SPD Schnelldienst Landtagswahl 1970 . Nr. 10, 5. Juni 1970

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; SPD Schnelldienst [] Landtagswahl 1970 [] Die sichere Hand für unser Land [] Nr. 10, 5. Juni 1970 [] Rückfall in unselige Politik [] Einen Tag nachdem die fünf Bischöfe in Nordrhein-Westfalen ihre Erklärung zur bevorstehenden Landtagswahl abg...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Landesvorstand Nordrhein-Westfalen
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 05.06.1970 - 14.06.1970
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/0A4E5D69-A684-4560-9C85-99800EA005F1
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; SPD Schnelldienst [] Landtagswahl 1970 [] Die sichere Hand für unser Land [] Nr. 10, 5. Juni 1970 [] Rückfall in unselige Politik [] Einen Tag nachdem die fünf Bischöfe in Nordrhein-Westfalen ihre Erklärung zur bevorstehenden Landtagswahl abgegeben hatten, meldete sich das Aktionskomitee der Wählerinitiative Münsterscher Bürger zu Wort. Dieses Aktionskomitee veröffentlichte folgende Stellungnahme: [] 1. Der Aufruf der Bischöfe erweist sich eindeutig als Wahlhilfe für die CDU. Das ist nach dem Wahlerfolg der SPD im letzten Herbst nicht verwunderlich, stellt aber einen Rückfall in die unselige Politik der Wahlhirtenbriefe dar. [] 2. Unbestritten ist das Recht eines jeden Bischofs, sich öffentlich dafür einzusetzen, daß der Staat Raum für die Verwirklichung christlicher Grundsätze gewährt. Wir warnen jedoch vor dem Trugschluß, es werde dieses Anliegen allein durch eine bestimmte Partei garantiert. Auch in der Schulfrage sind nicht nur Protestanten, sondern auch Katholiken in allen Parteien anderer Meinung als die Bischöfe dieses Landes. [] 3. Als Wahlhilfeaufruf ist die Erklärung der Bischöfe weder im Namen aller Katholiken erfolgt noch für alle Katholiken verbindlich. [] Für das Aktionskomitee wurde diese Stellungnahme unterschrieben von Hans-Jürgen Dohmeier, Vikar; Bernhard Gurski, techn. Zeichner; Prof. Dr. theol. Peter Lengsfeld, Kath.-Theologische Fakultät; Berthold Riedel, Finanzbeamter; Privatdozent Dr. theol. Alfred Suhl, Ev. Theologische Fakultät; Elmar Wildt, Vorstandsmitglied einer Versicherungsgesellschaft. [] Beabsichtigte Wahlhilfe für die CDU [] Auch Ministerpräsident Heinz Kühn hat die Erklärung der Bischöfe eine ganz klar beabsichtigte Wahlhilfe für die CDU genannt. In einem Gespräch mit dpa hat Heinz Kühn u. a. gesagt: "Jeder muß wissen, wem er Wahlhilfe leistet, er muß aber auch wissen, daß ich das am 14. Juni zu registrieren und in meinem Bewußtsein zu bewahren habe." Nachdrücklich wandte sich der Ministerpräsident gegen Bestrebungen der Bischöfe, die Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Universität zu privatisieren. "Ich bin nicht bereit, eine Re-Konfessionalisierung der Hauptschulen mitzumachen, so sehr ich auch in der Frage der Grundschule entschlossen bin, für die weitere Entwicklung die Elternentscheidung zu respektieren." Heinz Kühn wies darauf hin, daß die gesetzliche Regelung in Nordrhein-Westfalen eine Kostenerstattung an genehmigte private Schulen bis zu 98 Prozent vorsieht und daß der Haushalt 1970 dafür rund 175 Millionen DM bereitstellt (im letzten Jahr der Regierung Meyers waren es 104,3 Millionen DM). Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Rheinland-Pfalz für den gleichen Zweck in diesem Jahr 16,0 Millionen DM zahlt und Schleswig-Holstein nicht mehr als 1,5 Millionen DM. [] Entwicklung vollzieht sich von allein [] In einem Interview für die Hörfunksendung "Aktuelles aus der Christenheit" sagte Heinz Kühn: "Ich habe mehrfach im Fernsehen, in Pressekonferenzen, in anderen öffentlichen Verlautbarungen und auch dem Herrn Bischof (Tenhumberg) gegenüber meine Meinung deutlich gemacht: Ich bin nicht für eine Regierungs-Initiative zur Veränderung der Struktur unseres Grundschulwesens. Ich habe deutlich gesagt, wenn ich Ministerpräsident dieses Landes bleibe, werde ich kein Gesetz einleiten, das die Entkonfessionalisierung der Grundschule bezweckt. Aus zwei Gründen. Ich will den weniger wichtigen Grund vorweg sagen: Man soll jetzt Ruhe und innere Form in die gefundene Ordnung unseres Schulwesens bringen und nicht neue Experimente machen. Was für mich aber wichtig ist: Wenn ich davon ausgehe, daß das weltanschauliche Gepräge eines Elternhauses - was meist nur noch eine Hypothese ist und ich bedaure dies - in die Schule mit hineinwirken soll, daß also die Sechsjährigen sagen wir aus einem konfessionell geprägten Elternhaus kommen, dann sollen sie diese Atmosphäre auch in der Schule finden. [] Die gesetzliche Möglichkeit der Eltern, für die Grundschule die Form der Gemeinschaftsschule oder der Konfessionsschule zu wählen, soll erhalten bleiben. Ich bin persönlich davon überzeugt, daß die Eltern in zunehmendem Maße auch hier die Gemeinschaftsschulen wählen werden, aber ich bin bereit, hier das Elternrecht und die Elternentscheidung zu respektieren. Ich glaube, daß sich dann die Entwicklung von allein vollzieht. Ich würde nichts unternehmen, was diese Entwicklung durch staatliche Verordnung oder durch Gesetz forciert." Auf die Frage, was der Ministerpräsident zu der kirchlichen Befürchtung sage, daß in Zukunft die staatliche finanzielle Förderung der sogenannten Schulen in freier Trägerschaft eingeschränkt oder gar eingestellt werde, antwortete Heinz Kühn: "Die sozialdemokratisch geführte Landesregierung hat keinerlei Bestrebungen in dieser Richtung in den 31/2 Jahren ihrer Regierungszeit unternommen. Nordrhein-Westfalen ist das Land und wird es sicherlich auch bleiben, das in stärkstem Maße die in privater Trägerschaft stehenden Schulen unterstützt. Ich habe nicht die Absicht, als Ministerpräsident in der zukünftigen Legislaturperiode daran irgend etwas zu ändern." [] Keine Herde mehr [] Für die Kommentierung der Erklärung der Bischöfe durch Zeitungen und Rundfunk hier ein Beispiel. Walter Fischer sagte im II. Hörfunkprogramm u. a.: "Ein erheblicher Teil der nordrhein-westfälischen Katholiken hatte gehofft, die Bischöfe unseres Landes würden nicht wieder die alte Tradition der Hirtenworte zur Wahl aufleben lassen. Gehofft vor allem deswegen, weil das Schweigen der Bischöfe bei vergangenen Wahlen durchaus auch so gedeutet werden konnte, als hätten die katholischen Oberhirten erkannt, daß ihre Herde - zumindest als Teil der pluralistischen Gesellschaft - keine Herde mehr ist, sondern eine Gruppe mündiger Bürger, die sehr wohl eigenständig ihre politische Entscheidung treffen können. Aber alle Hoffnungen, auch diesmal ohne oberhirtliche Wahlempfehlung zu bleiben, haben getrogen ... Wieso eigentlich glauben die Bischöfe dieses Landes, daß die Katholiken nicht sehr wohl ihre Wahlentscheidung auch unter diesen Gesichtspunkten, die sie anführen, treffen? Aber eben doch auch unter anderen Gesichtspunkten, die - zum Beispiel - mit sozialer Gerechtigkeit in der Gesellschaft, mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zusammenhängen? Wohlgemerkt: Jeder Bischof hat - wie jeder Bürger dieses Landes - das mit allen Kräften zu verteidigende Recht, seine politische Meinung öffentlich zu vertreten. Aber wenn die Bischöfe Nordrhein-Westfalens zur nordrhein-westfälischen Landtagswahl Stellung nehmen, dann ist dies - Kirchenrecht hin, Kirchenrecht her - eine amtskirchliche [] Erklärung. Und die hat dann solch bindende Kraft für einen Teil der Katholiken, daß diese vor die Frage gestellt, welche Frauen und Männer denn nun bewiesen haben, daß sie in ihrem Handeln christliche Grundsätze und Grundanliegen vertreten, in Gewissenskonflikte geraten können, wenn nicht müssen. Denn: Christliches Handeln umfaßt doch wohl mehr als Schulpolitik, Rundfunkarbeit und öffentliche Sicherheit. Gerade diese drei Bereiche öffentlichen Lebens indessen als Kriterium herauszustellen, nun, das erinnert mich fatal an die Kulturkampf-Situation. Die aber ist weder gegeben, noch wird es sie jemals wieder geben. Geholfen haben Nordrhein-Westfalens Bischöfe keinem mit ihrem Hirtenbrief - am allerwenigsten der CDU. Geschadet indessen haben sie dem Ansehen ihrer Katholiken in einer - man mag es beklagen - nun einmal durch und durch säkularisierten Gesellschaft. [] Denn der große Teil der Mündigen unter den Katholiken dieses Landes fühlt sich fatal an die vorkonziliare Zeit erinnert, da wir Katholiken in den Augen mancher Kirchen-Oberen - nicht nur was die Politik angeht - durchweg als unmündig galten. Schade um dieses Hirtenwort zur Landtagswahl." [] Köppler zur Grundschule [] In dem Fernsehstreitgespräch Kühn - Weyer - Köppler ging es auch um die Frage des konfessionellen Charakters der Grundschule. Der Gesprächsleiter Kassebeer fragte: "Wie sieht es mit der Grundschule aus, Herr Köppler? Ich glaube, Sie vertreten da neuerdings auch die Meinung, daß an diesem früheren Dogma, das zum Teil auch noch in manchen Gebieten des Landes weitergilt, daß nämlich die Grundschule konfessionellen Charakter - durch Elternwahl bestimmt - haben sollte, nicht mehr so festhalten." Darauf antwortete Köppler: "In dieser Frage bin ich mit Herrn Kühn völlig einig. Das Thema der Reform unserer Grundschulen ist kein Thema, das in den nächsten 2 Jahren auf dem Tisch des Hauses liegen wird. Wir haben alle noch genug zu tun, um die Hauptschulreform pädagogisch zu verdauen. Ich bin dann allerdings der Meinung, daß langfristig, insbesondere auch nach Vorliegen der Ergebnisse von Schulversuchen, die wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden, die Frage der Reform unseres Grundschulwesens nicht tabuisiert werden darf und anstehen sollte. Auch darin glaube ich mich mit meinem Gegenüber (Kühn) einig." [] An einer anderen Stelle des Gesprächs sagt Kühn : "Ich bin mit Herrn Weyer einer Meinung, daß wir dahin kommen müssen, auch die Grundschule zu entkonfessionalisieren. Das habe ich neulich auch den Bischöfen gesagt." - Einwurf Köppier: "Ich auch!" - Kühn weiter: "Ich habe nur gesagt, das ist ein Prozeß, der nach der heutigen gesetzlichen Möglichkeit den Eltern aufgegeben worden ist. Und in der Frage der Grundschule möchte ich die Elternentscheidung respektieren. Ich habe gesagt, als Ministerpräsident werde ich keine Regierungsinitiative unternehmen. Ich will nicht durch Gesetz eine Entwicklung forcieren, die sich ohnehin in Übereinstimmung mit dem Elternwillen allmählich vollzieht." [] In einem Interview mit der "Westdeutschen Allgemeinen" hatte Köppler am 17. Januar 1970 u. a. gesagt: "Ich bin dafür, daß die Hauptschule in der Regel Gemeinschaftsschule ist. Ich werde als Regierungschef sogar dafür eintreten, daß bei der Grundschule das Konfessionsprinzip dann aufgegeben werden muß, wenn es dem Leistungsprinzip oder notwendigen Versuchen bei der Gemeinschaftsschule im Wege steht." [] Ob Zahlen stimmen, ist der CDU nicht wichtig [] Sie schwindeln bis zum letzten Tag. So hat der Generalsekretär der CDU, Herr Dr. Heck, am vergangenen Dienstag in einer Wahlversammlung seiner Partei in Hilden gesagt, es sei ein offenes Geheimnis, daß die in Nordrhein-Westfalen von Jungsozialisten betriebene Erstwähler-Initiative aus Steuermitteln bezahlt werde. Tatsache ist, daß die Kosten der Arbeit der Erstwähler-Initiative selbstverständlich durch den Landesvorstand der SPD getragen werden. Als in der gleichen Versammlung der Wahlkreiskandidat der CDU gefragt wurde, warum denn in dem verteilten Wahlmaterial fälschlicherweise behauptet werde, die Preise seien in den ersten vier Monaten des Jahres in NRW um 4,5 Prozent gestiegen, antwortete dieser, man könne die Richtigkeit solcher Zahlen nicht ständig überprüfen und außerdem komme es im Wahlkampf auch nicht so sehr darauf an, ob solche Angaben genau richtig seien. - Genau so ist es: Es kommt den Wahlkämpfern der CDU nicht darauf an, ob Zahlen stimmen und auch nicht, ob ihre zahllosen Behauptungen stimmen, sie sind auf Stimmenfang und dabei ist ihnen jedes Mittel recht. Die nächsten Tage werden das noch mannigfach bestätigen. [] In einem Kandidatenflugblatt der CDU wird unter dem Punkt "Strukturpolitik" behauptet: "Keine Lösung der strukturellen Probleme im Ruhrgebiet, nur die Hochkonjunktur überdeckt die Schwächen. Erst zuviel Kohle - heute zuwenig. Strom wird teurer, obwohl technische Möglichkeit der Erzeugung von billigem Atomstrom gegeben. Arbeitsplätze sind nicht zukunftssicher, weil falsche Subventionspolitik erfolgte. In Bonn liegen 13 Anträge von Bundesländern zur Strukturverbesserung vor. Ein Antrag von NRW fehlt. Der Anschluß an die moderne Industrieentwicklung wurde verpaßt." Natürlich ist davon beinahe jedes Wort dummes Zeug. Wir haben uns auch im Schnelldienst schon damit beschäftigt. Hier nur noch eins: selbstverständlich ist auch die Behauptung falsch, daß NRW bei der Bundesregierung in Sachen Strukturpolitik keine Anträge gestellt habe. Bei der Bundesregierung liegen drei Anträge vor (Nordeifel/ Grenzraum Aachen, westfälisches Textilgebiet, Ostwestfalen) und es besteht Übereinstimmung darüber, daß diese im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgaben auch anerkannt werden. [] CDU will Plakate überkleben [] Wir haben übrigens Informationen, daß zur Zeit Überkleber vorbereitet werden, die von Leuten der Jungen Union über unsere Daumen-Plakate geklebt werden sollen. Der Text wird sinngemäß sagen, daß die CDU ihre Politik nicht über den Daumen peilen werde. [] Herausgegeben vom SPD-Landesvorstand Nordrhein-Westfalen, 4 Düsseldorf, Elisabethstraße 3
Published:05.06.1970 - 14.06.1970