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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Freie WAHLEN [] Deutsche EINHEIT [] Der Westen ist in der Frage der deutschen Einheit zur Offensive übergegangen. Die deutsche Bundesregierung hat konkrete Forderungen zur Wiederherstellung der deutschen Einheit proklamiert. Als Voraussetzung für die deutsche Einheit werden freie demokratische und gesamtdeutsche Wahlen gefordert. Damit ist die alte sozialdemokratische Forderung nach allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen als Voraussetzung für die Schaffung eines demokratischen Gesamtdeutschland zur offensiven Kampfforderung des Westens geworden. [] Die sowjetischen Drahtzieher der Sowjetzone befinden sich in der Defensive. Die Pieck, Grotewohl und Ulbricht wissen, daß wirklich geheime und freie Wahlen die Machtstellung der Stalinisten in Mitteldeutschland zertrümmern würden und die SEP eine bedeutungslose Splitterpartei, ähnlich der KP im Westen, werden müßte. [] Voraussetzung dieser Wahlen ist die Gewährleistung der freien Betätigung aller demokratischen Parteien unter Viermächtekontrolle und wirksame Garantien für die Abwehr aller bolschewistischen Terrorversuche. Um jede kommunistische Sabotage und jeden Versuch, den politischen Willen des Volkes zu verfälschen, unmöglich zu machen, muß die aus freien Wahlen hervorgehende gesamtdeutsche Nationalversammlung gleich eine wirksame Macht ausüben können. Die Nationalversammlung muß, wie der Vorstand der SPD um 19. 4. 1950 feststellte: [] "Die Funktion eines gesamtdeutschen Parlaments mit allen damit verbundenen Rechten ausüben. Das bezieht sich vor allem auf eine für Gesamtdeutschland zu bildende Regierung mit dem Sitz in Berlin." [] In dieser Erkenntnis hat der Ostausschuß beim Vorstand der SPD auf seiner letzten Tagung nach dem Referat von Dr. Kurt Schumacher folgende Entschließung gefaßt: [] "Der Ostausschuß beim Vorstand der SPD begrüßte die Forderung der Bundesregierung nach gesamtdeutschen Wahlen, weil dadurch auch in den Parteien rechts von der Sozialdemokratie eine alte, sozialdemokratische Forderung aufgegriffen und zum erstenmal auf die frühere Illusion eines möglichen Ausgleichs mit den Methoden der Diktatur auf dem Verhandlungswege verzichtet wird. [] Der Ostausschuß vertrat in Uebereinstimmung mit der Ansicht von Dr. Kurt Schumacher den Willen, eine aus gesamtdeutschen Wahlen hervorgegangene Nationalversammlung in ihrem Auftrage nicht auf die Schaffung einer Verfassung zu beschränken, sondern sie zum ersten ordnungsmäßigen Parlament für ganz Deutschland mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen zu machen. Nur dadurch werden die Folgen des Weiterbestehens zweier verschiedener politischer Systeme in Deutschland beseitigt. Der Weg über gesamtdeutsche Wahlen ist das am besten geeignete Mittel, die kommunistische Agitation mit der "Nationalen Front" wirkungslos zu machen." [] Damit hat die SPD einen neuen, entscheidenden Vorstoß für die, Wiederherstellung der deutschen Einheit unternommen. Der sozialdemokratische Vorschlag basiert auf der Erkenntnis, daß eine gesamtdeutsche Nationalversammlung nur dann wirksame Arbeit leisten und Terrorversuche der Kommunisten verhindern kann, wenn ihr gleichzeitig mit ihrem Auftrag zur Ausarbeitung einer Verfassung die notwendigen Mittel einer starken Exekutive in die Hand gegeben werden. [] Dr. Kurt Schumacher hat zu der Frage der Abhaltung freier Wahlen und der Schaffung eines gesamtdeutschen Parlaments ein Interview gegeben. Dr. Schumacher sagte: [] "Die Reihenfolge der Maßnahmen ist entscheidend. Allgemeine demokratische Wahlen müssen der erste Schritt zur Einigung Deutschlands sein. [] Die Kommunisten legen alles darauf an die Wahlen erst vornehmen zu lassen, wenn durch Verhandlungen und Zusammenarbeit mit ihnen alle anderen Parteien geschwächt sind und das Vertrauen bei dem Volk verloren haben. Nach der Einschätzung, wie sie von der Sozialdemokratie seit 1946 und auch in den "Zwölf Punkten zur Pariser Außenministerkonferenz" im Mai 1949 dargelegt worden ist, wollen die Kommunisten allgemeine Wahlen erst zu einem späteren Zeitpunkt. Vorher möchten sie mit Hilfe der Sowjetunion ihre Macht unerschütterlich etablieren. Daher die Heftigkeit ihrer Abwehr gegen den Vorschlag, mit den Wahlen zu beginnen. [] Der Vorschlag der Bundesregierung, daß die vier Besatzungsmächte gemeinsam die Wahlordnung erlassen, ist die Anerkennung der Tatsache, daß hier die Einigung zwischen den tatsächlichen Machthabern die Grundlage bilden muß. Der deutsche Einigungswille kann nicht durch Reden und Verhandlungen zwischen den Deutschen bewiesen werden. Er ist die selbstverständliche Voraussetzung jeder aktiven demokratischen Politik nach dem Osten, auch für die Besatzungsmächte. Dabei ist die allein mögliche Plattform, daß die gleichen demokratischen Voraussetzungen für alle Parteien und Personen in allen vier Besatzungszonen erst allgemeine Wahlen ermöglichen." [] Zur sozialdemokratischen Auffassung, über die Rechte einer ersten gesamtdeutschen Nationalversammlung erklärte Dr. Schumacher: [] "Die wichtigste Frage ist erst noch auf die Tagesordnung zu setzen. Der Gedanke einer Nationalversammlung ist gut. Man darf diese Nationalversammlung aber nicht auf die Aufgabe der Schaffung einer Verfassung beschränken. Eine Nationalversammlung nach dem Vorbild der Frankfurter Nationalversammlung oder gar des Parlamentarischen Rates in Bonn würde nicht zum Ziele führen. Die kommende Nationalversammlung muß wie 1919 sämtliche Aufgaben des Parlamentes bewältigen, von denen die Schaffung einer Verfassung nur ein, wenn auch sehr wichtigter [!] Teil ist. Sie hat den demokratischen Willen des ganzen deutschen Volkes auszudrücken und eine entsprechende Regierung in Berlin zu bilden. Würde sie sich mit der Schaffung einer Verfassung begnügen, dann würden die Regierung in Bonn und das Regierungssurrogat in Pankow bestehen bleiben. Dabei käme Pankow in die Lage, unendlich viel mehr Macht auszuüben, als ihm nach dem Volkswillen zukäme. Von seinem ja oder Nein wäre dann die kommende Entwicklung abhängig. Eine Nationalversammlung, die aber als komplexes deutsches Parlament auch die Regierung bildet, würde die überwältigende Kraft der Demokratie in Deutschland auch praktisch ausdrücken können. Die neue deutsche Regierung in Berlin, im Osten des Landes getragen von dem Gefühl, der Befreiung von der Diktatur und im Westen als der Ausdruck der nationalen Bewährung der Demokratie empfunden, wäre die einzige reale deutsche Macht, die die staatsbürgerlich und gesellschaftlich notwendige [] Freiheit und Gleichheit in allen Zonen Deutschlands verwirklichen könnte." [] Auf die letzte Frage, ob der Kampf um die deutsche Einheit die europäische Zusammenarbeit beeinträchtigen könnte, gab Dr. Schumacher die entschiedene Antwort: [] "Ein krisenfestes und erfolgreiches Europa ist auf die Dauer nur gegeben, wenn Deutschland als Ganzes in ihm mitarbeitet. Wer Deutschland in Europa einbauen will, der sollte wissen, daß die deutschen Bemühungen nicht aufhören werden, das geeinte Deutschland zu seiner europäischen Aufgabe zu bringen. Wenn es Staaten gibt, die die deutsche Einheit nicht wollen, so können wir nicht an ihr Europäertum glauben. Wer als Voraussetzung der deutschen Beteiligung an der europäischen Gemeinschaft die Spaltung Deutschlands ansieht, der will nicht Europa, sondern eine privilegierte Stellung seines Landes auf Kosten Europas. Hier ist die Behandlung der Saarfrage sehr aufschlußreich und darum Weitgehend bestimmend für die sozialdemokratische Politik. Europa wäre ohnmächtig, wenn es das Ergebnis einer Politik nationaler Stärkung und Schwächung wäre. Macht kann nicht das gleiche Recht für alle Völker, und der Vorteil des Augenblicks nicht die für den Bau der Zukunft notwendige Vernunft ersetzen. Auf Recht und Vernunft kann nicht verzichtet werden. [] Die deutsche Sozialdemokratie hat die sichere Ueberzeugung, daß der Kampf um die Demokratie in Deutschland Erfolg haben, und daß die politische Europäisierung Europas trotz aller Hindernisse zustande kommen wird." [] Die kommunistischen Machthaber der sowjetischen Besatzungszone haben die westdeutschen Forderungen nach freien Wahlen wutschäumend abgelehnt. Die Kommunisten sind gegen freie Wahlen für ein Gesamtdeutschland. An Stelle von freien Wahlen werden von ihnen "volksdemokratische Wahlen" für Oktober 1950 vorbereitet. Diese volksdemokratische Wahlkomödie wird mit einer Einheitsliste unter der Firmierung "Nationale Front" durchgeführt. [] Die Ablehnung freier Wahlen für Gesamtdeutschland durch die Kommunisten demaskiert ihre Absichten und zeigt was sie in Wirklichkeit sind: die Spalter Deutschlands! [] Die Forderung nach freien gesamtdeutschen Wahlen muß Hauptpunkt der politischen Tagesordnung in Deutschland werden und bleiben. Mit dieser Forderung werden alle kommunistischen Schwindelmanöver entlarvt. Hinter ihren phrasenhaften Einheitserklärungen haben die Kommunisten im Auftrage der Sowjets bewußt die Separierung der sowjetischen Besatzungszone von Gesamtdeutschland betrieben und sind jetzt dabei, 18 Millionen Deutsche gegen ihren Willen in den Ostblock einzugliedern. Dies aber würde die endgültige Spaltung Deutschlands bedeuten. [] Laßt Euch nicht durch kommunistische Ablenkungsmanöver täuschen! [] Sabotiert die Vorbereitungen zu der separatistischen Abstimmungskomödie vom 15. Okt.! [] Fordert freie gesamtdeutsche Wahlen unter Viermächtekontrolle! [] Herausgeber: Partei-Vorstand der SPD [] Druck: Buchdruckwerkstätten Hannover GmbH.
Published:15.10.1950