An alle Freunde und Förderer von Kunst, Wissenschaft und Volksbildung in der Universitätsstadt Göttingen!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Lochung FELIX KRAFT [] VORSITZENDER DER SOZIALDEMOKRATISCHEN FRAKTION DES RATES DER STADT GÖTTINGEN [] VORSITZENDER DES KULTUR- UND THEATERAUSSCHUSSES DES RATES DER STADT GÖTTINGEN [] GÖTTINGEN, 24. November 1948. [] An alle Freunde und Förd...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Kraft, Felix
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 24.11.1948 - 28.11.1948
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/D4926E94-AD4B-4582-88B6-37AA53418388
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Lochung FELIX KRAFT [] VORSITZENDER DER SOZIALDEMOKRATISCHEN FRAKTION DES RATES DER STADT GÖTTINGEN [] VORSITZENDER DES KULTUR- UND THEATERAUSSCHUSSES DES RATES DER STADT GÖTTINGEN [] GÖTTINGEN, 24. November 1948. [] An alle Freunde und Förderer von Kunst, Wissenschaft und Volksbildung in der Universitätsstadt Göttingen! [] Hochgeehrte Damen und Herren! [] Wenn ich mich heute an Sie wende und um Ihre Aufmerksamkeit bitte, habe ich die Absicht, Sie über die kulturpolitische Tätigkeit des Rates der Stadt Göttingen zu unterrichten. Wir befinden uns vor der Neuwahl des Rates der Stadt. Der bisherige Rat der Stadt verfügte über eine sozialdemokratische Mehrheit. Ich hatte die Ehre, diese Mehrheit im Rat zu führen und war außerdem Vorsitzender des wichtigen Kultur- und Theaterausschusses des Rates. [] Wir Sozialdemokraten sind Freunde von Kunst, Wissenschaft und Volksbildung. Deshalb haben wir in der Stadt Göttingen unsere Mehrheit ausgenutzt, um das Gröstmöglichste [!] [Größtmöglichste] für die Stadt Göttingen zu tun. Das große deutsche Kulturgut ist gerade uns Sozialdemokraten wert und heilig; wir wollen nichts unversucht lassen, um es allen schaffenden Menschen zu erhalten und näherzubringen. Unsere Kulturarbeit hat selbstverständlich einen sehr sozialen Zuschnitt, weil wir der Meinung sind, daß Kunst und Wissenschaft Angelegenheiten des ganzen Volkes sind, und daß in diesem Lebensgebiet das große gesellschaftliche Ringen um ein neues Sein eine würdige Stellung einehmen [!] [einnehmen] muß. [] Immer, wenn ich meiner Fraktion kulturpolitische Vorschläge zu unterbreiten hatte, fand ich einen tiefen Widerhall. Vom kleinlichen Krämer- und Händlergeist sind wir nicht geplagt, solche Hemmungen kennen wir nicht. Das Große und Weite ist uns Richtschnur und gerade das gab uns die innere Kraft, der Universitätsstadt Göttingen zu neuer Anerkennung zu verhelfen. Urteilen Sie selbst nach Durchsicht meiner Zeilen über unsere kulturpolitische Arbeit. [] Ausgehend von diesen grundsätzlichen Erwägungen kam der Rat der Stadt Göttingen zu dem Entschluß, innerhalb der Stadtverwaltung ein besonderes Kulturdezernat zu begründen. Dieser Plan konnte Ende Juli 1947 verwirklicht werden; auf den Posten des Kulturdezernenten wurde Dr. Karl Pfauter aus Berlin berufen. Die bisher auf verschiedene Dezernate verstreuten kulturpolitischen Aufgaben wurden in seine Hände gelegt. Das Zusammenströmen von einigen tausenden junger Menschen, die in einigen Jahren die führenden Stellen des Landes besetzen sollen, legt Göttingen besondere Verpflichtungen in kulturpolitischer Hinsicht auf. Auch diese Verpflichtung soll in ihrer Wichtigkeit und zentralen Bedeutung durch die Schaffung des Kulturdezernates anerkannt werden. Das Dezernat hat gemeinsam mit dem Kultur- und Theaterausschuß die Aufgabe, die Kulturpolitik des Rates durchzuführen. [] Dem Ausschuß und Dezernat sind im einzelnen folgende Aufgaben übertragen: [] a) Betreuung und Lenkung der städtischen Kulturinstitute (Theater, Museum, Stadtbücherei und Stadtarchiv), [] b) Schöpfung einer Volkshochschule in Göttingen, [] c) Fühlungnahme mit der studierenden Jugend; Sonderveranstaltungen für und gemeinsam mit der Universität; Einschaltung der Stadt in einzelne Veranstaltungen der Universität, [] d) Beratung und Betreuung des Göttinger Konzert- und Vereinslebens, [] e) Durchführung von Sonderveranstaltungen (z.B. Erinnerungsfeiern und Gedenkstunden, Gildewahl, Tagungen aller Art usw.), [] f) Beratung der Filmaufbau und anderer kultureller Unternehmungen, [] g) Vertretung der Stadt in Ausschüssen und Kuratorien (z.B. Städtetag, Filmausschuß für die Britische Zone, Theaterausschuß für Niedersachsen, Fridtjof-Nansen-Haus usw.). [] Eine besondere Tat des Rates von Bedeutung war die Förderung der "Gesellschaft Internationale Studentenfreunde". Das Fridtjof-Nansen-Haus hat seine Tätigkeit aufgenommen. Im gedruckten Prospekt der Gesellschaft wird über diese Tätigkeit des Rates gesagt: "Mancherlei Schwierigkeiten und Hindernisse waren zu überwinden, ehe das Haus seiner neuen Bestimmung zugeführt werden konnte; denn mehrere Bewerber hatten sich an die Stadt Göttingen als die Eigentümerin gewandt. Es ist ein erfreuliches und verheißungsvolles Zeichen, daß der Rat der Stadt Göttingen sich am 2. Juli 1948 mit großer Mehrheit dahin entschieden hat, das Haus der wenige Wochen zuvor gegründeten "Gesellschaft Internationale Studentenfreunde" zunächst auf 10 Jahre zu vermieten. [] Damit hat sich der Rat der Stadt Göttingen zu der Idee des Fridtjof-Nansen-Hauses und zu den Zielen der Internationalen Studentenfreunde bekannt." [] Ein harter Kampf ermöglichte diese Entscheidung. Die sozialdemokratische Fraktion entschied diese Auseinandersetzung in einer Erklärung mit folgende in Inhalt: [] "Am 25. Juni 1948 beschloß die sozialdemokratische Fraktion des Rates der Stadt Göttingen nach langer eingehender Beratung, sofort dafür zu wirken, daß die Levinsche Villa der "Gesellschaft Internationale Studentenfreunde" zur Verfügung gestellt wird.. [] Die Fraktion ging bei ihrer Entscheidung davon aus, daß diese stadteigene Villa, nachdem sie durch die Militärregierung wieder freigegeben ist, möglichst sofort einem geeigneten Zweck zur Verfügung gestellt wird. In den Bestrebungen der "Gesellschaft Internationale Studentenfreunde" sieht sie diesen Zweck als vorhanden an. Die Fraktion faßte den Beschluß außerdem mit Rücksicht auf die öffentliche Diskussion und die ausgiebige Erörterung dieser Angelegenheit in den Zeitungen. Mit dieser Erklärung verbindet sie zugleich den Wunsch, daß auch die anderen Fraktionen des Rates der Stadt dieser Meinung beitreten werden. [] Die sozialdemokratische Fraktion ist der Meinung, daß in dieser schweren Zeit nichts notwendiger ist für alle europäischen Länder - und insbesondere dabei für Deutschland - als internationale Zusammenarbeit und Verständigung im Sinne des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit. Außerdem stellt die Fraktion mit Genugtuung fest, daß sie durch Förderung dieser Gesellschaft zum Ausdruck bringen kann, daß sie stärkstens an einer Förderung der Aufgaben unserer Universität interessiert ist, die darauf abzielen, dem akademischen Nachwuchs beste soziale Bildungswerte zu vermitteln. Alle Einrichtungen, die dazu dienen, Menschen im wahren sozialen und demokratischen Geist zu erziehen, können immer auf die volle Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion rechnen." [] Die Zusammenarbeit mit dem Theater hat dazu geführt, daß der Ruf Göttingens als Musik- und Theaterstadt sich in den letzten zwei Jahren in ganz Deutschland verbreitet hat; dies betrifft sowohl die interessante Gestaltung des Spielplanes, die Zusammensetzung des Ensembles, die Qualität der Aufführungen. Hierbei kam es darauf an, die äußerst schwierigen Fragen der Personalpolitik innerhalb des Theaters, die vor der Währungsreform so sehr erschwerte Materialbeschaffung und auch die persönliche Beratung der einzelnen Künstler geschickt in der Hand zu haben, ohne dabei das Eigenleben des Theaters und die Selbständigkeit des Theaters zu beeinträchtigen. Durch die Vergleiche mit allen anderen Theatern des Landes Niedersachsen kann Göttingen ohne Übertreibung und ohne Lokalpatriotismus behaupten, daß es das bestgeführte Theater von Niedersachsen besitzt. [] Aus längeren Besprechungen im Kultusministerium unter Kultusminister Grimme ist dies eindeutig hervorgegangen. Es muß darauf hingewiesen werden, daß das Theater der Stadt Göttingen in den letzten beiden Spieljahren bei hoher künstlerischer Qualität ohne Zuschuß ausgekommen ist. Die Entfaltungsmöglichkeit für unsere Theater war nur möglich, weil der Rat am 6. Dezember 1948 auf Antrag der sozialdemokratischen Fraktion beschloß, das Jugendheim in der Hospitalstraße in ein Kammerspielhaus umzugestalten. [] Die Umbauarbeiten für das zweite Haus gingen sehr schleppend voran. Es war nicht die Schuld des Bauamtes, der Theaterverwaltung oder des Theaterausschusses, sondern es lag an den besonderen schwierigen, wirtschaftlichen Verhältnissen. Die Stadt selbst konnte als Auftraggeber in der Periode des Schwarzhandels und der Kompensationsgeschäfte nicht in dieser Form Geschäfte mitmachen. Das, was sich ein Privatgeschäft erlauben konnte und vielleicht mußte, war für eine öffentliche Verwaltung ausgeschlossen. [] Die Währungsreform machte die Fertigstellung und Eröffnung des zweiten Hauses geradezu zu einem Experiment. Es wurde trotzdem gewagt, und man kann heute feststellen, daß es gelungen ist. Auch dann, wenn durch eine außerordentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse das zweite Haus nicht zu halten wäre, ist Vorsorge getroffen, es zu einem wirtschaftlich wirkenden Filmtheater umzugestalten. [] Die Volkshochschule Göttingen ist nach mancherlei Geburtswehen nun im Herbst 1948 ins Leben gerufen worden. Da längere Zeit keine Einigung über die Person des Leiters erzielt werden konnte, hat man zu dem glücklichsten Ausweg gegriffen, indem man dem Kulturdezernenten sowohl die Vorbereitung wie die Durchführung der Volkshochschularbeit übertrug. Man ist hierin dem Beispiel anderer Städte (Braunschweig und Lübeck) gefolgt, wo diese Vereinigung ebenfalls zu den besten Resultaten geführt hat. [] Da Göttingen an Bildungsmölichkeiten [!] [Bildungsmöglichkeiten] bereits sehr reich war, sah man einer Volkshochschule in unserer Stadt von manchen Stellen mit Mißtrauen entgegen und prophezeite wenig Erfolg. Es behielten aber diejenigen Meinungen recht, die da sagten, daß für einen großen Teil der berufstätigen Bevölkerung in kultureller Hinsicht nicht das Richtige geschehe, und daß trotz aller Bildungsfülle weite Bevölkerungskreise leer ausgingen. Trotz des kurzen Anlaufes kann die Göttinger Volkshochschule nach einem Bestehen von 4 Wochen über ca. 500 Hörer begrüßen; es gehen täglich weitere Anmeldungen ein. [] Die kulturpolitische Aktivität der sozialdemokratischen Fraktion konnte sich nur wirksam entfalten durch die hervorragende Eignung des Kulturdezernenten Dr. Pfauter und durch die anderen zuständigen Verwaltungsstellen. Es wird auch zukünftig eine der wichtigsten Aufgaben der sozialdemokratischen Fraktion in Göttingen bleiben, in der Kulturarbeit dafür zu sorgen, daß der Ruf Göttingens weiter steigen wird. [] Mit vorzüglicher Hochachtung! [] F. Kraft
Published:24.11.1948 - 28.11.1948