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Die Satten [] gegen die Hungrigen [] Altonas Besitzbürger verlangen vierfache Kopfsteuer! [] So wollen es die Rechtsbürgerlichen: []Die gering bezahlten Lohn- und Gehaltsempfänger, die Kurzarbeiter, selbst Arbeitslose sollen mit neuen Steuerlasten bepackt werden - Firmen mit 50 000 Mark Jahresertrag und darüber sollen frei ausgehen! [] Steuerskandal der Bürgerlichen Gemeinschaft [] Die Stadt Altona hat infolge der gestiegenen Wohlfahrtsausgaben einen Mehrbedarf von rund 2 ½ Millionen Mark. Als nach den ergebnislosen Verhandlungen in den Städtischen Kollegien der Altonaer Oberbürgermeister die Führer der Stadtverordnetenfraktionen am Freitag, 14. November, zusammenberief und in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Magistrat ihnen die Frage vorlegte, wie nach der Meinung ihrer Fraktionen dieser unbedingt notwendige Mehrbedarf gedeckt werden solle, da verlangte der Führer der Fraktion Bürgerliche Gemeinschaft, daß neben der Biersteuer, die eventuell eingeführt werden könne, die "Bürgerabgabe", das heißt also [] die Kopfsteuer, [] erhoben werden müsse, und zwar in solcher Höhe - mit 100, 200 oder 300 % Zuschlag! - daß damit das Defizit gedeckt werde. Eine Erhöhung der Grund- oder der Gewerbesteuer dürfe nicht eintreten. Die Gewerbetreibenden könnten eine Steuererhöhung nicht mehr tragen. Er selbst habe, so erklärte Herr Ahrendt, jetzt als Rechtsanwalt 4000 M Gewerbesteuer zu zahlen. Da könne er doch keine Erhöhung mehr tragen! [] Was bedeutet diese Erklärung? [] Der Mann, der (laut Selbsteinschätzung!) jährlich 4000 M Gewerbesteuer zu zahlen hat, muß einen Ertrag von mindestens 50 000 M in seinem Gewerbe zu verzeichnen haben. Bei einem Jahresertrag von mindestens 50 000 M also erklärt der Führer der Bürgerlichen Gemeinschaft jede Gewerbesteuererhöhung für untragbar; die Aermsten der Armen aber, die Arbeitslosen, die Kurzarbeiter sowie die Lohn- und Gehaltsempfänger, die noch nicht den zehnten oder zwanzigsten Teil seines Einkommens beziehen, will er zu gleicher Zeit mit einer Steuer belegen, die jeden erwachsenen Familienangehörigen über 20 Jahre mit 6 M die Ehefrau mit 3 M Extrasteuer belastet. Und er will nicht nur diese einfachen Steuersätze erheben, sondern sie sogar noch verdoppeln, verdreifachen, ja vervierfachen - bis das Defizit gedeckt ist. [] "Denn die breiten Massen", [] so erklärte der Führer der Bürgerlichen Gemeinschaft in Gegenwart aller Magistratsmitglieder und der Führer der andern Fraktionen, [] "müssen endlich merken, daß sie alle Leistungen der Gemeinde bezahlen müssen; sie müssen, wenn sie in den Parks spazieren gehen wollen, daran denken, daß sie dafür die Steuern zahlen müssen." [] Für die Reichen, so fügte der Herr Ahrendt noch zynisch hinzu, seien diese öffentlichen Parks ja ohnehin von geringerer Bedeutung! [] Werktätige Männer und Frauen! [] In diesen Worten des Stadtverordneten Ahrendt ist alles ausgedrückt, worum in diesen Tagen der Kampf in der Gemeinde tobt. [] Aus Wut über das freie Wahlrecht aller Gemeindeangehörigen wollen die Rechtsbürgerlichen die breiten Massen derartig mit Steuern bepacken, daß ihnen die Lust vergeht, soziale Fürsorge und kulturelle Einrichtungen, Kinderheime, Altenheime, Kinderspielplätze und Anlagen, neue Wohnungen und Schulen zu fordern. [] Die Rechtsbürgerlichen wollen - und sie finden dabei die Unterstützung der Nationalsozialisten und der Wirtschaftspartei - wieder zurück zu den Zuständen der Vorkriegszeit, wo die Arbeiter und Angestellten wohl tüchtig Steuern zahlen mußten, aber alle Gelder nur für die Sonderinteressen besitzender Schichten verwandt wurden, während für die Massen des Volkes nichts als nur eine kümmerliche und entehrende "Armenunterstützung" übrig blieb! [] Durch diese Pläne ist in Altona vorläufig ein Strich gemacht worden. [] Die Ernennung des Oberbürgermeisters Brauer zum Staatskommissar und der Erlaß der neuen zur Weiterzahlung der Unterstützungen notwendigen Steuern unter Ablehnung der Kopfsteuer hat einen wütenden Proteststurm der Rechtsbürgerlichen hervorgerufen. Sie, die zuerst den Staatskommissar herbeigesehnt haben, weil sie von ihm Erfüllung ihrer Wünsche erhofften, telegraphieren jetzt die preußische Regierung an und vergießen Krokodilstränenüber Verletzung der Selbstverwaltung, weil es nicht nach ihren Wünschen gegangen und nicht ausschließlich die breiten Massen belastet worden sind. [] Brauer verhindert die Kopfsteuer! [] Der Plan der Rechtsbürgerlichen mißlungen [] Der von der Preußischen Regierung zum Staatskommissar für Altona ernannte Oberbürgermeister Brauer hat, nachdem in den Städtischen Kollegien eine Mehrheilsbildung über die neuen Steuern nicht erreicht werden konnte, verfügt, daß in Altona die Bier- und Getränkesteuer eingeführt und die Grundsteuer um 50 %, die Gewerbesteuer um 25 % erhöht werden. Die Einführung der unsozialen Bürgersteuer lehnte Brauer ab. [] Der Magistrat hat dieser Verfügung mit allen Stimmen gegen die des Kommunisten zugestimmt. Auch die bürgerlichen Senatoren Bauermeister und Frahm haben zugestimmt. [] Warum überhaupt Steuererhöhung? [] Nach schwierigen Verhandlungen hatten die Städtischen Kollegien im Frühjahr dieses Jahres den Etat für das Jahr 1930 balanciert. Inzwischen aber hat, was damals auch die ärgsten Pessimisten nicht vorausgesehen haben, die Wirtschaftskrise sogar während der Sommermonate einen derartigen Umfang angenommen, daß die Arbeitslosigkeit statt abzuflauen, immer größer wurde. Dadurch schwollen die Ausgaben des Wohlfahrtsamtes bereits im Sommerhalbjahr weit über das vorherzusehende Maß an. Allein vom Juli bis zum September, also in den Monaten der günstigsten Konjunktur, stieg die Zahl der unterstützungsberechtigten Parteien des Altonaer Wohlfahrtsamtes von 9775 auf 10 500. Infolge dieses ungeheuren Anwachsens der Unterstützungsempfänger mußten bereits im ersten Halbjahre 1930 800 000 M an Barunterstützungen des Wohlfahrtsamtes mehr ausgegeben werden, als im Etat vorgesehen war. Für die bevorstehenden Wintermonate ist mit einer weiteren Verschlechterung zu rechnen. Das Wohlfahrtsamt schätzt die zu erwartenden Mehrausgaben auf 2 ½ Millionen Mark. [] Neben diesen Mehrausgaben hat die steigende Arbeitslosigkeit und Einschränkung vieler Betriebe eine Verminderung der Steuereingänge zur Folge gehabt, die sich, für das ganze Jahr berechnet, 1 ½ Millionen Mark beläuft. [] Der im Frühjahr mühselig ins Gleichgewicht gebrachte Etat weist also einen Unterschuß von rund 4 Millionen Mark auf! [] In dieser Situation hat die Stadtverwaltung sich zu wahrhaft einschneidenden Drosselungen notwendiger Ausgaben gezwungen gesehen: sie ging dabei soweit, sogar solche Drosselungen vorzunehmen, die in Wirklichkeit keine Ersparnisse bedeuten, sondern für die nächsten Jahre nur vermehrte Ausgaben nach sich ziehen. Damit erreichte die Stadtverwaltung für den Augenblick eine Einsparung von rund 1 ½ Millionen Mark. Es müssen also noch 2 ½ Millionen Mark neuer Mittel beschafft werden. Das war nur möglich durch neue Steuern oder Erhöhung der bestehenden Steuern. [] Der Magistrat schlug die Einführung einer Bier- und Getränkesteuer vor. Trotzdem alle Fraktionen die Notwendigkeit neuer Mittelbeschaffung anerkennen mußten, erklärten sich nur die Sozialdemokraten und drei Demokralen für die Vorschläge des Magistrats, während alle übrigen Parteien die Vorlagen ablehnten und auch auf den Hinweis des Oberbürgermeisters, daß dann ein Staatskommissar die neuen Steuern festsetzen würde, bei ihrer ablehnenden Haltung verblieben. Ja, die Nationalsozialisten erklärten sogar ausdrücklich, sie wünschten einen Staatskommissar herbei. [] Die Bürgerliche Gemeinschaft aber suchte ihre verantwortungslose Haltung hinter der Erklärung zu verstecken, es sei noch nicht der ernsthafte Versuch gemacht worden, durch energische Sparmaßnahmen das Defizit zu decken. [] Das wagte die stärkste bürgerliche Fraktion zu erklären in demselben Augenblick, da nicht nur sämtliche Wohnhausbauten, sondern auch alle Straßenbauten, sogar die laufenden Straßenunterhaltungsarbeiten, ferner laufende und notwendige Unterhaltungs- und Ergänzungsarbeiten der Schulen eingestellt und sogar die im Interesse der Volksgesundheit dringend notwendige Fortsetzung der Arbeiten an der Grundwasserversorgung aus Mangel an Geldmittel zunächst unterbrochen worden sind. [] Und das wagte die Bürgerliche Gemeinschaft zu erklären, und sie geht auch jetzt noch in langen öffentlichen Erklärungen mit den gleichen Behauptungen herum, obwohl ihr bekannt sein muß, daß bei der Stadtverwaltung täglich Beschwerden über Beschwerden und Klagen über Klagen aus den Kreisen der Gewerbetreibenden und sogar der Bürgervereine über mangelnde Aufträge, über schlechte Beschaffenheit der Straßen und Schulen und die unzulängliche Straßenbeleuchtung einliefen. Allein die Sozialdemokratie hat sich geschlossen für die Notwendigkeit neuer Mittelbeschaffung eingesetzt, da sie es nicht verantworten konnte, etwa die Zahlung der Unterstützungen an die Aermsten der Armen einzuschränken oder gar ganz zum Stillstand kommen zu lassen. Die Sozialdemokratie ist dabei keineswegs Freund der neuen Steuern, sie sieht in ihnen, wie aus dem Kampf gegen die Notverordnungen des Brüning-Kabinetts bekannt ist, keine empfehlenswerten Lösungen. [] Die Sozialdemokraten sind der Meinung, daß nicht durch die von der Reichsregierung vorgeschriebenen Steuern, sondern durch eine schärfere Einkommensbesteuerung der Leistungsfähigen und Erbschaftssteuer die notwendigen Ausgaben gedeckt werden müßten. [] Aber die rein bürgerliche Reichsregierung hat diesen Weg abgelehnt und den Gemeinden die bindende Verpflichtung auferlegt, auf die in den Notverordnungen enthaltenen Steuern zurückzugreifen. [] Wenn jetzt in den Gemeinden dieselben Parteien die im Reiche diese Notverordnungen erst ermöglicht haben, die Steuern ablehnen, so zeigt das die ganze [] Demagogie dieser Kreise. [] Die Sozialdemokratie - das sei noch einmal ausdrücklich betont - hat schwere Bedenken sowohl gegen die Bier- als auch die Getränkesteuer, aber sie kann sich mit Rücksicht auf die Sicherung der Wohlfahrtsunterstützung nicht der Notwendigkeit entziehen, von den von der Reichsregierung vorgeschriebenen Steuern zur Beschaffung der Mittel für das Wohlfahrtsamt Gebrauch zu machen und so in schwerster Zeit ihre [] Solidarität mit den Aermsten der Armen bekunden. [] Allerdings muß die Sozialdemokratie die sogenannte Bürgerabgabe, die in Wirklichkeit eine Mittelalterliche, nur noch in Kolonialstaaten übliche Kopfsteuer ist, mit aller Entschiedenheit ablehnen, besonders dann, wenn andere Steuermöglichkeiten noch offenstehen; denn diese Bürgerabgabe bestimmt, daß jeder Staatsbürger und jede Staatsbürgerin ohne Rücksicht aus soziale Verhältnisse, Familienstand und Kinderzahl den gleichen Jahresbetrag zahlen müssen. Nur für Einkommen über 8000 M findet eine Staffelung statt, die so lächerlich gering ist, daß man sich schämen muß, dafür überhaupt den Ausdruck "Staffelung" zu gebrauchen. Während alle Personen bis zu einem Jahreseinkommen von 8000 M 6 M Bürgerabgabe zahlen müssen, sollen Personen mit einem Einkommen von 8000 bis 25 000 M nur 12 M, von 25000 bis 50000 M nur 50 M und von 50000 bis 100 000 M nur 100 M zahlen. Während so [] die Großverdiener auf wahrhaft empörende Weise geschont werden, sieht die Notverordnung vor, daß auch der Erwerbslose, der Arbeitslosenunterstützung bezieht, die Bürgerabgabe zahlen muß. [] Und angesichts dieser skandalös unsozialen Beschaffenheit der Bürgersteuer, verlangt die Altonaer Bürgerliche Gemeinschaft, daß sie nicht nur mit einfachen Beträgen, sondern eventuell verdreifacht und vervierfacht erhoben werden soll, womit die Ungerechtigkeit ins Ungeheuerliche gesteigert wurde. [] Gegen dieses unverschämte Ansinnen hat die sozialdemokratische Stadtverordnetenfraktion mit aller Energie Stellung genommen. [] Wenn die Kommunisten wirklich Arbeiterinteressen vertreten würden, hätten sie in diesem Kampf an der Seite der Sozialdemokratie stehen müssen. Statt dessen haben sie sich in die gemeinsame Front der Nazis, der Bürgerlichen Gemeinschaft und der Wirtschaftsparteiler begeben und die Steuervorlage des Magistrats, die den entbehrlichen Verbrauch belastete, mit niedergestimmt, um den Weg frei zu machen für einen Staatskommissar, der nach dem Willen der Bürgerlichen die Bürgersteuer in Altona einführen sollte! [] Dieser saubere Plan ist durch die Ernennung des Oberbürgermeisters Brauer zum Staatskommissar vereitelt worden. [] Während der für Wanbsbek und Kiel ernannte Staatskommissar, Regierungsrat Dr. Schifferer aus Schleswig, rücksichtslos die Bürgersteuer nach dem Willen der Bürgerbundfraktionen diktierte und von der Bier- und Getränkesteuer Abstand nahm, hat Oberbürgermeister Brauer die Einführung der Bürgerabgabe abgelehnt und diesen Standpunkt auch beim Regierungspräsidenten durchgesetzt. Er hat dafür die Bier- und Getränkesteuer eingeführt und damit nur für Altona dasselbe Recht geschaffen, was in Hamburg schon besteht und was bei der Zusammengehörigkeit des Städtegebietes ohne weiteres berechtigt ist, und er hat außerdem eine Erhöhung der Realsteuern vorgenommen. Auch diese<NZ>Erhöhung der Realsteuern hält sich, wie aus der nebenstehenden Tabelle zu ersehen ist, in mäßigeren Grenzen als Diktat des "neutralen" Regierungsrats Dr. Schifferer. [] Die Rechtsbürgerlichen, die durch die Ernennung Brauers ihren Plan durchkreuzt sehen, sind jetzt furchtbar wütend, und bestürmen das Staatsministerium mit Protesttelegrammen. Aber die Wut derjenigen, die andern eine Grube graben wollten, wird nichts daran ändern, daß in Altona durch die Haltung der Sozialdemokratie die neue Steuerbelastung nicht einseitig auf die Armen und Aermsten gepackt wird, sondern daß alle Kreise der Bevölkerung so weit herangezogen werden, als es nach den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt nur möglich ist. [] Zwei Staatskommissare... [] Der Bürgerliche [] Der "neutrale" Regierungsrat Dr. Schifferer (Sohn des Kieler Brauereiaktionärs Schifferer) verfügte in Wandsbek: [] 80 % Grundsteuererhöhung [] 50 % Gewerbesteuererhöhung [] Sofortige Einführung der unsozialen "Bürgerabgabe" (Kopfsteuer) [] Keine Einführung der Biersteuer [] Keine Einführung der Getränkesteuer [] verfügte weiter in Kiel: [] Sofortige Einführung der "Bürgerabgabe" [] Der Sozialdemokrat [] Der Altonaer Oberbürgermeister Brauer [] (in seiner Eigenschaft als Staatskommissar) [] verfügte für Altona: [] 50 % Grundsteuererhöhung [] 25 % Gewerbesteuererhöhung [] Die Einführung der "Bürgerabgabe" (Kopfsteuer) kommt nicht in Frage [] Einführung der Biersteuer (wie in Hamburg) [] Einführung der Getränkesteuer (wie in Hamburg, doch soll die Erhebung in einfacherer Form erfolgen) [] ...und das ist der Unterschied: [] Der bürgerliche "neutrale" Regierungsrat ließ jede soziale Rücksicht auf die Bevölkerung außer acht. Er hat bei der Steuerfestsetzung gewirkt, als wäre er der Anwalt der bürgerlichen Fraktion und von reinen Interessentenwünschen nicht unabhängig. [] Der sozialdemokratische Oberbürgermeister hat sich bemüht, soweit es der ihm von der Aufsichtsbehörde und den Gesetzen gezogene Rahmen zuließ, die nun einmal nicht zu umgehende neue Steuerbelastung, die jeden hart trifft, möglichst gleichmäßig zu verteilen und das Wohl der Allgemeinheit nicht hinter besonderen Interessentenwünschen (die an sich berechtigt sein mögen) zurückzustellen. [] 130 Mark für ein Mahnschreiben! [] Es vergeht keine Sitzung der Städtischen Kollegien, auch keine Versammlung des Zentralausschusses der Bürgervereine, in der nicht Herr Ahrendt, Rechtsanwalt und Führer der Fraktion Bürgerliche Gemeinschaft, von der Stadtverwaltung noch größere Sparsamkeit fordert. [] Um die Sparsamkeit der Stadt zu fördern, führt Herr Ahrendt mit Vorliebe Prozesse gegen die Stadt, um sie zu Zahlungen zu veranlassen, für die keine Berechtigung vorliegt. Zum Glück verliert er sie stets. Seine Mandanten aber, die er immer sehr hoffnungsfreudig gestimmt und von Vergleichen abgeraten hat, haben das Nachsehen und die hohen Honorarkosten. Sie mögen dann ruhig schimpfen, wie jetzt zum Beispiel Herr Stockmann, der in der Frage der Städtereklame Herrn Ahrendts schlechten Ratschlägen allzu lange vertraut. [] Um die Sparsamkeit der Stadt zu fördern, tut Herr Ahrendt auch noch mehr. Da schwebt gegenwärtig ein Prozeß der Firma Groth & Degenhardt gegen die Stadt wegen einer Abfindungssumme. Rechtsanwalt Ahrendt, Vorsitzender der Fraktion Bürgerliche Gemeinschaft, Mitglied der Kämmereikommission und Mitglied der Verkehrskommission, vertritt die Interessen der Stadt, wozu er sich in seinem Stadtverordneteneide verpflichtet hat, indem er - die Interessen des Prozeßgegners der Stadt wahrnimmt. In dieser Eigenschaft hat er jetzt der Stadt ein Mahnschreiben wegen Zahlung einer vorläufigen Abfindung geschickt und verlangt von der Stadt an Gebühren für dieses Schreiben 130 M! In Worten, damit kein Irrtum möglich, einhundertunddreißig Mark für ein einfaches Schreiben! [] Und dieser Mann nimmt sich heraus, als Stadtverordneter eine größere Sparsamkeit von der Stadtverwaltung zu fordern, dieser Mann besitzt die Unverschämtheit, von Verschwendung städtischer Gelder zu schwätzen. Dieser Mann, den seine Privatinteressen nicht hindern, sich gerade in diejenigen städtischen Kommissionen hineinwählen zu lassen, in denen er fortlaufend in Interessenkollisionen kommen muß, dieser Mann darf immer noch im Namen der Bürgerlichen Gemeinschaft das Wort führen! [] Findet sich im ganzen Altonaer Bürgertum keine aufrechte Persönlichkeit, die einer solchen Verquickung von Geschäft und Ehrenamt das Urteil spricht? [] Von Mohr zu Gänseklein [] (Eine wahre Geschichte, in allen Bürgervereinen zu erzählen) [] Um Kampfnatur zu heißen, [] kam der Tropf [] mit allem, was natürlich, [] ins Zerwürfnis. [] Schweißtriefend steht er auf dem Kopf [] und schwört, [] das sei ihm Naturbedürfnis. [] (Bodenstedt.) [] Als Heinrich, der für sein Leben gern Altonaer Stadtsyndikus geworden wäre, es bis zum Magistratsassessor gebracht hatte, wurde dem stolzen Höhenflug ein jähres Ende bereitet. Oberbürgermeister Schnackenburg, der unserm Heinrich gewiß nichts Böses wünschte, konnte den Jammer nicht länger mit ansehen. Sanft und zartfühlend gab er Heinrich einen Wink, und Heinrich war, mochten auch seine juristischen Kenntnisse nicht überwältigend sein, immerhin doch schon soweit entwickelt, daß er diesen Wink verstand. [] So entschloß sich unser braver Heinrich, nach andern Fleischtöpfen Ausschau zu halten. Besonders angetan hatte es ihm bald die Bürgermeisterstelle eines kleinen Landstädtchens. In unverzeihlicher Verblendung aber verzichteten die Bürger jener Stadt auf die wertvollen Dienste des verhinderten Stadtsyndikus. Das war bitter für Heinrich Ahrendt, und er schwur, die Stadt Altona dieses Mißgeschick büßen zu lassen. [] Da auch als Magistratsassessor seines Bleibens nicht Mehr lange war, wandte Heinrich Ahrendt sich nach einer kurzen, aber erfolglosen Uebergangsperiode als Richter dem freien Anwaltsberufe zu. Warum sollte - so kalkulierte er nicht ganz unrichtig - in diesem Berufe, wo neben vielen tüchtigen auch eine ganze Reihe unfähige Leute sich im goldenen Glanze sonnen, nicht auch für ihn noch ein Plätzchen frei sein. Und mit dem sichern Instinkt derjenigen Lebewesen, denen die Natur andere Gaben vorenthalten hat, fand er ein Sprungbrett, das ihn den Weg nach oben zuführte. Heinrich Ahrendt suchte und fand Anschluß beim Grundeigentümerverein und beim Zentralausschuß der Bürgervereine, wo er sich bald ganz in seinem Milieu befand. Unter Blinden ist der Einäugige König, und also stieg auch Heinrich Ahrendt schnell zum kommunalpolitischen Führer des Zentralausschusses auf. Nicht zum Schaden für seine Rechtsanwaltspraxis übrigens. (Ob auch für seine Klienten, das bleibe dahingestellt.) [] Zu diesem Zeitpunkt war es, als im Altonaer Bürgertum die Idee auftauchte, mit einer "Einheitsliste" den Teufel Marxismus zu besiegen und der roten Mißwirtschaft ein Ende zu bereiten. Hier war Heinrich Ahrendt in seinem Element. Hier konnte er feinem alten Groll gegen die Stadt Altona, die ihn um seine schönste Hoffnung betrogen, die Zügel schießen lassen. Er schürte also tüchtig das Feuer der Einheitsliste und brachte es wirklich fertig, nicht nur die Deutsche Volkspartei einzusaugen, sondern auch deren verständigere Führer in die Ecke zu quetschen. Heinrich Ahrendt wurde Stadtverordneter und auch gleich Führer der neugebackenen Fraktion Bürgerliche Gemeinschaft. Unter seiner bewährten Leitung glitt sie von Mißerfolg zu Mißerfolg. Das aber focht unsern Heinrich natürlich nicht an! Je mehr die Fraktion an Ansehen und Einfluß verlor, desto herrlicher dünkte er sich. Nach den Kommunalwahlen von 1929 glaubt er, das Zünglein an der Waage sein zu können und der verhaßten Stadtverwaltung, gegen die er einen Prozeß nach dem andern verliert, als Stadtverordneter seinen Willen diktieren zu können. "Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten" oder wie Wilhelm Busch sagt, denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt". [] Früher gab es in Altona die Familie Mohr. Es geschah nichts in der Stadtverwaltung, wozu nicht die Familie Mohr ihre Zustimmung gegeben. Die Familie Mohr schwebt Herrn Ahrendt noch immer als Ideal vor. Ihr es gleich zu tun, ist das Ziel seines Strebens. Heinrich Ahrendt aber ist nicht Familie Mohr. Heinrich Ahrendt ist von der Beschaffenheit, von der Claire Waldoff so hübsch singt: [] Familie Gänseklein, [] die will was Feines sein; [] sie hat so'n großen Dünkel [] und sind nur kleine Pinkel. [] Familie Gänseklein - - [] Piek fein! . . . [] Der Ankläger im Reichstag [] hat schonungslos das unheilvolle Treiben der Nationalsozialisten aufgedeckt. Minutenlang haben die Frick, Goebbels und Genossen aufgeheult, als der Redener der Sozialdemokratie [] Staatsanwalt Dr. Hoegner, München, [] ihnen ihre Schandtaten vorhielt. Dieser Redner [] sricht Sonntag, 23. November, bei Wachtmann, [] Große Freiheit, in der öffentlichen Versammlung der Altonaer Sozialdemokratie, in der, wie hiermit öffentlich bekanntgegeben wird, einem nationalsozialistischen Redner eine halbe Stunde Redezeit gewährt wird. [] Unkostenbeitrag 20 Pfennig Saalöffnung 10 Uhr Beginn 10.30 [] Herausgeber: Paul Bugdahn, Altona. - Druck: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer & Co. in Hamburg.
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