Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [?] = vermutete Leseart
Extrablatt des Volksblatt [] Bochum, den 20. März 1920, nachmittags. [] Neubildung der Regierung. [] Kritische Lage in Berlin. [] Da die Regierung, die zwar mittlerweile nach Berlin zurückgekehrt, nicht wieder sogleich den Faden weiterspinnen kann, der vor acht Tagen durch den Putsch unterbrochen ist, so werden zunächst Verhandlungen darüber geführt, wie und in welcher Weise eine Verständigung über die Richtlinien der zukünftigen Politik erzielt werden kann. Die Verhandlungen werden zwischen dem Reichskanzler Bauer und den Gewerkschaften geführt und lassen erhoffen, daß eine möglichst weitgehende Befriedigung erfolgen wird. [] Die Forderungen lauten: [] 1. Sofortige Zurückziehung und Bestrafung der meuternden Truppen, [] 2. Maßregelung der Beamten, die sich der Kapp-Regierung zur Verfügung gestellt haben. [] 3. Auflösung aller gegenrevolutionären Formationen, [] 4. Bildung einer Sicherheitswehr aus organisierten Arbeitern [] 5. Demokratisierung der Verwaltung unter Mitwirkung der Arbeiter, [] 6. Entfernung aller reaktionären Beamten aus Regierung und Verwaltung, [] 7. Schleunige Sozialisierung und Ausbau der sozialen Gesetzgebung; ferner sofortiger Rücktritt von Noske, Heine und Oeser. [] Des weiteren fordern sie, daß die Arbeiterschaft an der Neubildung des Kabinetts beteiligt werde. [] Diese Forderungen sind im wahren Sinne des Wortes verständlich. [] Was die Frage der Kabinettsbildung anbetrifft, so kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Noste vor allen Dingen erledigt ist. Wer sich so hinters Licht hat führen lassen wie er, hat sich einfach unmöglich gemacht. Heine und Oeser können gleichfalls nicht mehr in Frage kommen. Scheidemann, von dem neuerdings behauptet wird, daß er mit der Kabinettbildung betraut sei, darf und wird nicht auf einen Posten in der Regierung zurückkehren. [] Die Entente-Geschäftsträger beim Vizekanzler Schiffer. [] Berlin, 20. März. Der englische, der italienische und französische Geschäftsträger haben den Vizekanzler Schiffer aufgesucht, um der Regierung zu der raschen Beseitigung der sogenannten Kapp-Regierung ihre Glückwünsche auszusprechen. Dabei wurde betont, daß die Ententevertreter keinerlei Verbindung oder Sympathie mit den Putschisten hatten, sondern durchaus [?] aus Seiten der verfassungsmäßigen Regierung gestanden hätten. Man hoffe nunmehr, daß auch die neue durch die Fortdauer des Generalstreiks hervorgerufene ernste Krisis zugunsten des demokratischen Gedankens baldigst überwunden würden. Denn was Deutschland not tue, seien Ordnung und Arbeit. Der englische Geschäftsträger, Lord Kilmanrock fügte hinzu, daß nach seiner Ansicht die Gewährung von Lebensmittel Rohstoffen usw. nur möglich sei, wenn im Inneren Deutschlands verfassungsmäßige Zustände herrschen und daß alle vorgenannten Leistungen nicht mehr infrage kommen könnten, wenn Ruhe und Ordnung, von welcher Seite es auch sei, gestört werden. [] Festgenommene Hochverräter. [] WTB. Hamburg, 20. März. Von der hiesigen Polizei wurden mehrere Beamte festgenommen, die dem Oberst Wangenheim Vorschub geleistet haben sollen, indem sie verschiedene Leistungen des Fernsprechamtes, darunter die vom Chef der Sicherheitswehr, des Senats und des Hamburger Echos zerstörten. [] Amerika ratifiziert nicht. [] WTB. Washington, 19. März. Der Friedensvertrag ist vom Senat nicht ratifiziert worden, da die Resolution, die die Vorbehalte enthält, die vorgeschlagene 2/3 Mehrheit nicht erhalten hat. Senator Lodge schlug eine Resolution vor, die den Friedensvertrag an Wilson zurückweist, da es unmöglich sei, ihn zu ratifizieren. Der Senat hat dieser Resolution zugestimmt. [] Arbeiter gegen Militärmacht. [] WTB. Düsseldorf, 20. März. Diese Nacht ist das Militär aus der Stadt abgezogen. Laut Bekanntmachung des Oberbürgermeisters wird die Einwohnerwehr durch organisierte Arbeiter bedeutend verstärkt und für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung sorgen. In der Nacht herrschte Ruhe, in den Fabriken ruht die Arbeit fast allgemein. [] WTB. Essen, 20. März. Der hiesige Vollzugsrat hat die vollziehende Gewalt übernommen. Plünderungen sind nicht vorgekommen. In der Stadt herrscht Ruhe und Ordnung. Der Verkehr vollzieht sich wie gewöhnlich. Die Straßenbahnen fahren. In den Betrieben und im Bergbau wird gearbeitet. [] WTB. Kiel, 20. März. Gestern abend ist es in der Nähe Hofbrücke zu blutigen Zusammenstößen zwischen Truppen und den bewaffneten Arbeitern gekommen. [] Der Sturm auf das Hotel "Adlon". [] Berlin, 18. März. Als die Döberitzer Truppen heute um 5 Uhr Berlin verließen, kam es zu einem peinlichen Zusammenstoß. Als die Truppen mit klingendem Spiel vor dem berüchtigten Hotel Adlon vorbeigezogen waren, wurde vom esten Stock des Hotels mit Taschentüchern gewinkt. Diese Demonstration empörte die Volksmenge, und sie stürmte das Hotel. Die Türen des Hotels wurden eingedrückt und die Menge drang in die Halle ein. In diesem Augenblick feuerte die Sicherheitswehr in die Menge. Zwölf Leute wurden verwundet. Nur mit Mühe und Not gelang es dem Hotelpersonal, die wütende Menge davon fernzuhalten, das Innere des Hotels zu stürmen. [] Keine Proklamation der Räterepublik. [] Dortmund, 20. März. Der Dortmunder Vollzugsausschuß macht öffentlich bekannt, daß der Arbeiterrat an eine Proklamation der Räterepublik durchaus nicht denkt. [] An die Bevölkerung! [] Auf Grund falscher Berichte über den Verbleib und die Behandlung der gefangenen grünen Polizeitruppen erklärt der Arbeiterrat folgendes: [] Alle in Betracht kommenden Gefangenen werden vorläufig in Schutzhaft im Zentralgefängnis gehalten. Die Freilassung der Gefangenen erfolgt nach Prüfung der Personalien. [] Der Arbeiterrat. [] Volksblatt, Buchdruckerei, Verlagsanstalt E. Graf & Co., Bochum
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