statt eines Gesprächs . Ein Brief an alle, die am 14. August wählen sollen

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; 23. Juli 1949 [] ... statt eines Gesprächs [] Ein Brief an alle, die am 14. August wählen sollen [] Walter Fisch [] Liebe Freunde! [] Am 14. August werden Sie meinen Namen auf dem Wahlzettel finden, auf dem Sie Ihre Stimme für die Zusammense...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), Landesvorstand Hessen, Eichelsdörfer, Ernst, Rhein-Main-Druck GmbH, Frankfurt/M.
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 14.08.1949
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/AB877DC3-AA73-4CE6-98DF-853C98437E10
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; 23. Juli 1949 [] ... statt eines Gesprächs [] Ein Brief an alle, die am 14. August wählen sollen [] Walter Fisch [] Liebe Freunde! [] Am 14. August werden Sie meinen Namen auf dem Wahlzettel finden, auf dem Sie Ihre Stimme für die Zusammensetzung des kommenden Bundestages abgegeben sollen. [] Ich weiß, manche von Ihnen sind sich noch keineswegs im klaren, für welchen Kandidaten sie sich entscheiden sollen. Wenn jede Partei, die jetzt wieder um das Vertrauen der Wähler wirbt, einen Rechenschaftsbericht ablegen würde über das, was sie in der vergangenen Zeit getan hat, dann würde Ihnen die Wahl sicher leichter fallen. Dann wüßten Sie ganz genau, wie viele leeren [!] Versprechungen bei der letzten Wahl gemacht und wie wenig davon gehalten wurden. [] Manche von Ihnen bezweifeln, ob es überhaupt einen Sinn hat, wählen zu gehen: "Die da oben machen ja doch was sie wollen". Das stimmt. Die Regierungsparteien haben gemacht, was sie wollen. Und Ihnen blieb nichts als die Enttäuschung. [] Aber darum sollten Sie jetzt nicht zu Hause bleiben. Wenn die anderen keine Rechenschaft ablegen über ihre Taten, dann geben Sie sich Rechenschaft über die vergangene Zeit, und dann wählen Sie diesmal besser als das letzte Mal. [] Erinnern Sie sich noch? [] Soziale Gerechtigkeit sagten sie alle, Senkung der Preise, Besserung der Lebenshaltung - und was wurde? Die Währungsreform hat Sie um Ihre kärglichen Ersparnisse gebracht, die Preise stiegen, die Löhne blieben. Heute sind die Schaufenster wohl gefüllt; aber die einfachen Menschen, die in Lohn und Gehalt stehen, können sich die schönen Dinge, die sie so lange entbehrten, nicht kaufen. [] Lastenausgleich verkündeten sie. Ja, er kam, der Lastenausgleich. Er brachte die Lasten für die Armen und den Ausgleich für die Reichen. Kein einziges der Opfer des Krieges, der Zerstörung und des Währungsreform-Betruges erhielt bis heute einen Pfennig. Aber etwas anderes gibt es dafür: Ein Lastenausgleichsamt, das bis heute bereits über eine Million DM für sein Personal aufgewendet hat. Und noch etwas gibt es: eine "Entschädigung" von 3,8 Millionen DM für die paar Dutzend Großgrundbesitzer in Hessen, die von ihrem riesigen Reichtum ein paar kleine Hektarlein abgegeben haben. Den Großbanken wurde ein "Ausgleich" für ihre Währungsverluste aus den Geldern der Steuerzahler ausgezahlt, der in Hessen allein nur an Zinsen für ein halbes Jahr den Betrag von 21 Millionen DM ausmacht. [] Von Aufbau wurde gesprochen. Aber aufgebaut wurde in. Wirklichkeit nur ein riesenhafter bürokratischer Apparat. Aufgebaut wurden Divisionen von Ministerialbeamten für die Bizone und für jedes der 11 Länder im besonderen. 110 Ministerien in Trizonesien! Wahrlich eine imposante Aufbauleistung. [] Vom Wohnungsbau wurde gesprochen - und was wurde in Wirklichkeit gebaut? Bauten für die Besatzungsmacht, Bauten für die Bürokratie, Restaurants und Luxusgeschäfte. Und noch immer warten allein in der Bizone 4 Millionen Wohnungssuchende, Fliegergeschädigte, Flüchtlinge, jung verheiratete Ehepaare und von der Besatzungsmacht Exmittierte, auf ein eigenes Dach über dem Kopf. 1500 Millionen DM werden nach dem Haushaltsplan 1949 im Land Hessen ausgegeben. Davon allein 540 Millionen DM nur für Besatzungskosten. Aber ganze 15 Millionen DM für den Wohnungsbau: von hundert Mark eine. [] Von Hilfe für die Alten, Schwachen und Kranken wurde gesprochen. Seht Euch die Beträge der Renten an, die die Körperbeschädigten, die Kriegshinterbliebenen, die Alten und Invaliden erhalten. Ist das ein Leben, wenn man mit solchen Hungerrenten auskommen soll? Und ist es nicht ein Hohn, wenn jetzt auf dem Papier den Rentnern ein Teuerungszuschlag von 20 Prozent gewährt wird und ihnen zur gleichen Stunde der entsprechende Betrag wieder von der Fürsorgeunterstützung abgezogen wird? Jawohl, so geschieht das im Landkreis Offenbach. In der Stadt Offenbach wurde diese Schandtat an den Ärmsten allein durch die Intervention der kommunistischen Stadtverordneten-Fraktion verhindert. [] Von Sozialisierung wurde geredet. Die Amerikaner haben 1946 sogar eine besondere Volksabstimmung darüber gefordert. Sie fand statt. Über 70 Prozent waren dafür. Wer redet heute noch davon? Zwei Jahre lang schlummerten Berge von Papier in den Schubladen der Ministerien. Man wartete. Man wartete, bis ein amerikanischer Gouverneur einen Brief schrieb: Die "sozialisierten" Betriebe müssen an die alten Besitzer zurückgegeben werden. Ein "demokratischer" Brief! - fürwahr. Aber es fand sich ein Hessischer Landtag, der sich mit der gewohnten Mehrheit von 80 gegen 10 kommunistische Stimmen mit der gegebenen Lage abfand. [] Und die Kommunisten? [] Die Kommunisten sind die einzigen, die für diese Entwicklung keine Verantwortung tragen. Als 1946 der neue Landtag gewählt war, war das erste, was die anderen taten, daß sie die Kommunisten aus der Regierung ausschalteten. Die linke Mehrheit wurde zerschlagen und die zahlenmäßig so große und starke SPD begab sich freiwillig an das Gängelband der CDU. Eine "energische" Tat, wahrlich, diese Ausschaltung der KPD. Die einzige "energische" Tat, die die Regierung vollbrachte, seit sie an der Macht ist. [] Soll es ewig so weiter gehen? [] Viele haben die Hoffnung auf eine Besserung schon aufgegeben. Das Mißtrauen gegen die regierenden Parteien frißt sich immer tiefer, und die Wirklichkeit ist ernst genug. Die Arbeitslosigkeit wächst. Dutzende von kleinen und mittleren Betrieben werden in den Konkurs gedrängt. Junge Menschen finden keinen Beruf mehr und über allen steht die bange Frage: Wie lange noch? [] Wir Kommunisten sagen: Und doch gibt es einen Ausweg. Und doch gibt es einen Grund, zu hoffen. Nur das eine muß klar sein: Schenken wird uns niemand etwas, und schon gar nicht die amerikanischen Dollar-Könige und ihre Sendboten. Wenn sie von Hilfe und Humanität reden, dann meinen sie Profit und nichts anderes. [] Wenn wir ein besseres Leben wollen, müssen wir es uns selbst erkämpfen. Und wenn unser Volk sich wieder aufrichten soll, dann muß es an seine Spitze solche Männer und Frauen stellen, die nicht nur ein Mundwerk haben, zu reden, sondern auch ein Rückgrat, um geradezustehen. [] Worum geht es letzen Endes? [] Nur um einen Bundestag? Nur darum, ob die Parteien ein paar Stimmen mehr oder weniger haben? Es geht letzten Endes um ganz andere Dinge. Wir sind ein besetztes Land; besetzt von einer Besatzungsmacht, die keinen vernünftigen Grund mehr hat, noch länger hier zu bleiben. Von einer Besatzungsmacht, die aber trotzdem noch Jahrzehnte hierbleiben will. Warum? Weil sie die deutsche Wirtschaft in ihrer Hand behalten will. Weil sie Deutschland als Konkurrent auf dem Weltmarkt für immer ausschalten will. Weil sie unsere Rohstoffe zu niedrigen Preisen überall in der Welt unterbringen will, nur nicht in Deutschland selbst belassen, wo sie am dringendsten benötigt werden. [] Darum wurden ein Ruhrstatut und ein Besatzungsstatut verhängt - die wirkliche Verfassung, unter der wir zu leben gezwungen sind. Darum wird ein eigener westdeutscher Staat gebildet, zu dem auch der "Bundestag" gehört, damit die Besatzungsmächte ein durch Staatsgrenzen gekennzeichnetes Gebiet haben, das sie regieren können, wie man eine Kolonie regiert. Wir sind zu weißen "Eingeborenen" degradiert. [] Darum wird bei uns die Arbeitslosigkeit aus Amerika importiert, darum werden wir mit Fertigwaren aus dem Ausland überflutet, die unsere eigene Industrie, unsere eigene Landwirtschaft zum Ruin bringen. Darum gerät der Bauer in Schulden, darum geht das Geschäft des kleinen Mannes nicht mehr, und darum werden Arbeiter entlassen, obwohl Millionen noch das Dringendste zum täglichen Leben fehlt. Und weil sich die Besatzungsmächte auf unbestimmte Zeit hier häuslich niedergelassen haben, darum müssen wir 40 Prozent unseres Steueraufkommens für die Besatzungskosten aufbringen, darum ist kein Geld da für Wohnungsbau und höhere Renten. [] Die Entscheidung liegt bei uns Deutschen selbst. [] Ist das alles unabänderlich, kann man dagegen nichts tun? Die Ja-Sager-Parteien, von der FDP über die CDU bis zur SPD, haben nichts dagegen unternommen. Sie haben in jedem Parlament mit Ja für die Besatzungskosten gestimmt und sie haben Ruhrstatut und Besatzungsstatut, die Spaltung Deutschlands und den Bonner Kolonialstaat mit gekrümmtem Rücken akzeptiert. Vor solchen Leuten soll jemand Respekt haben? [] Die Kommunisten haben ihren Rücken nicht gebeugt. Die Kommunisten sagen Nein, wo es das Interesse unseres Volkes erfordert. Die Kommunisten sprechen aus, was Millionen denken, und die Kommunisten handeln so, wie sie sprechen. [] Was muß geschehen? [] Die Einheit Deutschlands muß wieder hergestellt werden die wirtschaftliche, politische und kulturelle Einheit, [] Das Selbstbestimmungsrecht muß dem deutschen Volk zurückgegeben werden. Wir brauchen endlich einen Friedensvertrag, der uns Freiheit und Unabhängigkeit zurückgibt. Darum müssen Ruhr- und Besatzungsstatut fallen. [] Die Besatzungsmächte müssen abziehen, alle Besatzungsmächte. Dann wird der Weg frei für den Wiederaufbau unserer Wirtschaft, für die Freiheit des Handels mit allen Völkern, für Arbeit und Brot für alle. Dann kann das, was uns verblieben ist an Rohstoffen, Fabriken und Arbeitskraft verwendet werden, wie es den Bedürfnissen unseres Volkes entspricht. Dann können Wohnungen gebaut, den Flüchtlingen eine Existenz gegeben, den Alten und Schwachen geholfen und den Jungen wieder neue Hoffnung zuteil werden. [] Und dafür möchte ich Euch, meine Freunde, gewinnen für dieses Programm. Ich werde als Abgeordneter niemals auch nur einen Millimeter von diesem Programm abweichen. Ich werde mich stets erinnern an das, wozu mir die Bevölkerung einen Auftrag erteilt hat. Und darum kann ich Euch zum Schluß guten Gewissens sagen: Gebt diesmal Eure Stimme dem Kandidaten der Kommunistischen Partei. [] W. Fisch [] stellvertretender Vorsitzender der KPD in den Westzonen [] Kandidat für den Wahlkreis Offenbach Stadt und Land [] Herausgeber: Landesvorstand der KPD Hessen - Verantwortlich: Ernst Eichelsdörfer - Druck: Rhein-Main-Druck Gmbh - Sämtliche in Frankfurt a.M., Gutleutstraße 8-12 - Veröffentlicht unter Mil.-Reg. Informations-Kontroll-Lizenz Nr. US-W-2064
Published:14.08.1949