Wahlzeitung für den Reichstagswahlkreis Grünberg-Freystadt. Nr 1. . Mitbürger!

Bemerkungen: Fraktur! Eine Einbindung des Volltextes ist aus technischen Gründen derzeit noch nicht möglich. Nr. l. Jahrgang l907. [] lesen und dann weitergeben! [] Wahlzeitung [] für den Reichstagswahlkreis Grünberg-Freystadt. [] Erscheint während der Wahlzeit nach Bedarf und wird kostenlos verbrei...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Hager, Adolf, W. Levysohn, Grünberg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 25.01.1907
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/0F75D129-ADD8-4D82-89E0-3C4018E62411
Description
Summary:Bemerkungen: Fraktur! Eine Einbindung des Volltextes ist aus technischen Gründen derzeit noch nicht möglich. Nr. l. Jahrgang l907. [] lesen und dann weitergeben! [] Wahlzeitung [] für den Reichstagswahlkreis Grünberg-Freystadt. [] Erscheint während der Wahlzeit nach Bedarf und wird kostenlos verbreitet. [] Mitbürger! [] Der Kandidat der Freisinnigen Partei ist wieder unser bewährter Vertreter [] im verflossenen Reichstage, [] Herr Reichskammerpräsident Carl Blell aus Brandenburg. [] Was will die Freisinnige Partei? [] Wenn eine Partei sich um die Stimmen der Wähler bewirbt, so ist es ihre erste Pflicht, den Wählern zusagen, was sie will und wofür sie eintritt. Die Freisinnige Partei hat keine Ursache, mit ihrem Programme hinterm Berg zu halten, denn sie ist sich bewußt, daß sie als eine echte und rechte Volkspartei in ihrem Programme nur das Wohl unseres gesamten Volkes und das Gedeihen aller Erwerbsstände verficht. Offenherzigkeit ist es, was einem deutschen Manne ziemt. Offenherzigkeit ist es auch, was vor allem die Wähler von der Partei und von dem Kandidaten verlangen müssen, dem sie bei der Wahl ihre Stimme geben wollen. [] Reichstagswähler! Bürger und Handwerker, Kaufleute und Beamte, Landwirte und Arbeiter! wie vor jeder Wahl so will auch diesmal die Freisinnige Partei ihr Programm vor Euch auseinandersetzen und offen bekennen, was sie will und was sie nicht will. [] Die Freisinnige Partei [] will Festigung der nationalen Einigung Deutschlands<NZ>und Ausbau der politischen Freiheit, [] sie will nicht, das die Rechte der Volksvertretung, insbesondere das Geldbewilligungsrecht angetastet werden. [] <NZ>Die Freisinnige Partei [] will Wahrung der Rechte des Volkes, Sicherung der Wahlfreiheit, volle Gewissens- und Religionsfreiheit unter gleichem Recht für alle Bekenntnisse; sie will aber nicht, daß das geheime, allgemeine, gleiche, direkte Reichswahlrecht, die Versammlungs- und Vereinsfrheit die freie Meinungsaußerung in Wort und Schrift, die Gleichheit vor dem Gesetz, und zwar ohne Ansehen der Person und der Partei, irgend welche Einschränkung erleiden. [] Sie will auch nicht Bevorzugung des Adels im öffentlichen Dienste. [] Die Freisinnige Partei [] will Förderung der Volkswohlfahrt auf Grund der<NZ>bestehenden Gesellschaftsordnung; sie will eintreten für alle auf Hebung der arbeitenden Klassen zielenden Bestrebungen, sie will ihre Gleichberechtigung, ihre Selbsttätigkeit, ihr freies Vereinswesen wahren und fördern, sie verlangt Ausbau der Arbeiterschutzgesetgebung, insbesondere zum Schutze der Arbeitnehmer gegen mißbräuchliche Anforderungen an ihre Arbeitskraft; [] Sie will keinerlei Sozlalismus und auch keine Bevormundung auf dem Gebiete des Erwerbs- und Verkehrslebens, keine Maßregeln, welche Koalitionsfreiheit und Freizügigkeit wiederum in Fesseln schlagen. [] Die Freisinnige Partei [] will im Interesse von Handwerk und Gewerbe: Hebung des Gewerbes durch Fortbildungs- und Fachschulen, Weiterentwickelung des Genossenschaftswesens, Inunngsfreiheit, Bildnng von Handwerks-, Gewerbe-und Gewerkvereinen, Beseitigung der durch Gefängnisarbeit und unlautem Wettbewerb entstehenden Schäden; sie will auch eine entsprechende Reform des Submissionswesens. [] sie will aber nicht Zwangsinnungen und Beschränkungen des Handwerksbetriebes durch die Forderung eiues allgemeinen obligatorischen Befähigungsnachweises; sie ist auch gegen die Steuerfreiheit der Konsumvereine und sonstigen Genossenschaften. [] Die Freisinnige Partei [] will Mehrung und Kräiftigung des bäuerlichen Besitzes, Erleichterung der Ansäßigmachung, insbesondere auch durch Beseitigung aller Hindernisse, die durch Majorate und ähnliche Einrichtungen geschaffen werden, sie will wirksamen Schutz gegen Wildschaden, Erweiteruug des landwirtschaftlichen Fachunterrichts, Pflege des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens, sie erstrebt Beseitigung aller Privilegien des Großgrundbesitzes, wo solche noch bestehen; sie will die Verbesserung der Verkehrsverhaltnisse und die Verbilligung der Eisenbahntarife, um dem Landwirt bessere Absatzgelegenheit für seine Produkte zu verschaffen; [] sie will aber nicht die Freiheit des Grundeigentums beschränken in Bezug auf Veräußerung, Belastung oder Vererbung, sie will nicht ein gesetzliches Anerbenrecht herbeiführen, das Unfrieden in die Familien bringt, die nachgeborenen Kinder benachteiligt und die Erwerbung von Grundeigentum erschwert. [] Die Freisinnige Partei [] will im Steuersystem Gerechtigkeit und Schonung der Volkskraft, insbesondere zu Gunsten der weniger bemittelten Klassen, Sparsamkeit im Reichshaushalt, Entlastung der notwendigsten Lebensmittel und unentbehrlichen Verbrauchsgegenstände von drückenden, indirekten Steuern, sie erstrebt Handelsverträge zur Erweiterung des Absatzes auf dem ausländischen Markte; [] sie will aber keine Zoll- und Wirtschaftspolitik im Dienste von Sonderinteressen auf Kosten der Gesamtheit, keine Verteuerung der Lebenshaltung der breiten Schichten des Volkes. [] Die Freisinnige Partei [] will Erhaltung der vollen Wehrkraft des Reiches unter Schonung der wirtschaftlichen Interessen uud unter Vermeidung jedes unnützen Aufwandes im Militärwesen, [] sie will aber nicht, daß die Söhne des Landes, die der Militärpflicht genügen, willkürlich und ungerecht behandelt werden. [] Die Freisinnige Partei [] ist gegen Revolution und gegen Reaktion, aber für Reform. [] Sie ist eine wahrhaft nationale Partei, denn sie will nur kämpfen unter dem Banner des Gemeinwohls; sie will nicht sein eine Partei des Großgrundbesitzes oder der Großindustrie oder der Börse; sie ist auch nicht eine Partei uur der Arbeiter oder nur der Arbeitgeber, sondern sie will den friedlichen Ausgleich aller Stände der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, der Bürger, der Bauern, der Handwerker, der Fabrikanten, der Kaufleute und Beamten fordern. [] Alles dies erstrebt die Freisinnige Partei in [] Treue zum Reich und auf dem Boden der Verfassung. [] Reichstagswähler! Ihr habt es gelesen, was wir erstreben und was wir bekämpfen. Prüfet dieses Programm, dann werdet Ihr Euch sagen: Das freifinnige Programm ist unser Programm, die Freisinnige Partei ist unsere Partei, der freisinnige Kandidat ist unser Kandidat! [] Wir alle wählen Blell! [] Aufruf an die Wähler der Kreise Grimberg und Freystadt. [] Hört Ihr nicht das ernste Mahnen uns'rer Väter, uns'rer Ahnen, Die uns, damals Lehnsherrenknechte, Schufen uns're Menschenrechte? Wißt Ihr, was die da gelitten? Halten kaum das Recht zum Bitten! [] Alles was wir uns errungen. Was die Väter uns erzwungen, Alles steht heut auf dem Spiel. Denkt drum ernstlich an das Ziel! Bahnt der Entwicklung freien Lauf, Dann bricht der Völkerfrühling auf, [] Und deutsche Macht und Herrlichkeit Steht fest bis in die Ewigkeit! [] Was die Deutsch-Konservativen wollen und welche Politik sie im Reichstage verfolgen werden, das haben sie noch nicht verraten. Sie werden auch ihre guten Gründe dafür haben, wenn sie es bisher unterließen, der Wählerschaft reinen Wein einzuschenken. Der Wahlaufruf, den die deutsch-konservative Partei für die Provinz Schlesien erlassen hat, enthält nichts als leere Phrasen, Sie haben vor allem das Wörtchen "national" für sich gepachtet und gebrauchen es in einer Weise, als ob sie allein national gesinnt wären. Wie falsch und ungerechtfertigt diese Auffassung ist, das hat schon einmal der Reichskanzler Graf Carprivi hervorgehoben, als er am 29. Januar 1892 im preußischen Landtage den Ausspruch tat: "National ist, Gott sei Dank, ganz Deutschland. Also auf diese Eigenschaft hin kann man Parteiunterschiede nicht gründen." Die Freisinnigen sind genau so national gesinnt wie die Konservativen. Sie haben ihrem Vaterlande ebenso treu gedient und Gut und Blut dafür geopfert wie nur irgend einer. Die Freisinnigen sind für ein einiges Deutsches Reich schon eingetreten, als die Konservativen noch gar nichts davon wissen wollten und als es noch gefährlich war, sich als Anhänger der deutschen Einheitsidee zu bekennen. Wer darum kam Wahltage seine nationale Gesinnung betätigen will, wer zu der Erhaltung unseres einigen und freien deutschen Vaterlandes mit beitragen will der gebe seine Stimme dem Kandidaten der freisinnigen Partei, Herrn Handelskammerspräsidenten Carl Blell. [] Carl Blell. [] Eigentlich ist es unnötig, der Wählerschaft unseres Wahlkreises Grünbcrg-Freystadt noch näheres von ihren: Rcichstagskanoidateu, Herrn Carl Blell, zu erzählen; denn er ist ja kein unbekannter Mann mehr, und jeder Zeitungsleser hat seinen Namen schon Dutzende Male gelesen und jeder Bürger unseres Wahlkreises hat diesen Namen schon, weiß Gott wie oft, selbst ausgesprochen, wenn er sich mit seinen Freunden am Biertisch oder bei sonstigem geselligen Zusammensein unterhielt und politisierte. Carl Blell hat ja unsern Wahlkreis bereits während der letzten Reichstagsperiode so ehrenvoll vertreten, als ein würdiger Nachfolger unseres langjährigen freisinnigen Reichstagsabgeordneten Munkel. Wenn wir trotzdem nochmals der Wählerschaft eine kurze Darstellung des Lebensganges unseres Kandidaten, Carl Blell, geben, so tun wir dies mit Rücksicht auf die vielen Wähler, welche 1903 noch nicht in diesem Wahlkreis waren oder überhaupt erst inzwischen wahlberechtigt geworden sind. [] Herr Carl Blell ist bereits im Jahre 1898 in unserm Nachbarwahlkreise Hirschberg zum Reichstagsabgeordneten gewählt worden, und trat dann 1903 das Erbe unseres unvergeßlichen Munkel im Grünberger Wahlkreise an. [] Carl Blell ist am 10. August 1838 in Brandenburg geboren und hat es nach vielen Reisen und langjährigem Aufenthalt in der Schweiz, in Amerika, Asien und Afrika zu hohem Ansehen in seiner Vaterstadt gebracht, wo er ein Tuch-Engros- und Export-Geschäft betreibt, von dem er auch in Bukarest eine Zweigniederlassung errichtet hat. Durch seinen bürgerlichen Beruf ist er auch mit den Tuchfabrikanten unseres Wahlkreises vielfach in geschäftliche Berührung gekommen. Welcher Wertschätzung er sich in seiner engeren Heimat erfreut, das geht u.a. aus folgendem hervor: Seit mehr als zwanzig Jahren ist er Vorsitzender des Brandenburger Handwerkervereins, ferner Präsident der dortigen Handelskammer, Verbandsdirektor der Kredit-Genossenschaft von West- Brandenburg, Vorsitzender des Brandenburger Bankvereins (einer Schulze-Delitz'schen Genossenschaft), Begründer und Vorsitzender der Brandenburger Volksbibliothek. Er steht also mitten im bürgerlichen Erwerbsleben und allenthalben an der Spitze derjenigen Unternehmungen und Vereinigungen, welche ganz besonders geeignet sind, dieses Leben zu fördern und zu heben. In kirchlicher Beziehung ist er Mitglied des Gemeindekirchenrats von St.Katharinen in Brandenburg. [] Frühzeitig schon ist Herr Blell in die Politik eingeweiht worden, und zwar durch keinen geringeren Mann, als den berühmten liberalen Politiker Wilhelm Grabow, der während der Konfliktszeit (1862 - 1866) Präsident des preußischen Abgeordnetenhauses war. Grabow war der Brnder von Blells Mutter und weckte in dem jugendlichen Blell die Liebe zum Volke und die Sehnsucht, für dasselbe gleich seinem allverehrten Oheim zu arbeiten und zu kämpfen. Und das hat Herr Blell redlich getan, vorerst in seinem kleineren Kreise. Er ist nicht nur Vorsitzender des Liberalen Wahlvereins in Brandenburg, sondern auch Vorsitzender des brandenburgischen Provinzial-Verbandes der Freisinnigen Volkspartei. Als Reichstagsabgeordneter ist er seiner Partei besonders wertvoll geworben durch seine umfassenden Kenntnisse der Verhältnisse des Kaufmannsstandes, des Handwerks und der Arbeiterwelt, und häufig ist ihm in diesen Fragen das Referatüberwiesen worden. Dabei ist er persönlich äußerst liebenswürdig und von jugendlicher Elastizität. Wer unsern Herrn Blell einmal gesehen und gehört hat, der wird bald herausgefunden haben, daß er ein ganzer Mann ist, frei von jeder persönlichen Eitelkeit und Ruhmredigkeit, frei von Sonderinteressen, erfüllt lediglich von dem glühenden Wunsche, das Wohl des ganzen deutschen Volkes zu fördern. [] Die Konkurrenz des Großkapitals.<NZ>"Die Erhaltung eines existenzfähigen Mittelstandes in Stadt und Land gegenüber der Konkurrenz des Großkapitals muß ejne der ersten Aufgaben unserer Reichspolitik sein, so heißt es in dein Wahlaufruf der konservativen Partei. Diese Auffassung hat die freisinnige Partei von jeher vertreten. Mau könnte sich also nur freuen, wenn endlich auch die Konservativen zu dieser Einsicht gekommen wären und auch darnach handeln würden. Daß ihnen aber in Wirklichkeit an der Erhaltung eines existenzfähigen Mittelstandes in Stadt und Land gegenüber der Konkurrenz des Großkapitals nichts gelegen ist, geht daraus hervor, daß sie gerade in unserm Wahlkreise Grünberg-Freystadt einen Vertreter des Großkapitals, einen Großindustriellen aufgestellt haben. Darüber muß man sich umsomehr wundern, als wir gerade in unserm Wahlkreise noch breite Schichten des Mittelstandes haben und die Großindustrie noch nicht die Alleinherrscherin geworden ist wie in Oberschlesien und in Rheinland-Westfalen. Die Angehörigen des Mittelstandes, die Handwerker, die Kaufleute, die kleinen Fabrikanten müssen sich doch sagen, daß sie unmöglich einem Vertreter des Großkapitals bei der Wahl ihre Stimme geben können, denn das Großkapital ist der natürliche Gegner des Mittelstandes. Das sagt auch zum Beispiel der im September 1906 erschienene Jahresbericht der oberbayrischen Handwerkskammer, worin geklagt wird, daß die Lage des Handwerks auch im letzten Jahre keine besonders günstige war. Das Handwerk leide uuter den durch eine stetig wachsende Konkurrenz arg gedrückten Preisen für die fertigen Erzeugnisse und Arbeiten, sowie unter der Preisteigerung der Rohmaterialien. Letztere sei hauptsächlich hervorgerufen durch die immer mehr um sich greifende Syndizieruug der Fabrikanten, welche die Rohmaterialien und Halbfabrikate erzeugen. Diese künstlichen Preissteigerungen wirkten um so verbitternder auf das Handwerk, als den Zwangs-Innungen jede Preisfestsetzung durch die Gewerbeordnuug verboten ist, während doch die Syndikate die Preise ganz willkürlich hoch bemessen und ihre Mitglieder zwingen, nicht unter diesen Preisen an die Handwerker, kleinen Fabrikanten u.s.w. zu liefern. So lautet das Urteil einer Handwerkskammer. Und da muten dis Konservativen unserm Mittelstande zu, für einen solchen Vertreter der Großindustrie und des Großkapitals zustimmen! Handwerker und Kaufleute, seid auf der Hut! Laßt Euch nicht umgarnen von den Lockungen der Konservativen, die für den Mittelstand immer nur Versprechungen und Worte, aber keine Taten übrig haben; die alle Privilegien, die etwas einbringen, für sich behalten, und Euch nur mit dem Befähigungsnachweis beglücken wollen, den sie manchmal selbst am allernötigsten hätten. Wählt Carl Blell, der als Präsident der Handelskammer und als langjähriger Vorsitzender des Handwerkervereins seiner Heimatstadt sicher am besten die Interessen des Mittelstandes wahrzunehmen weiß. [] Die konservativen Großgrundbesitzer. [] Die konservativen Großgrundbesitzer spielen sich immer als die Freunde der Bauern auf. Wie weit es mit dieser Bauernfreundlichkeit aber in Wirklichkeit her ist, und wie der Großgrundbesitz zwar alle Rechte für sich in Anspruch nimmt, alle Lasten und Pflichten aber auf die Bauern, die Kleiugrundbesitzer, abwälzt, das zeigt eine Verwaltungsstreitsache aus dem Gebiete des sehr verzwickten Schlesischen Wasser- und Auenrechtes, die unlängst vor dem Grünberger Kreisausschusse entschieden wurde. Ein bescheidenes Flüßchen, "Die faule Obra", berührt die Kreise Freystadt, Grünberg und Bomst. Seit langen Jahren besteht nun ein heftiger Streit über die Pflicht zur Räumung dieses Flüßchens zwischen dem Rittergutsbesitzer Rittmeister a. D. und Amtsvorsteher Emmo Förster in Kontopp einer- und den Bauern anderseits, deren Grundstücke an jenem Gewässer liegen. Förster hat nun als Eigentümer des Rittergutes Kontopp von jeher die wesentlichsten Nutzungen dieses Wassers, nämlich die Fischerei und die Jagd. Die Fischerei hat er verpachtet, der Pachtzins gebührt ihm. Dennoch glaubt er, die Pflicht zur Räumung des Flüßchens ablehnen und auf die Anlieger abwälzen zu können. Das die Bauern einen auch nur irgendwie in Betracht kommenden Nutzen aus jenem Wässerchen nicht ziehen, kümmert den Herrn sehr wenig, ebensowenig der Umstand, daß er vor bereits 14 bis 15 Jahren in allen Instanzen bis zum Obewerwaltungsgericht zur Räumung des Flusses verurteilt worden ist, weil ihm die wesentlichen Nutzungen zustehen und ihm daher billigerweise auch die Lasten obliegen. Diese Verpflichtung konnte in jenem Verführen indes nur für das Weichbild von Auszug festgestellt werden. Und so erließ Herr Förster, da er selbst als persönlich Beteiligter nicht als Amtsvorsteher hier fungieren konnte, durch seinen Stellvertreter eine Polizeiverfügung, durch die verschiedene Besitzer in den Dörfern Mesche und Schwenk zur Räumung der in diesen Gebieten belegenen Strecken der "Faulen Obra" unter Strafandrohung aufgefordert wurden. Die so Belasteten klagten aber gegen die Verfügung beim Kreisausschuß zu Grünberg. Im Verfahren wurde festgestellt, daß die klagenden Anlieger absolut nichts von dem Wasser haben, Förster indes auch hier alle wesentlichen Nutzungen bezicht, insbesondere durch die bedeutende Fischerei, daß also die verlangte Räumung im ausschließlichen Interesse Försters liege. Der Kreisausschuß hob daher die Polizeiverfügung auf. Der Fall ist höchst bezeichnend für die Art, wie der Großgrundbesitz dem Kleinbauernstand alle Lasten aufzubürden sucht, die er von rechtswegen selbst tragen muß. Wenn das ganze Volk so mannhaft bei der Wahrung seiner Rechtsansprüche im großen aufträte, wie hier im kleinen die Bauern von Wesche und Schwenten, so wäre das Agrariertum weniger erfolgreich bei seiner egoistischen Politik. [] Von etwa vorkommenden [] Wahlbeeinflussungen [] ist sofort dem freisinnigen Wahlbureau in [] Grünberg, Poftplatz 2, [] Mitteilung zu machen, wo Parteifreunde bereitwilligst auch alle Auskunft in Wahlangelegenheiten erhalten. [] Mißstände in der Kolonialverwaltung [] hat die Freisinnige Partei stets bekämpft und allen falschen Maßnahmen auf konialem Gebiete ist sie energisch entgegengetreten. Sie erachtet es aber als ihre Pflicht, ihre Mitwirkung zur Wiedererstellung der Ordnung nicht zu versagen. Wir können und wollen unsere Truppen, die unter harten Strapazen und Entbehrungen einen zähen Kampf gegen, einen grausamen Feind kämpfen, [] nicht der Not und dem Hunger preisgeben. [] Wie man auch zur Kolonialpolitik und den großen Opfern, die sie erfordert, stehen mag, darüber kann bei einem deutschen Manne kein Zweifel hestehen: [] Unsere blauen Jungen in Afrika lassen wir nicht im Stich! [] Der Kampf muß durchgeführt werden, bis der Aufstand völlig niedergeworfen ist. [] Mit vollen Nachdruck aber hat die freisinnige Partei gefordert, daß entsprechend der fortschreitenden Beruhigung des Schutzgebietes die Heimsendung von Truppen erfolgt und das; alle entbehrlichen Mannschaften so rasch wie möglich nach der Heimat zurückbefördert werden. Diese Anschauung hat der Antrag der Freisinnigen Volkspartei (Antrag Ablaß) klar und bestimmt zum Ausdruck gebracht und der Antrag hat die Zustimmung, der Reichsregierung und aller anderen Parteien des Reichstages mit Ausnahme des Zentrums, der Sozialdemokraten und der Polen gefunden. [] Wertspruch für die Reichstagswahlen: [] Wähle wie Du wenn Du steuerst, Wünschen wirst gewählt zu haben. [] Die Sozialdemokratie [] Die Sozialdemokratie ist keine deutschek, keine nationale, sondern eine internationale Partei. Sie will auch gar seine nationale Partei sein und sagt das ausdrücklich in ihrem Programm. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands fühlt und der Sozialdemokratie aller Länder. Daher kommt es, daß die sozialdemokratie auch sich gerne bei internationalen Verwicklungen auf die Seite unserer Gegner stellt oder sie durch passives Verhalten indirekt unterstützt. So steht sie, in Bezug auf den Krieg 1870/71 auf der Seite Frankreichs, indem sie die Schuld an diesem Kriege dem Fürsten Bismarck zuschiebt, obgleich der französische Generalstab selbst in seiner Geschichte dieses Krieges zugesteht, daß Kaier Napoleon schon jahrelang vorher den Krieg gegen Deutschland geplant und ein Bündnis mit Oesterreich und Italien verabredet hatte, in dem Chinakriege stellte sich die Sozialdcmokratie auf Seiten Chinas und der Boxer und beschimpfte unsere Truppen durch gefälschte Soldatenbriefe, in welchen unseren deutschen Truppen Schand- und Greueltaten aller Art nachgesagt wurden. Und jetzt wiederum unterstützten sie die Hottentotten und Kaffern gegen unsere braven deutschen Soldaten in Südwestafrika, indem sie die Mittel zu deren Verpflegung und Verköstigung der Regierung versagten. Wer ist es denn, der da unten in Südwestafrika gegen die Hereros kämpft? Es sind doch auch größtenteils Angehörige derjenigen Stände, welche die Sozialdemokratie zu vertreten vorgibt Es sind Arbeiter, Söhne von Arbeitern und Handwerkern, von kleinen Landwirten und deinen Beamten, die dort unten freiwillig kämpfen für die Ehre unseres Vaterlandes, und denen die Sozialdemokratie die notwendigsten Mittel versagt, lediglich, weil sie den bunten Rock tragen. Ist das nicht eine Soldatenmißhandlung schlimmster Art, welcher sich die Sozialdemokratie dadurch schuldig macht? [] Die Freisinnigen bekämpfen die Sozialdemokratie, [] weil sie ebenso wie die Konservativen einseitige Klasseninteressen vertritt, weil sie durch ihre Agitation und ihren Terrorismus den politischen uud wirtschaftlichen Frieden stört, weil sie die Beseitigung der heutigen Staats- und Wirtschaftsordnung erstrebt und der Erreichung dieses parteipolitischen Endzieles rücksichtslos alle anderen Interessen zum Opfer bringt und sich nicht scheuen würde, um eines Phantastischen Zukunftstraumes willen die schwerste wirtschaftliche Katastrophe heraufzubeschwören, durch welche auch die von den Arbeitern mühsam errungenen Erfolge mit einem<NZ>Schlage vernichtet würden. Eine solche Politik müssen die Freisinnigen bekämpfen gerade im Interesse der Arbeiterschaft. Der Arbeiterschaft kann man nur nützen, wenn man auf dem Boden der heutigen bestehenden Gesellschaftsordnung praktisch für die Verbesserung der Verhältnisse arbeitet. Die Freisinnigen wollen jede Erbitterung der arbeitenden Klassen vermeiden, indem sie ganz besonders auch den Arbeitern gegenüber strenge Gerechtigkeit, Anerkennung ihrer politischen Gleichberechtigunng, Prüfung und Förderung aller auf Besserung ihrer Lage gerichteten Bestrebungen verlangen. [] Eine absichtliche Täuschung. [] Eine absichtliche Täuschung der Wählerschaft unseres Wahlkreises Grünberg-Freystadt versuchen die Sozialdemokraten in ihrem ersten Flugblatte. In ellenlangen Ausführungen schimpfen sie auf unsere Kolonialpolitik, wobei sie dann so nebenher am Schlusse einstießen lassen, der Freisinn hätte ebenfalls erst gegen die Kolonialpolitik gedonnert, sei aber hernach umgefallen und habe alles bewilligt. Das ist natürlich reiner Unsinn und bedeutet nichts anderes als eine Spekulation der Sozialdemokratie auf die Unwissenheit der Wählerschaft. Es ist eine Beleidigung der Wähler, wenn man ihnen solche handgreifliche Unwahrheiten vorsetzt. Unser Volk liest heute auch seine Zeitung und weiß ganz genau, was im Reichstag vorgeht. Es weiß, daß die freisinnige Partei stets ein Gegner unserer bisherigen schlechten Kolonialolitik war und daß sie alle Forderungen der Regierung für unsere Kolonien abgelehnt hat. Lediglich die Eisenbahn von Kubub bis Ketmanshop, sowie den Nachtragsetat für Südwestafrika hat sie bewilligt, weil sie unsere brauen Freiwilligen, die dort unten für das Vaterland ihr Leben in die Schanze schlagen, nicht im Stiche lassen wollte. Wenn aber die Regierung in Zukunft eine vernünftige Kolonialpolitik treiben will, welche dem Volke nicht nur ungeheure Lasten aufbürdet, sondern ihm auch entsprechende Vorteile bietet, dann werden wir auch die Regierung unterstützen. Denn die Freisinnigen nehmen das Gute, wo sie es finden, ohne Rücksicht darauf, woher es kommt. - Ganz vergessen haben die Sozialdemokraten, in ihrem Flugblatte auch zu sagen, was sie denn in Zukunft für das Volk tun wollen, was sie für die Hebung des Arbeiterstandes zu tun beabsichtigen. Die Konservativen werden ganz zärtlich behandelt, als seien sie die aufrichtigsten Freunde der Arbeiter. Mit nur 5 nichtssagenden Zeilen wendet sich das sozialdemokratische Flugblatt gegen die Reaktion, Da werden wohl wir Freisinnigeit in Zukunft ganz allein die berechtigten Forsderungen der Arbeiterschaft vertreten müsse. Uns soll es recht sein. Arbeiter! helft uns beim Ausbau der politischen Freiheit, bei der Wahrung Eurer Rechte und bei der Verbesserung Eurer wirtschaftlichen Lage auf Grund der bestehenden Gesellschaftsordnung! Wählt Blell! [] Lehrreiche Zahlen. [] Seit den allgemeinen Wahlen im Jahre 1903 hat die sozialdemokratische Partei große Verluste erlitten. Der Taumel von 1903 ist allmählich der gesunden Vernunft gewichen. Tausende von Wählern, die, ohne Sozialisten zu sein, im Jahre 1903 für die Sozialdemokratie Stimmzettel abgaben, haben jetzt eingesehen, daß die Partei des Klassenkampfes doch nicht die rechte Partei für wirkliche Volksfreunde ist. Der Ausspruch des Sozialistenführers Bebel auf dem Dresdener Parteitag 1903, wo er erklärte, er sei ein Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft und er werde alles tun, um sie zu untergraben, hat doch manchen Wähler über das wahre Wesen der Sozialdemokratie die Augen geöffnet. [] Es verloren die Sozialdemokraten bei der Reichstagsersatzwahl in Frankfurt a. O. zirka 1400 Stimmen, [] Mittweida 3200, [] Reichenbach 3300, [] Kattowitz, 5200, [] Lüneburg 1400, [] Osnabrück 1400, [] Zschopau-Marienberg 3300, [] Hameln 1500, [] Altenburg 1300, [] Aschersleben 1200, [] Jerichow 1400, [] Chemnitz 2600, [] Kirchberg-Auerbach 1400, [] Straßburg (Land) 1500, [] Beuthen-Tarnowitz 8500 [] und so weiter [] Wähler in Grünberg-Freystadt, [] die Ihr die Freiheit wollt, aber zugleich die Orduung in eine auf freiheitlicher Grundlage aufgebauten Staatswesen; die Ihr nicht Feinde des Privateigentums seid, wie die Sozialdemokraten, sorgt dafür, daß auch bei der Wahl am 25. Januar die Sozialdemokraten einen entsprechenden Stimmen-Rückgang erleiden. Wählt den Kandidaten der Freisinnigen: [] Carl Blell. [] Das Wahlbureau [] der freisinnigen Partei für den Reichstagswahlkreis Grünberg-Freystadt befindet sich in Grünberg, Postplatz 2 (neben dem Kaiserlichen Postamte). Es ist während der Wahlzeit täglich Vormittags und Nachmittags geöffnet. [] Zuschriften [] an das freisinnige Wahlbureau adressiere man an das freisinnig Wahlbureau in Grünberg, Postplatz 2. [] Flugblätter und Stimmzettel [] sind stets in beliebiger Anlzahl gratis und franko vom freisinnigen Wahlbureau zu beziehen. Wer solche zu erhalten wünscht zum Selbstgebrauch und zum Verteilen an Freunde und Bekannte, der braucht nur seine Adresse dem freisinnigen Wahlburean mitzuteilen. [] Mitarbeiter und Helfer [] bei der Wahlagitation sind uns jederzeit willkommen. Wir bitten alle unsere Freunde und Parteigenossen im Kreise, auch persönlich für unsere schönen Ideale, für unsere großen Ziele, für Volkswohl, Recht und Freiheit tätig zu sein. Kleine Opfer an Zeit und Geld, persönliche und sonstige Unannehmlichkeiten, Anstrengungen und Mißhelligkeiten dürfen wir nicht scheuen, wenn wir wieder den Sieg erringen wollen: den Sieg über die Reaktion, über das Junkertum und den Sieg über die Revolution. Seien wir immer eingedenk des schönen Wortes unseres Volksdichters Uhland: [] Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst, Er trägt nicht Gold, er trägt nicht Fürstengunst. Er bringt Verbannung, Hunger, Schmach und Tod, Und doch ist dieser Dienst der höchste Dienst! [] Die Schulden des Deutschen Reiches machen gegenwärtig die nette Summe von 3 803 Millionen Mark. Bis zum Jahre 1876 war das deutsche Reich ohne schulden. Bim Tode des alten Kaiser Wilhelm I. im Jahre 1888 hatten wir erst 720 Millionen Mark Schulden; im Jahre 1890: 1240 [] - 1895: 2201 [] - 1900: 2418 [] - 1906: 3803. [] Dieses reißende Anschwellen der Reichsschulden verdanken wir lediglich dem großen Aufwande für Militär- und Marinezwecke. Wie nötig da eine sparsamere Wirtschaft ist, leuchtet doch jedem ein. Die Freisinnige Partei ist daher im Reichstage stets dafür gewesen, daß alle Forderungen der Regierung für Heer und Marine auf das allernotwendigste Maß beschränkt werden. Aber die Konservntiven haben immer alles bewilligt. Sie bewilligen ja so gern, nur das Bezahlen überlassen sie stets anderen. Es ist gar nicht abzusehen, in welche heillose Schuldenwirtschaft wir hineingeraten, wenn die Konservativen abermals so zahlreich wie bisher in den Reichstag kommen. Im Kreise Grünberg-Freystadt allerdings werden die Wähler sicher wieder einen Freisinnigen in den Reichstag schicken, welcher dem Forderungseifer der Regierung und dem Gewilligungseifer der Konservativen einen kleinen Dämpfer aufsetzt. [] Die Konservativen und der mit ihnen verwandte Bund der Landwirte, die sich immer als die einzig zuverlässigen Stützen des bedrängten Mittelstandes aufspielen, tragen in Wirklichkeit durch die fortgesetzte Erweiterung ibrer kaufmännischeu Nebenbetriebe selber am meisten zur Ausschaltung des Mittelstandes bei. In einer Generalversammlung der Zentrale Hannover der Mittelstandsvereinigung, die zu der Frage der Kandidatenaufstellung im Wahlkreise Hameln Stellung nahm, wurde von dem Handelskammersyndikus Dr. Rocke auf Grund genauer Kenntnis der Stimmung der Wählerkreise darauf hingewiesen, daß die Sympathien für den Bund der Landwirte auch in den ländlichen Bezirken des Wahlkreises nicht groß seien. Das genossenschaftliche Wirken des Bundes, der wie die Warenhäuser mit den verschiedensten Sachen, Maschinen, Werkzeugen, Futtermitteln u.s.w., handle und dem selbständigen Gewerbe schwere Konkurrenz mache, habe doch auch viele Handwerker und Kaufleute auf dem Lande verschnupft. Man frage einmal die Schlächter, die ihre Pappenheimer kennten und sich hüteten, Agrarier zu wählen. Neuerdings werden in Würzburg, Regensburg und München solche Lagerhäuser errichtet, aus denen die Landwirte mit allen möglichen Artikeln versorgt werden sollen. Hierdurch werden vor allem die Getreide-, Samen-, Kohlen-, Maschinen-, Baumaterialien- und andere Geschäfte lahmgelegt werden. Die Lagerhäuser liefern zwar nicht besser und billiger, ja öfter sogar noch teurer als die Händler, aber sie haben billige Zutreiber und Agitatoren, welche ihre Geschäfte besorgen, und die Gewerbetreibenden haben nicht den Mut, geschlossen diesen ihre Existenz bedrohenden ruinierenden Treiben entgegenzutieten. - Das sind nette Mittelstandsfreunde! [] Drei Fragen. [] Warum haben wir in Preußen immer noch das "elendeste aller Wahlsysteme" für den preußischen Landtag? [] Warum haben wir in Preußen immer noch dreierlei Klassen von Staatsbürgern? [] Warum gilt in Preußen der Arbeiter, der Bürger, der Bauer immer noch weniger als der Edelmann? [] Verantwortlicher Redakteur: Adolf Hager, Grünberg. Druck und Verlag von W. Levnsohn. Grünberg.
Published:25.01.1907