Das Linsengericht der FDP

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Das Linsengericht der FDP [] Eine Partei dankt ab! [] In der biblischen Geschichte wird berichtet, daß Esau, der älteste Sohn Abrahams, dem jüngeren Bruder Jakob sein Erstgeburtsrecht - sein Erbrecht - gegen ein Linsengericht verkaufte. [] Di...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Landesorganisation Hamburg, Auerdruck GmbH, Hamburg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 08.1949 - 10.1949
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/3AECAAFA-6FBA-4C43-8B7C-69571DBF77B9
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Das Linsengericht der FDP [] Eine Partei dankt ab! [] In der biblischen Geschichte wird berichtet, daß Esau, der älteste Sohn Abrahams, dem jüngeren Bruder Jakob sein Erstgeburtsrecht - sein Erbrecht - gegen ein Linsengericht verkaufte. [] Die FDP-Führung in Hamburg hat das Erbe ihrer Partei verhandelt [] Träger und Wahrer eines traditionellen, freiheitlichen Hamburger Bürgersinnes in einer eigenen unabhängigen Partei zu sein. [] Wofür? [] Für sehr vage persönliche Mandats-"Aussichten". Diese Parteiführung trieb der persönliche Ehrgeiz. [] Ein kleiner Klüngel von Partei-"Führern" [] der Hamburger FDP- und CDU-Parteileitungen hat lange in Heimlichkeit vor ihrer eigenen Mitgliedschaft miteinander um ihre persönlichen Mandate für das Bundes- und Landesparlament geschachert, am 28. Juni dieses Jahres einen förmlichen Vertrag geschlossen und sich diesen Handel in verdächtiger Überstürzung von ihren Landesausschüssen "bestätigen" lassen, [] Sie taten es, ohne ihre Mitglieder vor einer so wichtigen Entscheidung zu befragen. Den letzten "Schliff" gab der von der CDU-Führung dreimal gesalbte Herr Wirtschaftsdirektor Prof. Erhard in einer Zusammenkunft eines kleinen Kreises sorgfältig ausgelesener kapitalkräftiger Hamburger Wirtschaftsinteressenten. [] Beide Parteien nennen sich demokratisch [] Wie empörend unselbständig und urteilslos diese Parteimanager aber auch ihre bisherigen Wähler einschätzen, beweist die Vorstellung der FDP- und CDU-"Führer", daß ihre bisherigen Wähler sich von ihnen kurzerhand in ihrer Stimmenabgabe kommandieren lassen. [] Lesen Sie bitte aufmerksam den im Original folgenden Vertrag auf der Innenseite [] Sie können dann selbst urteilen, was Ihnen zugemutet wird. [] Vier dieser "Vertrags-Manager" sind selber Kandidaten zum Bundesparlament: [] der Großbankier und Parteivorsitzende Hugo Scharnberg und [] der Rechtsanwalt Dr. Gerd Bucerius von der CDU sowie [] der Spediteur und Parteivorsitzende Willy Max Rademacher und [] das Vorstandsmitglied der Hanseatischen Ersatzkasse von 1826 Dr. Hermann Schäfer von der FDP. [] Schauen Sie sich im Abschnitt I genau die Ziffer 1 des Vertrages an. Hiernach werden den FDP-Kandidaten die Kreise IV, V, VI und VIII zugeteilt. [] Wie stehen dort die Wohlaussichten für die FDP? [] Bei der letzten Hamburger Wahl (Bürgerschaftswahl Oktober 1946) erhielten Stimmen im [] CDU und FDP + oder ÷ [] Wahlkreis zusammen SPD für SDP [!] [] IV 32578 41136 + 8558 [] V 40318 43329 + 3011 [] VI 35943 32503 ÷ 3440 [] VIII 31293 41284 + 9991 [] Von diesen für sie aussichtslosen Wahlkreisen verpflichtete sich die FDP-Führung, auch noch die schwarzweißrote sogenannte "Deutsche Partei" "zu befriedigen" (siehe Abschnitt II Ziffer 2 des Vertrages), was die Deutsche Partei ablehnte. [] Kläglich - kläglich - und beklagenswert [] diese Garnitur von Partei-"Führern", die weder zu ihren Mitgliedern und bisherigen Wählern und nicht einmal zu ihrer eigenen Politik Vertrauen haben. Im Frankfurter Wirtschaftsrat war die FDP die Helferin der CDU und -ihres Wirtschaftsdirektors Erhard. Sie sorgten dafür, daß die Löhne niedrig blieben und die Preise in die Höhe gingen. Ja, sie haben beide Grund zur Furcht vor ihren Wählern, diese CDU- und FDP-Parteiführungen; denn sie wissen, daß die kleinen und mittleren selbständigen Unternehmungen in Handel, Handwerk und Gewerbe zusammenbrechen, wenn durch Arbeitslosigkeit und niedriges Einkommen die Kaufkraft ihrer Kunden, der Verbraucher, ruiniert wird. In ihrer erklärlichen Angst vor dem Schwund ihrer Wählerstimmen versuchen zwei Lahme sich gegenseitig zu stützen. [] Zwei zusammengebundene Lahme ergeben noch keinen Gesunden [] So läßt sich eine Partei durch eine andere behandeln. Hatte die Parteileitung der FDP Angst, daß sie nicht einmal einen einzigen Kandidaten auf der Hamburger Landesliste erhalten kann bei insgesamt 18,1 Prozent der Gesamtstimmen in der letzten Wahl? [] Was war der Grund, sich so abspeisen zu lassen? [] Nach dem von der CDU mitbeschlossenen Wahlgesetz für das Bundesparlament ist es möglich, daß das Land Hamburg über die ihm zustehenden insgesamt 13 Parlamentssitze hinaus noch zwei bis drei Sitze zusätzlich erhält, wenn eine Partei in den Wahlkreisen mehr Mandate gewinnt als ihrer gesamten Stimmenzahl entspricht. [] Diese Aussicht hat in Hamburg allein die Sozialdemokratie [] Die Hamburger FDP-Leitung, die sich so oft als die Hüterin der Hamburger Interessen proklamierte, gibt diese Hamburger Einflußmöglichkeit im Bund also preis, wenn sie durch Hamburger Sozialdemokraten gewonnen werden kann. [] Hamburg, den 28.6.1949 [] Von den Vorständen der Landesverbände der Christlich-Demokratischen Union und der Freien Demokratischen Partei in Hamburg sind die nachstehend genannten Herren mit der Führung von Verhandlungen über ein gemeinsames Vorgehen bei den bevorstehenden Wahlen beauftragt worden: [] Hugo Scharnberg Senator a.D. Dr. Paul de Chapeaurouge Dr. Gerd Bucerius Erik Blumenfeld von der CDU [] Willy M. Rademacher Dr. Hermann Schäfer Wilkening Sussmann von der FDP [] Die Herren haben folgendes vereinbart: [] I. 1. CDU und FDP werden, nachdem Hamburg in acht Wahlkreise aufgeteilt ist, nur in je vier Wahlkreisen, und zwar die CDU in den Wahlkreisen I, II, III und VII, die FDP in den Wahl kreisen IV, V, VI und VIII, Kandidaten aufstellen. 2. Beide Parteien verpflichten sich, ihre Wähler aufzufordern, in den betreffenden Wahlkreisen die Kandidaten der anderen Partei zu wählen. 3. Der Wahlkampf wird gemeinschaftlich mit Front gegen die SPD geführt. Der gemeinsame Gegensatz zur SPD ist herauszustellen. Meinungsverschiedenheiten zwischen CDU und FDP werden in sachlicher Form dargestellt. Die beiden Parteien enthalten sich jeder Parteipolemik. 4. Die beiden Parteien werden sich die für die Wahlkreise und Landesliste in Aussicht genommenen Kandidaten gegenseitig mitteilen, so daß jede Partei bei den Wahlkreiskandidaten Bedenken gegen einzelne Kandidaten der anderen Partei zur Sprache bringen kann. 5. Beide Parteien werden sich bemühen, die Aufstellung von Kandidaten anderer, rechts von der SPD stehender, Gruppen zu verhindern. 6. Zur Durchführung der Einzelheiten des gemeinsamen Wahlkampfes (Plakate, Flugblätter, Rundfunk, Kino, Presse, Wahlversammlungen etc.) wird ein Ausschuß gebildet, dem von Seiten der CDU die Herren Scharnberg, Samsche und Dietsch, von Seiten der FDP die Herren Rademacher, Sussmann und Schröder angehören. Der Ausschuß ist berechtigt, andere geeignete Herren, insbesondere auch die Chefredakteure der Hamburger Allgemeinen Zeitung und der Hamburger Freien Presse, zu seiner Arbeit hinzuzuziehen. 7. Zur Regelung der Kosten des Wahlkampfes wird ein Finanzausschuß gebildet, in den jede der beiden Parteien zwei geeignete Vertreter zu entsenden hat. Falls Meinungsverschiedenheiten innerhalb dieses Ausschusses entstehen, wird ein Schiedsgericht, bestehend aus den Herren Hans Heinrich Matthiessen als Vorsitzender, Senator a.D. Ketels und ... als Beisitzer gebildet. Das Schiedsgericht entscheidet unter Ausschluß des Rechtsweges endgültig. [] II. Für die Bürgerschaftswahl ist grundsätzlich zwischen den beiden Parteien ein ähnliches Abkommen vereinbart zu folgenden Bedingungen: 1. Die Wahlkreise werden im Verhältnis 1:1 aufgeteilt, wobei der CDU ein qualitätsmäßiger Vorrang, entsprechend den Hamburger Wahlergebnissen von 1946 seitens der FDP eingeräumt wird. 2. Die FDP übernimmt den Versuch, in Fühlungnahme mit der CDU, aus ihrem Wahlkreiskontingent die Deutsche Partei zu befriedigen und auf die Weise in das Abkommen einzubeziehen. 3. Beide Parteien werden nach erfolgter Wahl gemeinsam die Frage der Senatsbildung behandeln und sich in keine einseitigen Verhandlungen mit der SPD einlassen. [] III. Die bevorstehende Vereinbarung bedarf der Genehmigung der beiden Landesausschüsse, die von den beiden Parteien für Mittwoch, den 29. Juni d.J. einberufen sind. Im Falle der Genehmigung wird ein Pressekommuniqué, über das sich die beiden Parteien verständigen werden, herausgegeben. [] Christlich-Demokratische Union Landesverband Hamburg gez. Scharnberg [] Freie Demokratische Partei Landesverband Hamburg gez. Rademacher [] Die überföderalistische bayrische CSU und die bundesfeindliche separatistische Bayernpartei würden sich freuen, wenn das eintreten würde. [] Die Hamburger Wähler werden sich hierzu nicht mißbrauchen lassen; [] denn jeder Hamburger weiß, wie gering in den anderen deutschen Ländern noch immer die Kenntnis von der Bedeutung Hamburgs für das Wiederaufblühen Deutschlands ist und demzufolge die Rücksichtnahme ihrer Regierungen und ihrer Parteivertreter auf diese Mission unserer Welthandelsstadt. [] Aber auch für die Hamburger Bürgerschaftswahl [] im Oktober dieses Jahres soll dieser sonderbare Parteiführervertrag wirksam werden! [] Sehen Sie sich den Abschnitt II an! [] Was besagt die Ziffer 1? "Entsprechend den Hamburger Wahlergebnissen von 1946 wird der CDU ein qualitätsmäßiger Vorrang eingeräumt." [] So schätzt die FDP-Führung in Hamburg selber ihr [!] Wahlaussichten ein - in Hamburg, wo sie immer den größten Prozentsatz der FDP-Stimmen in ganz Deutschland hatte. [] So verspielen und verkaufen ein paar mandatsbesessene Personen im Apparat eine ganze Landespartei und die große Tradition des liberalen Hamburger Bürgertums, die über Deutschland hinaus in der Welt unter Namen, wie Karl Petersen, in hoher Wertschätzung stand. [] Mit Entrüstung und in leidenschaftlicher Form [] hat daher schon in der Landesausschußsitzung der FDP eine starke Minderheit gegen diesen Kleinmut, die unbegreifliche politische Instinktlosigkeit ihrer Manager und gegen diesen undemokratischen Mitglieder- und Wählerbetrug protestiert, darunter auch die drei amtieren Senatsvertreter der FDP: Bürgermeister Christian Koch und die Senatoren Johs. Büll und L. Hartenfels. [] Ein Sturm der Entrüstung geht durch die Mitgliedschaft und die bisherigen Wähler der FDP und CDU in Hamburg, das ist stadtbekannt. [] Was werden die bisherigen CDU- und FDP-Wähler Hamburgs tun? [] Werden sie sich zum Stimmvieh degradieren lassen? Haben sie selber keine Meinung? [] Sie haben eine eigene Meinung [] und werden sich nicht von einer Handvoll Drahtzieher von einer Partei zur anderen hin- und herschieben lassen! [] Viele von Ihnen werden sich das nachfolgende Flugblatt aufbewahrt haben und können kontrollieren, ob es echt und unverändert wiedergegeben ist: [] Warnung vor der CDU! [] Die CDU weiß, daß ein "Sammelbecken" von klerikalen Machtstrebern, großbürgerlichem Honoratiorenklüngel und nationalistisch-reaktionären Traditionssippen der freiheitlichen Überlieferung der Hamburger Bevölkerung zuwider ist. [] Die CDU greift daher in ihrer Verlegenheit zum Mittel der Begriffsverwirrung! [] Die CDU verbreitet ein Flugblatt, in dem sie den Eindruck zu erwecken sucht, als bedeute die Stimmabgabe für die FDP nur eine Zersplitterung. [] Dabei betrug in Hamburg die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder der CDU nach dem Stande von Ende August ds. Js. nur ein Drittel der Mitgliederzahl der FDP. [] Wenn es der CDU gelungen ist, bei den Wahlen auf dem Lande, in den kleinen Städten und Landgemeinden, stellenweise die FDP zu überflügeln, so beweist das nur, daß die CDU sich auf vorhandene Formationen und Sozietäten kirchenpolitischen oder reaktionären Anhangs gestützt hat. Dagegen konnte die FDP in diesem ersten Halbjahr ihrer Zulassung ihre völlig neue und unabhängige Organisation noch nicht bis in alle Dörfer vortragen, eben gerade weil ihr althergebrachte Verbindungen nicht zur Verfügung standen. Die FDP wurde beim Aufbau des neuen Zeitungswesens auch nicht so begünstigt wie die CDU und SPD. Nach dem Stand von Anfang September ds. Js. hatten nämlich Lizenzen in der britischen Zone [] die SPD für 11 Zeitungen mit einer Auflage von zusammen 1800000 Exemplaren [] die CDU " 8 " " " " " " 1000000 " [] die KPD " 7 " " " " " " 700000 " [] die FDP " 3 " " " " " " 230000 " [] Trotzdem erhielten bei den bisherigen Wahlen in den vier verschiedenen Zonen [] Die FDP und ihre Bruderparteien 3000000 Stimmen! [] Gibt es einen stärkeren Beweis für die Überzeugungskraft des Gedankens der freien Demokratie? [] Wähler und Wählerinnen! [] Bedenkt, daß keine der FDP gegebene Stimme verlorengeht! [] Das sind die Tatsachen! [] Die Stimmenüberschüsse in den Wahlkreisen kommen den FDP-Kandidaten auf der Stadtliste (Reserveliste) zugute. [] Wählt nun erst recht die ausgleichende Partei der Wirtschaftsfreiheit, Gedankenfreiheit und Volksfreiheit, die FDP! [] Dieses Flugblatt wurde von der FDP-Führung vor der Bürgerschaftswahl 1946 in ganz Hamburg verbreitet. Sein Verfasser ist einer der FDP-Kandidaten zum Bundestag, Dr. Hermann Schäfer. [] Was liegt hier offen vor aller Augen? [] Die Preisgabe einer Partei, ihrer Unabhängigkeit, ihrer Mission und ihrer Chancen durch ihre eigene Führung. Die katholische Kirchenleitung hat sich mit einem Hirtenbrief ihrer Bischöfe nun direkt in die Politik eingemengt. [] Mit der Aufforderung zum Wählen verbindet der Hirtenbrief die Behauptung: [] "Daß die Abgeordneten der sozialistischen und liberalen Weltanschauung in Bonn für wesentliche christliche Forderungen kein Verständnis gehabt haben." - [] So wörtlich am Sonntag von allen Kanzeln der katholischen Kirchen verlesen! [] Das ist deutlich die Aufforderung an die CDU-Wähler, keinen Sozialdemokraten, aber auch keine FDP-Kandidaten zu wählen. [] Die Herren "Vertragspartner der Hamburger FDP"-Führung aber bleiben bei ihrem genialen Einfall ihren Wählern auch jetzt noch die Stimmabgabe für die CDU-Kandidaten zuzumuten!'' Sowas halten sie für einen "Vertrag". [] Aber das letzte, das entscheidende Wort haben Sie selbst - alle Wähler! [] Bleiben Sie am 14. August nicht verärgert der Wahl fern! Wählen Sie! [] Wählen Sie in eigener freier Entscheidung aus selbstgefundener Erkenntnis! [] Sie haben sicherlich noch heute die Meinung, daß "ein Sammelbecken von klerikalen Machtstrebern, großbürgerlichem Honoratiorenklüngel und nationalistisch-reaktionären Traditionssippen der freiheitlichen Überlieferung der Hamburger Bevölkerung zuwider ist". [] Lassen Sie sich nicht durch Parteibefehle in dieses Sammelbecken treiben. [] Es gibt eine große unabhängige deutsche Partei, [] die den traditionellen gesunden Sinn der Hamburger für gesellschaftlichen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit vertritt: [] die SPD, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands [] Machen Sie Ihr Stimmkreuz X bei dem Kandidaten Nr. 1, dann haben sie richtig gewählt! [] Herausgeber: SPD, Landesorganisation Hamburg. - Druck: Auerdruck GmbH. EP 36, Hamburg 1.
Published:08.1949 - 10.1949