Das Handwerk und die Nationalversammlung

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Das Handwerk und die Nationalversammlung [] Zu den Schuldigen, die mit ihrer Politik unser deutsches Vaterland in den Abgrund geführt haben, zählen auch die Führer des deutschen Handwerks. [] Es war zumeist konservative Parteipolitik, die auf...

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Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Vorwärts Buchdruckerei und Verlagsanstalt Paul Singer & Co., Berlin
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 19.01.1919
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/30B18E3D-86B5-4472-A93B-16F394F56488
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Das Handwerk und die Nationalversammlung [] Zu den Schuldigen, die mit ihrer Politik unser deutsches Vaterland in den Abgrund geführt haben, zählen auch die Führer des deutschen Handwerks. [] Es war zumeist konservative Parteipolitik, die auf den Handwerkertagen, in den Handwerkskammern und in den Innungen seither getrieben worden ist. [] Der konservative Geist der Führer des Handwerks herrschte fast unbeschränkt, denn die fortschrittlich gesinnten Handwerksmeister haben, obwohl ihre Zahl keineswegs gering war und ist, es nie vermocht und leider es auch nur selten ernstlich versucht, sich in ihren Kreisen durchzusetzen. [] Unter dem Druck der politischen Machtverhältnisse lebten zehntausende kleiner Handwerker in den Fesseln Wirtschaftlicher Abhängigkeit. Für die Handwerksmeister hat bisher in hohem Maße das Wort gegolten: "Weß' Brot ich esse, deß' Lied ich singe." [] Hieraus erklärt es sich, daß die konservative Herrenpolitik auch die offizielle Handwerkerpolitik war. Bei der Masse der Handwerksmeister aber war eine politische Regsamkeit überhaupt nicht zu finden. Daher die alten Klagen über die mangelhafte Vertretung des Handwerks in den gesetzgebenden Körperschaften. [] Die rückschrittlichen Ansichten, die als Ausfluß der konservativen Parteipolitik die Leiter der Handwerkerbewegung erfüllten, haben ihnen die Bezeichnung Zunftpolitiker eingetragen. Diese abfällige Beurteilung haben die konservativen Führer des Handwerks wohl verdient, die Masse der Handwerksmeister jedoch muß sich gegen diese politische Einschätzung wenden. [] Und zwar sollten die Handwerksmeister jetzt durch die Tat beweisen, daß sie nicht die "Zunftpolitiker" sind und auch nicht sein wollen, sondern, daß sie im Gegenteil [] entschlossen sind, für eine freiheitliche, sozialdemokratische Politik einzutreten. [] Welche Politik kann jetzt, nach der radikalen Umwälzung und [!] im Reiche und in den Einzelstaaten, für das Handwerk in Frage kommen? [] Keinesfalls mehr die konservative, auch wenn die konservative Partei ihren Namen jetzt in "Deutsch-nationale Volkspartei" umgeändert hat. Die Namensänderung soll doch nur dazu dienen, den Wählern Sand in die Augen zu streuen. Jedoch das deutsche Volk wird es nicht vergessen, daß die konservative Politik das Elend verschuldet hat, in dem das Reich sich zurzeit befindet. Jetzt aber ist die Herrschaft der konservativen Machthaber - leider zu spät! - gestürzt und der gerechte Zorn der deutschen Männer und Frauen wird hoffentlich dafür sorgen, daß bei der bevorstehenden Wahl zur Nationalversammlung das [] endgültige Vernichtende Urteil über die konservative Politik, diese Politik des Verderbens gefällt wird. [] Die Zentrumspartei hat im Handwerk nie erheblichen Anhang gefunden und die Zentrumspolitik kann auch in Zukunft nicht für das Handwerk in Betracht kommen. Das Zentrum hat lange genug mit den Konservativen die Machtherrschaft geteilt, so daß seine Schuld an der verhängnisvollen Machtpolitik nicht minder groß ist als die der Junker. [] Entspricht aber etwa die neue "Deutsche demokratische Partei" den Wünschen und Bestrebungen des Handwerks? Fortschrittler und Liberale haben unter dem Einfluß der Revolution sich zu dieser neuen Partei zusammengeschlossen. Also ein Bündnis der Demokraten mit den alldeutschen Kriegsverlängerern und Wahlrechtsgegenern, die jedoch, wie verschämt und entschuldigend versichert worden ist, innerhalb der neuen Partei nicht hervortreten sollen. Ach ja, die schuldbeladenen Sünder werden sich vorläufig im Hintergrund halten, aber von dort ihren Einfluß geltend zu machen suchen. Wer jedoch ehrlich mit der alten Herrfchaft gebrochen hat, wer wahrhaft demokratisch und republikanisch gesinnt ist, muß jede Gemeinschaft mit den ehemaligen Alldeutschen und ihrer unheilvollen Politik ablehnen. [] Die Sozialdemokratische Partei ist die einzige Partei in Deutschland, die vor dem Kriege ernsthaft und unermüdlich den Militarismus bekämpft hat. Alle übrigen Parteien waren Anhänger und Förderer des Militarismus und sind daher mitschuldig an dem Krieg mit allen seinen furchtbaren Folgen. [] Die Sozialdemokratische Partei ist auch die einzige Partei, die ehrlich für den Frieden gewirkt hat, denn ihre Führer sind ohne Wanken immer für einen Verrständigungsfrieden eingetreten, während selbst die Fortschrittspartei ihre Ansichten über die Friedensbedingungen gewechselt hat, je nach dem Stand des Waffenglückes. Hätte Deutschland zu rechter Zeit den "Scheidemann-Frieden" geschlossen, wieviel Elend und wieviel Meuschenopfer wären dem Volke erspart geblieben! [] Die furchtbare Blutschuld kann nicht ungesühnt bleiben. Der gerechte Zorn des Volkes hat die fluchbeladenen Herrscher und ihre Regierungen in allen deutschen Landen davongejagt, aber auch die schuldigen Parteien muß noch das verdiente Urteil treffen. Der Wahltag soll der Tag des Gerichts sein! [] Auch an Euch Handwerkerfrauen ergeht unser Ruf! Ihr hattet schon immer nicht nur die Hausfrauenpflichten zu erfüllen, sondern habt daneben auch noch die Sorgen um das Geschäft oft mit dem Manne teilen müssen. Euch liegt deshalb das Interesse am öffentlichen Leben näher als vielen anderen Frauen. Jetzt sollt Ihr Euch auch an der Gestaltung des politischen Lebens unmittelbar beteiligen. [] Die Revolution hat endlich den deutschen Frauen das Stimmrecht gebracht. [] Neben den Arbeiterfrauen werdet besonders Ihr Handwerkerfrauen den Wert und die Bedeutung des Frauenstimmrechts richtig einzuschätzen wissen. Euch braucht gewiß niemand erst klar zu machen, daß das Wahlrecht eine hohe staatsbürgerliche und sittliche Pflicht bedeutet. Von der Stimmabgabe der Wähler und Wählerinnen hängt die Zukunft des Volkes, seine politische und wirtschaftliche Lage und das fernere Wohlergehen aller Glieder der Bevölkerung ab. Das gilt ganz besonders von der bevorstehenden Wahl zur Nationalversammlung, bei der die Frauen zum ersten Male mitstimmen dürfen. Bedenkt es, Ihr Frauen, daß Ihr die Erlangung der vollen politischen Bürgerrechte der Sozialdemokratie zu verdanken habt. Alle bürgerlichen Parteien ohne Ausnahme haben vor der Revolution das Frauenstimmrecht stets abgelehnt, die Sozialdemokratie als einzige politische Partei hat es immer gefordert und nun auch durchgeführt. [] Handwerkerfrauen, wählt deshalb Sozialdemokraten als Eure Vertreter. [] Man wird vielleicht versuchen, die Handwerker und Handwerkerfrauen bange zu machen mit der Enteignung und Sozialisierung der Betriebe. Früher hieß es: "Die Sozialdemokraten wollen teilen!" Damit läßt sich schon lange niemand mehr gruselig machen. Aber eine ähnliche unsinnige Vorstellung hat mancher von der Vergesellschaftung der Produktion, ohne daran zu denken, daß die Eisenbahnen und die Post, die Telegraphie und die Fernsprecher seit Jahrzehnten schon verstaatlicht sind, ebenso große Teile des Bergbaues, des Schiffbaues und der Massenfabrikation. Die sozialistische Republik wird also nur fortsetzen, was selbst der kapitalistische Staat bereits begonnen hat. [] Die Republik wird nicht die Kleinbetriebe des Handwerks, sondern die kapitalistischen Großbetriebe verstaatlichen. [] Nicht aus Haß gegen die Reichen, sondern weil das Wohl des Volkes es erfordert. Wie anders sollte es sonst auch gelingen, die riesigen Kriegsschulden abzutragen? Und welcher Handwerker könnte sich dagegen wenden, daß die Gewinnausbeute der seitherigen kapitalistischen Großproduktion vom Staate übernommen und in den Nutzen des ganzen Volkes gestellt wird? [] Auf das Wohl des ganzen Volkes ist die sozialdemokratische Politik gerichtet. Ueberzeugt Euch hiervon durch Einsichtnahme in das sozialdemokratische Programm und in die sozialdemokratischen Schriften. Besucht auch die sozialdemokratischen Wahlversammlungen, lernt die Kandidaten und die Redner der Sozialdemokratischen Partei kennen. Wir sind überzeugt, Ihr Hanwerker und Handwerkerfrauen, Ihr gebet dann bei den Wahlen zur Nationalversammlung Eure Stimme der Liste der [] Sozialdemokratischen Partei [] (Richtung Ebert-Scheidemann). [] Vorwärts Buchdruckerei und Verlagsanstalt Paul Singer & Co., Berlin SW. 68, Lindenstr. 3.
Published:19.01.1919