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Weckruf [] Politische Merkblätter [] Oktober 1930 [] Aufbewahren! [] Wichtiges Material [] 1. Folge [] An den [] Deutschen Wähler [] vom 14. September 1930 [] Am 14. September ist ein neuer Reichstag gewählt worden, dessen erkmal das riesige Anschwellen der nationalsozialistischen Fraktion ist. [] Am 13. Oktober ist der neue Reichstag unter größter Spannung des In- und Auslandes zusammengetreten. Während die 107 nationalsozialistischen Abgeordneten in theaterhaften Aufzug in den Sitzungssaal marschierten (nachdem sie auf dem Wege dahin die Braunhemden höchst vorsichtig unter die Mäntel verborgen hatten), zertrümmerten draußen die nationalsozialistischen Parteigänger zur höheren Ehre einer neuen Aera die Schaufensterscheiben nicht nur jüdischer, sondern auch sehr prominenter nichtjüdischer Geschäfte. [] Die zerschlagenen Fensterscheiben vom 13. Oktober sind das Schlimmste nicht, viel schlimmer ist der Schaden der Fensterscheiben, die mit der Wahl vom 14. September draußen in der Welt zertrümmert worden sind. Es ist leider auch kein einmaliger, sondern ein wahrscheinlich noch lange andauernder Schaden! [] Wie er sich auswirkt, hat sich schon sehr schnell gezeigt. Allein in den ersten drei Wochen nach der Wahl hat die Reichsbank nicht weniger als 700 Millionen Goldmark an das Ausland abgeben müssen. Außerdem sind die Folge der unglaublich törichten Septemberwahl umfangreiche Kündigungen ausländischer Kredite erfolgt. Und nicht einmal schätzungsweise anzugeben ist der durch die verstärkte Kapitalflucht der deutschen Volkswirtschaft zugefügte Schaden. [] Haben die deutschen Wähler, die am 14. September nationalsozialistische oder kommunistisch wählten, das gewollt? Haben sie bezweckt, die deutsche Wirtschaftsnot und damit ihre eigene Not noch mutwillig zu vergrößern? Sicherlich nicht! Aber leider ist dies die nicht wegzudiskutierende Auswirkung der Wahlen! [] Seht die Taten dieser Parteien und seht zugleich auch die Arbeit der Sozialdemokratie! [] Der "Weckruf" ermöglicht durch die Sammlung politischen Tatsachenmaterials eine Kontrolle der Parteien. Er führt seinen Kampf gegen die Schädlinge der Volkes nicht mit Revolver und Messer, nicht mit abgebrochenen Stuhlbeinen und Pflastersteinen, sondern mit der scharfen Waffe der Aufklärung, mit der Waffe des Geistes und der Kultur. [] Während die Nationalsozialisten und Kommunisten ihre Tätigkeit im neuen Reichstag in lärmenden Auftritten und Einbringung offensichtlicher Demonstrationsanträge begannen, hat die Sozialdemokratie - nachdem das Kabinett in seinem sogenannten Sanierungsprogramm jedes Eingehen auf die im Augenblick brennenden Probleme der Arbeitslosigkeit vermieden hat - sofort ein Notstandsprogramm in Form genau formulierter Anträge eingebracht, das sofort durchführbar ist, wenn nur der gute Wille dafür vorhanden ist. Dies Programm, das sofort mit praktischen Vorschlägen zur Verminderung der Arbeitslosigkeit einsetzt, verlangt zur Behebung der Wirtschaftsnot folgendes: [] Der Reichstag wolle beschließen: Die Reichsregierung aufzufordern, unverzüglich die folgenden Maßnahmen zu ergreifen: [] 1. Einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zum Zwecke der gerechten Verteilung der Arbeitsgelegenheit für die Dauer der außerordentlichen Arbeitslosigkeit [] die vierzigstündige Arbeitswoche [] vorschreibt, unter gleichzeitiger Verpflichtung zur Einstellung neuer Arbeitskräfte. Zum Lohnausgleich sind für den Uebergang die freiwerdenden Unterstützungsmittel mit heranzuziehen. Die Zulassung von Nebenstunden ist auf die dringlichsten Ausnahmefälle zu beschränken, mit der Bestimmung, daß der Unternehmer für jede Ueberstunde einen vollen Stundenlohn als Sonderbeitrag zur Arbeitslosenversicherung abzuführen hat. [] 2. Einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die [] Anrechnung aller Einkünfte auf alle Pensionen und Wartegelder [] unter Schonung der kleinen Gesamteinkommen zu erfolgen hat. [] 3. Auf Grund der Vollmachten der Kartellverordnungen vom 2. November 1923 und vom 26. Juli 1930 ist eine [] durchgreifende Preissenkung [] im besondern bei den Grundstoffen der Industrie, den Lebensmitteln und andern Gegenständen des Massenbedarfs herbeizuführen. Widerstände sind durch Aufhebung von Preisbindungen durch Herabsetzung von Zöllen oder durch Verschärfung der Kartellkontrolle zu überwinden. Die zollfreie Einfuhr von Gefrierfleisch zur Versorgung der minderbemittelten Bevölkerung ist wieder herzustellen. [] 4. Die Reichsregierung wird aufgefordert, zur [] wirksamen Bekämpfung der bedrohlich anwachsenden Kapital- und Steuerflucht [] im Reiche usw. bezeichnete Maßnahmen zu ergreifen und dafür zu sorgen, daß bei Steuerfluchtvergehen die bestehenden Strafvorschriften für Steuerzuwiderhandlungen (Freiheitsstrafen, Vermögenseinziehung, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte) mit aller Schärfe angewendet und die Namen der Bestraften sowie die festgesetzten Strafen in allen Fällen veröffentlicht werden [] Eine Woche Hakenkreuz [] Worte der Nationalsozialisten [] I. [] Nach der Eröffnung des Reichstages zogen nationalsozialistische Banden nach der Leipziger Straße und warfen dort mit Steinen die Schaufenster ein. Von den bei diesen Krawallen festgenommenen 103 Personen gehörten 45 der Nationalsozialistischen Partei an, weitere 55 erklärten, daß sie mit den Hakenkreuzlern sympathisieren. [] II. [] Der nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete Dr. Franzen, zugleich Ministerpräsident Braunschweigs, ist der Begünstigung bei einem Vergehen überführt worden. Franzen hat der Polizei gegenüber behauptet, der nationalsozialistische Agitator Guth, der mit einer falschen Abgeordnetenkarte ertappt wurde, sei der nationalsozialistische Landtagsabgeordnete Lohse. [] III. [] Im Völkischen Beobachter vom 14. Oktober 1930 erklärte der nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete Dr. Feder: "Ein selbstbewußter nationaler Staat kann nicht eine Nebenregierung von Bankiers dulden." Kurze Zeit vorher hat Dr. v. Stauß, Direktor der Deutschen Bank und der Diskontogesellschaft, Reichstagsmitglied der Deutschen Volkspartei, den nationalsozialistischen Führern ein Frühstück gegeben, bei dem der Feldzugsplan zur Beseitigung des Sozialdemokraten Löbe vom Amt des Reichstagspräsidenten geschmiedet wurde. Der Großbankdirektor v. Stauß ist mehr als vierzigfaches Aufsichtsratsmitglied. [] IV. []Die Nationalsozialisten stammten für den volksparteilichen, Führer Dr. Scholz als Präsidenten des Reichstages. Scholz ist Führer der Deutschen Volkspartei, der Partei des Großkapitals. Er selbst gehört als früherer Oberbürgermeister und als vorübergehender Wirtschaftsminister zu den Höchstpensionären des Reiches. Dazu ist er noch mehrfaches Aufsichtsratsmitglied. [] V. [] Im vorigen Reichstag hatten die Hakenkreuzler folgenden Antrag gestellt: "Wer durch Vermischung mit Angehörigen der jüdischen Blutsgemeinschaft oder farbigen Rasse zur Rassenverschlechterung und Zersetzung des deutschen Volkes beiträgt oder beizutragen droht, wird wegen Rassenverrats mit Zuchthaus bestraft. Der Präsidentschaftskandidat der Nationalsozialisten, Dr. Scholz, hat eine Jüdin zur Frau. [] VI. [] Im Wahlkampf haben die Hakenkreuzler die "Zerreißung des Youngplans" gefordert. Am 4. Oktober 1930 hat dagegen Adolf Hitler gegenüber einem Vertreter der amerikanischen Kapitalspresse. Karl v. Wiegand erklärt, daß seine Partei "Erleichterung der Bestimmungen des Youngplans" verlangen und "peinlich alle übernommenen Verpflichtungen erfüllen" werde. Danach soll also der Youngplan nicht mehr "zerrissen", sondern nur noch "erleichtert" werden. [] VII. [] In der Agitation haben sich die Nationalsozialisten gegen jede Verständigungspolitik mit den früheren Kriegsgegnern gewandt. Ihr Abgeordneter Reventlow erklärte dagegen schon am 19. August in der Nationalsozialistischen Pressekorrespondenz: "Das Ziel: Die Befreiung Deutschlands von seinen Fesseln, bleibt unverrückbar das gleiche. Die Mittel, um zu ihm zu gelangen, müssen sich nach den jeweiligen Möglichkeiten richten. Diese wechseln je nach der allgemeinen Lage." Aehnlich hat sich Reventlow in der Sitzung vom 18. Oktober ausgedrückt. Die Nationalsozialisten stimmen also jetzt mit Stresemann überein. [] VIII. [] Der Reichstagsabgeordnete Goering hat im Namen der Nationalsozialistischen Partei an das Britische Luftfahrtministerium nach dem Unglück in Frankreich ein Beileidstelegramm gerichtet. Die Hakenkreuzler haben früher jeden als "Vaterlandsverräter" beschimpft, der seine internationale Gesinnung in ähnlicher Weise äußerte. [] IX. [] Vor den Wahlen verlangte der nationalsozialistische Abgeordnete Rosenberg, Redakteur des Völkischen Beobachters, die Beseitigung der Immunität der Abgeordneten. Die nationalsozialistische Reichstagsfraktion verlangt aber jetzt mit Berufung auf diese Immunität die Einstellung von Strafverfahren gegen 25 ihrer Mitglieder, die in 139 Fällen angeklagt sind. An der Spitze steht der Abg. Gregor Strasser mit 27 Strafverfahren, ihm folgen der Pfarrer Münchmeyer mit 24 Strafverfahren, der nationalsozialistische Gauleiter Koch, Königsberg, mit 21 Strafverfahren, Dr. Goebbels mit 14, der frühere Lehrer Wagner mit 13 und Herr Feder mit 10 Strafverfahren. [] Der Kampf der Sozialdemokratie im Reichstag [] Für Erhaltung der Sozialgesetzgebung und Sicherung der politischen Freiheiten [] Für Ordnung der Finanzen und Besserung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes [] Das Bollwerk gegen den Faschismus [] Die Taktik der Sozialdemokratie im neuen Reichstag steht im Vordergrund der politischen Diskussionen. Die Hoffnungen der Nationalsozialisten und Kommunisten, den neuen Reichstag schon in der ersten Woche seines Bestehens lahmzulegen, ist dank der besonnenen Haltung der sozialdemokratischen Fraktion zuschanden geworden. Darum setzt nun überall draußen im Lande und in den Betrieben wieder eine wüste Hetze gegen die Sozialdemokratie ein. In den nachstehenden Ausführungen legt der Vorstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion die Taktik der Sozialdemokratie und die Gründe dafür dar. Wir empfehlen diese Ausführungen allen Wählern zum aufmerksamen Studium. [] Die sozialdemokratische Fraktion des neuen Reichstags hatte in ihrer ersten Sitzung vom 3. Oktober 1930 die Richtlinien für ihre politische Arbeit formuliert. Es wurde darin festgestellt, daß die Demokratie von allen sozialreaktionären Kreisen bedroht ist, die die Wirtschaftskrise zum Abbau der Sozialpolitik und zur Senkung der Löhne ausbeuten wollen. Die Demokratie ist aber auch bedroht durch die faschistische Bewegung der Nationalsozialisten und durch die Kommunistische Partei, die selbst in dieser gegenrevolutionären Situation die Arbeiterklasse spaltet und den Kampf gegen die Sozialreaktion und den Faschismus erschwert. Die Sozialdemokratie kämpft für die Demokratie, um die Sozialpolitik zu schützen und die Lebens-Haltung der Arbeiterschaft zu heben. [] "Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion", so wird in der Entschließung betont, "entschlossen, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeiterschaft mit größter Energie zu verteidigen, wird auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung die Beseitigung der für die breiten Massen des Volkes unerträglichen Bestimmungen der Notverordnungen fordern und erwartet von allen Arbeiterorganisationen stärkste Aktivität für die schweren bevorstehenden Kämpfe und die Bereitschaft, ihren Kampf außerhalb des Parlaments mit allen geeigneten Mitteln zu unterstützen." [] Mit dieser Entschließung hat die sozialdemokratische Reichstagsfraktion zum Ausdruck gebracht, daß sie sich das Gesetz des Handelns nicht von den Gegnern der arbeitenden Klassen vorschreiben läßt, sondern den Weg zu gehen entschlossen ist, den das Interesse des werktätigen Volkes erfordert. Sie hat durch die Annahme des Schuldentilgungsgesetzes die Aufnahme eines Auslandskredits von 500 Millionen Mark ermöglicht und damit die Auszahlung der sozialen Unterstützungen, der Beamtengehälter und der Arbeiterlöhne gesichert. Sie hat der Überweisung der in der reichstagslosen Zeit erlassenen Notverordnungen zur Beratung im Haushaltsausschuß zugestimmt. Sie hat die Erklärungen der Regierung über ihr Programm zur Kenntnis genommen und ist über die von Nationalsozialisten, Kommunisten, Deutschnationalen und Landbündlern eingebrachten Mißtrauensanträgen gegen die Regierung Brüning oder einzelne Minister dieser Regierung zur Tagesordnung übergegangen. Die Fraktion hat sich bei dieser taktischen Stellungnahme, die keine Vertrauens-Kundgebung für die Regierung in sich schließt, von folgenden Erwägungen leiten lassen: [] Die Mehrheitsverhältnisse im neuen Reichstag [] Die Wahl vom 14. September hat die Mehrheitsverhältnisse im Reichstag vollkommen verändert. Im alten Reichstag hatte die sozialdemokratische Fraktion 152 Mandate bei einer Gesamtzahl von 491 Mandaten. Sie bildete also fast ein Drittel des Reichstages. 21 Monate lang regierte die "große Koalition", die mit rund 300 Mandaten eine sichere Mehrheit hinter sich hatte. Die Sozialdemokratie war allerdings auch im Kabinett der "großen Koalition" in der Minderheit gegenüber den bürgerlichen Parteien. Im neuen Reichstag besteht diese Koalitionsmöglichkeit nicht mehr. Die sozialdemokratische Fraktion bildet jetzt nur ein Viertel des Parlaments. Nationalsozialisten, Kommunisten und Deutschnationale, die an Stelle der demokratischen Verfassung irgendeine Diktatur setzen wollen, stellen allein 225 unter 577 Abgeordneten; zu ihnen muß man aber noch mehrere kleinere Rechtsgruppen zählen, deren Verfassungstreue äußerst zweifelhaft ist. [] Eine sozialdemokratische Minderheitsregierung scheidet von vornherein aus jeder Diskussion aus. Aber auch das Kabinett Brüning hat keine Mehrheit in diesem Reichstag. Es kann jeden Tag gestürzt werden. Die Frage ist also nicht, ob das gegenwärtig amtierende Kabinett, sondern wann es gestürzt werden soll. Für die Sozialdemokratie ergibt sich als Antwort auf diese Frage, daß die Zustimmung zu dem Antrag, über die von den verfassungsfeindlichen Parteien gestellten Mißtrauensanträge zur Tagesordnung überzugehen, keine Vertrauenskundgebung für das Kabinett Brüning bedeutet. [] Ws wäre geschehen nach einem sofortigen Sturz des Kabinetts! [] Wenn mit Hilfe der sozialdemokratischen Fraktion die Mißtrauensanträge gegen das Kabinett Brüning angenommen worden wären, so hätten sich folgende politische Möglichkeiten ergeben: [] 1. Rücktritt des Kabinetts Brüning. Es erhält vom<NZ>Reichspräsidenten Hindenburg die Vollmachten zur Weiterführung der Regierungsgeschäfte. Da dieses geschäftsführende Kabinett keine parlamentarische Mehrheit für seine Maßnahmen findet und eine erneute Auflösung von keiner Seite befürwortet wird, weil sie so bald nach der letzten Wahl noch keine Verbesserung verspricht, so müßte es gegen den Reichstag regieren. Das bedeutet, daß sich eine solche Regierung nur unter Ausschaltung des Reichstags im Amt hallen könnte. Der Diktaturartikel 48 der Reichsverfassung würde dann dauernd auf alle Gebiete des wirtschaftlichen, sozialpolitischen und staatsbürgerlichen Lebens angewendet werden. Nicht nur der Reichstag, sondern auch jeder einzelne Staatsbürger würde seine durch die Verfassung garantierten Rechte verlieren. Wann sie wiedergewonnen werden könnten, ist ganz ungewiß. [] 2. An die Stelle des Kabinetts Brüning tritt ein vom Reichspräsidenten ernanntes Beamten-Kabinett, das gleichfalls nur mit Hilfe des Diktaturartikels regieren könnte. Die Folgen für das Volk wären die gleichen, wie sie oben aufgezählt worden sind. [] 3. Auftrag an den deutschnationalen Parteiführer Hugenberg zur Bildung einer Rechtsregierung mit Einschluß der Nationalsozialisten. Diese Regierung wäre nur eine verschleierte Hitler-Regierung. Da auch die Rechtsparteien keine parlamentarische Mehrheit haben, könnte sich eine solche Regierung nur halten, wenn sie vom Zentrum toleriert wird. Die Nationalsozialisten wollen aber gar nicht parlamentarisch regieren. Sie wollen sich aller Machtmittel des Reiches bemächtigen, vor allem die Reichswehr und die Polizei unter ihr Kommando stellen und die maßgebenden Beamtenstellen mit ihren Anhängern besetzen. [] Eine verschleierte oder unverschleierte Hitler-Regierung hat die vollständige Ausschaltung des Reichstags und darüber hinaus die Zerschlagung aller demokratischen Rechte des Volkes zum Ziel. [] Die Folge einer Hugenberg-Hitler-Regierung wäre nicht etwa eine Entlarvung der nationalsozialistischen Demagogie und auch nicht die Zerschlagung der Nationalsozialistischen Partei. Eine Hitler-Regierung würde sich die Wiederholung des italienischen Beispiels zum Ziel setzen, also Zertrümmerung aller Organisationen der Arbeiterschaft, dauernder militärischer Belagerungszustand, Aufhebung aller Presse-, Versammlungs- und sonstigen politischen Freiheiten, ständige Gefahr des Bürgerkrieges im Innern und des Revanche-Krieges nach außen. Damit wäre auch der wirtschaftliche Zusammenbruch Deutschlands und das Ende einer selbständigen deutschen Nation verbunden, mit all seinen furchtbaren Folgen für das arbeitende Volk. [] Die Wirkung auf Preußen [] Wenn die sozialdemokratische Fraktion im gegenwärtigen Augenblick den Nationalsozialisten und den Kommunisten geholfen hätte, das Kabinett Brüning zu beseitigen und somit an seine Stelle eine reaktionäre Beamten- oder eine Hitler-Regierung zu setzen, so hätte das den sofortigen Zusammenbruch der Preußen-Koalition nach sich gezogen. In Preußen, dem größten der deutschen Länder, sind die Aemter des Ministerpräsidenten, des Innenministers und des Kultusministers mit Sozialdemokraten besetzt. Schon wiederholt konnte der Ansturm der Reaktion auf die republikanisch-demokratische Verfassung des Reiches nur durch die feste Haltung der Regierung in Preußen abgewiesen werden. Das wissen die Nationalsozialisten recht gut, und deshalb fordern sie nicht nur ihren Anteil an der Regierung im Reich, sondern zugleich auch die Zerschlagung der jetzigen Regierung in Preußen. Im Reich verlangen sie das Reichswehrministerium, in Preußen das Innenministerium und dazu das Polizeipräsidium in Berlin, der Hauptstadt des Reiches. Mit andern Worten, sie wollen sämtliche militärischen und politischen Kräfte in ihre Hand bekommen, um an die Stelle der demokratischen Selbstbestimmung des Volkes eine brutale Gewaltherrschaft von oben zu setzen. Preußen soll wieder, wie vor dem Kriege, der Hort der Reaktion für das ganze Reich sein. [] Der Kampf gegen die Notverordnungen [] Die von der Regierung Brüning nach der Auflösung des Reichstages erlassenen Notverordnungen enthalten nicht nur die sozialpolitischen Verschlechterungen, wie die Einführung einer Krankenschein- und Rezept-Gebühr, den Abbau der Leistungen in der Arbeitslosenversicherung und die Einengung der Rentenversorgung; es befinden sich darin auch die Steuerzuschläge auf Einkommen über 8000 M. und außerdem der gesamte Haushalt für das laufende Rechnungsjahr. [] Die vorbehaltlose und sofortige Aufhebung der Notverordnungen würde also einen Zusammenbruch der gesamten öffentlichen Finanzwirtschaft zur Folge haben. [] Darüber hinaus müßte sie auch zu einer erheblichen Herabsetzung der Arbeitslosenunterstützung führen; denn durch die Notverordnung sind die Beitragserhöhungen in Kraft getreten, ohne die die jetzigen Unterstützungssätze nicht aufrechtzuerhalten sind. [] Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion handelt also im Interesse der Arbeiterklasse, wenn sie die sofortige Aufhebung der Notverordnungen ablehnte und der Ueberweisung an einen Ausschuß zustimmte. [] In diesem Ausschuß wird sie den Kampf um die Beseitigung der arbeiterfeindlichen Bestimmungen der Notverordnungen führen, sie wird weiter dafür kämpfen, daß die Leistungen der Arbeitslosenversicherung ohne Mehrbelastung der Arbeiterklasse gesichert sind. [] Auch die Kommunisten haben grundsätzlich nicht die Aufhebung der gesamten Notverordnungen verlangt, sondern nur einzelner Teile davon. In ihrem Antrag an den Reichstag sprechen sie mit keinem Wort von dem Reichshaushalt; sie geben also zu, daß eine geordnete Finanzwirtschaft gesichert werden muß, und das bedeutet nichts anderes, als daß auch sie mit der Beratung der Notverordnungen in den Ausschüssen einverstanden sind und der Ueberleitung ihres Inhalts in gesetzliche Formen zustimmen. Damit wird die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion auch von dieser Seite her trotz allem Geschrei sachlich gerechtfertigt. [] Die Mißtrauensanträge [] Die Sozialdemokratie hat den Wahlkampf mit der Front gegen das Kabinett Brüning geführt. Sie steht auch jetzt in entschiedener Gegnerschaft gegen diese Regierung. Trotzdem hat sie keinen Mißtrauensantrag gegen das Kabinett Brüning eingebracht, sie hat auch die von den Nationalsozialisten, Kommunisten und andern Parteigruppen eingebrachten Mißtrauensanträge abgelehnt. Diese Ablehnung bedeutet aber nicht, daß die Sozialdemokratie Vertrauen zu der jetzigen Regierung habe. Diese taktische Stellung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion besagt nichts anderes, als daß sie selbst den Zeitpunkt bestimmen wird, an dem sie zum Angriff auf das Kabinett Brüning vorgeht. Eine solche Taktik ist in Ländern mit gefestigter parlamentarisch-demokratischer Verfassung eine Selbstverständlichkeit. So steht in England der Minderheitsregierung der Arbeiterpartei eine Mehrheit der konservativen und liberalen Partei gegenüber. Diese Mehrheit hätte schon unzählige Male das Arbeiterkabinett Macdonald stürzen können. Wenn sie das bisher nicht getan hat, so ließ sie sich von der Erwägung leiten, daß es weder für die Konservative noch für die Liberale Partei und auch für die konservativ-liberale Mehrheit geraten sei, den Sturz des Arbeiterkabinetts herbeizuführen und selbst die Regierung zu übernehmen. Die sozialdemokratische Fraktion ist jeden Tag in der Lage, mit Nationalsozialisten, Kommunisten und Deutschnationalen die Regierung zu stürzen, sie kann aber unmöglich mit solchen Bundesgenossen gemeinsam eine neue Regierung bilden. Deshalb und weil die Sozialdemokratie von dem Gefühl der [] Verantwortung für die arbeitende Klasse [] durchdrungen ist, lehnte sie jetzt die Zustimmung zu den Mißtrauensanträgen anderer Parteien ab. Und zwar solcher Parteien, die, wie die Nationalsozialisten und die Deutschnationalen, offen arbeiterfeindlich sind, oder, wie die Kommunisten, durch ihre Taktik zur Schwächung der Arbeiterklasse und zur Stärkung des Faschismus beitragen. [] Die Sozialdemokratie und die freien Gewerkschaften sind das Bollwerk gegen die Herrschaft des Faschismus in Deutschland. Die gesamte Arbeiterklasse muß den parlamentarischen Kampf der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion für die Verbesserung der Wirtschaftslage, für die Ordnung der öffentlichen Finanzen, für die Erhaltung der Sozialgesetzgebung und für die Sicherung der politischen Freiheiten des Volkes mit allen verfügbaren Mitteln unterstützen. [] Eine schamlose Irreführung [] KPD. speist die Armen [] - - mit falschen Zahlen! [] Die KPD. hat kürzlich ein großes "Sparprogramm" von 7,1 Milliarden Mark vorgelegt. In großen Lettern fand man es in allen kommunistischen Zeitungen wiedergegeben als "Programm für die Armen und Hungernden". Wie sieht dies "Programm" aus? Schon bei Einsetzung der Summen ist, wie folgende Aufstellung beweist, mit dick aufgetragenen Lügen begonnen worden: [] Zahlen der Kommunisten: [] Richtige Zahlen: [] Sofortige Einstellungen der Zahlungen des Youngplanes 2000 Mill. 1800 Mill. [] Streichung der Ausgaben für die Reichswehr 750 750 [] Streichung der Bürgerkriegsausgaben für die Polizei 600 600 [] Sondersteuer auf Millionäre (20 %) 1800 1200 [] Besteuerung der Dividenden (20 %) 320 200 [] Sondersteuer auf Aufsichtsratstantiemen (20 %) 200 30 [] Sondersteuer auf die großen Einkommen über 50 000 M. (20 %) 380 250 [] Streichung aller Subventionen 500 300 [] Einziehung aller hohen Gehälter der Beamten, Angestellten in öffentlichen Stellen (über 8000 M.) und der Riesenpensionen (über 6000 M.) 200 100 [] Streichung der Ausgaben für die Kirche, Zensur, Teno, Schlichtungswesen 300 170 [] Insgesamt 7150 Mill. 5400 Mill. [] Man sieht: die Kommunisten haben die Kleinigkeit von 1 ¾ Milliarden mehr in ihr Programm eingestellt, als sich bei richtiger Rechnung tatsächlich ergibt. Aber das ist im Grunde gleichgültig; denn das ganze Programm ist eine einzige große Lüge. Die Kommunisten glauben selbst nicht, daß sich die Reparationsgläubiger die Einstellung der Young-Zahlungen einfach gefallen lassen werden. Sie wissen ganz genau, daß sie im Reichstag für ihre Forderungen keine Mehrheit haben. Nicht einmal die Nazis werden dafür stimmen, weil sie nicht die Henne abschlachten dürfen, die ihnen die goldenen Eier legt. [] Und was soll alles Schönes mit den 7 Milliarden gemacht werden? [] Einführung des Siebenstundentages bei vollem Lohnausgleich; [] Ausbau der Arbeitslosenunterstützung; [] Erhöhung der Leistungen der Wohlfahrtspflege; [] Erweiterung und Verbesserung der Kriegsopferversorgung; [] Senkung der Mieten und Steigerung des Wohnungsbaues; [] eine umfassende Hilfsaktion für den Mittelstand; [] Hilfe und Unterstützung für die Kleinbauern und für die Kleingewerbetreibenden. [] Freigebig werden Geschenke nach allen Seiten ausgeteilt. [] Dieses Programm kostet nicht 7 Milliarden, es kostet 15 Milliarden, [] wenn seine Forderungen nicht nur leere Phrasen sein sollen. Aber die Kommunisten haben selbst nur ihr Programm auf 5 Milliarden berechnet. Die fehlenden 10 Milliarden nehmen sie aus der Luft. [] In Wahrheit ist das "Programm für die Armen und Hungernden" eine schamlose Irreführung und blutige Verhöhnung des arbeitenden Volkes. [] Die Kommunisten speisen die Arbeitslosen mit falschen Zahlen ab. Sie überwinden die Wirtschaftskrise mit plumpen Fälschungen und leeren Versprechungen. [] Und warum? Sie wollen die Arbeitslosigkeitüberhaupt nicht bekämpfen, sie wollen die Wirtschaftskrise nicht überwinden -, sie spekulieren auf Vermehrung der Arbeitslosigkeit und Verschärfung der Wirtschaftskrise. [] Das kommunistische Programm "für Brot und Freiheit" ist in Wirklichkeit [] ein Programm für die Verelendung der Massen, für gewaltige Verschärfung der Arbeitslosigkeit, für Verewigung der Wirtschaftskrise und für den Bürgerkrieg. [] Rußland beseitigt die Arbeitslosenunterstützung [] Allgemeiner Abbau der Sozialpolitik - 600000 Arbeitslose [] Zwangsarbeit wird eingeführt - Ausnützung der Invaliden [] In Deutschland bekämpft die KPD. angeblich auch den Kurs der Regierung Brüning, den Abbau der Sozialpolitik. Sie preist den deutschen Arbeitern die Zustände in Sowjet-Rußland als Vorbild sozialer Leistung an. [] Wie aber sieht es dort aus? Nachstehender Originalbericht aus Moskau zeigt, wie "Vorbildhaft" Rußland ist und wie wenig gerade die KPD. berechtigt ist, die deutsche Sozialpolitik zu kritisieren: [] O. E. Moskau, im Oktober 1930. [] Vor genau einem Jahr ging die Sowjetregierung nach der Einführung der einheitlichen Befehlsgewalt in den Sowjetfabriken und dem Uebergang zur ununterbrochenen Produktionswoche, durch die auf der einen Seile die bis dahin sehr weitgehenden Rechte der Betriebsräte und Gewerkschaften auf das stärkste beschnitten wurden, während auf der andern die geistigen und körperlichen Kräfte der Sowjetarbeiterschaft vielfach über das Menschenmögliche hinaus angespannt wurden, an die Durchführung einer dritten Reform heran. Diese dritte Reform bedeutete im Gegensatz zu allen Umschreibungen der Sowjetpresse in Wirklichkeit einen recht [] empfindlichen Abbau der sozialen Leistungen [] des Sowjetstaates, vor allem auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung. [] In dem seither verflossenen Jahre wurde der Kreis der Unterstützungsberechtigten immer stärker eingeengt, immer neue "Säuberungen" des Arbeitslosenbestandes fanden statt, und immer zahlreichere Arbeitslose wurden nach "klassenmäßigen Gesichtspunkten" aus den Listen gestrichen und der Unterstützung beraubt. Erst vor kurzem erschien eine Verordnung, wonach die Unterstützungsberechtigung in jedem einzelnen Falle bei der betreffenden Arbeitsbörse nachgeprüft werden sollte, wobei die Auszahlung der Unterstützung erst nach zeitraubenden Formalitäten erfolgte. [] Nunmehr hat die Sowjetregierung über Nacht die Arbeitslosenunterstützung überhaupt aufgehoben, [] das heißt, eine soziale Institution beseitigt, die die russische Arbeiterschaft mit Recht als eine revolutionäre Errungenschaft betrachtete. Berücksichtigt man die Tatsache, daß bereits vor einem Jahre die Invalidenrente und das Krankengeld erheblich abgebaut wurden, so muß man feststellen, daß nach 14 Jahren Sowjetregime im Staate der Arbeiter und Bauern [] von der Sozialpolitik nur ein kümmerlicher Rest übriggeblieben ist. [] Offiziell wird die einschneidende Maßnahme der Sowjetregierung dadurch begründet, daß die Arbeitslosigkeit in der Sowjetunion so gut wie beseitigt sei und daß im Gegenteil in zahlreichen Zweigen der Industrie wachsender Mangel an Arbeitskräften herrsche. Diese offizielle Begründung wird durch die Sowjetpresse selbst Lügen gestraft, da das amtliche Gewerkschaftsblatt "Trud" erst vor kurzem melden konnte, daß [] die Zahl der Arbeitslosen im Sowjetstaat und 600 000 [] betrage; gleichzeitig wurde bekanntgegeben, daß für Sozialversicherungszwecke im Zwischenquartal Oktober/Dezember 1930 nicht weniger als 463 Millionen Rubel vorgesehen seien, so daß die Frage berechtigt erscheint, [] warum denn erst die Arbeitslosenunterstützung beseitigt werden mußte, wenn es angeblich keine Arbeitslosen in Rußland gibt. [] Die Tatsache, taß die Einstellung der Arbeitslosenunterstützung telegraphisch an alle Provinzbehörden bekanntgegeben und mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt wurde, zeigt allzu deutlich, daß finanzielle Erwägungen, das heißt die sich ständig verschärfende Finanzlage des Sowjetstaates, eine ausschlaggebende Rolle beim weiteren Abbau der Sozialpolitik gespielt hat. Dabei ist auch zu bedenken, daß der starke Arbeitermangel, über den die Sowjetpresse immer mehr klagt, in den meisten Fällen durch die völlig unzulänglichen Verpflegungs- und Wohnungsverhältnisse der Arbeiterschaft begründet ist, in Verhältnissen, die bekanntlich zu einer wahren Arbeiterflucht aus den Sowjetbetrieben geführt haben. [] Die Aufhebung der Arbeitslosenunterstützung wird von einer Reihe von Regierungsmaßnahmen begleitet, die, wenn auch das ominöse Wort nicht gebraucht wird, Wirklichkeit [] Zwangsarbeit einführen [] und die freie Berufswahl des Arbeiters beseitigen. Die Arbeitslosen sollen, wie die Sowjetpresse bekanntgibt, nicht nur auf ihrem Fach gebiet verwendet werden, sondern auch bei andern Arbeiten, wobei dem betreffenden Arbeiter kein Einspruch gegen die Entsendung an eine Arbeitsstelle, für die er in keiner Weise fachlich vorgebildet ist, zusteht. Wie weit der Arbeitszwang im Staate der Arbeiter und Bauern geht, zeigt der Umstand, daß das Arbeiterkommissariat der Sowjetunion angewiesen worden ist, sofortige Maßnahmen zur [] "Ausnutzung der restlichen Arbeitsfähigkeit der Invaliden" [] zu treffen. Invaliden sollen von jetzt an, offenbar ohne Rücksicht auf Gesundheitszustand und dergleichen, zu "leichteren Arbeiten" verwendet weiden. Auch diesen Arbeitergruppen steht kein Einspruch gegen den Arbeitszwang zu. [] Alle diese Maßnahmen zeigen, daß die ständig wachsenden Schwierigkeiten wirtschaftlicher und finanzieller Art, mit denen die Sowjetregierung bei der Durchführung des Fünfjahresplanes der Sowjetwirtschaft zu kämpfen hat, und deren Umfang diesen Plan auf das ernsteste gefährdet, die Sowjetmachthaber veranlassen, das bisherige [] überstürzte Industrialisierungstempo auf Kosten der Arbeiterschaft zu sichern. [] Angesichts der trostlosen Lebensmittellage bedeutet diese neue ungeheure Anspannung aller verfügbaren Kräfte zweifellos eine wirtschaftliche und politische Gefahr. Alle Anzeichen sprechen jedoch dafür, daß die Sowjetregierung den bisherigen Weg, und sei es auch unter neuen schweren Opfern der Arbeiterklasse weiter gehen will. [] Riesengehälter der Sowjetunion [] 150000 Mark Jahresgehalt / Deutschen Stadtbaurat wird das Gehalt vervierfacht! [] Im Wahlkampf und auch noch nach den Wahlen haben die Kommunisten im Bunde mit den bürgerlich-reaktionären Parteien eine skrupellose Hetze gegen leitende sozialdemokratische Beamte wegen ihrer Gehälter betrieben. "Massen hungern - Parasiten prassen!" so schrie die kommunistische Hamburger Volkszeitung mit Riesenlettern in die Welt und rechnete aus, um wieviel höher das Gehalt eines sozialdemokratischen Oberbürgermeisters sei als die Bezüge einer Anzahl erwerbsloser Metallarbeiter. Selbstverständlich waren nur sozialdemokratische Oberbürgermeister, Minister usw. das Ziel der kommunistischen Angriffe. Sogar die Diäten der sozialdemokratischen Abgeordneten wurden in Vergleich gesetzt mit der Höhe der Erwerbslosenunterstützung - über die Diäten der Kommunistischen Abgeordneten aber verlor man natürlich kein Wort! [] Allein die KPD., "als die Partei des unbestechlichen antikapitalistischen Kampfes", sei gegen das Schandsystem der hohen Gehälter - so schrieb die kommunistische Presse. Zur selben Zeit aber wurde bekannt, daß [] die Sowjetregierung dem Frankfurter Stadtbaurat May, der nach Rußland berufen wurde, ein Jahresgehalt von 150000 M. bewilligt hat, [] wovon 100 000 M. sogar noch in Deutschland zahlbar sein sollen. [] Stadtbaurat May, dessen hervorragende Leistungen durchaus anzuerkennen sind, erhält also von der sowjetrussischen Regierung mehr als das Vierfache des Gehalts, das er bisher als Frankfurter Stadtbaurat bezogen hat. Wie kommt es, daß Sowjetrußland einem deutschen Stadtbaurat ein solches Riesengehalt zahlt, obgleich in Rußland die Not doch noch größer ist als in Deutschland, und obgleich Rußland sogar die Arbeitslosenunterstützung jetzt ganz abgeschafft hat? Wo ist der Protest der "Partei des unbestechlichen antikapitalistischen Kampfes" gegen dieses Schandsystem? Warum hat die sonst so wortgewaltige Hamburger Volkszeitung auf diese ihr von der sozialistischen Tagespresse vorgelegten Fragen bisher nicht geantwortet und überhaupt über diesen ganzen Vorgang Stillschweigen bewahrt? Warum, warum? [] Wegbereiter des Faschismus [] Während der letzten Beratungen im Preußischen Landtag gab es ein aufschlußreiches Zwischenspiel. Die Nazis hatten wiederholt ein "Volksbegehren" auf Auflösung des Preußischen Landtages angekündigt. Darauf erklärte der Kommunist Schwenk in der Debatte, daß die Kommunisten das nationalsozialistische Volksbegehren auf Landtagsauflösung ablehnen, da es nur auf Befehl Hugenbergs eingebracht worden sei und [] lediglich der Aufrichtung einer faschistischen Diktatur dienen soll. [] Also die Kommunisten sehen, was gespielt wird. Sie erkennen, daß der Sturz der Preußenregierung den Hilter und Hugenberg Tür und Tor öffnet. Damit geben sie zu, daß die Regierung Braun das festeste Bollwerk gegen den Faschismus ist. Und doch bringen sie Mißtrauensanträge ein, die die Regierung, stürzen sollen, doch stimmen sie im Landtag für Neuwahlen. Sie tun das in voller Erkenntnis der faschistischen Gefahr. Diese Politik ist ein Verbrechen gegen die Arbeiterschaft. Es ist dank der Entschlossenheit der unter sozialdemokratischer Führung stehenden Koalition abgewehrt worden. [] Wer hat seit 1918 regiert? [] Gerade jetzt wieder wird die Sozialdemokratie für alle möglichen Dinge, die seit 1918 geschehen sind, verantwortlich gemacht. Die Rechtsparteien überschlagen sich in der Hetze gegen den "Marxismus", der Schuld am Elend der Gegenwart sein soll. Die KPD. ersetzt "Marxismus" mit "Sozialdemokratie". Nationalisten und Kommunisten sind sich aber auch darin einig, der Öffentlichkeit immer wieder zu unterschlagen, wie denn die bisherigen Regierungen und der Reichstag zusammengesetzt waren. Die ganze Hetze ist also eine dreiste Spekulation auf die Vergeßlichkeit weiter Bevölkerungskreise, die unter der Fülle der politischen Eindrücke heute stärker ist als, früher. [] Seit 1918 bestand in Deutschland, in Reichsregierung und Reichstag immer eine bürgerliche Mehrheit. [] Hier ist der Beweis, nämlich ein Ueberblick über die 17 Regierungen seit dem Zusammentritt der Nationalversammlung: [] 15. Februar 1919 bis 26. März 1920 [] 1. Regierung Koalition: Kanzler Scheidemann; 6 Sozialdemokraten, 8 Bürgerliche. [] 2. Regierung Koalition: Kanzler Bauer: 6 Sozialdemokraten, 7 Bürgerliche. [] 3. Regierung Koalition: Kanzler Bauer; 7 Sozialdemokraten, 8 Bürgerliche. [] 4. Regierung Koalition: Kanzler Müller: 6 Sozialdemokraten, 8 Bürgerliche. [] 23. Juni 1920 bis 4. Mai 1921 [] 5. Regierung Bürgerblock: Kanzler Fehrenbach; keine Sozialdemokraten, 13 Bürgerliche. [] 9. Mai 1921 bis 13. November 1922 [] 6. Regierung Koalition: Kanzler Wirth; 4 Sozialdemokraten, 9 Bürgerliche. [] 7. Regierung Koalition: Kanzler Wirth: 5 Sozialdemokralen, 8 Bürgerliche. [] 22. November 1922 bis 12. August 1923 [] 8. Regierung Bürgerblock: Kanzler Cuno: keine Sozialdemokraten, 14 Bürgerliche [] 13. August 1923 bis 23. November 1923 [] 9. Regierung Koalition: Kanzler Stresemann; 5 Sozialdemokraten, 8 Bürgerliche. [] 10. Regierung Bürgerblock: Kanzler Stresemann: keine Sozialdemokraten, 12 Bürgerliche. [] 1. Dezember 1923 bis 12. Juni 1928 [] 11. Regierung Bürgerblock: Kanzler Marx: keine Sozialdemokraten, 12 Bürgerliche. [] 12. Regierung Bürgerblock: Kanzler Luther; keine Sozialdemokraten, 11 Bürgerliche. [] 13. Regierung Bürgerblock: Kanzler Luther; keine Sozialdemokraten, 12 Bürgerliche. [] 14. Regierung Bürgerblock: Kanzler Marx; keine Sozialdemokraten, 12 Bürgerliche. [] 15. Regierung Bürgerblock: Kanzler Marx; keine Sozialdemokralen, 10 Bürgerliche. [] 28.Juni 1928 bis 27. März 1930 [] 16. Regierung Koalition: Kanzler Müller; 4 Sozialdemokraten, 7 Bürgerliche. [] Vom 30. März 1930 an [] 17. Regierung Bürgerblock: Kanzler Brüning; keine Sozialdemokraten. 12 Bürgerliche. [] Aus dieser Aufstellung ergibt sich, daß Deutschland seit 1919 von neun rein bürgerlichen Regierungen regiert worden ist, während die Sozialdemokratie an acht Regierungen beteiligt war. In diesen acht Regierungen war die Sozialdemokratie aber in der Minderheit. [] Die Sozialdemokraten waren nur etwas über fünf Jahre, die Bürgerlichen aber ununterbrochen elfeinhalb Jahre in der Regierung und sechseinhalb Jahre sogar ganz allein Inhaber der Regierungsgewalt. [] Die bürgerlichen Minister hatten es stets in der Hand, den Willen der Sozialisten zu durchkreuzen, so daß es der Wahrheit widerspricht, wenn jetzt die SPD. für alles verantwortlich gemacht wird, was in Deutschland seit 1918 geschehen ist. Wofür sie aber verantwortlich ist, daß sind die zahlreichen Fortschritte, die sie im Kampf gegen die bürgerliche Mehrheit durchdrücken konnte. Wie schwer dieser Kampf war, das ergibt sich auch aus der Zusammensetzung des Reichstages, wo die Sozialdemokratie stets einer beträchtlichen bürgerlichen Mehrheit gegenübergestanden hat. Hier eine Uebersichtüber die Mandatsverteilung seit 1918: [] [Tabelle] [] Zwei Führer - zwei Welten! [] Löbe verzichtet auf 50 Prozent der Aufwandsentschädigung - Adolf Hitler läßt seinen teuren Lebenswandel von Hearst finanzieren [] Der Sozialdemokrat [] Reichstagspräsident Löbe hat sofort nach seiner Wahl zum Reichstagspräsidenten eine Mitteilung an die Reichskasse gerichtet, in der er auf 50 % der ihm zustehenden Aufwandsentschädigung verzichtet. [] Ein Gehalt bezieht der Reichstagspräsident bekanntlich nicht. Die Aufwandsentschädigung in der Höhe der vierfachen Diäten ist vom Reichstag in der Sitzung vom 25. März 1927 beschlossen worden, und zwar auf Antrag von vier bürgerlichen Parteien und unter Zustimmung sämtlicher kommunistischer und nationalsozialistischer Abgeordneten. [] Reichstagspräsident Löbe hat von Beginn der Wirtschaftskrise an den größeren Teil dieser Aufwandsentschädigung nicht mehr für die Repräsentationszwecke verwandt, sondern zur Unterstützung für Arbeitslose und andere Hilfsbedürftige ausgegeben. Er hält es aber jetzt angesichts der berechtigten Einwände gegen hohe Bezüge für richtiger, die Annahme der Entschädigung in dieser Höhe überhaupt zu verweigern. [] Der Nazi [] 3000 Dollar für Hitler. [] Nach Mitteilungen des Organs des Herrn Otto Strasser hat Hitler für seine Interviews in der Hearst-Presse 3000 Dollar erhalten. Pro Wort einen Dollar. Wenn Hitler die schönen Worte "und" oder "aber" gebraucht, so kostet das jedesmal 4.20 Mark. [] 3000 Dollar sind rund 12000 Mark. Herr Hitler hat es nötig. Man schätzt seinen monatlichen Geldbedarf auf etwa 4000 Mark, also kann er mit dem Ertrag dieser Interviews sein gewohntes Leben 3 Monate lang finanzieren: Riesenwohnung in München, eine Villa in Berchtesgaden, teure Freundinnen und noch teurere Autos, [] die ständig zwischen München und Berchtesgarden [!] [Berchtesgaden] hin und her pendeln und noch dazu die Kosten für den Schutzengel. Herr Hitler ist nämlich etwas ängstlicher Natur, er hat deswegen einen früheren Preisboxer für 400 Mark im Monat engagiert, der die Aufgabe hat, ihn auf Schritt und Tritt zu bewachen. [] 3000 Dollar sind bei solchen Ansprüchen nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Es fragt sich, wie Herr Hitler ohne die Dollars von Hearst seinen Lebenswandel finanziert. [] Aufforderung zur Kapitalflucht [] Der Völkische Beobachter schrieb dieser Tage: "Wir verlangen ein Gesetz gegen die Kapitalflucht!" Wie sieht aber das wahre Gesicht der Nationalsozialisten aus? Sie haben nicht nur durch ihre ständige Aufreizung zum Bürgerkrieg zur Kapitalflucht beigetragen, sondern sie sind bereits dazu übergegangen, selbst zur Kapitalflucht aufzufordern. [] Allerdings scheut sich das "Kampfblatt", diese Aufforderung auf den vorderen Textseiten zu bringen. Hinten, ganz hinten auf der allerletzten Seite, damit es nicht die minderbemittelte Masse der Verführten, sondern nur die Leute lesen sollen, die Geld haben, da wird regelmäßig mit folgenden Parolen die Kapitalhinterziehung verlangt: [] Die kommende Inflation [9 Volk schütze dein Eigentum [] Der Zusammenbruch der deutschen Volkswirtschaft [] Die kommende Inflation! [] Das bedeutet für jeden eingeweihten Interessenten den zynischen Rat, die deutsche Wirtschaft und den deutschen Staat im Stich zu lassen und das Geld in ausländischen Werten anzulegen. [] Auf den vorderen Seiten wird also dem Volk vorgelogen, man sei gegen die Kapitalflucht, man sei überhaupt gegen Banken und Börsen - und auf jener Seite, die vom Geschäftspublikum gelesen wird, wird die Maske abgenommen und das wahre Gesicht gezeigt, nämlich die bewußte Sabotage und Zerstörung, den offenen wirtschaftlichen und politischen Landesverrat. [] Es bleibt nicht bei der Aufforderung [] Im Bankkontor einer dänischen Grenzstadt erschien unlängst - wie der Kopenhagener Sozialdemokraten mitteilt - ein Deutscher, der dringend eine Unterredung mit dem Direktor verlangte. Während der Unterredung öffnete der Deutsche seinen Rock, trennte das Futter auf und überreichte dem Direktor 3500 M. zur Aufbewahrung. Der Direktor erkundigte sich daraufhin etwas genauer. Der Deutsche bekannte sich als strammer Nationalsozialist. Er versicherte, daß [!] "Dritte Reich" werde bestimmt kommen. Bis dahin müsse man jedoch mit allen Möglichkeiten rechnen. Darum bringe er sein Geld in Sicherheit. [] Bestellzettel [] Hierdurch bestelle ich [] das "Hamburger Echo" * [] das "Volksblatt für Bergedorf-Lohbrügge" * [] das "Volksblatt für Hamburg-Wilhelmsburg" * [...] Eintrittserklärung [] in die Sozialdemokratische Partei. [] Hierdurch erkläre ich meinen Eintritt in die Sozialdemokratische Partei. [...] [] Vorstehende Zeitungsbestellung oder die Beitrittserklärung kann mit Eintrittsgeld und zwei Wochenbeiträgen jedem bekannten Sozialdemokraten übergeben oder eingesandt werden an das "Hamburger Echo", Hamburg 36, Fehlandstraße 11: Parteisekretariat Hamburg, Große Theaterstraße 44, 1. Et.: Altona, Bahnhofstraße 24, [] Parteisekretariat Harburg, Gr. Schippsee 8, oder bei der Post. [] * Nichtzutreffendes durchstreichen. [] Verlag: Karl Meitmann, Hamburg. - Rotationsdruck: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer & Co., Hamburg 36.
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