Offener Brief der Landesleitung der Freien Deutschen Jugend Niedersachsens [...]

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Mit den "Pariser Verträgen" ist das Vetragspaket gemeint, das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnet wurde. Damit wurde Westdeutschland Mitglied der Nato und erhielt im Gegenzug die volle Souveränität, was eine Aufhebung des Bes...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Freie Deutsche Jugend (FDJ) in Westdeutschland, Landesleitung Niedersachsen
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 05.1955
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/61F919A9-4044-4E29-8A2D-B63B1B33CE48
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Mit den "Pariser Verträgen" ist das Vetragspaket gemeint, das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnet wurde. Damit wurde Westdeutschland Mitglied der Nato und erhielt im Gegenzug die volle Souveränität, was eine Aufhebung des Besatzungsstatutes bedeutete. Die Pariser Verträge waren eine Erweiterung des Deutschlandvertrages, der eine Eingliederung Deutschlands in eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft herbeiführen sollte. Neben dem Nato-Beitritt wurden zugleich zwischen Deutschland und Frankreich Sondervereinbarungen getroffen, welche den Streit um das Saargebiet beendeten. Die Pariser Veträge wurden am 27. Februar 1955 durch den Bundestag ratifiziert und traten am 5. Mai 1955 in Kraft Offener Brief der Landesleitung der Freien Deutschen Jugend Niedersachsen an alle Jugendorganisationen des Landes, zur 12. Bundesjugendring-Vollversammlung am 5.-7.5. in Stuttgart [] Liebe Freunde! [] Wir wenden uns an Euch in einer Zeit, in der die Adenauerregierung die Pariser Verträge mit allen Mitteln durchführen will. Sie setzt alles daran, um uns junge Menschen in die NATO-Söldnerarmee zu pressen. Damit wird das Leben und die Zukunft der deutschen Jugend auf das Schlimmste gefährdet. Die deutsche Jugend lehnt auch nach der Ratifizierung die Pariser Verträge auf das Schärfste ab. Das zeigt ihre geschlossene Haltung. Sie ist nicht gewillt, gegen Deutsche zu schießen, sondern will in einem einheitlichen Deutschland leben. In Herne demonstrierten 500 Jugendliche der verschiedensten Jugendorganisationen in einer geschlossenen Front gegen die Wiederaufrüstung Westdeutschlands. In einer einstimmigen Resolution an beide Parlamente forderten sie die Durchführung der Volksbefragung in ganz Deutschland auf der Grundlage des Manifestes der Frankfurter Paulskirche. Ja, selbst Dr. Bart, ein Vertreter des Amtes Blank, mußte zugeben, daß 80 bis 90 % der Jugend in Westdeutschland gegen die Rekrutierung sind. Die Adenauerregierung versucht, die westdeutschen Jugendorganisationen für ihre Söldnerpläne zu misbrauchen [!]. Dabei findet sie die aktive Unterstützung der Führung der Katholischen Jugend. Unter der Losung: "Ja, zum Verteidigungsbeitrag, Nein, zum Kommis!" will die Katholische Jugendführung die anderen Jugendorganisationen zur Unterstützung des Barras gewinnen. Die Führung der Katholischen Jugend geht sogar soweit, zu behaupten, wer nicht bei der Rekrutierung mitarbeitet, trägt die Verantwortung dafür, wenn der alte Kommis in Neuauflage wiederersteht. Das ist eine gemeine Provokation gegen die Jugend, die in Hunderten von Entschließungen, Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen klar zum Ausdruck gebracht hat, das es keine Diskussion über das wie der Rekrutierung, sondern nur eine Ablehnung der Rekrutierung gibt, Die größte Jugendorganisation, die Gewerkschaftsjugend, hat auf ihrer III. Bundesjugendkonferenz vorigen Jahres, einstimmig jeden Wehrbeitrag abgelehnt. Dieser Wille der Jugend kam nochmals deutlich zum Ausdruck auf der Bundesjugendkonferenz der ÖTV, am 17. April dieses Jahres in München, auf der eine Resolution angenommen wurde, wo jede Mitarbeit der Gewerkschaften an der Wiederaufrüstung abgelehnt wird. [] Bei der niedersächsischen Landtagswahl, der ersten nach der Ratifizierung, hat [!] sich ½ Millionen Wähler von der Adenauerpolitik distanziert. Der Kampftag, der 1. Mai 1955 hat diesen Willen der Jugend erneut bestätigt. [] Was bezweckt die Katholische Jugendführung mit der Parole: Wehrbeitrag: Ja, Kommis: Nein? und "Staatsbürger in Uniform"? Wir sagen: Diese Lüge ist ein Lockmittel, weil sie genau wissen, daß die Jugend den Barras ablehnt. Wehrbeitrag heißt Durchführung der Pariser Verträge. Diese besagen Fortsetzung der Besatzung auf weitere 50 Jahre. Die westdeutsche Jugend wird unter amerikanischen Oberbefehl gestellt und zu Söldnern gemacht. Das Recht auf die Wiedervereinigung Deutschlands behalten sich die Besatzungsmächte vor. Die Notstandsklausel dient dem Zweck, alle demokratischen Rechte und Freiheiten zu beseitigen und bei Aktionen, wie Demonstrationen und Streiks, mit Waffengewalt einzugreifen. Das Ziel dieses Wehrbeitrages ist die militaristische Eroberung der Deutschen Demokratischen Republik und heißt, Bruderkrieg und Auslösung eines dritten Weltkrieges. Dazu sagt die Führung der Katholischen Jugend u. a., von den Ratifizierern beeinflußte Jugendführer Ja! [] Zur Durchführung dieses agressiven Wehrbeitrages kann es nur Kommis geben. Wenn die Führung der Katholischen Jugend sagt: "Wehrbeitrag - Ja, Kommis - Nein!", dann ist es eine bewußte Irreführung. Es kann nur Kommis sein, wenn die geplante westdeutsche Söldnerarmee von den alten Faschisten und Militaristen vom Schlage Manteufel [!] [Manteuffel], Kesselring und Heusinger gedrillt werden. Sie waren es, die die deutsche Jugend in 2 Weltkriegen auf den Schlachtfeldern von Verdun und Stalingrad verbluten ließen. [] Uns allen muß klar sein, aus einem reißendem Wolf wird kein frommes Schaf! [] Wie der sogenannte "demokratische" Barras aussehen wird, brachte ein verantwortlicher Mitarbeiter der Dienststelle Blank, Nazioberst Claer auf einer Tagung des Heimkehrerverbandes zum Ausdruck. Er sagte: [] "Die Ausbildung des zukünftigen Soldaten wird ein Ausmaß an Härte und Drill erforderlich machen, die das bisher gewohnte weit überschreiten. Von dem deutschen Soldaten ist ein Maß an Härte und Naturverbundenheit zu verlangen, daß bei der früheren Ausbildung leider versäumt worden ist. [!] Hinter dieser Erklärung verbirgt sich die wahre Fratze des deutschen Militarismus. Er ist der Todfeind der deutschen Jugend. Es ist darum richtig, daß die Gewerkschaftsjugend die Beziehungen zum Amt Blank abgebrochen hat, denn mit Militaristen kann man nicht verhandeln. Jedoch stellt die Jugend mit Besorgnis fest, dag die Führung des Bundesjugendringes gewillt ist, den Militaristen bei der Rekrutierung zu helfen. Auf der 12. Bundesjugendring-Vollversammlung, die am 6. und 7. Mai in Stuttgart stattfindet, soll folgende Tagesordnung behandelt werden: [] 1. in einer gemeinsamen Erklärung der Jugendverbände, die westdeutsche Jugend zur Unterstützung der Remilitarisierung aufzufordern. [] 2. Eine gemeinsame Kommission zu bilden, um angeblich durch Einflußnahme bei der Schaffung der deutschen Söldnerkontigente [!] [Söldnerkontingente] zu verhindern, daß dieser wieder ein Kommis von ehedem werde. [] Die Verwirklichung dieser Tagesordnung würde bedeuten, daß die Jugendverbände Werkzeuge der deutschen Militaristen werden und die Jugend auf den Söldnertod vorbereiten. Die deutsche Jugend hat andere Ideale. Sie will keinen Barras, sondern in einem einheitlichen, demokratischen Vaterland glücklich leben und schaffen. [] Diese vorgeschlagene Tagesordnung ist eine Vergewaltigung dei Jugend. Sie ist unvereinbar mit den Satzungen des Bundesjugendringes, in denen es heißt: Ein Wiederaufleben militaristischer, nationalistischer und totalitärer Tendenzen im Interesse der Jugend mit allen Kräften zu verhindern. Darum muß es die Aufgabe der demokratischen Jugendorganisationen sein, die Absetzung der Tagesordnung von der Bundesjugendring-Vollversammlung zu erzwingen und in Anträgen und Briefen Vorschläge zu machen, die den Lebensfragen der deutschen Jugend entsprechen. Was erwartet die deutsche Jugend von der Bundesjugendring-Vollversammlung? [] 1. Eine gemeinsame Aufforderung an die Jugend, auf der Grundlage ihrer Beschlüsse, die Rekrutierung durch machtvolle Kundgebungen, Versammlungen, Demonstrationen und Volksabstimmungen zu verhindern. [] 2. Einen gemeinsamen Apell der Jugendverbände zur Unterstützung der Unterschriftensammlung gegen die Atombombe. [] Die Bildung einer Kommission, die das begonnene Gespräch von Bad Godesberg mit dem Zentralrat der Freien Deutschen Jugend fortsetzt. [] Das sind die Forderungen der deutschen Jugend. Um diese Forderungen auf der Bundesjugendring-Vollversammlung Ausdruck zu verleihen, schlagen wir Euch vor: Auf Euren Zusammenkünften, die von der Führung des Bundesjugendringes vorgeschlagene Tagesordnung abzulehnen und in Entschließungen Eure Empörung über die Haltung der Führung des Bundesjugendringes zum Ausdruck zu bringen und Euren wirklichen Willen in Anträgen, Resolutionen, Briefen und Delegationen an die Bundesjugendring-Vollversammlung nach Stuttgart, zu richten. [] Es lebe der gemeinsame Kampf der Jugend gegen Pariser Verträge und Barras; für ein einheitliches, friedliches Deutschland! [] FREIE DEUTSCHE JUCEND WESTDEUTSCHLANDS [] Landesleitung Niedersachsen [] i. A. HEINZ SCHWARZ
Published:05.1955