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Thomas Mann [] THOMAS MANN, der große deutsche Schriftsteller, hat vom Anfang bis zum Ende des Dritten Reiches einen konsequenten Kampf gegen die Hitlerherrschaft geführt. Im zweiten Weltkriege hat sich Thomas Mann mit zahlreichen Schriften und Reden im Rundfunk an das deutsche Volk gewandt und dieses immer wieder ermahnt, in seinem eigenen Interesse und im Interesse Deutschlands rechtzeitig den Sturz der barbarischen Gewaltherrschaft der nazistischen Diktatur und ihrer Auftraggeber herbeizuführen. [] Der nachfolgende Artikel enthält Ausführungen von Thomas Mann, mit denen er die Situation in der letzten Phase des Krieges darstellt. Diese 1942 verfaßten Ausführungen sind heute ganz besonders aktuell. Thomas Mann zeigt hier die enge Verbundenheit zwischen Faschismus und Monopolkapitalismus auf und legt im Anschluß daran dar, daß die von großkapitalistischen Kreisen aus klassenegoistischen Gründen inszenierte antikommunistische Propaganda nur dem barbarischen Faschismus und der finsteren Reaktion dient. Jeder Deutsche sollte wissen, wie einer der größten deutschen Dichter die von den Feinden des Volkes lancierte antikommunistische Stimmungsmache beurteilt. [] Thomas Mann [] Der Antibolschewismus [] die Grundtorheit unserer Epoche [] Ich würde gewiß das marxistische Examen nicht bestehen, aber obgleich ich weiß, daß der Faschismus seine ideologische Seite hat, und daß man ihn als eine rückschlägige Bewegung gegen die rationalistische Humanität des 19. Jahrhunderts verstehen muß, kann ich nicht umhin, ihn zugleich als eine politisch-wirtschaftlich reaktionäre Bewegung zu sehen, eine Gegenrevolution "pur sang", als den Versuch aller alten sozial und ökonomisch Rückwärtsgewandten, die Völker und ihre Glückansprüche niederzuhalten und jeden sozialen Fortschritt zu verhindern, indem man ihm den Schreckensnamen des "Bolschewismus" anheftet. [] In den Augen des konservativen Kapitalismus des Westens war der Faschismus schlechthin das Bollwerk gegen den Bolschewismus und gegen alles, was man mit diesem Namen wollte - besonders mit den "purges" vom Juni 1934, durch die, was sozialistisch war im Nationalsozialismus, ausgetilgt und die alte Machtkombination von Junkertum, Armee und Industrie gerettet worden war. [] Diese blutige Aktion bedeutete eine wohlbeabsichtigte internationale Stützung des Naziregimes. Es war damit dem Westen demonstriert, daß es sich [] in Deutschland zwar um einen Machtwechsel, aber nicht um eine Revolution handelte, [] die das bestehende Wirtschaftssystem bedrohte. Man sah sich nicht getäuscht in seiner Auffassung des Faschismus, man fand, daß er "Ordnung" bedeutete, Ordnung im Sinne des Alten. [] Man verzog wohl den Mund über die Scheußlichkeit seines Gebarens, hütete sich aber, ihn im Inneren durch diplomatische Isolierung unmöglich zu machen, was damals so leicht zu bewerkstelligen gewesen wäre. [] Das Phänomen einer "Revolution" bot sich dar, die überall in der Welt das Reaktionäre, jedes Comité des Forges, alle Feinde der Freiheit und des sozialen Fortschritts für sich hatte, auch den Adel, das Faubourg St. Germain, die vornehme Gesellschaft, die Prinzen, das hohe Militär und jenen Teil der katholischen Kirche, der im Christentum vor allem Hierarchie, Bescheidung, devote Gebundenheit an das Bestehende erblickte. [] Feldmarschall Göring ist die Verkörperung - die sehr umfangreiche Verkörperung - dieses Machtkomplexes von Junkertum, Militarismus und Industrie, eine groteske Mischung aus ordensbehangenen miles gloriosus und Großaktionär. Er war der Herr des deutsch-europäischen Industriemonopols nach der Unterwerfung Europas, die durch die Unterminierung der demokratischen Widerstandskräfte und die allgemeine Anfälligkeit für den faschistischen Bazillus gelungen ist. Was es an Mitarbeit gibt, ist die Mitarbeit der Reichen, der Geschäftemacher überall in den Ländern. Diesen geht es gut dabei, sie verdienen, kaufen auf schwarzen Märkten, schlemmen in Monte Carlo, während die Völker verhungern und das Opfer einer von Deutschland geplanten, auf moralische und physische Entmannung gerichteten Bevölkerungspolitik sind. Ich wiederhole: [] In den Augen des konservativen Kapitalismus des Westens war der Faschismus schlechthin das Bollwerk gegen den Bolschewismus und gegen alles, was man darunter verstand. Man ließ sich alle Scheußlichkeiten, die er im Innern beging, gefallen, ohne zu erkennen, daß ihr außenpolitisches Zubehör der Krieg war. [] Vielleicht hatte man auch gegen diesen nichts. In Frankreich zum Beispiel waren ja Krieg und Niederlage das Hilfsmittel zum Sturz der Republik und zur "nationalen", d. h. faschistischen Revolution. Man festigte das faschistische Regime von außen, denn in der wüsten Unordnung, Rechtlosigkeit und Kulturzerrüttung wollte man Ordnung, Schönheit und Sicherheit sehen - Sicherheit nicht für die Völker, sondern vor den Völkern, Sicherheit vor dem sozialen Fortschritt. [] Mit einem Schein von Recht konnten die Diktatoren ausrufen: "Was wollen diese Menschen? Warum führen sie plötzlich Krieg gegen uns? Sie waren ja unsere offenen und heimlichen Gönner und Helfer! Sie haben uns in den Sattel gesetzt und darin gefestigt, haben uns finanziert, belobt, bekurt und uns die außenpolitischen Erfolge, mit denen wir unsere Gegner zu Hause vollends mundtot machen konnten, auf dem Präsentierteller dargebracht. [] Aber sie meinen es auch gar nicht ernst. Sie wünschen im Grunde nicht, den Faschismus zu vernichten. Heimlich wollen sie ihn erhalten. Sie kämpfen halben Herzens, mit unklaren Absichten, und die Gebrochenheit ihres Willens ist unsere Zuversicht. Sie bekommen zwar militärisch die Überhand, aber wenn wir nur aushalten, so werden die inneren Gegensätze zwischen den Alliierten zum offenen Ausbruch kommen, und wir werden den Nutzen davon haben, werden Ost und Westen gegeneinander ausspielen." [] Sie sind im Irrtum, und ihre Hoffnungen werden fehlschlagen. [] Gewiß gibt es Gegensätze der Weltanschauung zwischen Rußland und seinen Verbündeten, aber dieser Krieg ist ja unter anderem ein Mittel zum Ausgleich dieses Gegensatzes, zum Ausgleich von Sozialismus und Demokratie, auf dem alle Hoffnung der Welt beruht. [] Einig sind sie im Kampf gegen die menschliche Degradierung, die die Eroberung der Welt durch den Faschismus bedeuten würde. Einig sind sie im Kampf für Freiheit und Recht. Ein Krieg aber für Freiheit und Recht kann nur mit den Völkern und für die Völker geführt werden. [] Man muß von Herzen hoffen, daß es nicht gehen möge wie nach den Kriegen gegen Napoleon, die "Freiheitskriege" hießen, solange sie dauerten und man die Völker und ihren Freiheitsdrang dafür brauchte, die aber dann nur noch "Befreiungskriege" im außenpolitischen Sinne gewesen sein sollten, damit dem Volke die innerpolitischen revolutionären Früchte des Kampfes vorenthalten blieben. [] Damals, im Jahre 1813, kämpften die Fürsten und Regierungen nicht so sehr gegen Napoleon als gegen die Revolution, deren Schwertträger der Kaiser war. Den Völkern aber wurde vorgemacht, sie kämpften für die Freiheit, und ich weiß nicht, ob sie wie ich das Abscheuliche in der Täuschung der Völker empfinden. [] Im März 1932, ein Jahr bevor ich Deutschland verließ, hielt ich anläßlich von Goethes 100. Todestag in der Preußischen Akademie der Künste eine Ansprache, die mit den Worten schloß: "Der Kredit, den die Geschichte heute der bürgerlichen Republik, der demokratisch-bürgerlichen Gesellschaft noch gewährt, dieser nachgerade kurzfristige Kredit beruht auf dem noch aufrechterhaltenen Glauben, daß die Demokratie das, was ihre zur Macht drängenden Feinde zu können vorgeben, auch kann, nämlich Staat und Wirtschaft in eine neue Welt hinüberzuführen." Man könnte diese Warnung, die damals der deutschen Mittelklasse galt, heute an die ganze bürgerliche Welt des Abendlandes richten. Findet sie nicht den Mut, sich in diesem Kriege und nachher auf die populären Kräfte zu stützen, wirklich einen "People's war" (Volkskrieg) in ihm zu sehen, und wirklich eine neuere, freiere, gerechtere Welt, die soziale Demokratie zu wollen, verbindet sie sich stattdessen ihrer eigenen revolutionären Tradition eingedenk mit den Mächten der alten Ordnung, einer nur noch sogenannten Ordnung, nur um beileibe alles zu vermeiden, was sie "Anarchie" nennt; alles Revolutionäre also, dann wird der Glaube der vom Faschismus vergewaltigten Völker Europas an diese Befreier erschöpft sein ... [] Ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche. [] Der Kommunismus ist als Vision viel älter als der Marxismus und enthält auch wieder Elemente, die erst einer Zukunftswelt angehören.Älter ist er, weil schon die religiösen Volksbewegungen des ausgehenden Mittelalters einen eschatologisch-kommunistischen Charakter hatten: schon damals sollten Erde, Wasser, Luft, das Wild, die Fische und Vögel allen gemeinsam gehören, auch die Herren sollten um das tägliche Brot arbeiten, und alle Lasten und Steuern sollten aufgehoben sein. So ist der Kommunismus älter als Marx und das 19. Jahrhundert. [] Der Zukunft aber gehört er insofern an, als die Welt, die nach uns kommt, in der unsere Kinder und Enkel leben werden, und die langsam ihre Umrisse zu enthüllen beginnt, schwerlich ohne kommunistische Züge vorzustellen ist, das heißt ohne die Grundidee des gemeinsamen Besitz- und Genußrechts an den Gütern der Erde, ohne fortschreitende Einebnung der Klassenunterschiede, ohne das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit für alle. [] Thomas Mann warnt vor dem Atlantik-Kriegspakt [] Der große deutsche Schriftsteller Thomas Mann, der während der Hitlerdiktatur oft seine mahnende Stimme erhob, um die deutschen Intellektuellen zum Kampf gegen die Nazibarbarei aufzurufen, trat zum erstenmal seit Jahren wieder mit bedeutenden politischen Erklärungen an die Weltöffentlichkeit. Anläßlich der New Yorker Weltfriedenskonferenz, der er seine volle Unterstützung gab, griff Thomas Mann, der jetzt als amerikanischer Staatsbürger in Kalifornien lebt, den USA-Außenminister Acheson scharf an. Acheson hatte die Weltfriedenskonferenz bekämpft. [] "Sie haben viel dazu getan, die gerade von Ihnen so gerühmten Ideale der Freiheit in Mißkredit zu bringen" [] rief ihm Thomas Mann in einer vielbeachteten Botschaft zu. Zusammen mit dem großen Pianisten Arthur Schnabel, drei Friedensnobelpreisträgern, dem Präsidenten des Rats der Bischöfe der amerikanischen Methodistenkirche und etwa 300 anderen prominenten Amerikanern richtete Thomas Mann jetzt einen Aufruf an den USA-Kongreß, in dem die Abgeordneten aufgefordert wurden, den Atlantik-Pakt abzulehnen. [] Thomas Mann, der während der Hitlerdiktatur in der ganzen Welt, als der Vertreter des anderen, besseren Deutschlands galt, muß diesmal auch in seinem Heimatland gehört werden. [] Herausgeber: Parteivorstand der KPD, Verantwortlicher: Karl Schabrod, MdL. [] Volksdruckerei G. m. b. H., Hannover, Rosenstraße 7
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