Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals;
Tatsachen stärker als Lügen! [] Die Kommunisten versuchen in den letzten Wochen in Erklärungen, Zeitungsartikeln und Entschließungen den Eindruck zu erwecken, als ob in der Ostzone keine Verhaftungen von Sozialdemokraten stattgefunden hätten und dort volle Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit herrsche. So stellte z. B. der Kreisvorstand der SEP Leipzig in einer "Entschließung an die SPD-Genossen im Westen" vom 10. August 1947 die Behauptung auf, daß in der Ostzone keine Verhaftungen von Sozialdemokraten vorgenommen wurden und daß die politische Meinung in der Ostzone "in voller Freiheit" geäußert werden kann. Kz.s soll es in der Ostzone - ebenfalls nach Ansicht der SEP Leipzig - nicht geben. Im gleichen Zuge wird dann noch eine "freundschaftliche Zusammenarbeit" und eine "baldige Vereinigung" empfohlen. [] Zu dieser Erklärung der SEP Leipzig stellen wir Sozialdemokraten der Ostzone fest, daß die Behauptungen über Rechtssicherheit und Meinungsfreiheit in der Ostzone im schreienden Gegensatz zur Wirklichkeit stehen. Jeder Mensch weiß, daß in der von Spitzeln, Denunzianten und Ifo-Agenten des SEP-Apparates durchsetzten Zone die elementaren Grundsätze menschlicher Freiheit und demokratischer Rechte keine Geltung haben und durch den brutal herrschenden Polizeiapparat der SEP-Diktatur erstickt worden sind. Die Ostzone ist zur Zone des Schweigens geworden, aus der keine amtlichen Informationen zu den Angehörigen der Verhafteten über ihr Schicksal dringen. Wir wollen deshalb den Schleier der Lüge, der über die Wirklichkeit der Ostzone gebreitet wird, etwas lüften und durch konkrete Angaben von Namen und Tatsachen die Wahrheit sprechen lassen. [] In der Ostzone sind folgende 9 Konzentrationslager bekannt geworden: [] 1. Buchenwald (Land Thüringen); 2. Sachsenhausen (Land Brandenburg); 3. Jamlitz (Land Brandenburg); 4. Bautzen (Land Sachsen); 5. Mühlberg/Elbe (Land Sachsen); 6. Altenheim b. Grimma (Land Sachsen); 7. Torgau (Sachsen-Anhalt); 8. Fünfeichen b. Neubrandenburg (Meckl.), 9. Ein weiteres Lager wurde dem GPU-Gefängnis bei Potsdam angegliedert. [] Und nun eine Reihe uns bekanntgewordener Namen von Verhafteten: Willy Jesse, Landessekretär der SPD in Mecklenburg; Paul Dureck, 1. Vorsitzender der SPD-Stendal-Möllenbeck; Kreissekretär Lorenz, Berlin; Hermann Eger und Schloßhauer, beide Vorsitzende der SPD in der Kreisstadt Bansin und Heringsdorf (Usedom); Wilhelm Manig und Paul Volkmann, Berlin, beide Parteifunktionäre der SPD; Erich Weigelt, Parteiangestellter, Leipzig; Walter Oehlert, 2. Vorsitzender der SPD-Betriebsgruppe Polizei, Leipzig; Werner Szier und Franz Quandt aus Berlin-Treptow. [] Unter den Sozialdemokraten, die führende Stellungen seit 1945 bekleiden, wurden verhaftet: [] Regierungsrat Lietz, Magdeburg; Hermann Bretternitz, Bürgermeister in Ranis, Thüringen; Bezirksrat Willi Gohlke, Berlin-Treptow; Stadtrat Grien, Rostock; Kreisrat Benz, Wanzleben; Bürgermeister Grunwald, Blankenfelde; Verwaltungsdirektor Grell, Berlin, Postamtsleiter Julius Scherff, Berlin; Stadtjugendpfleger Arthur Schneider, Dresden; Lehrer Fritz Diesner, Demmin; Forstmeister Büchel, Berlin; Willi Voges, Berlin - Wittenau, Bürgermeister von Schmachtenhagen. Besonders systematisch wurde die Entfernung aller Sozialdemokraten aus der Polizei betrieben. Alle SPD-Polizeipräsidenten und Ordnungspolizeichefs wurden abgesetzt oder verhaftet. Seit April 1947 gibt es keinen Sozialdemokraten in einem höheren Polizeiamt mehr. Als letzte wurden Polizeipräsident Krippner, Zwickau, Vizepräsident Eger, Chemnitz, Vizepräsident Hennig, Leipzig, Kreispolizeichef Schönfeld, Grimma, ihrer Aemter enthoben. Die SPD-Mitglieder in der Direktion der Kriminalpolizei Leipzig wurden vom kommunistischen Polizeipräsidenten Wagner sofort nach seinem Amtsantritt verhaftet. Ebenso der Polizeimajor Weiser, der Mitglied der SPD war. Im Herbst 1946 wurden wegen Verdachts der SPD-Tätigkeit der Obersekretär Richter und Polizeiinspektor Fasching verhaftet. In Halle wurden die sozialdemokratischen Funktionäre Kriminaldirektor Wolf sowie die Dezernenten Schröder, Berger und Thieme verhaftet. Bereits vor der Zwangsvereinigung wurde der sozialdemokratische Polizeipräsident Rudolf Schwabe, Chemnitz, verhaftet, um [] dem Kommunisten Fredo Ritscher Platz zu machen. In Berlin wurden verhaftet: Polizeimajor Heinrich und Polizeiinspektor Köster; in Königswusterhausen der Kriminalbeamte Kirmse (SPD-Mitglied). [] Allein in der Osterwoche 1947 wurden in Halle, Magdeburg, Gera, Leipzig und Dresden etwa 130 Sozialdemokraten verhaftet. Einige Namen davon wurden auf schwierigen Umwegen bekannt: Schwartz, Halle; Gentsch, Seidel, Zeitz; Kollmer, Rostock; Gebauer, Stendal; Schäfer, Dr. Friedrich, Held, Holzmann, Apolda, (Thür.); Grothe und Scott, Taßdorf; Schneider, Franz, Leipzig. [] In Magdeburg wurde die Verhaftung einer Anzahl sozialdemokratischer Angehöriger der Kriminal- und Ordnungspolizei bekannt. Im Zwickauer Landgerichtsgefängnis waren am 1. März 1947 400 Sozialdemokraten in Haft, in Dresden in der Haftanstalt des Oberlandesgerichts sogar 900. Im Kz. Buchenwald sind 800 SPD-Funktionäre gefangengehalten, darunter der bekannte thüringische SPD-Funktionär Dr. Fresdorf, Oberbürgermeister von Eisenach, der vor 1933 bereits lange Jahre für die SPD Stadtrat und Oberbürgermeister war, sowie der Oberregierungsrat Gaden, der bis Dezember 1946 Landesflüchtlingskommissar der Provinzialregierung Sachsen-Anhalt in Halle war. [] Auch von seiten der bürgerlichen Parteien, der CDU und LDP, sind zahlreiche Verhaftungen ihrer Parteianhänger in der Ostzone bekanntgeworden. Vor den Herbstwahlen 1946 stieg die Zahl der Verschleppten in die Hunderte. Die SEP beseitigte ihre "gefährliche Konkurrenz". Verschiedene Verhaftete bekamen jedoch großzügig Gelegenheit, durch eine schriftliche Uebertrittserklärung zur SEP ihre Freiheit zu erkaufen. Solche Fälle wurden aus Chemnitz, Brandenburg, Saalfeld, Dresden, Stralsund und Leipzig gemeldet. Von den bekannten Funktionären der CDU befinden sich noch in Haft: Jugendsekretär Franzkowiak, Dresden; Landrat Schäfer, Heiligenstadt: Redakteur Schmidt-Stölting, Weimar; Redakteur Schipke, Halle; Landesvorstandsmitglied Ewald, Halle. [] Erschreckend groß ist auch die Zahl der verhafteten Jugendlichen. Meistens waren es Jungsozialisten, die sich nicht durch das Verbot der SPD von der Vertretung ihrer sozialistischen Ideale haben abbringen lassen wollen. Im Bautzener Bezirk war die Zahl der verhafteten Jungsozialisten so groß, daß selbst der SEP-Landesleiter Buchwitz in einem Brief den Vorsitzenden der SEP, Otto Grotewohl, wegen der Stimmung in der Bevölkerung um Einstellung dieser Aktion beschwor. Im Kreise Lübben (N. L.) wurden rund 200 Jugendliche verhaftet. In Schöneberg sind seit einem Jahre 20 junge Sozialdemokraten verhaftet, darunter Günther Fiehm, der vor der Errichtung der FDJ Vorsitzender des Antifaschistischen Jugendausschusses war und zur SPD gehörte. Im Landkreis Osthavelland befinden sich noch zwölf Jugendsekretäre der SPD in Haft, die unter der Leitung des Genossen Hoffmann, Falkensee, standen, der nach viermonatiger Haft und grausamen Mißhandlungen aus dem Gefängniskrankenhaus entfliehen konnte. In Berlin wurden die jungen Sozialdemokraten Günter Wähler und Arthur Kluge verhaftet. [] Diese Namenliste ist nicht vollständig. Sie enthält nur einen kleinen Teil der zu einem gewissen Zeitpunkt auf schwierigen Umwegen bekanntgewordenen Verhaftungen und Verschleppungen. Die führenden SEP-Funktionäre kennen den Umfang der Verhaftungen und wissen auch von der Existenz der überfüllten Polizeigefängnisse und Kz.s in der Ostzone. [] Manche von ihnen versuchen jedoch, unter der Maske des ehrlich um Klärung und Hilfe bemühten Vermittlers das erschreckende Ausmaß der Tragödie im Osten zu bagatellisieren.. So veröffentlichte das Zentralorgan der SEP, das "Neue Deutschland" vom 12. August 1947, zwei Briefe von Erich W. Gniffke, dem Mitglied des Zentralsekretariats der SEP, worin drei oder vier Namen aus einer Verhaftetenliste herausgesucht wurden. Gniffke versucht, Namensungenauigkeiten festzustellen und behauptet, daß einige von den betroffenen Personen in Wirklichkeit gar nicht "verschwunden" sind. Die Briefe Gniffkes geben dem "Neuen Deutschland" die ersehnte Gelegenheit - unter der irreführenden Ueberschrift "Tatsachen stärker als Lügen" zu folgender Feststellung: "Erich W. Gniffke ist dem knappen Dutzend von Fällen angeblich verhafteter Sozialdemokraten, die ihm benannt wurden ... unverzüglich nachgegangen ..." [] Ein knappes Dutzend von Fällen ... ? [] Nun: Hier ist der Gegenbeweis. Wir bringen Namen und Tatsachen, denen "nachgegangen" werden sollte, und wir werden uns im Kampfe um die Freiheit des Menschen gegen politische Entrechtung und ökonomische Ausbeutung auch durch keinen Terror und keinen Polizeiapparat einer Staatspartei abschrecken lassen. Als Sozialdemokraten wissen wir, daß, solange die Furcht regiert, keine Freiheit bestehen kann, und wo keine Freiheit ist, kann es keinen Sozialismus geben. [] Für Freiheit und Sozialismus zu kämpfen heißt für die Sozialdemokratie um Menschenrechte und Gerechtigkeit zu kämpfen. [] In diesem Kampf wird sich die Wahrheit, auch wenn man sie niederknüppeln möchte, immer wieder durchsetzen. Denn [] Tatsachen sind stärker als Lügen! [] SPD [] Druck: Hannoversche Presse, Druck- und Verlagsgesellschaft m. b. H., Hannover. 475/ 10. 47.
|