Fritz Helmstädter . Liebe Mitbürgerin! Lieber Mitbürger!

Fritz Helmstädter Stuttgart, den 17. Februar 1956<NZ>Liebe Mitbürgerin! Lieber Mitbürger! Am 4. März wird der zweite Landtag von Baden-Württemberg gewählt. Kandidaten aller Parteien werben um Ihre Stimme. Als der von meiner Partei im Wahlkreis Stuttgart II aufgestellte Erstkand...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 04.03.1956
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/1BDAD2A8-6240-4FA6-BAD6-6E939C633A1A
Description
Summary:Fritz Helmstädter Stuttgart, den 17. Februar 1956<NZ>Liebe Mitbürgerin! Lieber Mitbürger! Am 4. März wird der zweite Landtag von Baden-Württemberg gewählt. Kandidaten aller Parteien werben um Ihre Stimme. Als der von meiner Partei im Wahlkreis Stuttgart II aufgestellte Erstkandidat darf ich mich und unseren Zweitkandidaten hiermit vorstellen. Ich bin 51 Jahre alt. Dem Landtag gehöre ich seit 1947 an. Hier war ich bisher in vielen Ausschüssen tätig. Seit meiner Jugend bin ich politisch und gewerkschaftlich organisiert. Früher war ich im Zentralverband der Angestellten tätig. Das Dritte Reich, das mir zunächst einige Jahre Arbeitslosigkeit bescherte, griff mit harter Hand in meine Familie, der Vater starb im KZ. Nach 1945 half ich am Aufbau einer neuen Ordnung mit. Durch das Vertrauen weiter Kreise wurde ich in viele verantwortungsvolle Ehrenämter berufen. In meinem Wahlkreis II habe ich neben meiner freiberuflichen Tätigkeit in vielen Sprechstunden die Not der Nachkriegsjahre in vielfältigster Form kennengelernt. In vielen Fällen konnte ich Not lindern und wegweisende Ratschläge erteilen. Mein Bestreben ging stets dahin, die mir Übertragenen Aufgaben gewissenhaft und vollständig zu erfüllen. Die Demokratie braucht Menschen, die volles Verständnis für die Lage ihrer Mitmenschen haben und ihnen zu dienen bereit sind; Menschen, denen das Gesamtinteresse unseres Volkes Über allen Sonderinteressen steht. Sie dürfen Überzeugt sein, daß ich in diesem Sinne auch künftighin tätig sein werde. Fritz Helmstädter <NZ>Nun zunächst eine Klarstellung: Im Landtag wird Landespolitik gemacht! Natürlich wissen wir, daß die großen politischen Probleme in Bonn zu lösen sind. Der Bundeskanzler meinte auf dem Killesberg, daß unsere Landtagswahl ein Test, also eine Art Generalprobe, für die Bundestagswahl 1957 sei. Das ist irreführend. Fühlt die CDU selbst, daß sie in den vier Jahren im Lande keine Erfolge aufweisen konnte? Oder will sie vorsätzlich den Sinn der Landtagswahlen verfälschen? Dann allerdings müßten auch wir mit einigen unangenehmen Fragen aufwarten. Etwa diese: "Ihr jungen Menschen, seid ihr damit einverstanden, daß sich bald zwei deutsche Armeen gegenüberstehen?" Das verdankt ihr der Bonner CDU und FDP<NZ>Oder: "Ihr Rentner und Kriegsopfer, wollt ihr weiterhin euch mit Versprechungen abspeisen lassen?" Das tut die Bonner CDU und FDP<NZ>Oder: "Ihr Steuerzahler, seid ihr damit einverstanden, daß Herr Schäffer weiterhin Milliarden hortet (Julius-Turm heißt man das), aber die Steuerschraube trotzdem angezogen bleibt?" Das ist Bonner CDU- und FDP-Politik<NZ>Über diese Fragen entscheiden in erster Linie Bundestagswahlen. Ich meine aber, die Wählerschaft soll sich am 4. März zur Landespolitik äußern. Sie soll entscheiden, ob seit der Bildung des Südweststaates und seit der Schaffung der Verfassung von den Abgeordneten im Lande das Richtige getan wurde. Wir Sozialdemokraten stellen uns mit gutem Gewissen mit unserer Landtagsarbeit der öffentlichen Kritik. Was können wir im Lande selbst entscheiden? 1. Für welche Zwecke und Aufgaben die Mittel das Landes verwendet werden sollen, z. B. Wohnungsbau, Straßenbau usw.; 2. ob unser Schulwesen modernisiert und ausgebaut werden soll; 3. ob wir eine sparsame oder kostspielige Staatsverwaltung haben wollen. Meine Partei bemüht sich um ein modernes, der heutigen Zeit angepaßtes Schulwesen. Sie ist die Hüterin und Beschützerin der christlichen Gemeinschaftsschule und wehrt sich gegen die Aufspaltung des Schulwesens nach Konfessionen. Sie hat das als einzige Partei bei der Abstimmung über das Privatschulgesetz noch vor wenigen Tagen klar bewiesen. Sie arbeitet für den weiteren Ausbau der Volksschule, den Schulhausneubau, den Bau von Turnhallen sowie für - und das ist schon sprichwörtlich - den sozialen Wohnungsbau. Überprüfen Sie die Leistungen der sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten und bedenken Sie, daß es nur 38 von 121 Abgeordneten waren. Unbeirrt und konsequent dienten sie den Interessen des einfachen Mannes und dem kulturellen Fortschritt. Wären mehr Sozialdemokraten im Landtag, es hätte auch mehr erreicht werden können. Wir rangen um eine einfachere, bessere und billigere Staatsverwaltung, blieben aber allein, weil die CDU sich unseren Wünschen verschloß. Der neue Landtag steht vor großen Aufgaben. Neben den Wohnungsbauvorhaben steht ein großes Schulprogramm und daneben die Riesenaufgabe der Wasserversorgung, die gerade uns Stuttgarter angeht. Aber darüber wird nicht in Bonn, sondern im Stuttgarter Landtag entschieden! Wenn Sie also am 4. März abstimmen, dann entscheiden Sie Über den Kurs der Schulpolitik, Über Wohnungsbau und alle anderen Landesangelegenheiten. Deshalb denken Sie an diesem Tag daran, dass helle Köpfe nur SPD wählen können. Zweitkandidat für unsere Partei ist Geschäftsführer Helmut Mielke, 47 Jahre alt. Auch er kommt vom freien Beruf. Er war früher selbständiger Tapeziermeister und betrieb mit seinem Vater bis zu seiner Einberufung im Frühjahr 1940 ein gutgehendes und angesehenes Geschäft im nördlichen Stadtteil. Aber der Krieg beendete seine ihm liebgewordene berufliche Laufbahn; die vierte Verwundung kostete ihn den linken Arm. Vor 10 Jahren, im Jahre 1946, berief die Partei Mielke zu ihrem Sekretär. Die Jugend hat in ihm, der selbst aus der Jugendbewegung kommt, einen starken Förderer und Helfer. Er bearbeitet in der Partei das Referat "Schulung und Bildung". Er hat sich zur Aufgabe gemacht, die junge Generation für die Rechte und Pflichten dem Staat und der Gemeinschaft gegenüber zu interessieren. Es gilt, selbständig denkende Staatsbürger zu erziehen. Diese seine bedeutsame Aufgabe wird dadurch erleichtert, daß entgegen vieler Unkenrufe bei der heutigen Jugend ein sehr starkes Interesse für politische Fragen vorhanden ist. Es handelt sich also nur darum, dieses Interesse zu befriedigen. Der Mitarbeit seiner Parteifreunde, dieses hohe Ziel zu erreichen, kann er sicher sein. Herr Mielke und ich laden Sie zu den Versammlungen der SPD Ihres Wahlkreises herz<NZ>lichst ein. Es grüßt Sie freundlichst Ihr Fritz Helmstädter<NZ>Helmut Mielke
Published:04.03.1956