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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Arbeiter! Parteigenossen! [] Unter den Millionen von Flugblättern, die in dieser wildbewegten Zeit in unsere Hände gelangen, machen sich in den letzten Wochen auch [] antisemitische Hetzblätter [] bemerkbar, die - in allen Größen und Farben - hier in die Häuser getragen werden, dort als Zeitungsbeilagen erscheinen, vornehmlich aber in Fabriken und Kasernen auftauchen. [] Wir wollen Euch mit der Aufzählung all' des verbrecherischen Urisinns verschonen, den die anonymen Brandstifter so in die Massen schleudern. Auf eins aber müssen wir warnend hinweisen, weil schon der bloße Gedanke daran die größte aller Revolutionen, die dem schrecklichsten aller Kriege gefolgt ist, besudeln muß: [] Die antisemitischen Schmierfinken scheuen sich nicht, ganz offen [] Judenpogrome [] zu fordern! Sie wollen, daß auch in Deutschland jene scheußlichen Morde, feigen Metzeleien, Räubereien, Brandstiftungen ins Werk gesetzt werden, durch die das alte Rußland, das junge Polen und Rumänien sich und die menschliche Kultur mit Schimpf und Schande befleckt hat. [] Zum Glück sind die deutschen Progromhetzer so dumm, daß sie ihre Karten aufdecken und sofort klar ersichtlich wird: ihre Hetze entspringt derselben Quelle, der die Kriegshetze entsprang, für die jetzt 60 Millionen unschuldige Deutsche büßen sollen. Und diese Quelle heißt: [] Reaktion! [] Die Antisemiten wollen das Rad der Geschichte nicht vorwärts, sondern rückwärts drehen! Das merken wir, wenn die Pogromfreunde mit ihren Blättern die Arbeiter deshalb gegen die Juden aufzuhetzen versuchen, weil diese die Revolution "gemacht" haben sollen! Das merken wir, wenn wir lesen, wie sie den Menschen Kautsky, den Menschen Karl Liebknecht, den Menschen Lenin (dem sie den Beinamen "Levin" geben) dadurch noch ganz besonders herabsetzen zu können glauben, daß sie auch diese fälschlich als Juden bezeichnen, wodurch die Antisemiten jenen Sozialisten in Euren Augen einen ganz besonderen Makel anhängen möchten! [] Was aber soll man dazu sagen, daß dieselben Leute, die sich mit ihrer antisemitischen Hetze an die deutschen Arbeiter wenden, es fertig bekommen, selbst das Andenken unseres unvergeßlichen Paul Singer, nur weil dieser ein Jude war, noch im Grabe durch die niederträchtigsten, tausendmal widerlegten Lügen zu besudeln? Da seht Ihr: wes Geistes Kinder die Pogromhetzer sind! Es ist kein Rassenkampf, den wir führen, sondern ein Klassenkampf. Jeder Sozialdemokrat - ob Jude, Christ, Muhamedaner oder Atheist - bekämpft den internationalen Kapitalismus, ohne dabei Unterschiede zu machen zwischen den Kapitalisten der einen oder der anderen Konfession, zwischen Krupp oder Rothsdlild, Stinnes, Thyssen oder Mendelssohn. [] Ebensowenig Unterschiede kennen wir zwischen der Beurteilung von Drückebergern, Kriegsgewinnlern und -schiebern jüdischen oder christlichen Bekenntnisses. Wer den Ereignissen daheim und im Felde mit einiger Aufmerksamkeit gefolgt ist, der weiß ganz genau, daß auch in Bezug auf diese Dinge in gleicher Weise von Christen wie von Juden gesündigt worden ist, und der läßt sich nicht einreden, wie die antisemitischen Blätter es zu tun versuchen, daß es nur jüdische Drückeberger, Schieber, Kriegsspekulanten gegeben habe. [] Kommen jene Blätter aber mit Behauptungen wie die: Bleichröder hätte [] 2 Millionen Mark an die Spartakisten gezahlt, [] so verlangt für solche und ähnliche Erzählungen die Beweise! [] Noch eins ist auffällig: Die Antisemiten, haben für ihre gemeingefährliche Pogromhetze Geld in unbeschränkter Menge zur Verfügung. Woher mag das Geld stammen? Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, daß dieser reiche Strom aus alldeutschen und schwerindustriellen Quellen fließt, also von den gefährlichsten nationalen Kriegshetzern, den, habgierigsten und erfolgreichsten aller Kriegsgewinnler stammt. [] Alles das muß uns stutzig machen in Bezug auf [] Zweck und Ziel der antisemitischen Pogrompropaganda. [] Kein Zweifel: die monarchischen Drahtzieher, die sich im Hintergrund halten und das Pogromgeld mit vollen Händen hergeben, wollen, daß die Revolution sich im Inland wie im Ausland mit Schimpf und Schande bedecke und daß auf den Trümmern der herabgewürdigten Republik recht bald das alte monarchische Regiment sein Haupt erhebe! So könnten sie ihren Plänen mit einem Schlage in mehr als einer Richtung dienen: die Juden niederknütteln, die Republik in Verruf bringen, der Reaktion in den Steigbügel helfen! [] Kein verständiger, kein anständiger Arbeiter wird auf diesen Leim kriechen. Was über den Antisemitismus zu sagen ist, hat August Bebel auf dem Kölner Parteitag gesagt: [] "Die Ausbeutung der Menschen durch den Menschen ist keine speziell jüdische, sondern eine der bürgerlichen Gesellschaft eigentümliche Erwerbsform, die erst mit dem Untergang der bürgerlichen Gesellschaft endigt..." [] Parteigenossen! Arbeiter! Wir leben in einer Zeit, in der noch schärfer als sonst und als jemals vor Unbesonnenheiten gewarnt werden muß. Und vor antisemitischen Provokateuren! [] Laßt Euch nicht provozieren! [] Otto Braun, Preuß. Min. f. Landwirtschaft, Domänen u. Forsten - Clara Bohm-Schuch, M. d. N. - Eugen Ernst, M. d. N [-] C. A. Hellmann (Hamburg), M. d. N. - Marie Juchacz, M. d. N. - W. Keil, M. d. N. u. der Württ. Landesversammlung [-] Franz Krüger, M. d. N. - Paul Löbe (Breslau), M. d. N. u. Stadtv. - H. Molkenbuhr, Berlin-Schöneberg [-] Hermann Müller (Breslau), M. d. N. - Elisabeth Röhl (Cölm). M. d. N. - G. Schöpflin, M. d. N. - Karl Sindermann,<NZ>M. d. sächs. Volkskammer, Dresden - D. Stücklen, M. d. N. - Otto Wels, M. d. N. - Rud. Wissel, Reichsminister [] Druckrerei des Arbeiter-Abstinenten-Bundes, Berlin SO 16
Published:ca. 1919