hinaus sind bisher rund 25000 Personen verhaftet worden. [] Den Opfern verpflichtet [] Diese Toten werden eingehen in die Geschichte des deutschen Volkes. Den Gefangenen versichern wir, daß die Bundesregierung alles tun wird, um sie so rasch wie möglich aus ihrer schweren Lage zu befreien. Millionen Deutscher haben die Welt aufgerufen, damit die Wiedervereinigung in Freiheit Tatsache werde und damit Brüder und Brüder und Schwestern und Schwestern nach Jahren der Trennung wieder zusammenkommen und das deutsche Haus gemeinsam bauen können. [] Wir haben den Ruf gehört [] Die Bundesregierung hat in eindringlichen Botschaften an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, den britischen Premierminister und den französischen Ministerpräsidenten den Appell gerichtet, alles in ihren Kräften stehende zu tun, daß dem deutschen Volk die Einheit und die Freiheit wiedergegeben werden. [] Unser Appell hat starken Widerhall gefunden. [] Alle drei Staatsmänner haben sich in voller Übereinstimmung zur Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit bekannt und erklärt, daß sie den Grundlinien der an die Sowjets gerichteten Note vom 23. September 1952 folgen werden, die die Wiedervereinigung Deutschlands und die Stellung einer freien gesamtdeutschen Regierung näher umschreiben. [] Diese Grundlinien stimmen vollständig mit der Entschließung des Bundestages vom 10. Juni dieses Jahres überein, deren Hauptpunkte lauten: [] Abhaltung freier Wahlen in ganz Deutschland; [] Bildung einer freien Regierung für ganz Deutschland; [] Abschluß eines mit dieser Regierung frei vereinbarten Friedensvertrages; [] Regelung aller noch offenen territorialen Fragen in diesem Friedensvertrag; [] die Sicherung der Handlungsfreiheit für ein gesamtdeutsches Parlament und eine gesamtdeutsche Regierung im Rahmen der Grundsätze und der Ziele der Vereinten Nationen. [] Die Bundesrepublik steht also in diesen Forderungen nicht allein. Sie ist in dieser Frage eng verbunden mit den Westmächten, die sich erneut zu den Verpflichtungen in den großen Vertragswerken bekennen, in deren Präambel es heißt, daß die Wiederherstellung eines völlig freien und vereinigten Deutschlands auf friedlichem Wege und die Herbeiführung einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung ein grundlegendes gemeinsames Ziel der vertragschließenden Mächte sind. [] Wir befinden uns in dieser für Europa und für Deutschland so entscheidenden Frage in voller Harmonie mit den drei Mächten. Das ist nicht zuletzt ein Ergebnis der konsequenten Politik der Bundesregierung in den letzten vier Jahren. [] Unser Weg in die Gemeinschaft der freien Völker [] Lassen Sie mich, aus Anlaß dieses Aufstandes in Ost-Berlin und der Ostzone, Rechenschaft geben über unsere Außenpolitik, unseren Standpunkt im gegenwärtigen Augenblick erhöhter außenpolitischer Aktivität präzisieren und die Ziele zeigen, die uns in der Zukunft für die deutsche Außenpolitik als richtungweisend erscheinen. [] Nach der Katastrophe des Jahres 1945 mußte es für jede deutsche Regierung die erste Aufgabe sein, Deutschland wieder einen angesehenen Platz in der Gemeinschaft der Völker zu erringen. Das konnte nur dadurch geschehen, daß alles daran gesetzt wurde, Deutschland aus Besatzung und Besatzungsrecht herauszulösen - es aus dem Objekt fremden Willens zum Subjekt eigener politischer Entscheidungen zu machen. Der Weg war hart und dornenvoll. Er ist heute infolge der Tatsache, daß die großen Verträge noch nicht in Kraft getreten sind, noch nicht abgeschlossen. [] Wir dürfen aber, wenn wir den Weg seit Amtsübernahme der Bundesregierung im September 1949 bis heute überschauen, mit Befriedigung feststellen, daß sich unendlich vieles zum Besseren gewendet hat. [] Die Bundesrepublik ist heute schon auf den meisten Gebieten der inneren und äußeren Politik tatsächlich Herrin ihrer eigenen Entscheidungen. [] Das konnte nur erreicht werden, weil wir in zähem Bemühen, Schritt für Schritt, in Geduld und Beharrlichkeit das zerstörte Vertrauen und den verlorenen politischen Kredit durch Leistung - und nur durch Leistung zurückgewonnen haben. [] Geholfen und genutzt hat uns auf diesem Wege, daß wir uns entschieden und entschlossen vom ersten Tage an zu der auch aus anderen Gründen zwingend notwendigen europäischen Integration bekannt haben. Hier handelt es sich darum, in freier Zusammenarbeit mit den anderen europäischen Völkern den falschen und übertriebenen Nationalismus, der Ursache und Anlaß so vieler blutiger Kriege in der Vergangenheit gewesen ist, durch Zusammenschluß und Zusammenarbeit an praktischen Aufgaben zu überwinden. [] Die Meilensteine auf diesem Wege sind der Eintritt der Bundesrepublik in den Europarat, der Abschluß des Vertrages über die Montan-Union, der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und nicht zuletzt die Arbeit an der Entwicklung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft, der Krönung der beiden anderen großen Zusammenschlüsse. Auch dieser Weg ist mühsam und schwer. [] Von der Opposition im Stich gelassen [] Auf diesen Wegen, die wir einschlugen, um aus Deutschland einen gleichberechtigten und gleichverpflichteten Partner der freien Welt zu machen und ein neues, wirtschaftlich und politisch starkes Europa zu schaffen, ist uns leider die Opposition nicht gefolgt. [] Ohne uns je zu sagen, wie man es anders oder besser machen könnte, hat die Oppositon [!][Opposition] jeden Schritt, den die Bundesregierung und die Mehrheit des Bundestages getan haben, um Deutschland dem geschilderten Ziele näher zu bringen, mit negativer Kritik begleitet. [] Ich brauche nur an die Tage des Petersberger Abkommens zu erinnern, das die erste Etappe auf dem Wege zur Lösung der Besatzungsfesseln und zur Befreiung der deutschen Wirtschaft von Zerstörung durch Demontage bedeutete. Mit diesem Abkommen haben wir eine große Zahl bedeutender deutscher Industriewerke gerettet. Mit diesem Abkommen sind auch die Fesseln gesprengt worden, die den deutschen Schiffsbau zum Erliegen gebracht hatten. Dieses Abkommen war der Ausgangspunkt für weitere zähe Verhandlungen der Bundesregierung um die Freigabe weiterer bedeutender Werke und ganzer Industriezweige. Wenn heute Watenstedt-Salzgitter, von dem direkt oder indirekt 80000 Menschen leben, wieder arbeitet, so hat die Bundesregierung daran einen entscheidenden Anteil. [] Trotz der Widerstände der Opposition haben wir uns nicht beirren lassen. Eine spätere Zeit wird erst voll würdigen können, daß die Bundesregierung in diesen schweren Jahren sich entschlossen frei gemacht hat von falschen Ressentiments und den Weg des Maßhaltens und der Verständigung mit den anderen Mächten gegangen ist. Das Ergebnis dieser Politik ist, daß sich die Beziehungen der Bundesrepublik zu der ganzen freien Welt nicht nur normalisiert, sondern freundschaftlich gestaltet haben. Wir können damit rechnen, daß, wie Botschafter Conant gestern vor der Presse ausgeführt hat, die Beziehungen zu den drei Westmächten noch vor dem Inkrafttreten der Vertragswerke so weit wie möglich normalisiert werden. An dieser Entwicklung haben die Hohen Kommissare dank ihrer Umsicht und Tatkraft ein großes Verdienst. [] Unsere Außenpolitik schuf die Möglichkeit einer Viererkonferenz [] Der Zusammenschluß der freien Völker Westeuropas, zu dem die Bundesrepublik einen so wesentlichen Beitrag leistete, hat anstelle des desorganisierten Europas unmittelbar nach 1945 eine kraftvolle Gemeinschaft ins Leben gerufen, Dieser Zusammenschluß ist - das ist meine feste Überzeugung - ein entscheidender Grund für die Taktik. die die sowjetische Politik seit dem Tode Stalins entwickelt hat. Denn wenn es etwas gab, das den Sowjetrussen klarmachte, daß sie mit den Mitteln des Kalten Krieges die europäische Welt nicht unterminieren und von ihr Besitz ergreifen konnten; so war es der Zusammenschluß der europäischen Völker in den genannten Gemeinschaften. [] Es ist also auch ein Erfolg unserer Außenpolitik, wenn wir heute die Möglichkeiten einer Viererkonferenz vor uns sehen, die die Lösung der Frage der deutschen Wiedervereinigung erbringen soll. Es ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich, wenn unrealistische Politiker heute fordern, daß die europäischen Zusammenschlüsse zurückgestellt oder gar aufgegeben werden. [] Ganz und gar unrealistisch ist es und den Interessen Deutschlands abträglich, wenn sogar geäußert wird, die Verträge seien tot. Glaubt man, daß man damit Deutschland bei den Verhandlungen mit den Sowjets nützt? Gerade die Bevölkerung der Ostzone, die so tapfer den sowjetischen Machthabern die Stirne bot, hat uns in den letzten Tagen immer wieder sagen lassen, daß wir uns der starken Position nicht begeben möchten, die unsere Partnerschaft mit der freien Welt bedeutet und die allein auch für das Volk Ost-Berlins und der Ostzone schließlich die Wiedervereinigung zu gewährleisten vermöge. [] Ich habe es bedauert, daß infolge der Erkrankung des britischen Premierministers die Bermuda-Konferenz nicht hat zustandekommen können. Wir wollen hoffen, daß der britische Premier bald wieder hergestellt ist, damit in den Verhandlungen mit den Regierungschefs der anderen Mächte eine einheitliche gemeinsame Linie für die Verhandlungen mit den Sowjets festgelegt werden kann. Es ist mir eine große Beruhigung, daß die verantwortlichen Leiter der Außenpolitik der drei Westmächte schon bald zusammentreten, um die Entwicklung voranzutreiben. [] Wiedervereinigung nur durch freie Wahlen [] Im Mittelpunkt unseres Programms für die Wiedervereinigung Deutschlands stehen freie Wahlen. Sie sind in der Tat die zentrale Frage. Wir werden in ganz Deutschland keine allgemeine und persönliche Freiheit erringen, solange nicht freigewählte Vertretungen eine kontinuierliche demokratische Politik entwickeln und führen können. Die deutsche Politik soll auf dem Willen des Volkes beruhen und nicht auf Willkür und Launen totalitärer Machthaber. Freie Wahlen können aber nur in geordneten, freiheitlichen Verhältnissen abgehalten werden. [] Die Bundesregierung wird sich bemühen, folgendes Sofortprogramm zu verwirklichen: [] Öffnung aller Zonenübergänge, [] Aufhebung des Sperrstreifens und der evakuierten Zone, [] Freizügigkeit aller Deutschen in ganz Deutschland, [] Presse- und Versammlungsfreiheit, [] Zulassung der Parteien, [] Schaffung demokratischer Rechtsformen zum Schutze des Menschen gegen Willkür und Terror. [] Unsere Pläne für die Zeit nach der Wiedervereinigung sind fertiggestellt. Besondere Arbeitsausschüsse haben Sofortmaßnahmen für den Tag der Wiedervereinigung vorbereitet. Es sind Vorarbeiten geleistet worden für die Versorgung mit Lebensmitteln, Kohle, Eisen, Stahl und Energie. Ferner sind die notwendigen Maßnahmen auf den Gebieten des Arbeitsmarktes, der Währung, der sozialen Versorgung und des Verkehrs festgelegt worden. [] Wie können wir in diesem entscheidenden Stadium auf den Rat und die Mitwirkung der Deutschen in Ost-Berlin und der sowjetisch besetzten Zone verzichten? Es wäre zu begrüßen, wenn der neue Bundestag sich entschließen würde, ihre berufenen Vertreter in dieses Haus aufzunehmen. Sie sollen und müssen teilnehmen an unserer Arbeit bis zu dem Tage, an dem ganz Deutschland frei eine Nationalversammlung wählt. [] Für ein geeintes Deutschland im vereinten Europa [] Man sagt uns, daß die Sowjets mit ihrer Politik der kleinen Zugeständnisse eine echte Entspannung einleiten wollen. Nun, es gibt etwas, das ihre Aufrichtigkeit beweisen könnte: Mögen sie unsere Gefangenen, die Verschleppten und politischen Häftlinge freigeben, die vielen Hunderttausende, die seit Jahren auf den Tag der Freiheit warten. [] Was ich gesagt habe, ist nichts anderes als die normalen Voraussetzungen, die notwendig sind, um ein friedliches Zusammenleben innerhalb eines Volkes und zwischen den Völkern zu gewährleisten. [] Wir wünschen dieses friedliche Zusammenleben mit allen unseren Nachbarn, auch mit der Sowjetunion. Wie unserem Volke, so wünschen wir auch dem russischen Volke Wohlstand und Sicherheit. [] Wenn die sowjetrussische Regierung die Auffassung vertritt, daß durch die Bildung der Europäischen Gemeinschaft die Sicherheit Rußlands bedroht werde, so kann ich dazu noch folgendes erklären. [] Die Europäische Gemeinschaft wie auch die anderen Zusammenschlüsse der freien Welt dienen ausschließlich der friedlichen Zusammenleben und tragen rein defensiven Charakter. Die Tatsache, daß die militärischen Kräfte und die Rüstung beschränkt und kontrolliert bleiben, ist ein wesentliches Element der Festigung und Erhaltung des Friedens in Europa. [] Ein solches System kann einen vernünftigen Ausgleich mit der Sowjetunion nur fördern. Wenn ein System der Rüstungsbeschränkung in weltweitem Maßstab verwirklicht werden könnte, so würden damit, wie Präsident Eisenhower in seiner denkwürdigen Rede vom 16. April dieses Jahres ausgeführt hat, die Mittel frei, um auch den bedürftigen Völkern den Weg zu Wohlstand und zu einem besseren Leben zu öffnen. [] Da die Teilung Deutschlands ein Ergebnis den Ost-Westkonfliktes ist setzt die Wiedervereinigung die Entspannung dieses Konfliktes voraus. Wiedervereinigung und europäischen Zusammenleben sind notwendige Teile ein und derselben Politik. [] Wem die Bundesregierung und die Mehrheit den Bundestags in den letzten vier Jahren diese Politik verfolgt haben, so erfüllten sie damit den Auftag [!] [Auftrag], den das Grundgesetz gegeben hat, nämlich die nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. [] Regierungserklärung des Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer [] am 1. Juli 1953 vor dem Deutschen Bundestag [] Herausgegeben vom Presse- u. Informationsamt der Bundesregierung [] Druck: Ad. Mann Nachf., Rd.-Lennep
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