Warum ... bin ich Sozialdemokrat [Serie] . Professor Dr. Horst Ehmke

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Professor Dr. Horst Ehmke [] wurde am 4. Februar 1927 als Sohn eines Chirurgen in Danzig geboren. Von 1946 bis 1951 studierte er Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Göttingen, Geschichte und Politische Wissenschaften in Princeto...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Werbeagentur ARE (Harry Walter), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Vorwärts-Druck, Bad Godesberg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 28.09.1969
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/945C5E03-7A1D-4B68-8ECC-6BF8FCC23FD1
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Professor Dr. Horst Ehmke [] wurde am 4. Februar 1927 als Sohn eines Chirurgen in Danzig geboren. Von 1946 bis 1951 studierte er Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Göttingen, Geschichte und Politische Wissenschaften in Princeton (USA). 1958 war er Research Associate an der Universität in Berkeley/ Kalifornien. 1961 wurde er als Professor nach Freiburg i. Br. berufen, wo er einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht übernahm. Im Januar 1967 ging er als Staatssekretär nach Bonn. Nach der Wahl Gustav Heinemanns zum Bundespräsidenten wurde er im März 1969 dessen Nachfolger als Bundesjustizminister. [] Der SPD trat Horst Ehmke schon 1947 bei. Von 1951 bis 1956 war er unter Adolf Arndt Assistent der SPD-Bundestagsfraktion. Er ist heute Mitglied des Parteirates und gehört seit 1966 dem Vorstand des SPD-Landesverbandes Baden-Württemberg an. [] Professor Ehmke ist verheiratet und hat drei Kinder. [] ... bin ich Sozialdemokrat [] Menschen werden bekanntlich - und glücklicherweise - nicht als Sozialdemokraten, Liberale oder Konservative geboren. Aber man spricht schon mal von einem "geborenen" Sozialdemokraten, Liberalen oder Konservativen und meint damit jemanden, der von Haus aus, von seinem Elternhaus her, nahezu selbstverständlich und vielleicht sogar fast unbewußt in eine bestimmte politische Grundeinstellung hineingewachsen ist. [] Ich gehöre der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zwar schon seit meinem 20. Lebensjahr an, aber ich bin kein "geborener" Sozialdemokrat. Der Weg von einem bürgerlich-liberalen Elternhaus zur Sozialdemokratie war mein eigener Weg. Und als ich 1947 in einem kleinen, dunklen Parteibüro meinen Parteibeitritt erklärte, fragte ich mich: Junge, was wird Deine Mutter dazu sagen? (Sie fand es übrigens in Ordnung, wie mein Vater auch.) [] Warum bin ich 1947 Sozialdemokrat geworden? Ich gehöre zu jener Generation, die mit 16 Jahren als Flakhelfer eingezogen wurde, anschließend noch an die Front kam und dann in Kriegsgefangenschaft geriet - in meinem Fall in russische Gefangenschaft. [] Nach der Entlassung fanden wir uns in einer Heimat wieder, die von Zerstörung, Not und Elend gezeichnet war, in einem Land, das der Nationalsozialismus ruiniert und dessen guten Namen er besudelt hatte. Wir alle, die wir damals vor dem Chaos standen, das uns Hitler hinterlassen hatte, haben uns immer wieder gefragt, wie es eigentlich zu alledem kommen konnte. Viele hatten nach den bösen Erfahrungen im sogenannten Dritten Reich die Nase voll von der Politik. Andere nutzten die neuen Informationsmöglichkeiten, um sich ein von Propagandalügen freies Bild von der deutschen Geschichte, speziell der Geschichte der Weimarer Republik und der Jahre des Naziregimes, zu verschaffen. [] Damals wurde mir klar, daß von allen demokratischen Kräften der Weimarer Zeit die SPD bei der Verteidigung der Republik die überzeugendste Rolle gespielt hat. Trotz mancher Fehler, die kritische Betrachter ihr im Nachhinein vorrechnen mögen, ist sie es gewesen, die in ihrer demokratischen Überzeugungstreue unbeirrt geblieben ist und dafür unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft furchtbare Opfer gebracht hat. Wieviel Leid, Elend und Scham wäre dem deutschen Volk erspart geblieben, wenn seine Mehrheit sich 1933 die sozialdemokratischen Vorstellungen von der Zukunft unseres Landes zu eigen gemacht hätte! Diese Kraft galt es zu stärken. [] Als ich 1947 der SPD beitrat, ging es für mich also darum, aus einer klaren und handgreiflichen Lehre der Geschichte meines Vaterlandes die Konsequenz zu ziehen. Politisch abseits zu stehen, wie dies so viele aus der "skeptischen Generation" getan haben, hielt ich für falsch, so wie ich es noch heute für falsch halte. Denn unsere Demokratie kann nur gedeihen, wenn wir alle selbst mitanfassen. Der Rückzug aufs Private ist zwar sehr bequem, aber gerade auch das unterscheidet den Menschen vom Tier: ein politisches, für sein Leben und Zusammenleben selbst verantwortliches Wesen zu sein. [] So kam ich zu dieser sozial-demokratischen Partei, die ein lebendiges Stück deutscher und europäischer Geschichte darstellt. Sie ist - auf die breite Basis der vielfältig differenzierten Arbeitnehmerschaft gestützt - die eigentliche demokratische Kraft in diesem Lande, von den Rechts- wie den Linksradikalen deswegen gleichermaßen gehaßt. Sie verkörpert die Hoffnung dieses Landes auf Frieden und Fortschritt. [] Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat sich von der alten sozialreformerischen Arbeiterpartei zu der allen fortschrittlichen Kräften offenstehenden modernen Reformpartei entwickelt, die in der zweiten Hälfte unseres industriellen Jahrhunderts auch zur Heimat aller liberalen Kräfte werden muß. [] Unser Land braucht an der Schwelle der siebziger Jahre und im Schatten des Jahres 2000 Reformen so dringend wie dürres Land das Wasser. Das gilt nicht nur für unsere Rechtsordnung und die Justiz, für die ich seit einigen Jahren besondere Verantwortung trage. Das gilt für unser Bildungswesen ebenso wie für den weiten Bereich der Gesellschaftspolitik. Das gilt nicht zuletzt aber auch und gerade für die Bundeswehr, die heute nicht geführt, sondern schlecht, nämlich überbürokratisch verwaltet wird. Für alle diese Gebiete hat die SPD konkrete Reformvorschläge erarbeitet. Auch die konservativen Parteien reden heute zwar von Reformen, ohne aber die Privilegien abschaffen zu wollen, die den erforderlichen Reformen im Wege stehen. Nur die von der Bindung an Sonderinteressen freie Sozialdemokratische Partei Deutschlands wird also in der Lage sein, die für unser Land notwendigen Reformen auch zu verwirklichen. [] Mit den "Perspektiven im Übergang zu den siebziger Jahren" haben wir Sozialdemokraten einen mutigen Entwurf vorgelegt, der Tradition und Modernität zu einer deutschen Politik für die Zukunft verbindet. An einer solchen Politik will ich weiter mitarbeiten - als Sozialdemokrat. [] Horst Ehmke [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn
Published:28.09.1969