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Die Schlichtungsverhandlungen sind gescheitert! Die große Tarifkommission der IG Metall beschließt: Urabstimmung! Nach annähernd 40stündiger Dauer hat der Vorsitzende der freiwilligen Schiedsstelle die Schlichtungsverhandlungen als gescheitert bezeichnet. Das konnte nicht anders sein, denn die Unternehmer haben von vornherein eine Haltung eingenommen, die den berechtigten Forderungen der Metallarbeiter in keiner Weise Rechnung trug. Unter dem Druck der täglich wachsenden Kampfbereitschaft der Metallarbeiter fanden sich die Metallindustriellen zwar bereit, von ihrem ursprünglichen "Undiskutabel" abzugehen. Aber weder ihr "Angebot" von 2 Pfennigen für die Akkordarbeiter und von 3 Pfennigen für die Zeitlohnarbeiter, noch ihre Zustimmung zu dem Einigungsvorschlag des Vorsitzenden der Schiedsstelle können als Beweise echten Entgegenkommens gewertet werden. Und ebensowenig sind die 4 bzw. 6 Pfennige, die als "letztes Angebot" bezeichnet wurden, für die Metallarbeiterschaft akzeptabel. Wenn die Metallindustriellen geglaubt haben, daß sie die Metallarbeiter mit ihren "Angeboten" vom Kampf für die Durchsetzung ihrer berechtigten Forderung abhalten könnten, dann haben sie sich gründlich getäuscht! Ihre "Angebote" wirkten angesichts des enorm gesteigerten Arbeitstempos und der ständig wachsenden Gewinne und Dividenden geradezu als eine Herausforderung! Deshalb hat auch die große Tarifkommission der IG Metall den Einigungsvorschlag des Vorsitzenden der Schiedsstelle und die Unternehmer-Angebote einstimmig abgelehnt und beschlossen, jetzt die Mitglieder unserer Organisation zur Urabstimmung aufzurufen. Jetzt heißt es, in dieser Aktion die Kampfbereitschaft der Metallarbeiter eindrucksvoll zu dokumentieren! Die, Unternehmer versuchen mit allen Mitteln die Metallarbeiter einzuschüchtern. Die Firma Siemens drohte damit, daß sie alle Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich am Streik beteiligen, von der Zahlung einer Erfolgsprämie ausschließen werde. Herr Dr. Fischer von der Firma Bosch versuchte die Belegschaft mit der Drohung des Abbaus der betrieblichen Sozialleistungen zu beeindrucken. Andere Firmen, wie die Schwäbischen Hüttenwerke Wasseralfingen und die Metalltuchfabrik Heidenheim kramen die alten Unternehmerargumente aus und behaupten in Flugblättern, ein Streik hätte Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und dergleichen zur Folge. Wieder andere Unternehmer versuchen, mit der Ankündigung einer Verlagerung ihrer Betriebe in andere Gebiete der Bundesrepublik, ihre Belegschaften einzuschüchtern. All dies haben die Unternehmer bei den Lohnkämpfen in Hessen und Bremen auch getan. In Bremen haben sie sogar die Belegschaften sämtlicher Werften ausgesperrt. Aber die Arbeiterschaft dieser Gebiete ist trotzdem in den Streik getreten, sie hat den Widerstand der Unternehmer gebrochen und sich höhere löhne erkämpft. Und auch die Aussperrung in Bremen hat sich als ein Schlag ins Wasser erwiesen, denn sämtliche Arbeiter und Arbeiterinnen mußten wieder eingestellt werden. Solche Lehren haben die Metallarbeiter den Unternehmern erteilt. Nicht anders wird es in unserem Tarifgebiet sein, wenn die Unternehmer etwa die Maßnahmen ihrer Herrn Kollegen in Bremen nachahmen wollten! Was schließlich die Drohungen mit dem Abbau der betrieblichen Sozialleistungen Und Erfolgsprämien betrifft, so glauben die Unternehmer im Ernst doch selbst nicht daran, daß sie etwa stark genug seien, diese zu verwirklichen. Der einmütige und entschlossene Widerstand der Belegschaften würde sie daran hindern. Es ist aber ein starkes Stück und eine Beleidigung der Belegschaften, wenn die Unternehmer überhaupt derartige Bedrohungen aussprechen. Jetzt ist der Augenblick für die Metallarbeiter gekommen selbst zu handeln. In den langwierigen Verhandlungen vor der Schiedsstelle haben unsere Vertreter nicht nur immer und immer wieder die Berechtigung der Forderung der IG Metall und die Möglichkeit ihrer Erfüllbarkeit durch die Industrie unwiderlegbar bewiesen, sie haben auch - einfach um schließlich, wenn irgend möglich auch ohne Arbeitskampf, zu einem vertretbaren Ergebnis zu kommen - die Bereitschaft zu einem Entgegenkommen, wie es in der Natur von Verhandlungen liegt, zum Ausdruck gebracht. Dieses Entgegenkommen hatte natürlich eine Grenze. Diese Grenze ist die zwingende Notwendigkeit einer Lohnerhöhung , die auch eine fühlbare Kaufkraftsteigerung zur Folge hat Die Unternehmerangebote tragen aber dieser Notwendigkeit in keiner Weise Rechnung, und sie lehnten sogar unser äußerstes Angebot von 9 Pfennigen für die Zeitlohnarbeiter und 7 Pfennigen für die Akkordarbeiter ab! Wir hielten ein derartiges Entgegenkommen, wenn die Lohnerhöhung nur auf dem Verhandlungswege, ohne einen Arbeitskampf, erzielt wird, für vertretbar. Ganz anders ist die Situation jedoch, wenn die Belegschaften der Metallbetriebe durch das brutale Verhalten der Unternehmer gezwungen sind, zur Waffe des Streiks zu greifen! Dann muß und wird der Kampf für die Durchsetzung der ursprünglichen gewerkschaftlichen Forderung, d. h. für eine 8%ige Lohnerhöhung, geführt werden. Die Unternehmer mögen sich darüber im klaren sein. In diesem Zusammenhang ist noch von größtem Interesse festzuhalten, daß auch der Bundestagsabgeordnete der CDU, Erwin Häußler, in seinem Vorschlag zur Lösung des Lohnkonflikts, welcher in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit so große Beachtung fand, empfiehlt, die Forderung der IG Metall auf Erhöhung der Löhne um 8 Prozent bzw. 12 Pfennig anzuerkennen. Und ebenso erklärte der Bundestagsabgeordnete der SPD, Ernst Paul, in einem Artikel betitelt: "Sind die Lohnbewegungen gerechtfertigt?" in der "AZ Allgemeine Zeitung": "Unsere Darlegungen, die auf amtlichen statistischen Erhebungen fußen, beweisen einwandfrei die Berechtigung der gewerkschaftlichen Lohnforderungen." Während in diesen Stellungnahmen die völlige Berechtigung der Forderung der IG Metall zum Ausdruck kommt, bekunden die Metallarbeiter allerorts ihre Entschlossenheit zur Anwendung gewerkschaftlicher Kampfmaßnahmen. Die gewaltige Kundgebung in Karlsruhe, über die die "Badischen Neuesten Nachrichten" schrieben, daß "die Schwarzwaldhalle bisher nie so viele Menschen gesehen" habe, ist dafür ein Beweis mehr. Die gesteigerte Aktivität in den Tagen vor der Urabstimmung und die Urabstimmung selbst müssen den Unternehmern zum Bewußtsein bringen, daß die Metallarbeiter sich nicht mehr mit Brosamen abspeisen lassen! Jetzt heißt es, alle Kräfte einzusetzen. Der Ausgang der Lohnbewegung entscheidet über die Höhe des Lohnes eines jeden einzelnen von uns. Deshalb ist es auch die Pflicht jeder Arbeitskollegin und jedes Arbeitskollegen, sich in die Front der für eine bessere Existenz kämpfenden Metallarbeiter einzureihen. Keiner darf in diesem Ringen abseits stehen! Viele Tausende von Kolleginnen und Kollegen sind in den letzten Tagen Mitglied der IG Metall geworden. Sie haben damit das Recht, an der Urabstimmung teilzunehmen, und haben damit auch den Anspruch auf solidarische Unterstützung durch die Industriegewerkschaft Metall erworben. Nur wer Mitglied der IG Metall ist, kann erwarten, daß er von den Geldern, die aus der Beitragsleistung der organisierten Metallarbeiter aufgebracht werden, unterstützt wird. Deshalb unser dringlicher Appell an alle Kolleginnen und Kollegen, die bis heute noch nicht gewerkschaftlich organisiert sind, das Versäumte schnellstens nachzuholen. Wir kämpfen unter der Losung: Einer für alle und alle für einen! Vereint werden wir erfolgreich sein! Industriegewerkschaft Metall [] Bezirksleitung Stuttgart Verantwortlich: Ludwig Becker, Stuttgart. - Druck: Buch- u. Zeitungsdruck, Stuttgart N, Friedrichstr. 13
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