Wähler

Bemerkungen: Fraktur! Eine Einbindung des Volltextes ist aus technischen Gründen derzeit noch nicht möglich. Wähler [] Der 25. Januar naht, der Tag der Entscheidung über Euer Wohl und Wehe. [] Kurz war die Zeit für die Vorpostengefechte im Wahlkampf, kurz wird die Schlacht selbst sein. An einem Tage...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Das Wahlkomitee der sozialdemokratischen Partei, Friedr. Meyer & Co., Lübeck
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 25.01.1907
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/B4D87CE6-6C19-43C6-B73B-FFE05BD07468
Description
Summary:Bemerkungen: Fraktur! Eine Einbindung des Volltextes ist aus technischen Gründen derzeit noch nicht möglich. Wähler [] Der 25. Januar naht, der Tag der Entscheidung über Euer Wohl und Wehe. [] Kurz war die Zeit für die Vorpostengefechte im Wahlkampf, kurz wird die Schlacht selbst sein. An einem Tage wird sie entschieden sein. Schon an diesem Tage müßt Ihr alle, alle an die Wahlurne treten, eine Stichwahl ist nicht möglich. Nur zwischen zwei Kandidaten habt Ihr zu wählen, dem Kandidaten der Sozialdemokratie [] Johann Carl Theodor Schwartz [] Eurem bisherigen bewährten Reichstagsabgeordneten, und dem Kandidaten des bürgerlichen Mischmasch, Oberpostassistent Julius Klein. [] In holder Eintracht scharen sich hinter des letzteren Panier die brotwucherischen Agrarier, die profitgierigen, arbeiterfeindlichen Nationalliberalen, die regierungsgeilen Freisinnigen und das Zentrum, dessen kleine Lübecker Schar von Selbstmordmanie besessen zu sein scheint. [] Jesuitenfresser und Jesuit [] in trauter Umarmung. [] Herr Klein sträubt sich mit Händen und Füßen, ein Mischmaschkandidat zu sein; aber, wie es in der Bergpredigt heißt: "ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen". [] So trägt auch Herr Klein das Brandmal des Kaffernkartells. [] Deshalb fort mit ihm! Sein eignes Programm, mag es nun das der freisinnigen Gereinigung sein oder mag er es nach dem Geschmack bald der Industriellen, bald der Handwerker oder der Hausbesitzer modeln, [] sein eignes Programm spricht Bände - gegen ihn.[] Unentwegt tritt er ein für unsre "herrliche" Kolonialpolitik. Leise säuselnd tadelt er die Mißerfolge und Mißstände in der Kolonialverwaltung, aber gleich einem verzückten Derwisch sieht er sich Arm in Arm mit dem Zahlenjongleur und Kolonialsekretär Dernburg in einigen Jahren unter den Dattelhainen Südwestafrikas wandeln, dort, wo jetzt nicht Gras genug wächst. [] Fürwahr, ein Kandidat der unbegrenzten Möglichkeiten. [] Zu den 600 Millionen will er weitere Millionen und wieder Millionen in diese trostlose Wüste stecken. Ihm gilt es nichts, den 2090 dort gefallenen deutschen Männern weitere Tausende nachzusenden. Und dieses alles für<NZ>die angeblich gefährdete Ehre des deutschen Namens. Mit diesem durch alle Wahlkämpfe der letzten Jahre zerschlissenen Mantel will er die Sünden der Regierung, die Sünden seiner eignen Partei zudecken. Hält er einen einzigen Wähler für so kindisch, zu glauben, daß mit der Aufgabe des Kampfes um eine Sandbüchse die Ehre des deutschen Namens verringert wird? Will er uns glauben machen, nach einem Rückzug aus dieser trostlosen Kolonie gälte Deutschlands Macht in Europa weniger? [] Jetzt lachen sich die übrigen Mächte ins Fäustchen, daß wir um eine phantastische Spekulation unsre Finanzen zu Grunde richten. [] Herr Klein meint, ein jeder Kaufmann stecke auch in ein nicht rentierendes Geschäft sein Vermögen, um später Millionen zu ernten. Wenn es nur unserm guten Oberpostsekretär nicht damit geht wie dem Direktor der verkrachten Leipziger Bank. Der steckte Millionen und Abermillionen in ein Schwindelgeschäft, der Trebertrocknungsgesellschaft, bis er eines Tages feine Bank und Tausende arme Leute, Witwen und Waisen um ihre Ersparnisse gebracht hatte. Er aber entschuldigte sein gewissenloses Vorgehen damit, die Ehre seiner Bank hätte das erfordert. Gleicht dem nicht der bürgerliche Mischmasch mit seiner patriotischen Phrase von nationaler Ehre auf ein Haar? [] Mit seinem posaunenlauten, aber durch die Tat nicht bewährten Redestrom will Herr Klein gegen den Absolutismus, gegen das Persönliche Regime kämpfen, will er kämpfen. [] Ja, seine Partei hat manche Worte dagegen gesprochen, auch ganz gute Witze gerissen, aber Tatsachen - ja [] die überlassen sie andern. [] Sie haben dem Chinafeldzug der gepanzerten Faust zugejubelt, [] Sie haben der so blamabel ausgegangen Marokko-Affäre zugestimmt, sie haben mit Hurra wie Flottenprogramme eines nach dem andern bewilligt, [] sie haben sich der Kolonialpolitik militärfromm unterworfen. [] Im Traum von unbegrenzten Möglichkeiten eines neuerweckten Liberalismus unterwirft die Partei des Herrn Klein sich dem persönlichen Regiment, dem Willen der militärischen Klique, die sich durch einen ruhmlosen Feldzug blamiert fühlt. [] Sie wagten es nicht, ein einziges Budget zu verweigern und damit der Regierung zuzurufen: Bis hierher und nicht weiter. Sie fälschen die Ablehnung des kolonialen Nachtragetats durch die letzte Reichstagsmehrheit um in eine Verurteilung der tapferen Soldaten zum Hungertod. Nein, nicht verhungern lassen wollten die Sozialdemokraten diese, Sie wollten [] der Regierung die Möglichkeit nehmen, sie Tod und Siechtum preiszugeben. [] Alle diese teuren Machtspielereien werden heute bezahlt [] durch Zölle und indirekte Steuern. [] Herr Klein will zwar ein Gegner dieser Art der Belastung sein; er will sie ersetzen durch Reichseinkommen- und Vermögenssteuer; aber sofort schrickt der tapfere Herr zusammen vor den Schwierigkeiten. In seinem innersten Herzen fühlt er wohl, wie alle phantastischen Weltmachtspläne zusammenbrechen, wenn die besitzenden Klassen die ungeheuren Summen in barem Golde auf den Altar des Vaterlandes niederlegen sollten. [] Da hören allerdings für Herrn Klein die unbegrenzten Möglichkeiten auf. [] Und sie hören auch für Herrn Klein auf, wenn man seine Stellung zur praktischen Arbeiterpolitik betrachtet. Zwar verspricht er alles Mögliche, aber seine Taten zeugen gegen ihn. [] Erinnert Euch, Ihr Wähler, wie das Parteikartell entstand, das jetzt Herrn Klein aufs Schild hebt. Er war beim Bäckerstreik als es galt, dieser gedrückten Arbeiterschaft bessere Löhne zu erringen, als es galt, ihr das Grundrecht des modernen Arbeiters, die Befreiung aus dem Hause des Meisters zu erobern. [] Da verriet der national-soziale Verein, und mit ihm Herr Klein, die Arbeiterschaft an die Lente, die wenige Jahre zuvor das Streikpostenverbot erlassen hatten. [] Und ihre nächste Tat war die Gründung der jetzt bankerotten Auskunftsstelle zu dem ausgesprochenen Zweck, eine eigene Gründung der Arbeiterschaft, [] das Arbeitersekretariat [] zu zerstören. [] Als bann in der Bürgerschaft der Senat ersucht werden sollte, eine Forderung auch der zahmsten Sozialreformer durchzuführen, nämlich nur tariftreuen Unternehmern Arbeiten zu übertragen - da stand das arbeiterfreundliche Herz des Herrn Klein still. [] Auf dem Gebiet der Kommunalpolitik verleugnet er die Wertzuwachssteuer für Lübeck. [] In anderen Städten aber, [] da will er den Grundeigentümern ans wohlgefüllte Portemonnaie. In Lübeck gibts keine Bodenspekulanten - denn ihnen verdankt er ja mit seine Kandidatur. [] Am gereiztesten aber wird Herr Klein, wenn man ihm Uebereinstimmung mit dem Lübecker Wahlrechtsraub vorwirft. Vorsorglich verschweigt er, welches Wahlrecht er den Lübecker Arbeitern gewähren will, [] daß es das allgemeine, gleiche, geheime nnd direkte sein soll - das hat er bisher noch nicht gesagt. Da<NZ>gibt es für ihn anch begrenzte Möglichkeiten. [] Mit heller Entrüstung setzt er seinen geduldig zuhörenden Anhängern auseinander, die böse Sozialdemokratie wolle jedem das Gleiche geben. In keinem Programm der deutschen Sozialdemokratie kann er diesen unsinnigen Satz finden. Er hat ihn aufgeklaubt ln irgend einer Broschüre über die längst widerlegten Utopisten des vorigen Jahrhunderts. [] Die Lehren des heutigen Sozialismus kennt er nicht. [] Die Sozialdemokratie fordert in der heuitgen Gesellschaft gerechten Lohn und gleichen Lohn für gleiche Arbeit und für die Zukunft. [] Abschaffung des Lohnsystems und Verwandlung des Privateigentums an Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum. [] Dann erst wird in Wahrheit [] "Jedem das Seine". [] In der heutigen Wirtschaftsordnung aber "Jedem das Seine"<NZ>geben, wie Herr Klein will, bedeutet: [] dem Fabrikanten den Mehrwert seiner Arbeiter, [] dem Kaufmanne den übermäßigen Profit aus Spekulationsgeschäften, [] den Hausbesitzern den unverdienten Wertzuwachs, [] den Großgrundbesitzern den Wucherzoll und die Liebesgaben. [] So muß Herr Klein, obwohl er es nicht wahr haben will, Allen zu gefallen<NZ>suchen, und Allen zu gefallen ist unmöglich, selbst unserem Kandidaten der unbegrenzten<NZ>Möglichkeiten. [] Lübecks Arbeiterschaft und alle die mit ihr kämpfen und leiden, wählt den<NZ>Mann, der nicht allen gefallen will, [] nicht gefallen will [] den Brotmacherern, [] den Wahlrechtsräubern, [] den Kolonialspekulanten, [] den Ausbeutern und Scharfmachern [] kurz allen denen, die in der heutigen Gesellschaft gegen die Arbeiter kämpfen. [] Der Mann ist [] Johann Carl Theodor Schwartz. [] Er tritt ein mit bewährter Treue für alle die Forderungen der Sozialdemokratie, für die Erhaltung und Erweiterung des allgemeinen, geichen, geheimen und direkten Wahlrechts und feine Ausdehnung auf die Frauen; [] für ein demokratisches Vereins- und Versammlungsrecht ohne Ansehen der Person; [] für die Sicherung und Vervollkommnung des Koalitionsrechts und keine Ausdehnung auf die Landarbeiter; [] für einen gesetzlich fixierten Normalarbeitstag von höchstens 10 und allmählicher Einschränkung auf 9 und 8 Stunden für alle Arbeiter; [] für Erweiterung des Arbeiterschutzes und Beschränkung der Sonntags- und Nachtarbeit auf das technisch absolut Notwendige; [] für Schutzgesetze für die Heimarbeiter; [] für ein Reichsarbeitsamt, Arbeitsämter und Arbeiterkammern; [] für ein Reichsberggesetz mit ausreichenden Schutzbestimmungen für die Bergarbeiter; [] für ein einheitliches deutsches Arbeiterrecht; [] für Eeweiterung und Vereinfachung und höhere Leistungen der Arbeiterversicherungsgesetzgebung; [] für Verbesserung der Gewerbeinspektion unter Heranziehung von Vertretern der Arbeiter und Arbeiterinnen; [] für Sicherung der Meinungsfreiheit und freien Betätigung der politisches und religiösen Ueberzeugung in allen Lebensstellungen, insbesondere auch für die Beamten und Militärpersonen, die ferner nicht Staatsbürger zweiter Klasse sein sollen; für Sicherung vor Beamtenwillkür und für Sicherung einer unparteiischen Rechtspflege; [] für die Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche; [] für vollste Freiheit des religiösen Bekenntnisses; [] für die stufenweise Herabsetzung und schließlich gänzliche Beseitigung der Zölle und Steuern auf notwendige Lebensmittel: [] für Beseitigung der Einfuhrbeschränkungen auf die Einfuhr von Vieh, und Fleischwaren unter Aufrechterhaltung zweckmäßiger, aber nicht schikanöser sanitärer Kontrollmaßregeln; [] für Aufhebung der Zölle auf Futtermittel; [] für die Einführung einer progressiven Reichs-Einkommensteuer für alle Einkommen von über 5000 Mark im Jahr; [] für die Einführung einer progressiven Vermögenssteuer für alle Vermögen über 50000 Mark und für sehr erhebliche Erweiterung der Reichserbschaftssteuer; [] für die allmähliche Umwandlung des stehenden Heeres in eine Volkswehr mit demokratischer Grundlage, aufgebaut auf der militärischen Erziehung der gesamten männlichen Jugend; gegen die unsinnigen Flottenrüstungen; [] für eine auswärtige Politik, die die Versöhnung und Verbrüderung der Völker zum Ziele hat, und Schlichtung internationaler Streitigkeiten durch einen aus Vertretern der Kulturnationen zusammengesetzten Areopag (Gerichtshof); [] für Förderung der internationalen Kulturinteressen durch Gründung eines internationalen Parlaments; [] gegen eine geldfressende Kolonialpolitik, durch die die Eingeborenen ihres Eigentums gewaltsam entledigt, unterdrückt und ausgebeutet werden, und die Skandale schlimmster Art im Gefolge hat; [] gegen die Liebesgabenpolitik; [] endlich: für schärfste Kritik und Bekämpfung aller Mißbräuche Ungerechtigkeiten und Mißhandlungen, wo immer sie vorkommen. [] Und darum Ihr Wähler: nicht der Kandidat der unbegrenzten Möglichkeiten, nicht ein Klein ist Euer Kandidat, das ist allein: [] Johann Carl Theodor Schwartz! [] Das Wahlkomitee der sozialdemokratischen Partei. [] druck von Friedr. Meyer & Co., Lübeck.
Published:25.01.1907