Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals;
Oberhausen, den 28. August 1953 [] Liebe Jungwähler! [] Lassen Sie sich recht herzlich zu Ihrer Wahlmündigkeit gratulieren. [] Sie gehen zum ersten Male am 6. September zur Wahlurne. Tun Sie es, bevor Sie vielleicht zum Sportplatz oder zu einer anderen Verabredung gehen. [] Vielleicht fragen Sie sich: Muß das eigentlich sein? Ja, es muß sein und darum möchte ich Ihnen an einigen Beispielen die Wichtigkeit Ihrer Entscheidung aufzeigen. Sie möchten sicher als freier Mensch in einer friedlichen Welt leben. Sie wollen arbeiten und einmal eine Familie gründen können. Vielleicht sind Sie jungen Menschen aus Frankreich, England oder Schweden begegnet, die den gleichen Wunsch haben. Meinen Sie nicht auch, daß die von der Regierung Adenauer beschlossene Aufrüstung Westdeutschlands im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft nicht die Wiedervereinigung mit den 18 Millionen Deutschen jenseits der Elbe erschweren wird, daß gleichzeitig die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Ost und West heraufbeschworen wird. Gerade die deutsche Jugend, Sie mein lieber Jungwähler, hätten dann die schwersten Opfer zu bringen. [] Diese drohende Gefahr kann nur durch eine Politik der Verständigung verhindert werden. Dies ist das Bestreben meiner politischen Freunde in der Sozialdemokratischen Partei. [] Wissen Sie, daß noch immer eine halbe Million junger Menschen ohne Arbeitsplatz und ohne Lehrstelle ist? Zehntausende müssen in Bunkern und Notunterkünften leben. [] Die Bekämpfung einer so großen Arbeits- und Berufsnot unserer Jugend kann nachhaltig nur durch eine Politik erreicht werden, die jedem einen Arbeitsplatz sichert. Die SPD hat im Bundestag ihre Vorschläge zur Beschäftigung und zur Behebung der Jugendnot gemacht; sie wurden von der Regierungsmehrheit mit Trostpflästerchen abgetan. Die Sicherung dieser Ihrer Lebensrechte ist von der Regierung Adenauer nicht ernsthaft in Angriff genommen worden. [] Die SPD hat einen umfassenden Jugendplan aufgestellt. Ihm liegt die Vorstellung einer Politik zu Grunde, die der Jugend in einer sozialen Demokratie den Lebensraum sichern und gestalten soll. [] Am 6. September entscheiden Sie mit, ob die bisherige Politik in Bonn fortgesetzt oder die Forderungen der Sozialdemokratie verwirklicht werden sollen. - Prüfen Sie kritisch und wählen Sie! [] Mit freundlichen Grüßen [] Luise Albertz [] "Ich möchte eindeutig sagen, daß auch der wohlwollende Ton der Ermahnung und die abgestandene Bemerkung, daß die Jugend die Zukunft bedeute, der Jugend sehr wenig sagt. Die Jugend wünscht realen Boden, wünscht positive Lebensaussichten durch eine soziale Politik und die Jugend wünscht, gleichberechtigt behandelt zu werden." [] Dr. Kurt Schumacher am 21. September 1949 im Bundestag.
|