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Richtlinien für Ostkontakte [] Beschlossen von Parteivorstand und Parteirat am 18. März 1967 [] Grundsatz [] Die Sozialdemokratie lehnt jede organisatorische und politische Beziehung zu kommunistischen Organisationen, besonders zur SED, ab. Sie hat immer wieder davor gewarnt, sich von Kommunisten für deren propagandistische Zwecke mißbrauchen zu lassen. Dies ist bei Reisen in kommunistisch regierte Länder zu beachten. [] I. Reisen in osteuropäische Staaten [] A. Politische Richtlinien [] 1. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat in einer Zeit, die von der Konfrontation der Demokratie mit dem Kommunismus und von dem Bemühen um mehr Kommunikation zwischen West- und Ost-Europa bestimmt ist, ihren Beitrag im Sinne einer offensiven Vertretung der freiheitlichen Ordnung und des Rechtsstaates zu leisten. [] 2. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist sich bewußt, daß menschliche Begegnungen über die Grenzen hinweg nützlich sein können, um Vorurteile auszuräumen und eine Verständigung unter den Völkern einzuleiten, die neben dem Frieden auch der Lösung der deutschen Frage dient. Sie fordert deshalb ihre Mitglieder auf, bei derartigen Begegnungen mit Nachdruck die sozialdemokratische Auffassung der Deutschlandfrage darzulegen, um dazu beizutragen, eine offene Auseinandersetzung über die Zukunft Deutschlands in Gang zu bringen. [] 3. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bejaht grundsätzlich Informationsreisen in die osteuropäischen Staaten im kommunistischen Herrschaftsbereich unter der Voraussetzung, daß dabei die Unabhängigkeit der sozialdemokratischen Gesprächsteilnehmer in jeder Hinsicht gewahrt bleibt. [] 4. Bei derartigen Gesprächen sollte kein Sozialdemokrat versäumen, mit dem eindeutigen Bekenntnis zur freiheitlichen Demokratie herauszustellen, daß wir Sozialdemokraten die freiheitlichen demokratischen Formen, wie sie sich in den westlichen Ländern entwickelt haben, vervollkommnen und nicht im Sinne einer Parteidiktatur manipulieren oder gar abschaffen lassen wollen. [] B. Organisatorische Richtlinien [] 1. Alle Reisevorhaben in osteuropäische Länder, die nicht ausschließlich touristischen oder familiären Zwecken dienen, sind rechtzeitig, d.h. bei Beginn der Vorbereitungen, dem zuständigen Parteibezirk mitzuteilen. Für eine sachgemäße Information der Reiseteilnehmer, auch über etwaige Besonderheiten und Gefahren, ist vor Antritt der Reise zu sorgen. [] 2. In begründeten Fällen kann der Parteibezirk die Zustimmung zur Teilnahme an einer derartigen Reise versagen. Reisen trotz versagter Zustimmung sind als parteiwidriges Verhalten anzusehen. [] 3. Die finanziellen Mittel für die Reise müssen von den Teilnehmern selbst oder der dafür verantwortlichen Stelle in der Bundesrepublik aufgebracht werden. [] 4. Über etwaige Kontakte mit kommunistischen Partei- bzw. Staatsfunktionären soll dem Parteivorstand jeweils inhaltlich berichtet werden. [] II. Reisen in die Sowjetzone [] A. Politische Richtlinien [] 1. Reisen in den anderen Teil Deutschlands erfordern eine besonders sorgfältige Vorbereitung. Das dortige Regime ist ständig bestrebt, Begegnungen mit Sozialdemokraten zu Propagandazwecken und Einheitsmanifestationen zu mißbrauchen. Jeder Sozialdemokrat sollte alles vermeiden, was der kommunistischen SED zu billigen Propagandazwecken verhilft. Er muß wissen, daß die SPD viel daran setzt, die Gegensätze zwischen der Sozialdemokratie und dem Kommunismus zu vernebeln, den demokratischen Sozialismus zu diskreditieren und die von uns angestrebte Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit zu verhindern. Ohne das ständige Bewußtsein dieser beiderseitigen Ausgangspositionen sind Gespräche zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten von vornherein illusorisch. [] 2. Trotz der damit verbundenen Risiken sollten alle sich bietenden Gelegenheiten - insbesondere touristischer Art - genutzt werden, um Beziehungen zu den Menschen zu erhalten, zu vertiefen oder neu zu knüpfen. Es kann unserer Sache dienen, wenn die sozialdemokratischen Auffassungen auch in Gesprächen im anderen Teil Deutschlands vertreten werden und dabei eindeutig zum Ausdruck kommt, daß sich das deutsche Volk mit der bestehenden Teilung und der kommunistischen Herrschaft in der Sowjetzone weder abgefunden hat noch je abfinden wird. [] B. Organisatorische Richtlinien [] 1. Alle Reisevorhaben in die Sowjetzone, die nicht ausschließlich familiären Zwecken dienen, sind rechtzeitig, d.h. bei Beginn der Vorbereitung, dem zuständigen Parteibezirk mitzuteilen. [] 2. Gruppen- und Einzelreisen in die Sowjetzone, die der Information und der Begegnung mit Landsleuten dienen, sind zu begrüßen. Für eine sachgemäße Information der Reiseteilnehmer, auch über etwaige Besonderheiten und Gefahren, ist vor Antritt der Reise zu sorgen. [] 3. In begründeten Fällen kann der Parteibezirk die Zustimmung zur Teilnahme an einer derartigen Reise versagen. Reisen trotz versagter Zustimmung sind als parteiwidriges Verhalten anzusehen. [] 4. Die finanziellen Mittel für die Reise müssen von den Teilnehmern selbst oder den dafür verantwortlichen Stellen in der Bundesrepublik aufgebracht werden. [] 5. Verbindungen zur SED oder den von ihr abhängigen Organrsationen - z.B. FDGB oder FDJ - dürfen von Sozialdemokraten weder aufgenommen noch unterhalten werden. Über etwaige Ausnahmen, die u.U. im gesamtdeutschen Interesse notwendig werden können, entscheidet der Parteivorstand. [] 8. [!] Über etwaige Kontakte mit kommunistischen Partei- bzw. Staatsfunktionären soll dem Parteivorstand jeweils inhaltlich berichtet werden. [] Herausgeber: Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Bonn
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