Offener Brief an Herrn Vizeadmiral Heye

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Offener Brief an Herrn Vizeadmiral Heye [] Von Johann Cramer, Bundestagsabgeordneter [] Sehr geehrter Herr Heye! [] Ich bedauere außerordentlich, daß Sie es abgelehnt haben, sich mit mir und anderen Kandidaten dieses Wahlkreises in einem öffe...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Paul Hug & Co., Wilhelmshaven
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/395653A9-8DC0-44C6-AC9C-DB6E7328939B
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Offener Brief an Herrn Vizeadmiral Heye [] Von Johann Cramer, Bundestagsabgeordneter [] Sehr geehrter Herr Heye! [] Ich bedauere außerordentlich, daß Sie es abgelehnt haben, sich mit mir und anderen Kandidaten dieses Wahlkreises in einem öffentlichen Streitgespräch über die Probleme zu unterhalten, die für die Menschen an der Jade von so entscheidender Bedeutung sind, daß sich eine Auseinandersetzung darüber wohl gelohnt hätte. [] Sie mögen Ihre Gründe dafür gehabt haben, dieses Gespräch nicht stattfinden zu lassen. Vielleicht ist einer der Gründe der gewesen, den Sie mehrfach selbst öffentlich zugegeben haben, nämlich: "Ich besitze nicht die Beredsamkeit eines Politikers, der sich ein maßgebendes Urteil auf allen Gebieten des politischen Lebens zutraut." [] Daß Sie sich trotzdem entschlossen haben, in die Politik einzusteigen, verwundert dabei etwas, ebenso die Tatsache, daß Sie trotz Ihrer von Ihnen selbst eingestandenen Unkenntnis über die Probleme der großen Politik mitzureden versuchen. [] Schon Ihr Bedauern über das zur kommenden Bundestagswahl geltende Wahlgesetz beweist doch, daß Ihnen die demokratischen Spielregeln nicht bekannt sind. Der Regierungsentwurf zum neuen Bundestagswahlgesetz hätte Millionen von Stimmen der bisherigen Oppositionspartei unwirksam gemacht, während das unter großen Geburtswehen zustande gekommene Gesetz jede Stimme zählt und wirksam werden läßt. soweit es sich um wirklich maßgebende Parteien handelt. In einem demokratisch regierten Lande sollte das auch nicht anders sein. [] Sie sehen Ihre Aufgabe im kommenden Bundestag allein darin, die maritimen Interessen Wilhelmshavens zu vertreten, ohne all' die anderen Aufgaben zu sehen, die einem Volksvertreter obliegen. Sie tun, als ob esüberhaupt nur eine Lösung gibt, die nationalen und internationalen Probleme Deutschlands im allgemeinen und die Interessen Wilhelmshavens im speziellen zu regeln. [] Ihr Blick ist nur auf den EVG-Vertrag gerichtet, von dem aus alles Heil für Wilhelmshaven kommen soll. Dabei sollten Sie wissen, daß selbst die fanatischsten Anhänger dieses Vertrages längst begriffen haben, daß der Vertrag in seiner jetzigen Form niemals Wirklichkeit werden wird. Die Aufgabe der Volksvertretung nach dem 6. September wird also zunächst darin bestehen, einen Vertrag zustande zu bringen, in dem die deutschen Interessen besser berücksichtigt sind. [] Haben Sie noch nicht gemerkt, daß die Franzosen das Zustandekommen des Vertrages mit Bedingungen verknüpfen, die für Deutschland unannehmbar sind, wie z. B. die Lösung der Saarfrage im französischen Sinne? Wollen Sie die deutschen Interessen an der Saar einfach opfern zu Gunsten von völlig ungewissen Faktoren? [] Sie wollen den Eindruck erwecken, daß Wilhelmshavens wirtschaftliche Notlage sofort behoben wird, wenn Sie in den Bundestag einziehen. Als ob die Dienststelle Blank nicht schon genug militärische und maritime Berater für den Fall hätte, daß die NATO-Streitkräfte auf den Gedanken kämen, nach einem geeigneten Stützpunkt für ihre Marine-Einheiten zu suchen. [] Sie geben selbst zu, daß die Westmächte über genügend große Schiffseinheiten verfügen und mitbringen werden, wenn es so weit sein sollte. Herr Blank hat mir gegenüber erklärt, daß die in Westdeutschland vorhandenen Werften ohne Erweiterung ihrer Kapazität in der Lage seien, den Bedarf an kleineren Einheiten eines zukünftigen deutschen Marinekontingents zu decken und es undenkbar sei, daß der Bund von sich aus eine eigene Marinewerft baut. Ich bedaure, daß Herr Blank aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, während des Wahlkampfes nach Wilhelmshaven zu kommen. Er hätte sicher manchen Tropfen Wassers in Ihren Kriegsmarine-Werft-Wein gießen müssen. [] Was aber die Errichtung einer Privatwerft in Wilhelmshaven betrifft, deren Förderer ich stets gewesen bin und noch heute bin, so haben hier Kaufleute und nicht Admirale das entscheidende Wort zu sprechen. Sie sollten sich einmal die Mühe machen, die vorliegenden Gutachten von Werftsachverständigen zu prüfen. Sie werden erstaunt sein, wie hoch die Kosten hierfür veranschlagt werden und wie gering die Zahl der Arbeiter eingeschätzt wird, die auf einer solchen Werft beschäftigt werden können. [] Die niedrigste Schätzung bewegt sich zwischen 80-100 Mill. DM, die höchste zwischen 180-200 Mill. DM. Gibt Ihnen das nicht auch zu denken? Aber vielleicht verstehen Sie auch von Finanzierungsfragen zu wenig, um darüber mitreden zu können. [] Ich weiß nur, daß die 20-22 Mill. DM nicht verfügbar sind, die notwendig wären, um hier einen Betrieb der zivilen Industrie anzusetzen, der die hier noch vorhandenen, arbeitslosen Kräfte restlos aufnehmen könnte. [] Sie sprechen von strategisch-politischen Gründen, die dazu führen sollten, Wilhelmshaven zu einem starken Stützpunkt der Verteidigung zu machen. Sprechen nicht gerade die strategischen Gründe gegen Ihre Auffassungen und Wünsche in bezug auf die Stationierung künftiger NATO-Seestreitkräfte in Wilhelmshaven? [] Ihre Zukunftspläne für Wilhelmshaven sind Musik in den Ohren aller, die glauben, daß die Politik der Stärke das einzige Mittel sei, das der zukünftigen Bundesregierung zur Verfügung stände, um gegenüber der übrigen Welt zu bestehen und alle unsere Probleme, vor allem das der Wiedervereinigung Deutschlands, zu lösen. [] Sie vergessen, daß die Politik der Stärke für Wilhelmshaven immer eine Katastrophe im Gefolge gehabt hat. Das zerstörte Stadtbild und die zerstörten Werftanlagen sind bedauerliche Zeugen dieser Politik der Stärke. Nur die politisch kurzsichtigen Bevölkerungsteile Wilhelmshavens können Wiederholungen wünschen. [] Der Aufbau Wilhelmshavens zu einer Industrie- und hoffentlich auch bald wieder zu einer Werftstadt braucht nicht vom EVG-Vertrag abzuhängen. [] Es wäre auch falsch die Existenz dieser Stadt wieder nur auf einen Großbetrieb aufzubauen. Der Weg, der nach 1945 zur Beseitigung der Riesenarbeitslosigkeit hier beschritten worden ist, ist der einzig richtige. Das Urteil darüber werden am 6. September die Wähler zu sprechen haben. [] Hochachtungsvoll [] gez. Johann Cramer [] Nun mußt Du selbst entscheiden! [] Es geht um Dein Schicksal und um die Zukunft Deiner Kinder. [] Wenn Du die falsche Wahl triffst, gibt es kein Zurück. Denn die nächsten vier Jahre entscheiden über Deutschlands Sein oder Nichtsein und damit über Leben und Tod für Dich und die Deinen. [] Es geht um unser Vaterland und alle Völker Europas! Darum darfst Du bei dieser Wahl nicht leichtfertig "tippen" - Du mußt wissen, was Du willst. [] Wähle Dir eine bessere Regierung! Die SPD will Dein Los erleichtern. Sie verspricht keine Wunder, aber sie steht zu Ihrem Wort. [] Deshalb Deine Stimme für die SPD [] Sozialdemokraten haben unsere Stadt wieder aufgebaut. Sie allein geben die Gewähr für weiteren friedlichen Aufbau! [] Darum: [] Willst Du einen besseren Bundestag [] Willst Du die Wiedervereinigung [] Willst Du in Gesamtdeutschland ein Leben in Frieden, Freiheit und Würde [] Dann: [] Entscheide Dich für einen klaren, sauberen Kurs mit der SPD [] Dein Kandidat: Johann Cramer [] Und: Liste 1 - SPD [] So wählst Du richtig! [] Stimmzettel [] für die Bundestagswahl im Wahlkreis 25, Wilhelmshaven-Friesland, am 6. September 1953 [] Jeder Wähler hat 2 Stimmen [] Erststimme [] für die Wahl des Wahlkreisabgeordneten [] 1 Johann Cramer Redakteur, Wilhelmshaven, Bismarckstraße 122 [] Sozialdemokrat. Partei Deutschlands SPD [] Zweitstimme [] für die Wahl nach Landeslisten [] 1 Sozialdemokratische Partei Deutschlands [] Ollenhauer, Franke, Winter, Korspeter, Peters [] SPD [] Also: 2 x das Kreuz in Nummer 1 [] Druck: Paul Hug & Co., Wilhelmshaven
Published:06.09.1953