Warum ... bin ich Sozialdemokrat [Serie] . Karl Kern

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Karl Kern [] wurde am 14. Februar 1923 in Flonheim (Kreis Alzey) geboren. Im Anschluß an die Volksschule lernte er Einzelhandelskaufmann. 1941 meldete sich Karl Kern als Kriegsfreiwilliger zur Marine. Als optischer Entfernungsmesser...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Werbeagentur ARE (Harry Walter), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Vorwärts-Druck, Bad Godesberg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 28.09.1969
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/F4E28245-54B9-4610-AA7B-95E5707C782D
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Karl Kern [] wurde am 14. Februar 1923 in Flonheim (Kreis Alzey) geboren. Im Anschluß an die Volksschule lernte er Einzelhandelskaufmann. 1941 meldete sich Karl Kern als Kriegsfreiwilliger zur Marine. Als optischer Entfernungsmesser in einer Flakbatterie erlebte er die Invasionskämpfe an der Westfront. In der Gegend von Bremen geriet er im Mai 1945 in Gefangenschaft. Doch schon im Herbst gelang es ihm, zu fliehen und sich in die Heimat durchzuschlagen. Er entschied sich, Landwirt zu werden, und betreibt heute einen Hof mit 15 ha Nutzfläche. 1954 wurde Karl Kern Mitglied der SPD und 1961 Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Flonheim. Er ist Mitglied des Kreistages, SPD-Kreisvorsitzender und Mitglied des Bezirksvorstandes der SPD Rheinhessen. Karl Kern ist verheiratet und hat drei Kinder. [] ... bin ich Sozialdemokrat [] Ein Bauer Mitglied der SPD? Die Frage wird mir oft gestellt. Sie hat immer den Unterton der Verwunderung und des Zweifels, so als habe ein Landwirt einfach nichts in der SPD zu suchen. Ich antworte dann immer, daß ein Bauer - so wie die Dinge heute liegen - gar keiner anderen Partei als der SPD angehören kann. [] Das ist meine feste Überzeugung: echte Hilfe können wir Bauern nur von den Sozialdemokraten erwarten. Die SPD hat in ihrer Geschichte immer wieder bewiesen, daß sie keine Interessentengruppe ist. Wann immer Not am Mann war, ist sie eingesprungen und hat für einen gerechten sozialen Ausgleich gekämpft. Hier liegt unsere Chance. [] SolcheÜberlegungen sind natürlich nicht allein maßgebend für meine Zugehörigkeit zur SPD. Wäre nicht das Jahr 1933 gekommen, könnte ich heute vielleicht sogar sagen, ich sei in die SPD hineingeboren worden. Mein Vater war Vorsitzender der SPD und Kreisführer des Reichsbanners, ich selbst war damals schon Mitglied der "Falken". Dann kam das Jahr 1933 und damit das vorläufige Ende der Sozialdemokratie in Deutschland. [] Auch bei uns auf dem Lande wurden Sozialdemokraten verfolgt und ihre Familien bedroht. Mein Vater kam für mehrere Monate in "Schutzhaft". Nur mit Hilfe von Freunden und Nachbarn konnten wir diese Zeit überhaupt durchstehen. Erst ab 1935 ging es uns wieder etwas besser. [] Trotzdem blieb ich von der Erziehung des Nationalsozialismus nicht ganz unbeeinflußt. Aber selbst als Angehöriger der HJ bekam ich immer wieder zu spüren, daß mein sozialdemokratisches Elternhaus als Makel galt, von dem ich mich nie würde befreien können. So fiel es mir nicht allzu schwer, mir einige - damals oppositionelle - Grundüberzeugungen über die Hitlerzeit hinweg zu erhalten. Der Neubeginn nach dem Kriegsende war für mich darum sehr viel einfacher als für viele Angehörige meiner Generation. Das galt allerdings nur, soweit es die Politik betraf. [] Im persönlichen Bereich gab es Schwierigkeiten genug. Ich hatte noch im letzten Kriegsjahr geheiratet, konnte jetzt aber mit dem Kaufmannsberuf, den ich gelernt hatte, nichts anfangen, weil es nichts zu verkaufen gab. So kam ich fast zwangsläufig zur Landwirtschaft. Ich arbeitete auf dem Hof meines Schwiegervaters mit, hatte allerdings die Absicht, später wieder in meinen erlernten Beruf zurückzukehren. [] Als mein Schwiegervater 1948 starb, mußte ich mich entscheiden, ob ich den Hof übernehmen wollte oder nicht. Ich blieb bei der Landwirtschaft und habe diesen Entschluß bis heute nicht bereut. Wer einmal sein eigener Herr gewesen ist, kehrt nicht ohne Not in ein Abhängigkeitsverhältnis zurück. [] 1947 wurde mein Vater zum Bürgermeister von Flonheim gewählt. Schon vorher war ich auf den Gedanken gekommen, der SPD beizutreten. Es gab jedoch zwei Gründe, die mich zunächst noch davon abhielten. Der eine war meine Frau. Als gebürtige Flonheimerin hatte sie miterlebt, wie es meiner Familie 1933 ergangen war. Mir ist es darum nur zu verständlich, daß sie eine starke Abneigung gegen eine politische Betätigung ihres Mannes hegte und bis zu einem gewissen Grade auch heute noch hegt. Der andere Grund lag in meiner beruflichen Situation. Ich hatte ja zunächst nur mein Auskommen in der Landwirtschaft gesucht ohne die Absicht, daraus einen Beruf zu machen. Und als ich mich entschieden hatte, Landwirt zu bleiben, kam es mir erst einmal darauf an, mich in diesem Beruf durchzusetzen und mir selbst zu beweisen, daß ich als Bauer bestehen würde. Das ist mir in wenigen Jahren gelungen, obwohl ich mir alle theoretischen Kenntnisse, ohne die es auch in der Landwirtschaft nicht geht, selbst aneignen mußte. 1951 war ich einer der ersten in unserem Dorf, der neben dem Pferdegespann auch einen Traktor einsetzte. Als ich dann Mitglied der SPD wurde, hatte ich bewiesen, daß ich auch als Landwirt meinen Mann stehen konnte. Das schien mir eine unerläßliche Voraussetzung zu sein, wenn ich in unserem Dorf, wo jeder jeden kennt, politisches Vertrauen gewinnen wollte. Die Erfahrungen der folgenden Jahre haben mich in dieser Auffassung nur bestätigt. [] Im Februar 1957 wurde ich Gemeindevertreter, und vier Jahre später wählte mich unser Gemeinderat zum Bürgermeister. Ich übernahm dieses Amt von meinem Vater - nicht immer ein leichtes Erbe, denn seine Verdienste reichten von der Milchversorgung der Kinder im ersten Nachkriegsjahr bis zur Sicherstellung der Wasserversorgung unseres Dorfes in späterer Zeit. [] Politik bei uns im Dorf sieht etwas anders aus als die Politik in Bonn. Hier geht es um die kleinen Dinge, die keine Schlagzeilen machen, die dafür aber jeder einzelne Bürger sehr gut beurteilen kann, weil ihn alle politischen Maßnahmen unmittelbar betreffen. Beispiel: die Kanalisation. Dabei kam es darauf an, einen Weg der Finanzierung zu finden, der dem einzelnen Anlieger tragbare Lasten auferlegte, weil wir sonst zwar die Kanalisation bekommen, dafür aber das Vertrauen der Bevölkerung für unabsehbare Zeit eingebüßt hätten. Das haben wir jetzt geschafft. [] Flonheim besitzt eine Gesamtkanalisation mit einem eigenen Klärwerk. 1,5 Millionen DM hat die Anlage gekostet. Dennoch konnten die Anliegerbeiträge so niedrig gehalten werden, daß sich das Unternehmen als Vertrauensgewinn für uns niedergeschlagen hat. Jetzt ist der Straßenbau in vollem Gange, bis zum Ende dieser Legislaturperiode soll er abgeschlossen werden. Außerdem wurde mit Unterstützung der Gemeinde der Wirtschaftswegebau gefördert. Hier liegt der Vorteil für unsere Bauern auf der Hand, denn es ist ja ein erheblicher Unterschied, ob man auf holprigen Feldwegen oder auf zeitgemäßen Straßen fährt. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Geld für Reparaturen. [] Der dringend notwendige Bau einer Zentralschule war bislang an der Situation in Rheinland-Pfalz gescheitert. Durch die neue Schulgesetzgebung in unserem Land, die mit meinen SPD-Freunden in Mainz durchgesetzt wurde, waren endlich die Voraussetzungen dafür geschaffen. Die neue Verbandsschule, an der sich neben Flonheim noch vier weitere Gemeinden beteiligen, ist bereits im Bau. Ostern 1968 werden unsere Kinder eine voll ausgebaute Schule vorfinden, in der jede Klasse für sich unterrichtet werden kann. Ihre Startchancen werden sich damit denen der Stadtkinder angleichen. Auch das gehört zu dem gerechten Ausgleich, auf den die Landbevölkerung schon so lange wartet. [] Flonheim ist ein Ort mit 1930 Einwohnern. Diese Zahl nimmt Jahr für Jahr ab, weil es bequemer ist, in der Stadt, in der Nähe des Arbeitsplatzes, zu wohnen - nur eine Minderheit unserer Bevölkerung findet in der Landwirtschaft ihr Auskommen, die Mehrheit "pendelt" zu einem Arbeitsplatz in der Stadt. Hier liegt unser Problem: das Leben auf dem Lande ist nicht attraktiv genug. Dabei haben wir noch nicht einmal allzu schwer mit dem frostigen Wind der EWG zu kämpfen. Durch unsere Sonderkulturen - Feldfrüchte und Weinbau - liegen wir ganz gut im Rennen und brauchen die Konkurrenz von draußen nicht zu fürchten. Dennoch haben wir auf dem Dorf einen Nachholbedarf, der für eine moderne Industrienation einfach ein Schandfleck ist. Aber wir wollen keine Almosen. Wir wollen Hilfe, die es uns ermöglicht und erleichtert, uns selbst zu helfen und den Anschluß an den allgemeinen Lebensstandard zu finden. Darauf glauben wir allerdings einen berechtigten Anspruch zu haben. Der kann natürlich nur mit politischen Mitteln durchgesetzt werden. [] Das bleibt auch in den kommenden Jahren die große Aufgabe für uns alle -_nicht nur für uns Bauern. Und auch darum bin ich Sozialdemokrat. [] Ihr Karl Kern [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn
Published:28.09.1969