Für wen willst Du arbeiten?

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: SPD-Landesverband Bayern, Signatur 76 Für wen willst Du arbeiten? [] Ein Wort für Nachdenkliche [] Warum arbeitest du? Weil du mußt oder weil es dir Freude macht? - Es gibt Arbeit, die nur als Freude empfunden wird. Als der große f...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Augsburg, Schwäbische Landeszeitung Naumann & Co. KG, Augsburg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: ca. 1946
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/AC3A29DE-4EE6-4176-952D-BFA96B5F3BFC
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: SPD-Landesverband Bayern, Signatur 76 Für wen willst Du arbeiten? [] Ein Wort für Nachdenkliche [] Warum arbeitest du? Weil du mußt oder weil es dir Freude macht? - Es gibt Arbeit, die nur als Freude empfunden wird. Als der große französische Romandichter Balzac einmal gefragt wurde, wie lange er eigentlich täglich arbeite, sagte er ganz erstaunt: "Ich arbeite überhaupt nicht, ich schreibe nur!" So kann aber wohl nur der Künstler, der Wissenschaftler, der Politiker empfinden. Und auch bei ihnen gibt es viel Alltagsplackerei. Immer wieder müssen auch sie alle ihre Energie einsetzen, um öde Strecken hinter sich zu bringen. Trotzdem aber ist es bei uns in unserer Zeit und in unserem Klima nicht so wie bei den alten Römern, wo die Muße, das Otium, als der Normalzustand angesehen wurde und die Arbeit als die Aufhebung dieses Normalzustandes. Sie wurde daher mit der Verneinungsform des Otiums als Negotium bezeichnet. Nein, wir haben Freude an der Arbeit, und gerade die Sozialdemokratie will alles nur mögliche dazu tun, um die Arbeit recht freudvoll zu machen. Die Arbeit des Bauern, des Handwerkers ist zwar schwer, aber sie ist in sich selbst beseelt und sinnvoll. Die Arbeit in der modernen Fabrik, im modernen Großbüro kann das im einzelnen nicht immer sein. Dennoch kann hier viel geschehen, wenn nicht mehr der einzelne Arbeiter und Angestellte für den Betrieb, sondern der Betrieb für den Arbeiter und Angestellten und darüber hinaus für die Allgemeinheit des ganzen Volkes da ist. [] Die Wirtschaftsform des Kapitalismus wird dadurch gekennzeichnet, daß in ihr die Arbeitskraft eine Ware ist, die nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage auf dem Markt, nämlich dem sogenannten Arbeitsmarkt, verkauft und gekauft wird. Verkäufer ist jeder, der gezwungen ist, von seiner Arbeit zu leben. Käufer ist, wer einen Betrieb besitzt, in dem er die Arbeiten nicht allein ausführt, sondern dazu andere Menschen einsetzt. Das ist der sogenannte Kapitalist. Nun hat natürlich der Käufer der Arbeitskraft das Bestreben, genau so wie jeder andere Käufer, die Ware möglichst billig einzukaufen. Tut er das nicht, vielleicht weil er seinen Mitarbeitern einen höheren Lohn gönnen möchte, so werden seine Erzeugnisse teurer als die von solchen Unternehmern, die weniger sozial denken, und können den Wettbewerb auf dem Warenmarkt nicht aushalten. Denn bezeichnend für das kapitalistische Wirtschaftssystem ist weiter, daß sich der Preis des fertiggestellten Erzeugnisses auf dem Warenmarkt ebenfalls wieder nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage richtet, wie das auf jedem Markt der Fall ist. Ist die Nachfrage aus irgendwelchen Gründen groß, so steigt der Preis der Ware weit über den Betrag hinaus, den sie kosten müßte, wenn man den Preis für die Rohstoffe, die Arbeitslöhne sowie einen angemessenen Betrag für die Arbeit des Unternehmers, Steuern usw. einsetzen würde. Es entstehen dann große Unternehmergewinne, deren Höhe niemand genau kontrollieren kann. Ist dagegen nicht genügend [] kaufkräftige Nachfrage da, so kann der Preis der Ware bis unter die Selbstkosten des Unternehmers sinken. Das alles kommt daher, weil die Waren nicht planmäßig entsprechend dem Bedarf der Bevölkerung hergestellt werden, wie das in einem sozialistischen Wirtschaftssystem der Fall sein würde. Vielmehr stellt der Kapitalist zunächst einmal die Waren her und versucht dann, sie so teuer wie möglich zu verkaufen. Um das zu erreichen - haben die Kapitalisten überall das freie Spiel der Kräfte von Angebot und Nachfrage auf dem Warenmarkt durch Preisvereinbarungen und noch engere Bindungen, wie Kartelle, Trusts usw., bereits weitgehend auszuschalten versucht. Um so größeren Wert pflegen sie darauf zu legen, daß das von ihnen zur Zeit des Liberalismus so hoch gepriesene freie Spiel der Kräfte auf dem Arbeitsmarkt erhalten bleibt. Es ist dort das Spiel der Katze mit der Maus. Denn der Verkäufer der Ware Arbeit muß ja, falls er nicht über Vermögen verfügt, zu jedem Preis verkaufen, wenn er nicht verhungern will. Menschen in dieser Lage nennt die Wirtschaftswissenschaft Proletarier. Der Käufer der Ware Arbeit aber, der Kapitalist, hat meistens überreichlich Angebot an Arbeitskräften. Schlimmstenfalls kann er auch warten, weil er sogar bei zeitweiser Stillegung seines Betriebes noch nicht verhungern würde, sondern von seinen Rücklagen leben könnte. [] Diese wirtschaftlichen Gesetze gelten überall, wo die Wirtschaft ohne Eingriffe sich selbst überlassen bleibt. Es ist das Verdienst von Karl Marx, als erster diese Gesetze klar erkannt zu haben. Seine Erkenntnisse hat die Sozialdemokratie in die breiten Massen getragen. So schlossen sich in den meisten Ländern die Werktätigen zu großen Organisationen, den Gewerkschaften, zusammen. Dadurch konnten sie Einfluß auf das Angebot von Arbeitskräften gewinnen und eine Erhöhung des Preises der Ware Arbeit erreichen. In der Theorie liegt die Höchstgrenze dieses Preises da, wo der Wert der vom Arbeiter geleisteten Arbeit gleich dem Arbeitslohn ist und also kein sogenannter Mehrwert für den Unternehmer bleibt. [] Im Gegensatz zu den Lohnarbeitern blieb die große Mehrzahl der Angestellten und unter ihnen besonders wieder die wissenschaftlich Vorgebildeten, der Sozialdemokratie und den Freien Gewerkschaften fern, obwohl gerade ihre wirtschaftliche Lage im Verhältnis immer ungünstiger wurde. Vor dem Ersten Weltkrieg hatten sie vielfach ein kleines Familienvermögen oder sonstige Zuschüsse besessen. Daher waren sie in der Lage, mit dem Angebot ihrer Ware Arbeit gegebenenfalls zurückzuhalten, weil sie eben nicht unbedingt auf sofortiges Einkommen aus der Arbeit angewiesen waren. Oder sie konnten sich eine besonders qualifizierte Vorbildung verschaffen und brauchten sich dann nur für solche Arbeit anzubieten, bei der noch größere Nachfrage nach solchen hochqualifizierten Kräften, etwa solche mit Hochschulbildung usw., bestand. Nach 1918 wurde das alles anders. Rücksichtslos nutzte der Kapitalismus die Lage auf dem Arbeitsmarkt aus und drückte die Einkommen aller dieser Kreise auf das empfindlichste herab. Anstatt daraus die richtigen Folgerungen zu ziehen, ließen sich diese Schichten noch von lange überholten Standesvorurteilen leiten oder fielen auf eine verlogene nationalistische Propaganda hinein, die die echten Werte von Volk und Heimatland zur Verhütung nackter Unternehmerinteressen mißbrauchte. Sie ließen sich von der Phrase vom "nationalen Sozialismus" einfangen, für den noch mehr als für den alten Antisemitismus das Wort August Bebels galt, daß das der "Sozialismus der dummen [] Kerle" sei. Der Hitlerkrieg hat ihnen allen nun das Letzte genommen, was vielleicht noch an Rücklagen da war. Die alte Bürgerklasse im Sinne der klassischen Schriften der Sozialdemokratie existiert nicht mehr. Die Angehörigen der alten Bürgerklasse sind vom Standpunkt des Marxismus aus Klassengenossen der alten Arbeiterklasse geworden. Sie sind durch die Entwicklung, die Marx und Engels vorausgesehen hatten, nun auch "proletarisiert" worden. Alle zusammen bilden nun vom sozialdemokratischen Standpunkt aus eine große Gemeinschaft, die der schaffenden Deutschen. Als gemeinsamer Gegner aber steht ihnen der Kapitalist gegenüber. Er ist der "Bourgeois" [...] alten marxistischen Sinne. Schon sind alle Schaffenden, gleichgültig welches die Art ihrer Arbeit ist, in den Gewerkschaften zusammengefaßt. Es gilt nun, sie auch in der Idee des Sozialismus zu vereinen. [] Denn wohl können in einem kapitalistischen System bei Zusammenschluß aller Arbeitnehmer die Verkaufsbedingungen für die Ware Arbeit auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden. Immer aber bleibt der Lohn letzten Endes abhängig von den Preisen, die auf dem Warenmarkt für die Fertigware erzielt werden. Eine echte und dauernde Sicherung der Lebenshaltung aller Schaffenden ist daher nur dadurch möglich, daß an die Stelle der kapitalistischen Gewinnwirtschaft die sozialistische Bedarfsdeckungswirtschaft tritt. Dann wird die Erzeugung nicht mehr von dem Unternehmer gelenkt, der sich nur von dem Gesichtspunkt leiten lassen kann, wie er die größten Gewinne zu erzielen vermag, und die Erzeugung ganz einstellt und dadurch Arbeitslosigkeit hervorruft, wenn ein Absatz mit Gewinn zeitweise nicht möglich ist. Vielmehr wird in der sozialistischen Wirtschaft die Erzzeugung planmäßig auf die Bedürfnisse der Allgemeinheit abgestellt und von vornherein so eingerichtet, daß stets ein glatter Absatz zu angemessenem Preis sichergestellt ist. Da nicht mehr der Gewinngedanke ausschlaggebend ist, wird auch immer für eine Beschäftigung aller gesorgt. Die Arbeit ist dann keine Ware mehr, für die es einen Markt gibt, sondern der Mensch, der ganze Mensch, ist das Maß aller Dinge. Dieser Mensch arbeitet, denn: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!" wie es schon im Neuen Testament heißt. In der sozialistischen Gesellschaft wird jeder arbeiten. Sein Einkommen wird zwar nach Art und Güte seiner Leistung [] abgestuft sein, schon um einen Anreiz zu höheren Leistungen zu geben. Aber er verkauft nicht mehr seine Ware Arbeit, ja er wird eigentlich auch gar nicht für seine Arbeit selbst bezahlt, sondern er erhält ein Einkommen, um davon zu leben. Was aber jeder verdient, das gehört ihm. Nie hat die Sozialdemokratie daran gedacht, das Privateigentum abzuschaffen, Ohne Privateigentum ist ja eine Kultur überhaupt nicht möglich. Nur das soll aufhören, daß ein Mensch, weil er der Eigentümer von Mitteln ist, die erforderlich sind, um Waren herzustellen, also etwa einer Fabrik, die Arbeitskräfte anderer Menschen kaufen kann und die mit Hilfe dieser Arbeitskräfte erzeugten Waren dann mit einem Gewinn zu verkaufen vermag, der sich nie genau kontrollieren läßt. Diese sogenannten Produktionsmittel, wie eben Fabriken usw., sollen in das Eigentum der Gemeinschaft überführt werden. Das ist die Voraussetzung, um das kapitalistische Wirtschaftssystem durch das sozialistische zu ersetzen. [] Sozialistische Wirtschaft bedeutet also geregelte Erzeugung mit Mitteln der Allgemeinheit für die Allgemeinheit. Da die Erzeugung planmäßig nach dem Bedarf erfolgt, ist für regelmäßigen Absatz zu angemessenen Preisen gesorgt, damit also auch für ein sicheres und angemessenes Arbeitseinkommen für alle. Jeder arbeitet dann zugleich für sich selbst und auch für die Allgemeinheit, nicht aber mehr für den unkontrollierten Gewinn eines Unternehmers. [] Möchtest du nicht auch lieber in einer solchen Wirtschaft arbeiten? Dann reihe dich ein in die Sozialdemokratische Partei. Sie ist die Partei aller deutschen Schaffenden, gleichgültig welcher Art ihre Arbeit ist und was für eine Stellung im Betrieb sie innehaben. Jeder ist da willkommen, ob kaufmännisch vorgebildet oder wissenschaftlich ob angelernt oder handwerklich geschult, ob Mädchen oder Mann. Sie erstrebt für die Interessen aller einen gerechten Ausgleich im Rahmen der Interessen der Allgemeinheit. Sie will den demokratischen Sozialismus! [] Bitte lesen und weitergeben! [] Sozialdemokratische Partei Augsburg [] Schwäbische Landeszeitung Naumann & Co. K.G. Augsburg
Published:ca. 1946