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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Für Deutschlands Freiheit! [] Rundfunkrede von Dr. Kurt Schumacher an die Bevölkerung der Ostzone über den RIAS am 8. Juni 1951 [] [] Für Deutschlands Freiheit! [] Am 8. Juni 1951 hat der SPD-Vorsitzende, Dr. Kurt Schumacher, in einer Rundfunkrede an die Bevölkerung der Sowjetzone über den RIAS noch einmal die Ziele und Absichten der sozialdemokratischen Opposition und die gesamtdeutsche Verantwortung, von der sie getragen wird, umrissen. Seine Ausführungen hatten folgenden Wortlaut: [] "Nichts kränkt die kommunistischen Machthaber der Sowjetzone mehr, als die Tatsache, daß die Sozialdemokratische Partei Deutschlands die demokratische Chance und den politischen Mut hat, offen und konsequent für das deutsche Volk, seine sozialen Lebensrechte und seine staatliche Geltung einzutreten. [] Wie sollen die Kommunisten das den Bewohnern der sowjetischen Besatzungszone erklären? Jedes sachliche Wort wäre doch eine Anklage gegen das Versagen der politischen Parteien in der sowjetischen Besatzungszone, die ihre Pflicht gegenüber dem eigenen Volk, für das sie doch da sind, nicht erfüllt haben. [] Also werfen sie den Sozialdemokraten vor, sie würden nur eine bloß äußerliche Opposition treiben, eine Schein-Opposition. Nach der kommunistischen Propaganda würden die Sozialdemokraten zusammen mit der deutschen Rechten und den westlichen Alliierten ein abgekartetes Spiel mit verteilten Rollen gegen das deutsche Volk spielen. [] Verleumdung ist die Waffe des moralisch Unterlegenen, der selbst etwas anderes tut, als er zu tun vorgibt. Die Echtheit der sozialdemokratischen Opposition erleben die gegnerischen Kräfte in der demokratischen Welt, wie die Kommunisten sie erfahren mußten. [] [] Die SPD treibt gesamtdeutsche Politik [] Für die Sozialdemokratische Partei gibt es keine isolierte Politik der Bundesrepublik. Die Deutsche Bundesrepublik spricht und handelt stellvertretend für ganz Deutschland, für die sowjetische Besatzungszone wie für das Gebiet der drei westlichen Zonen, für Berlin und für die Saar ebenso wie für die Gebiete östlich der Oder und Neiße. [] Die Bundesrepublik ist der einzige Teil Deutschlands, in dem ein politischer Wille sich frei bilden und frei äußern kann. Das legt Verpflichtungen auf gegenüber einem Volk, dessen Menschen zu einem Drittel unfrei sind [] [] International heißt gleichberechtigt [] Die Sozialdemokratische Partei ist eine internationale Partei. Sie bejaht die Gemeinschaft und kämpft für das friedliche Zusammenwirken der Völker. Aber die Internationalität der deutschen Sozialdemokraten ist nicht die sogenannte Internationalität der Kommunisten. Sie besteht darum auch nicht in der Gefügigkeit gegenüber den egoistischen Wünschen westlicher Alliierter. [] Für die deutschen Sozialdemokraten heißt international gleichwertig und gleichberechtigt mit anderen Völkern. Wir haben gekämpft gegen den verbrecherischen Wahn vom Herrenmenschentum der deutschen Rasse. Wir treten mit derselben Entschiedenheit dagegen auf, daß die Deutschen ein Volk zweiter Klasse werden sollen. Die Notwendigkeit, eine starke freie Welt zu schaffen, gibt die sichere Aussicht auf den Erfolg in diesem Kampfe. [] Die Kommunisten aber haben das deutsche Volk aufgegeben. Sie haben es in seinem Verhältnis zu Sowjetrußland entwertet und entwürdigt. Das ganze Volk ebenso wie seine einzelnen Menschen. [] [] Die Opposition der SPD ist aktiv und konstruktiv [] Der Ernst der sozialdemokratischen Opposition hat sich gezeigt bei der Abwehr des östlichen Totalitarismus, bei dem Kampf gegen die Demontagen, bei der Auseinandersetzung mit der antideutschen Linie in der Siegerpolitik. [] Was heute die Bundesregierung in Bonn als ihre Erfolge anpreist, ist mehr durch die Opposition, vor der die Alliierten nach vielen eigenen Eingeständnissen die Bundesregierung schützen wollen, entstanden. Letzten Endes sind die Quellen der Erleichterungen: der Ablauf der Zeit und die Veränderung der Verhältnisse in der Welt. [] Die Wahrhaftigkeit der Opposition hat sich bewiesen in dem Ringen um das Grundgesetz, bei dem die Sozialdemokratie weder die Interventionen zweier Besatzungsmächte, noch den Haß und den Unverstand der anderen Parteien fürchtete. Sie hat ihren Willen kämpfend durchgesetzt und damit erst die Grundlage für eine lebensfähige deutsche Bundesrepublik geschaffen. Die Einsicht der heute in Bonn Regierenden und das alliierte Verständnis hätten nicht ausgereicht. [] Dieselbe unbeirrbare Aufrichtigkeit hat die Sozialdemokratie bewiesen, als sie sich erfolgreich gegen das törichte Abenteuer eines deutschen militärischen Beitrags ohne feste Voraussetzungen und Bedingungen und ohne Gleichberechtigung wandte. [] Von derselben Idee und derselben Moral wird die Sozialdemokratie getragen bei ihrem Kampf gegen den Schuman-Plan in seiner heutigen Gestalt und mit seinem heutigen Inhalt. Dieser Schuman-Plan würde die Wirtschaftsstruktur und die Entwicklung für fünfzig Jahre in einem Sinn bestimmen, der aus dem Geiste des Krieges, der Angst und dem Willen nach Reparationen entstand. Er macht nicht den Weg nach Europa frei, sondern ist eine Barriere gegen Europa. Er wäre eine unerschöpfliche Quelle für die kommunistische Propaganda. [] Aber diese Moral wird den Kommunisten immer unverständlich bleiben, denn sie haben die Wirtschaft der sowjetischen Besatzungszone an die Russen ausgeliefert. Ihr höchstes deutsches Ideal ist es, möglichst große deutsche Reparationslieferungen an Sowjet-Rußland zu geben. Sie können nicht verstehen, daß jemand für Deutschland und seine arbeitenden Menschen kämpft. Sie haben die Gebiete östlich der Oder und Neiße preisgegeben. [] [] Die SPD vertritt die Politik der deutschen Gleichberechtigung und Selbstbehauptung [] Gerade der Kampf um den Schuman-Plan und um die Saar wird aber von der Sozialdemokratie geführt im Zeichen der deutschen Selbstbehauptung. Ein kommunistischer Protest gegen den Schuman-Plan, aus dem Munde einer Partei der deutschen Preisgabe der Oder-Neiße als Ostgrenze und der sowjetischen Aktiengesellschaften, ist eine Lächerlichkeit. [] Die Sozialdemokratie meint aber auch, im Gegensatz zu der Bundesregierung in Bonn, daß man nicht positiv ist, wenn man alliierten Wünschen und Einmischungen nachgibt und dieses Nachgeben noch als Fortschritt feiert. Sie weiß, daß man in der Politik nur positiv ist, wenn man eine international vernünftige Idee bejaht, wenn man das eigene Volk und seine Rechte behauptet und ihm die gleiche Geltung in der Welt erkämpft, Gleichberechtigung ist die Grundlage aller internationaler Politik. [] [] Die gesamtdeutsche Verantwortung fordert das "Nein" zum heutigen Schuman-Plan [] Die Sozialdemokratie erklärt: Internationale Politik wird nicht durch einen Machtspruch der Alliierten, sondern nur durch eigene Erkenntnis, eigene Entschlußfreiheit und eigenen Willen aller Beteiligten geschaffen. Internationale Politik ist nicht einfach gleich alliierte Politik; französische Politik ist nicht schlechthin europäische Politik. Um die Erkenntnisse dieser Tatsache kämpft jetzt die Sozialdemokratie bei den Fragen des Schuman-Plans und der Saar. [] Für die Deutschen der sowjetischen Besatzungszone geht es bei diesen Kämpfen der Sozialdemokratie um ihre ureigenste Sache. Es war die Sozialdemokratie, die das Grundgesetz, auf der das politische Leben der Bundesrepublik beruht, als provisorische Lösung der deutschen Frage durchgesetzt hat. Die Bundesrepublik ist nur der Weg und das Mittel zum ganzen, zum einigen Deutschland. Diesen Weg hält die Sozialdemokratie jetzt offen mit ihrem Kampf gegen den Schuman-Plan und für eine aktive deutsche Saar-Politik. [] Nirgends zeigt der Schuman-Plan die Möglichkeit oder gar den Willen, einmal das ganze Deutschland einzubeziehen. Wenn Deutschland vereinigt wäre, dann wäre das Interesse der anderen Schuman-Plan-Länder an seiner Einbeziehung kaum vorhanden. Dieser Bissen wäre zu groß, zu stark und zu selbständig, um das bloße Objekt einer auf Fesselung und Verhinderung der deutschen Entwicklungsmöglichkeiten zielenden Politik zu sein. Was die Sozialdemokratie bei den Schuman-Plan-Verhandlungen in Paris besonders erbittert hat und was sie bei der Bundesregierung und bei den westlichen Alliierten mit Nachdruck bekämpft, ist die Tatsache, daß bei diesen Verhandlungen niemals das Problem der deutschen Einheit und der Ostgebiete erörtert worden ist. [] [] Europakonzeption der Regierung nicht positiv genug [] Nicht einmal bei dem aktuellen Problem der Saar hat sich die Deutsche Bundesregierung um politische Gegenleistungen der anderen Seite bemüht. Unentschuldbar ist, daß man Berlin, diese ewige Probe auf das Exempel des guten Willens der anderen, unerwähnt gelassen hat. Gegenüber dieser Politik steht die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in Opposition. Die sozialdemokratische Opposition ist aber in keiner Phase der letzten sechs Jahre bloße Verneinung gewesen. Die regierenden Kräfte in Deutschland und die westlichen Alliierten sind den Sozialdemokraten nicht positiv genug gegenüber den großen Ideen, die lebensnotwendig sind und für deren Verwirklichung nicht mehr so viel Zeit übrig ist. Die Sozialdemokratische Partei ist aber auch in Opposition gegenüber dem Mangel an Vorausschau und Planung in der Wirtschaft und der Vernachlässigung der Stärkung des sozialen Fundaments der Demokratie. [] Es gibt keinen Teil der sozialdemokratischen Politik, in dem die Sozialdemokratie nicht ein positives, realistisches Programm entwickelt hätte, das sie dem Volk zum Vergleich mit der Politik der Regierenden unterbreitete. [] Was tun demgegenüber die Politiker der sowjetischen Besatzungszone? Sie kuschen! [] [] Die Satellitenrolle der deutschen Kommunisten [] Heute sind die UdSSR und ihre Satelliten die einzigen Staaten mit einer wachsenden Tendenz der Ausbeutung. Unter allen Satellitenstaaten ist der schwächste - und in seinem politischen Willen der charakterloseste - die sowjetrussische Besatzungszone durch das Versagen ihrer politischen Führungsschicht. Kein kapitalistisches Land der Welt kann sich eine derartige Ausbeutung leisten. Die Demokratie gibt im Westen den arbeitenden Menschen die Möglichkeit, diese Politik erfolgreich abzuwehren. [] Und wenn die sozialen Verhältnisse in der Bundesrepublik, gemessen an denen anderer demokratischer Länder, bei weitem nicht ausreichend sind - wenn die Sozialdemokratie gegen die Bundesregierung mit Recht den Vorwurf erhebt, sie vernachlässige die sozialen Grundlagen der Freiheit, nun, die Sozialdemokratie hat die demokratische Chance für die Stärkung der sozialen Bastionen der menschlichen Freiheit zu kämpfen! Und sie kämpft! [] Was soll demgegenüber die läppische Ablenkungspropaganda der Gewalthaber von Sowjets Gnaden? Was soll es, wenn Ulbricht jetzt erklärt, die sozialdemokratische Opposition sei nicht echt? Was bedeutet es, wenn er jetzt phantasiert, nach amerikanischem Willen solle Adenauer erst remilitarisieren und wenn dieser Prozeß erst vorüber ist, dann würde die Sozialdemokratie ihre Vertreter auch ohne Neuwahlen in die Bundesregierung schicken? Was soll dieser schauerliche Unsinn? Sollen doch die Kommunisten ihre Zustimmung zu Neuwahlen für ganz Deutschland mit denselben demokratischen Chancen für alle Beteiligten in allen vier Besatzungszonen und Berlin geben! Dann hätten sie auch nicht das Propaganda-Manöver mit ihrer Volksbefragung nötig. Sie tun so, als ob sie das Volk fragen würden, geben ihm aber nicht das Recht, zu antworten. Sie antworten selbst, so, wie es der Kreml befiehlt. Mit dem deutschen Volk hat dieser Schwindel nichts zu tun. Er wird weder von dem deutschen, noch von irgendeinem demokratischen Volk anerkannt. [] Hier hätten die deutschen Kommunisten und ihre Helfer einmal Gelegenheit zu zeigen, ob sie die Möglichkeit, den Willen und die Kraft zur Opposition haben. Opposition, meine Herren Kommunisten, Opposition auch für die nationale Freiheit des eigenen Volkes gegen die fremden Unterdrücker!" [] [] Deshalb: Für Deutschlands Freiheit mit der SPD [] [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn [] Druck: Neubrunnendruckerei GmbH., Mainz, Neubrunnenstraße 17 [] [] DEINE ZEITUNG [] Neuer Vorwärts [] Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands [] Das Hauptblatt deutscher Politik [] Erscheint jeden Freitag mit zahlreichen Originalbeiträgen führender Persönlichkeiten [] Postbezug monatlich 1,20 DM mit Zustellgebühr [] NEUER VORWÄRTS-VERLAG/BONN
Published:08.06.1951