Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals;
Die Metallindustriellen mußten Farbe bekennen [] Trotz steigender Gewinne und Dividenden haben sie Lohnverhandlungen brüsk abgelehnt [] Ihre Losung ist. [] Statt Verhandlungen Machtpolitik [] Damit ist in der Metallindustrie eine außerordentlich ernste Situation entstanden [] "Sie werden nicht erwarten, daß wir uns zu den Absätzen l und 2 Ihres Schreibens äußern, nachdem wir glauben, daß unsererseits in der genannten Besprechung alles Nötige gesagt worden ist." [] Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! [] In dieser brutalen Weise antwortete der Verband Württ.-Badischer Metallindustrieller auf unser Schreiben vom 20. Mai 1954. [] Was war in diesem Schreiben gesagt worden? Was veranlaßte die Unternehmer, uns zu erklären: "Sie werden nicht erwarten ..."? Hier sind die entsprechenden Absätze aus unserem Schreiben an die Metallindustriellen: [] "1. Die Mitglieder der großen Tarifkommission der Industriegewerkschaft Metall für das Tarifgebiet Nordwürttemberg-Nordbaden betrachten angesichts der im allgemeinen guten Beschäftigungssituation und der durchaus günstigen Ertragslage in den Betrieben der Metallindustrie die beschlossene Kündigung des Lohnabkommens als zwingend erforderliche Maßnahme, ohne die es nicht möglich ist, den in der Metallindustrie beschäftigten Arbeiterinnen und Arbeitern allgemein von der Lohnseite her die Anspruchsberechtigung auf einen höheren Anteil an der gestiegenen Produktivität sicherzustellen. [] 2. Die geforderte 8prozentige Erhöhung der tariflichen Mindestlöhne mit voller Auswirkung auf Effektivverdienste wird von unserer großen Tarifkommission einhellig als für die Metallindustrie durchaus tragbare Lohnforderung bezeichnet. Gegenüber den von Vertretern Ihres Verbandes erhobenen Einwänden, daß eine solche Lohnerhöhung die Konkurrenzfähigkeit der nordwürttemberg-badischen Metallindustrie sowohl im Exportgeschäft als auch auf dem Inlandsmarkt aufs stärkste beeinträchtige, wurde geltend gemacht, daß es sich, wie die Entwicklung gezeigt hat, bei allen Lohnbewegungen in der Vergangenheit erwiesen habe, daß diese weder der Ausweitung des Exportgeschäftes hinderlich waren, noch sich nachteilig auf den Inlandsmarktabsatz ausgewirkt hätten. Jedenfalls sei bisher jeweils in der Vergangenheit immer das Gegenteil von dem eingetreten, was von Arbeitgeberseite als nachteilige Folge von Lohnerhöhungen befürchtet worden sei." [] Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! [] Kann jemand, der guten Willens ist, so auf unser Schreiben antworten wie es der Verband der Metallindustriellen getan hat? [] Würden die Metallindustriellen, wenn ihnen an der Erhaltung des Arbeitsfriedens gelegen wäre - und nicht nur an der Vertretung ihres einseitigen Machtstandpunktes und ihrer einseitigen Profitinteressen -, so handeln? [] Das Schreiben der Metallindustriellen macht indessen deutlich, daß es ihnen nicht um die Erhaltung des Arbeitsfriedens geht! Es macht deutlich, daß nicht das Interesse der Wirtschaft im allgemeinen ihre Handlungen bestimmt! Es macht deutlich, daß ihre Handlungen nicht von der Sorge um die Entwicklung der Exportindustrie diktiert sind! Und es zeigt mit aller nur wünschenswerten Anschaulichkeit, daß sie nur eines kennen - nämlich die Vertretung Ihrer Machtpolitik! [] Wie sagte doch der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Herr Dr. Paulssen? "Echte Partnerschaft setzt auf beiden Seiten die Bereitschaft zur Verantwortung, den Willen zur sachlichen Gemeinschaftsarbeit und den Verzicht auf alleinige Macht voraus". [] So Herr Dr. Paulssen in einem Interview, das er der Zeitung "Die Welt" kürzlich gegeben hat. [] Wo aber bleibt die so gepriesene "Bereitschaft zur Verantwortung", der "Wille zur sachlichen Gemeinschaftsarbeit" und "der Verzicht auf alleinige Macht" beim Verband der Württ.-Badischen Metallindustriellen? Nichts von alledem ist in seinem Verhalten zu finden. [] Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! [] Unsere Mitteilung vom 20. Mai gab Euch Kenntnis davon, daß wir den Verband Württ.-Badischer Metallindustrieller noch einmal aufgefordert hatten, mit uns alsbald in echte Lohnverhandlungen einzutreten. [] Wir wollten damit vor aller Öffentlichkeit erneut unter Beweis stellen, daß die Industriegewerkschaft Metall - ehe sie gezwungenermaßen gewerkschaftliche Kampfmittel anwendet - alle Verhandlungsmöglichkeiten wahrnimmt, um die Forderungen unserer Kollegenschaft zu vertreten. [] Die Unternehmer mußten daraufhin Farbe bekennen. Der Verband der Metallindustriellen hat nunmehr Lohnverhandlungen eindeutig abgelehnt. In dem bereits oben erwähnten Schreiben der Metallindustriellen vom 26. Mai 1954 geschieht dies mit folgenden Worten: [] "Der Ausschuß ist dabei wiederum zu derÜberzeugung gekommen, daß die wirtschaftliche Lage unserer Industrie die von Ihnen geforderte Tariflohnerhöhung nicht zuläßt(??). Deswegen glauben wir auch jetzt noch, daß eine Verhandlung über die von Ihnen gestellten Lohnforderungen zu keinem .Ergebnis führen kann(!!). Bei dieser Sachlage bleibt nur der von Ihnen bereits angeregte Weg zur Schlichtungsstelle übrig." [] So also sieht die Praxis der Metallindustriellen aus. Man vergleiche damit die schönen Worte von Herrn Dr. Paulssen! [] Dabei ist es der Unternehmerseite bisher trotz aller Anstrengungen einfach nicht möglich gewesen, unsere Feststellung zu entkräften, daß in den letzten beiden Jahren die Produktion in allen Zweigen der Metallindustrie Nordwürttemberg-Badens im Durchschnitt um 1,5 Prozent und in der Elektroindustrie sogar um 31 Prozent gestiegen ist. Auch die enorm gestiegenen Umsatzziffern der metallverarbeitenden Industrie Nordwürttemberg-Badens konnten im Ernst nicht bestritten werden. Die Beschäftigungslage der Betriebe ist fast durchweg eine gute. Es sind also alle Voraussetzungen für die Erfüllung der 8prozentigen Lohnforderung der Metallarbeiter gegeben. [] Oder sind doch nicht alle Voraussetzungen dafür erfüllt? Sie sind es leider nicht! Und zwar deshalb nicht, weil der Wille und die Bereitschaft der Unternehmer fehlen, die Arbeitnehmerschaft an den gewaltig gestiegenen Erträgen der Unternehmen teilhaben zu lassen. Die Arbeitnehmer waren nur gut genug zum Opfer bringen für den Wiederaufbau der Wirtschaft! [] Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir fragen Euch, soll das weiterhin so bleiben und soll zu allem hin in der Zukunft auch noch das Unternehmer-Lohndiktat an die Stelle von Verhandlungen treten? [] Das Verhalten des Verbandes Württ.-Badischer Metallindustrieller schafft eine außerordentlich ernste Situation [] Wir haben nunmehr - wozu wir verpflichtet sind - die Schlichtungsstelle angerufen. Innerhalb kürzester Zeit also werden wir möglicherweise zu weitgehenden Maßnahmen gezwungen sein. Aber heute gilt es schon mit aller Deutlichkeit festzustellen, daß [] das Verhalten des Verbandes der Metallindustriellen dafür allein verantwortlich ist. [] In der Zwischenzeit gilt es, alles zu tun, um die Schlagkraft der IG Metall weiter zu stärken. Es gilt, auch den letzten Unorganisierten für die Gewerkschaft zu gewinnen. Viele von ihnen haben in den letzten Wochen den Weg zur IG Metall gefunden. Wir begrüßen diese Kolleginnen und Kollegen in unseren Reihen. Ihr Beispiel sollte von allen Arbeitskolleginnen und -kollegen, die bisher noch abseits stehen, nachgeahmt werden! [] Macht die IG Metall auch finanziell so stark, daß sie in der Lage ist, in einem notwendig werdenden Arbeitskampf alle Mitglieder wirksam zu unterstützen. Denkt auch daran, daß von der Höhe des Gewerkschaftsbeitrages die Höhe der Unterstützung im Falle eines Arbeitskampfes abhängt. [] Das Ziel heißt: [] Mit der Industriegewerkschaft Metall für höhere Löhne, für einen gerechteren Anteil am Sozialprodukt, für einen höheren Lebensstandard! [] Die Unternehmer können zahlen, denn: Die Erträge der Unternehmen sind gestiegen! Die Gewinne sind gestiegen! Die Dividenden sind gestiegen! Die Preise sind gestiegen! Jetzt müssen die Löhne folgen! [] Industriegewerkschaft Metall [] Bezirksleitung Stuttgart [] Verantwortlich: Ludwig Becker, Stuttgart. Druck: Union Druckerei GmbH
|