Offener Brief an Dr. Schumacher

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; vgl. Signatur 6/FLBL003044, Flugblatt gleichen Inhalts aber mit anderem Format Offener Brief an Dr. Schumacher [] von Max Fechner [] Werter Genosse Dr. Schumacher [] Als 1933 der Vorstand unserer Partei in die Emigration ging, wurde ein Zentr...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Fechner, Max
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 03.1946 - 18.04.1946
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/529E0455-EA97-4102-A3FB-B5C357BAE029
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; vgl. Signatur 6/FLBL003044, Flugblatt gleichen Inhalts aber mit anderem Format Offener Brief an Dr. Schumacher [] von Max Fechner [] Werter Genosse Dr. Schumacher [] Als 1933 der Vorstand unserer Partei in die Emigration ging, wurde ein Zentraler Ausschuss vom Parteivorstand mit der Aufgabe betraut, die illegale Arbeit der Partei wetterzuführen. Die Ueberlebenden dieses Ausschusses haben sich aus den Reihen ihrer illegalen Mitkämpfer aus dem ganzen Reich ergänzt und wurden als Zentralausschuß der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands von den Besatzungsmächten anerkannt. Der Zentralausschuß wurde durch die erste große Funktionär-Konferenz in Anwesenheit von 300 Vertretern aus der westlichen Zone bestätigt. [] Ich schicke diese Tatsache als Erklärung dafür voraus, daß ich Ihnen diesen Brief schreibe. Als Beauftragter des letzten Parteivorstandes fühle ich mich verpflichtet, mich in der entscheidenden Stunde der Arbeiterbewegung noch einmal an Sie zu wenden. [] Ich hege nicht die Hoffnung, Sie mit diesen Zeilen in der Frage umzustimmen, die uns alle bewegt, wenngleich es auch mein Wunsch wäre, daß auch Sie sich noch positiv entscheiden würden, wie es ungezählte Männer und Frauen tun, die zuerst zweifelten, dann prüften, wägten und schließlich sich der Bewegung anschlossen, die heute die deutsche Arbeiterklasse mit so unaufhaltsamer Wucht erfaßt hat. [] Welche Gründe, so frage ich mich, bestimmen Sie wohl, sich dieser politischen Willensäußerung von Millionen Werktätigen entgegenzustellen? [] Ich will mir die Beantwortung der Frage nicht leicht machen, und sie etwa dadurch beantworten, daß Sie kurzsichtig die Reaktion unterschätzen. Das will ich von einem Genossen, dazu noch von einem führenden Funktionär, nicht annehmen. Doch muß ich leider feststellen, daß die Auswirkung Ihrer politischen Einstellung zur Einheitsfrage mehr den Gegnern eines fortschrittlichen Deutschlands dient als der deutschen Arbeiterklasse. [] Die Vereinigung beider Arbeiterparteien in einer großen sozialistischen Partei ist von so weitreichender Bedeutung, von so tiefgehender politischer Wirkung für die deutsche Arbeiterbewegung und von so umfassender nationaler Gewichtigkeit, daß ich es sehr wohl verstehe, wenn man als alter Sozialdemokrat sich lange besinnt und wägt, bevor man sich dafür entscheidet. Und nichts ist törichter, als eine so lebenswichtige Frage in der Atmosphäre der Leidenschaften und Gefühle, oder auch im Töne der gehässigen Unduldsamkeit zu erörtern oder sogar ihre positive Beantwortung kommandieren zu wollen. Nichts liegt uns ferner als das! [] Ich weiß es aus ungezählten Gesprächen mit alten und jungen Genossen, welche inneren Kämpfe viele von ihnen auszutragen hatten, bevor sie "Ja" sagten, und ich weiß, daß in Millionen deutscher Arbeiter über alle Zonen diese eine große Frage brennt und von jedem in eigener Entscheidung beantwortet werden muß, der sich der Sache der Arbeiterklasse und des Sozialismus gegenüber verantwortlich fühlt. Ueber alle Zonengrenzen hinweg geht diese Frage, sie geht nicht nur den Arbeiter im Berliner Betrieb oder im sächsischen oder thüringischen Industriegebiet an, nein, auch vor dem Arbeiter auf der Hamburger Werft, vor dem Werktätigen im Bayerischen Wald und vor dem Arbeiter an Rhein und Ruhr steht diese Frage und verlangt eigene Entscheidung. Denn es ist eine nationale Frage, es ist die erste große politische Willensäußerung unseres zur politischen Freiheit und zur demokratischen Selbstbestimmung erwachenden Volkes. [] Und hier trennen wir uns, hier liegt die erste Antwort auf meine Frage, was Sie veranlaßt haben kann, sich so abseits zu stellen. [] Sie denken in Zonengrenzen, meine politischen Freunde und ich sehen Deutschland [] Wir haben vom ersten Tage unserer Arbeit die Zoneneinteilung nur als eine vorübergehende technische Verwaltungsmaßnahme der Besatzungsmächte gewertet, und wir sind in allen unseren Ueberlegungen von der Einheit Deutschlands ausgegangen. Es war unser ehrlicher Wille, alles zu tun, um den Organisationsaufbau unserer Partei im Reichsausmaß mitaufrichten zu helfen, und wir haben es als Sozialisten für selbstverständlich gehalten, daß nach Zulassung der Parteien unsere Partei trotz der Zonengrenzen einheitlich und planmäßig unter reichseinheitlicher Abstimmung geschaffen werden mußte, wie es die KPD trotz der Zonengrenzen getan hat. [] Sie erinnern sich, daß im Oktober 1945 Genosse Grotewohl und ich vom Zentralausschuß zur ersten Parteikonferenz der SPD der westlichen Zonen nach Wenningen [!] delegiert wurden. Wenn es uns auch nicht erlaubt wurde, an der Konferenz offiziell teilzunehmen, so haben wir doch damals vereinbart, die Parteiarbeit im Westen und Osten aufeinander abzustimmen und in ständiger Verbindung zu bleiben. Von Ihren Bemühungen, diese Vereinbarung im Interesse der Partei innezuhalten, habe ich leider nichts gehört. Es wurde deshalb im Dezember 1945 der Genosse Gniffke nach Hannover delegiert, um die Versuche zur Herstellung einer gemeinsamen Parteiarbeit zu erneuern. Die Tatsache, daß Sie unseren Vertreter zunächst stundenlang warten ließen und schließlich durch Ihr Fortgehen eine Besprechung verhinderten, mußte er als ein Zeichen dafür deuten, daß Ihnen an einer Zusammenarbeit mit uns wenig lag und die Abstimmung der Parteiarbeit über die Zonen hinweg Ihnen nicht wichtig oder nicht wünschenswert erschien. Am 8. 2. 1946 fand dann, wieder auf unsere Anregung hin, in Braunschweig eine Besprechung von zwei Delegierten des ZA mit Ihnen statt. Auch dieses Mal versperrten Sie sich unserem Vorschlage, die Partei so weit im Reichsausmaß einheitlich zu organisieren, wie es trotz der Zonen technisch überhaupt nur möglich ist; Sie lehnten ebenfalls unseren Plan ab, auf einem Reichsparteitag oder einer Reichskonferenz als der höchsten Instanz unserer Partei die Vereinigung zu besprechen und zu [] entscheiden. [] Als Sie dann Mitte Februar nach Berlin kamen, geschah es leider nicht, um unsere über viele Monate mit so enttäuschendem Mißerfolg unternommenen Bemühungen der engeren Fühlungnahme von Ihrer Seite endlich zu unterstützen, [] sondern Sie kamen mit der Absicht, um den unseligen trennenden Zonenstandpunkt nun auch noch auf die vier Sektoren in Berlin zu übertragen. Sie haben mit dieser Forderung Ihrer Sache schwer geschadet. [] Denn wir Sozialisten kennen keine Sozialdemokratische Partei der amerikanischen, britischen, französischen oder russischen Zone, sondern nur eine Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Und ebenso kennen die Berliner Genossen keine in den vier Sektoren ein politisches Sonderdasein lebende Partei, sondern nur den Berliner Bezirksverband der SPD. [] Wenn Sie sich nicht so verbissen hinter Ihren Zonenstandpunkt verschanzt hätten, dann wäre es möglich gewesen, die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien auf einem Reichsparteitag gemeinsam zu beraten, wie wir es der Einheit unserer Partei, aber auch der Einheit Deutschlands wegen für unerläßlich gehalten haben. Ich lege auf diese Feststellung besonderen Wert, da sich aus ihr eindeutig die Tatsache ergibt, daß Sie allein die Verantwortung dafür tragen, daß der von allen Mitgliedern geforderte Parteitag nicht durchgeführt werden kann. Wir haben in allen unseren Verlautbarungen zur Einheitsfrage stets den Parteitag als die allein darüber zu entscheidende Instanz gefordert und seine Durchführung als selbstverständlich vorausgesetzt. Daß aber die Zonenaufteilung Deutschlands sich so trennend zwischen die deutschen Sozialdemokraten legen könnte, daß selbst ein führender Funktionär wie Sie die Einheit unserer Partei [] einem verhängnisvollen Parteipartikularismus [] opfern würde, das allerdings habe ich nie für möglich gehalten. [] Sie arbeiten mit der für unser Volk sich so nachträglich auswirkenden Zonenaufteilung als mit einer feststehenden politischen Größe und Sie lehnen alle Versuche ab, um die selbst von den Siegermächten garantierte Einheit Deutschlands von uns aus im Rahmen des Möglichen wieder Wirklichkeit werden zu lassen. [] Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands liegt nicht in unserer Macht, das wissen Sie so gut wie ich. Und wann sie einmal erfolgen wird, wissen wir beide nicht. Aber das eine weiß ich, daß unter den obwaltenden Machtverhältnissen in Deutschland nur eine Kraft die Reichseinheit vor dem Auseinanderfallen bewahren kann, und das ist die über alle Zonengrenzen sich erstreckende [] Millionenpartei der sozialistischen Einheitsbewegung [] Diese politische Kraft aber können wir selbst schaffen, und sie wird, von einheitlichem Willen gelenkt, in allen Teilen Deutschlands die einzige wirkungsvolle Kraft sein gegen Partikularismus und beschämende Sonderbündlerei. [] Sie aber leisten mit Ihrem engherzige n Zonenstandpunkt der Gefahr Vorschub, daß Deutschland sich bei der angekündigten, jahrelangen Aufrechterhaltung der Zonengrenzen auseinanderlebt und damit das kostbarste Gut verliert, das ihm geblieben ist, nämlich seine nationale Einheit. [] Ich muß annehmen, daß Sie mit Ihrer Forderung, "erst Reichseinheit, dann Reichsparteitag", die Schaffung der Einheitspartei im Reichsausmaß nur hinauszuzögern versuchen, denn ich will es nicht glauben, daß Ihnen als einem verantwortlichen deutschen Politiker die wirtschaftliche und politische Einheit Deutschlands nicht ebenso am Herzen liegt wie uns. Daß Sie aber aus taktischen Gründen die an sich schon bestehende Gefahr für die Einheit Deutschlands erhöhen, ist mir völlig unverständlich. [] Wenn Sie Ihrer Sache so sicher wären, wenn Sie selbst daran glaubten, daß die Mehrzahl der Mitglieder unserer Partei nicht die Vereinigung will, [] warum haben Sie dann nicht einem Reichsparteitag zugestimmt? [] Da Sie doch angeblich frei und ohne jeden Druck politisch arbeiten können, wäre es Ihnen doch ein leichtes, aus zwei Dritteln des Reiches Delegierte zum Parteitag zu entsenden, die wesentlich, wenn nicht sogar entscheidend die Beantwortung der Frage der Vereinigung beeinflussen könnten. Warum, so frage ich Sie, verbieten Sie dagegen den Funktionären des Westens die Teilnahme am Parteitag als Delegierte? [] Warum, frage ich Sie, benutzen Sie ein so undemokratisches Mittel und bedrohen die Funktionäre mit Parteiausschluß, die als Gegner oder Befürworter der Vereinigung nach Berlin kommen wollen? Warum unterbinden Sie mit so drakonischen Methoden die freie Meinungsäußerung in der Mitgliedschaft unserer Partei im Westen, von der ich weiß, daß sie mit heißem Herzen die Entwicklung der Einheitsfrage verfolgt und selbstverständlich an dieser Entscheidung beteiligt sein will, ganz gleich, ob befürwortend oder verneinend. Unsere Genossen im Westen werden aber durch Ihren partei-partikularistischen Zonenstandpunkt und durch die undemokratischen Mittel, mit denen Sie die Mitglieder in die Zonengrenzen sperren, daran gehindert, zu der lebenswichtigsten Frage der deutschen Arbeiterbewegung durch ihre freigewählten Delegierten Stellung zu nehmen. [] Ich kann in allen Ihren Handlungen beim besten Willen nicht die Haltung des Mannes erkennen, der seiner Sache so sicher ist, wie Sie es vorgeben. Vielmehr sehe ich hinter den Taktiken und fragwürdigen Methoden die Befürchtung des Politikers, der genau spürt, dar er für eine verlorene Sache kämpft. [] Wie klein erscheint angesichts des Einheitswillens Ihr Argument, wir müßten erst wählen, dann vereinigen. Sie wissen genau wie ich, daß die SPD immer die stärkste Arbeiterpartei war und sicherlich auch heute ist. Sie wissen aber auch, daß die zahlenmäßige Stärke der Parteien Schwankungen unterliegt, Wir hatten z. B. 1919 167 Abgeordnete, die KPD 0 Abgeordnete, 1932 die SPD 121 Abgeordnete, die KPD 100 Abgeordnete. Warum wollen Sie die ohnehin schon feststehende Tatsache noch durch eine Wahl bestätigen lassen? Kommt es heute noch darauf an? Glauben Sie wirklich, durch eine Wahl der Sache der Einheit zu dienen? Das genaue Gegenteil ist der Fall, und Sie haben es im Interview im "Berliner" vom 26. 2. 46 klar ausgesprochen, als Sie sagten, daß "nach einer Wahl das ganze Theoretisieren und Manövrieren unnötig wäre, da die Antwort wahrscheinlich eindeutig für eine große selbständige SPD gegeben würde". [] Als ich das las, wußte ich, was ich bisher nicht glauben wollte, daß nämlich Ihre sonstigen Bekenntnisse für die Einheit der Arbeiterklasse nur Lippenbekenntnisse waren. Sie wollen die in einer Wahl sich zeigende Ueberlegenheit der SPD nur als Waffe gegen die Vereinigung benutzen! [] Ich halte es für meine Pflicht, die Genossen gegen diesen schweren Vorwurf zu schützen, die heute noch in der Opposition stehen, aber nicht, weil sie, wie Sie es tun, die Vereinigung grundsätzlich ablehnen, sondern weil sie Tempo und Form kritisieren. [] Das muß ich zur Ehrenrettung besonders des Teiles der Berliner Genossen sagen, [] der heute noch glaubt, sich gegen die Vereinigung aussprechen zu müssen. [] Sie irren sich, wenn Sie glauben, daß diese in den bestimmten Berliner Tageszeitungen so hofierten Genossen grundsätzliche Gegner der Einheit seien. Sie wollen alle die Einigkeit in der Arbeiterklasse. Und ich zweifle nicht einen Augenblick daran, daß sich der größte Teil dieser Opposition zur Einheitspartei bekennen wird, selbst wenn man über die angeblich undemokratische und übereilte Verfahrensweise verstimmt ist. [] Ich kann es mir nicht denken, daß dieser Teil unserer Genossen bei seiner grundsätzlichen Zustimmung sich nur aus mehr technisch-formalen Gründen so den Weg zur Einheit verbaut, daß er abseits stehenbleibt und neben dem neuen Lebensstrom der deutschen Arbeiterklasse verärgert und verbittert in Klübchen und Sekten vertrocknet. [] Ich erlaube mir, Ihnen die Folgen aufzuzeigen, die sich nach meiner Auffassung aus Ihrem ablehnenden Standpunkt für [] die zukünftige Innenentwicklung in Deutschland [] ergeben müssen: Die SPD würde aus einer Wahl sicherlich nicht so stark hervorgehen, daß sie die absolute Mehrheit besitzen würde. Wir hatten, wenn ich mich nicht irre, 1918 in der Nationalversammlung 37 Prozent aller abgegebenen Stimmen. Also müßte die SPD eine Koalitionsregierung mit bürgerlichen Parteien eingehen. Die KPD würde sicherlich dadurch abermals in die Opposition gedrängt, und das alte Spiel von 1918-1933 hebt von neuem an. [] Die SPD wäre wie 1918 mit der Verantwortung des Aufbaues belastet, und sie könnte durch ihre Bindung an bürgerliche Parteien nicht grundsätzliche sozialistische Politik betreiben, sondern wäre zu Kompromissen gezwungen. Links von ihr aber stünde eine revolutionäre Arbeiterpartei in angreifender Oppostion [!]. Der Bruderkampf der Arbeiterparteien würde sich vertiefen. Sieger aber in der zweiten deutschen Demokratie wäre weder die SPD, noch die KPD, noch der von beiden Parteien erstrebte Sozialismus. [] Sieger wäre die Reaktion! [] Daran besteht kein Zweifel. Wer die Möglichkeit dieser Entwicklung nicht sieht, hat aus der Vergangenheit nichts, aber auch gar nichts gelernt. [] Sie reden sehr viel von der Demokratie, wir haben in gemeinsamer Arbeit mit den Genossen von der KPD für ihre Sicherung gearbeitet. Wir haben die in "den Grundsätzen und Zielen" der SEP aufgeführten ersten Gegenwartsforderungen zum großen Teil durchgeführt. Wir haben die Ueberreste des Hitler-Regimes in Gesetzgebung und Verwaltung beseitigt. [] Wir sind dabei, die kapitalistischen Monopole zu beseitigen und die Unternehmungen der Kriegsschuldigen und Kriegsinteressenten in die Hände der Selbstverwaltung zu geben. [] Wir haben durch die demokratische Bodenreform die Großgrundbesitzer entmachtet und die reaktionären Militärkreise damit empfindlich getroffen. [] Wir haben eine demokratische Selbstverwaltung geschaffen, in der neben bewährten alten Beamten befähigte Werktätige als Beamte der Selbstverwaltungsorgane, als Lehrer, als Volksrichter, als Betriebsleiter tätig sind. [] Wir sind dabei, eine großzügige Schulreform durchzuführen, die von der Absicht geleitet wird, der unverbrauchten Intelligenz der Werktätigen den Weg zu den höchsten Bildungsstätten unseres Volkes zu ebnen. [] Dagegen scheint mir die Sache der Demokratie in Ihrem politischen Wirkungsbereich auf bedenklich schwächeren Füßen zu stehen. Denn während Sie über Demokratie reden, statt aus der Erfahrung von 1918-1933 [] die wirklichen Sicherungen für sie zu schaffen, [] schlüpfen durch die Hintertür all die Reaktionäre, denen der Boden bei uns zu heiß geworden ist: Diese Herren wittern, daß die von Ihnen so gepriesene "Freiheit der Persönlichkeit" sich ungehemmt und profitbringend entfalten kann. [] Auf diese wieder erstarkende Reaktion erlaube ich mir, Ihre Aufmerksamkeit zu lenken. Sie ist Ihnen sicherlich deshalb entgangen, weil Ihr Blick in Erwartung eines vermeintlichen Gegners zu einseitig östlich gerichtet ist. [] Wenn Sie in der westlichen Zone nur annähernd soviel für die tatsächliche Zusammenarbeit geleistet hätten, wie wir es kameradschaftlich in beiden Arbeiterparteien getan haben, dann brauchten wir uns nicht so um die innenpolitische Entwicklung in Deutschland zu sorgen, wie es angesichts der tatsächlichen Verhältnisse leider der Fall ist. [] Ich erspare es mir, auf die zweitrangigen Argumente näher einzugehen, die Sie gegen die Vereinigung anführen. Besonders die dem kriegerischen Arsenal entnommenen Begriffe, wie "Auffressen", "Blutspender", "Eroberung" usw. entstammen einer feindlichen Grundeinstellung zu einer Arbeiterpartei. [] Ich würde es dagegen für richtiger halten, wenn Sie Ihre politische Erfahrung und Ihr Können gleichsam als Mitgift unserer Partei bei der Bildung der neuen Partei in die Waagschale werfen würden. [] Damit wäre der Sache der Arbeiterklasse mehr gedient! [] Ob ich die Lehren aus der Vergangenheit ziehe, ob ich die nach Hilfe und nach geschlossenem Einsatz aller Kräfte stets verlangende Not der Gegenwart sehe, oder ob ich in die Zukunft unseres Volkes blicke: Es gibt für mich nur eine Antwort, nur eine politische Entscheidung: [] Und das ist die Schaffung einer sozialistischen Millionenbewegung, zusammengeschlossen in einer einigen deutschen Partei aller Schaffenden. [] Wir stehen vor einer entscheidenden Phase in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. [] Die kommenden Generationen werden darüber entscheiden, wer sich in der deutschen Arbeiterbewegung in ihrer großen Stunde schuldig gemacht hat. Ich aber bin dessen gewiß, daß wir es nicht sein werden, über die die Geschichte richten wird. [] Mit sozialistischem Gruß! [] Max Fechner
Published:03.1946 - 18.04.1946