CSU-Abgeordneter für die SPD

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; CSU-Abgeordneter für die SPD [] HANS BODENSTEINER [] M. d. B. [] An die Damen und Herren der Fraktion CDU/CSU [] In den "Nachrichten der Fraktion" Nr. 4 vom 25. 3. 1950 hat Herr Kollege Dr. Neuburger in einem "Schlußwort zur Ei...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 14.05.1950
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/B45E4BAF-90CD-4213-AA34-242E7864B2BD
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; CSU-Abgeordneter für die SPD [] HANS BODENSTEINER [] M. d. B. [] An die Damen und Herren der Fraktion CDU/CSU [] In den "Nachrichten der Fraktion" Nr. 4 vom 25. 3. 1950 hat Herr Kollege Dr. Neuburger in einem "Schlußwort zur Einkommensteuernovelle" im Hinblick auf die dagegen laut gewordene Kritik von "kommunistischen Enteignungstendenzen" gesprochen. Da ich aus der Ablehnung dieses Gesetzes keinen Hehl gemacht habe, fühle ich mich von diesem Vorwurf mit betroffen und sehe mich zu einer kurzen Gegenäußerung genötigt. [] Wahr ist, daß ich mich eindeutig gegen das Einkommensteuergesetz [] entschieden habe, weil es, wofür ich den Beweis erbringen kann, volkswirtschaftlich falsch, sozial ungerecht und mit der christlichen Wirtschaftsauffassung unvereinbar ist. Darum habe ich mich auch in den beiden Fraktionssitzungen, in denen das Gesetz auf der Tagesordnung stand, zu Wort gemeldet. Man hat mir aber keine Gelegenheit gegeben, meine Kritik vorzubringen. [] Obwohl man also meine näheren Ansichten und insbesondere auch meine Begründungen gar nicht kannte, hat sich der Herr Finanzminister gleich damals nicht gescheut, meine Gedanken zu verurteilen und als sozialistische Gleichmacherei hinzustellen. Desgleichen läßt es mich der neuerliche Vorwurf, als handle es sich bei jeder Kritik an diesem Gesetz um "kommunistische Enteignungstendenzen", für notwendig erscheinen, noch nachträglich und auf diesem Wege den Kerngedanken meiner Kritik den Damen und Herren der Fraktion zur Kenntnis zu bringen. [] Ich beabsichtige nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihnen viele Zahlenreihen vorzuführen, die sich auch leicht zu Spiegelfechtereien verwenden lassen und die Sie auch langweilen könnten. Wichtig erscheint mir, das Wesentliche und allein Entscheidende mit wenigen und allgemein verständlichen Sätzen zu umschreiben. Sinn und Zweck aller Wirtschaft besteht nach christlicher Auffassung doch darin, den Menschen jene Güter zu verschaffen, welche sie zu einem menschenwürdigen, gottebenbildlichen Leben benötigen. Folglich sollte man jedem einzelnen einen solchen Anteil am Sozialprodukt (soweit dieses ausreicht) zukommen lassen, daß er menschenwürdig leben kann. Dieses ist eines der ursprünglichsten Grundrechte des Menschen, welches dem Eigentumsrecht und vielen anderen Rechten rangmäßig vorausgeht. Nun kann aber wohl nicht bestritten werden, daß weder die Arbeitslosen noch die überwiegende Mehrzahl der Kriegsversehrten und Fürsorgeempfänger, ja nicht einmal alle Arbeiter soviele wirtschaftliche Güter empfangen, daß sie menschenwürdig leben können. Auf der anderen Seite gibt es jedoch nicht wenige Volksgenossen (zum Beispiel im Lande Rheinland-Westfalen rund 2000) mit einem Jahreseinkommen von brutto über 50000 DM, wovon ihnen bisher nach Abzug der Steuern und unter Berücksichtigung der besonderen Vergünstigungen mindestens 25000 DM für den persönlichen Verbrauch geblieben sind. Wiederum wird nicht zu bestreiten sein, daß mit 25000 DM im Jahre ein menschenwürdiges Leben [] geführt werden kann. Gerade darum ist es aber ein Hohn auf die soziale Gerechtigkeit, diesen Reichen durch Steuerermäßigung noch weitere 11000 DM oder auch mehr zu geben und ihnen dadurch einen noch größeren Anteil am Sozialprodukt zukommen zu lassen, wenn gleichzeitig Millionen von Volksgenossen nicht einmal über das Existenzminimum verfügen. [] Wenn aber gar noch versucht wird, eine solch ungerechte Wirtschafts- und Steuerpolitik dem Volk als Ausdruck christlicher Sozialgesinnung zu präsentieren, so ist dies ein Unterfangen, das ein gerecht und christlich Denkender einfach nicht länger ertragen kann. [] Wenn zur Rechtfertigung solch ungerechten Tuns behauptet wird, lediglich auf solche Weise komme Sparkapital zustande und würden Arbeitsplätze geschaffen, so ist diese Behauptung unzutreffend und überdies ein Mäntelchen um einen krassen liberalistischen Egoismus. Nur bei recht geringem Verständnis in volkswirtschaftlichen Dingen kann man im Ernste meinen, Sparkapital komme allein dadurch zustande, daß man einigen wenigen weit mehr beläßt, als sie verbrauchen können, und den Ärmsten unseres Volkes würde allein dadurch geholfen, daß man den Reichen noch mehr zuteilt. Wie völlig absurd solche Behauptungen sind, ist in zahlreichen Veröffentlichungen gerade auch der jüngsten Zeit überzeugend herausgestellt worden. Nähere Ausführungen hierüber behalte ich mir später vor. Lediglich darauf möchte ich noch hinweisen, daß selbst der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums - gewiß kein übertrieben sozial eingestelltes Gremium - es für unerläßlich erachtet, die durch die Steuerermäßigung frei gewordenen Beträge im Wege einer Zwangsanleihe für volkswirtschaftlich wichtige Investitionen wieder der Allgemeinheit nutzbar zu machen. [] Gewiß kann niemandem verwehrt werden, seine Meinung zu sagen, auch dann nicht, wenn er einem solch krassen liberalistisch-kapitalistischen Egoismus das Wort redet, wie er sich hinter dem Einkommensteuergesetz verbirgt. Aber in keinem Falle darf länger dazu geschwiegen werden, daß solches [] Unrecht im Namen des Christentums [] geschieht, weil die Praxis dieses Gesetzes einer wahrhaft christlichen Wirtschaftsauffassung nicht minder entgegengesetzt ist wie etwa der Kommunismus. Über den Inhalt christlicher Wirtschaftsauffassung und -gestaltung herrscht bei den Konfessionen und ihren sachkundigen Wortführern weitgehendste Übereinstimmung. Wer sich also vor dem Volke hierzu bekennt und dieserhalb auch gewählt ist, dessen ernste Gewissenspflicht ist es, an der Verwirklichung dieser christlichen Grundsätze zu arbeiten [] Es geht nicht länger an, hinter einer christlichen Fassade den liberalistischen Kapitalismus zu fördern. [] In Anbetracht der vielen alten Leute sowie der Kriegskrüppel, die aus wirtschaftlicher Not am Leben verzweifeln und unter denen es täglich zu Selbstmorden kommt, in Anbetracht der unerhörten Erschütterungen des gegenwärtigen Gemeinschaftslebens, die ganz vorwiegend aus der sozialen Ungerechtigkeit hervorgehen und vor unsren Augen den letzten Strafakt für dieses Verbrechen vorbereiten, kann kein Verantwortlicher solchem politischen Pharisäertum noch länger schweigend zuschauen. Es geht mir wahrhaftig nicht um sozialistische Gleichmacherei, auch nicht um kommunistische Enteignungstendenzen, sondern um die Verwirklichung eines ursprünglichen Grundrechtes jedes Menschen, nämlich des Rechtes auf ein menschenwürdiges Leben und die dafür erforderlichen Güter. Wie aber die Verwirklichung dieses Rechtes durchführbar ist, so ist sie zugleich ein Mittel zur Sicherung des Eigentums und der christlichen Freiheit sowie der einzige Weg, der aus dem jetzigen Chaos in eine bessere Zukunft führt. Mit dem Hinweis darauf, daß das soziale Unrecht vor 20 Jahren noch größer gewesen ist, ist wirklich nichts getan. [] Es muß eine soziale Neuordnung von Grund auf in Angriff genommen werden, die jedem Arbeit gibt und jedem, der arbeitet, ein menschenwürdiges Leben garantiert. [] Einer solchen Verwirklichung stehen keine unüberwindlichen Schwierigkeiten im Wege. Wer die Zeichen der Zeit erkennt, weiß auch, daß eine solche Neuordnung kommen wird. Es fragt sich nur, ob sie von uns getragen und gestaltet wird, aus christlichem Geist, unter Wahrung des Eigentums und der Würde der Einzelperson und unter Erhaltung der christlichen Freiheit (die sich allerdings von der liberalistischen Ungebundenheit und Willkürlichkeit sehr unterscheidet), oder ob sie ohne uns und gegen uns und aus kommunistischen Herrschsucht- und Vermessungstendenzen gestaltet wird. Daß jedoch letzteres vermieden werde, ist unsere Pflicht! [] Neustadt a.d. Waldnaab, 4. April 1950. [] gez. Hans Bodensteiner [] Dieses Schreiben eines CSU-Bundestagsabgeordneten spricht für sich. Es beweist, daß die CSU/CDU für das Wohl und Wehe ihrer Wähler zwar viele und sehr schöne Worte findet, daß es aber in der Praxis, wenn es gilt, die entsprechenden Gesetze zu formen, bei den schönen Worten bleibt. [] Auf Taten warten wir vergebens! [] Sie haben für ihre Wähler nicht viel übrig, die Herren um Dr. Adenauer und Professor Erhard. Das Schreiben ist aber auch ein Beweis dafür, daß die SPD im Recht war, als sie das neue ungeheuerliche Steuergesetz aufs schärfste bekämpfte und in der entscheidenden Sitzung dagegen stimmte. Eine CSU/FDP- und Bayernpartei-Mehrheit im Bundestag hob dieses asoziale Machwerk aus der Taufe, das die Armen ärmer, die Reichen aber noch reicher macht. [] Wir wollen uns gerade diesen Entscheid der Kuhhandels-Blöckler, die sich auch bei der Nachwahl in Kulmbach wiedergefunden und damit bewiesen haben, daß sie nichts, aber auch garnichts trennt, wenn es um den Geldbeutel der Großen geht, besonders gut merken. [] Wir werden das Urteil über diese Regierung am 14. Mai sprechen. [] Wir geben unsere Stimme [] Wenzel Jaksch, dem Mann des Volkes
Published:14.05.1950