Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die Ernährungslage in der sowjetischen Besatzungszone [] Die durch die Not der Zeit bedingte Rationierung der Lebensmittel wird in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands nicht gleichmäßig durchgeführt. Offiziell erfolgt die Einstufung des Verbrauchers entsprechend seiner physischen Einsatzfähigkeit und Einsatzbereitschaft im Produktionsprozeß, doch sind Sonderzuteilungen für führende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und für besonders zuverlässige Aktivisten der in der Ostzone zugelassenen Blockparteien gang und gäbe. Die Höhe der Lebensmittelzuteilungen für den einzelnen Verbraucher in der Ostzone hängt also nicht von den körperlichen Bedürfnissen ab, sondern richtet sich danach, welche wirtschaftliche und politische Bedeutung es für das herrschende Regime hat. Ebenso ist - ganz nach dem allgemein bekannten System sowjetischer Verwaltung - die Festsetzung der Höhe der Lebensmittelsätze im wesentlichen von propagandistischen Gesichtspunkten diktiert. Und zwar setzt man nach außen hin verhältnismäßig hohe Rationssätze fest, deren Einhaltung aber von vornherein gar nicht vorgesehen ist. So werden z. B. die Rationssätze für Fleisch in der ganzen Sowjetzone schon seit Jahr und Tag, wenn überhaupt, so nur zu einem Drittel mit Fleisch oder Wurst beliefert. [] Die Ostzone als landwirtschaftliches Überschußgebiet [] Die heute russisch besetzte Zone Deutschlands war angesichts der umfangreichen landwirtschaftlichen Gebiete von Mecklenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg von jeher ernährungspolitisch ein Überschußgebiet und trug durch bedeutende Lebensmittellieferungen nach Westdeutschland wesentlich zur Ernährung der dortigen Bevölkerung bei. Schon eine Gegenüberstellung der Ostzone mit den Westzonen in bezug auf Gebietsfläche und Bevölkerungszahl läßt einen weitgehenden Unterschied in der Besiedlungsdichte deutlich erkennen. Während in der Ostzone bei einer Gesamtfläche von 107800 Quadratkilometer und einer Bevölkerungszahl von 17314000 Personen 161 Einwohner auf einen Quadratkilometer entfallen, müssen in der vereinigten britischen und amerikanischen Besatzungszone auf einer Gesamtfläche von 205 361 Quadratkilometer insgesamt 39477000 Menschen oder 192,2 je Qudratkilometer [!] leben. Die Bevölkerungsdichte in der britisch-amerikanischen Zone ist also gegenüber der Ostzone um 19.4 Prozent größer. Die französische Zone umfaßt 42,9 Quadratkilometer und hat eine Einwohnerzahl von 5940000 Personen, was je Quadratkilometer 138 Einwohner ausmacht. Entsprechend der schwächeren Besiedlung ist in der Ostzone auch die landwirtschaftliche Anbaufläche im Vergleich zur Bevölkerungszahl viel größer als in den Westzonen, was durch die nachstehende Aufstellung über das im Jahre 1946 bebaute Ackerland veranschaulicht wird: [] Einwohnerzahl Ackerland Einwohner [] insgesamt je 100 [] Ostzone 17314000 5027000 ha 29,1 ha [] Britisch-amerik. Zone 39477000 7273000 ha 18,5 ha [] Französische Zone 5940000 1276000 ha 21,5 ha [] Wie ersichtlich, leben in der vereinigten britisch-amerikanischen Besatzungszone über 2 1/3 Mal mehr Menschen als in der Ostzone, während die Anbaufläche hier jedoch nur um etwa vier Zehntel größer ist. [] Das Bild des immensen landwirtschaftlichen Übergewichts der Ostzone gegenüber der vereinigten britisch-amerikanischen Zone wird aber erst vollständig, wenn man die landwirtschaftliche Produktion in Betracht zieht und diese in ein Verhältnis zur Bevölkerungszahl bringt. Nachstehende Gegenüberstellung der Ernteerträge bzw. der Produktion im Jahre 1946 veranschaulicht dies deutlich: [] Ernteertrag (in kg) [] insgesamt (in 1000 t) je Kopf der Bevölkerung [] Ostzone Westzone Ostzone Westzone [] Kartoffeln 11495 11432 664,5 281,6 [] Roggen 1557 1694 90 42,9 [] Weizen 954 1380 55,1 35,0 [] Gerste 211 687 12,2 17,4 [] Hafer 1115 1541 64,4 39,0 [] Zuckerproduktion 490 370 28,3 9,4 [] Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl wurde also in der Ostzone gegenüber der britisch-amerikanischen Zone bei Roggen mehr als das Doppelte geerntet, bei Kartoffeln fast zweieinhalbmal und bei Zucker sogar fast dreimal soviel. [] Gemessen an der im ganzen Gebiet des heutigen Deutschlands einschließlich der französischen Besatzungszone im Jahre 1946 erzielten Ernte (ausgenommen die von Polen verwalteten Gebiete östlich der Oder/Neiße) betrug der Anteil der Ostzone bei Roggen 45,4 Prozent (gesamter Ernteertrag 3427000 t) bei Kartoffeln 42,0 Prozent (gesamter Ernteertrag 24969000 t) und bei Zucker 55,7 Prozent (Gesamtproduktion 880000 t). Demgegenüber beträgt der Anteil der Ostzone bevölkerungsmäßig gemessen an der Gesamtbevölkerung (65911000 Personen) nur 26,3 Prozent. Der Ertrag von Roggen, Kartoffeln und Zucker in der Ostzone übersteigt also bei weitem den Bedarf der dortigen Bevölkerung. Der Überschuß wird aber weder an die Westzonen abgegeben, noch kommt er der Bevölkerung der Ostzone zugute, die ernährungsmäßig keinesfalls besser gestellt ist, als die Bevölkerung der britisch-amerikanischen Zone. [] Die allgemeine Verpflegungslage [] Die Lebensmittelzuteilung in der Ostzone erfolgt in der Hauptsache in vier Verbraucherkarten: Schwerarbeiter, Arbeiter, Normalverbraucher (sonstige Bevölkerung - Angestellte) und Kinderkarten. Es gibt weiter eine Kartengruppe Schwerstarbeiter, die in den Großstädten als Ersatz für Schwerarbeiterkarten verausgabt wird und im Gebiet der Landbevölkerung, der im Bergbau tätigen und in wenigen gesundheitsschädlichen Berufsgruppen der Landbevölkerung bewilligt wird, was aber eine äußerste Seltenheit darstellt. Eine Kartenperiode entspricht jeweils dem Kalendermonat, der Aufruf bzw. die Ausgabe der Lebensmittel erfolgt in Zeitabschnitten von einer Dekade (10 Tage). Angesichts der im Vergleich zum Westen ernährungspolitisch recht günstigen Struktur der Ostzone sollte man meinen, daß dort die Ernährungslage entsprechend günstiger sein müßte. Das ist aber keineswegs der Fall. Wohl sind die Rationssätze der Ostzone im Augenblick für manche Lebensmittel höher als im Westen, doch werden in den Westzonen dafür wiederum andere Nahrungsmittel in größeren Mengen als in der russischen Besatzungszone ausgegeben, Hinzu kommt, daß die Qualität der in den Westzonen zur Ausgabe gelangenden Nahrungsmittel, insbesondere Brot und Nährmittel bedeutend besser als in der Ostzone ist. [] Fischkarten gibt es in der Ostzone z. B. überhaupt nicht. Eine Belieferung mit Fischwaren wird an Stelle von zustehenden Fleischrationen aufgerufen, wobei das Kalorienverhältnis nicht dem Austauschverhältnis entspricht. Die Belieferung mit Fischwaren ist eine solche Seltenheit, daß mit diesem Nahrungsmittel noch heute die besten Schwarzmarktgeschäfte gemacht werden können (ein Hering wird z. B. zu dem Mindestschwarzmarktpreis von 11 Mark je Stück verkauft). Hieraus erklären sich auch die vielen illegalen Grenzgänger mit Fischwaren, welche die Züge der Ostzone überfüllen und eine Plage der übrigen Reisenden geworden sind. [] Nachstehend eine Gegenüberstellung der Rationssätze der wichtigsten Lebensmittel für Schwerarbeiter und Arbeiter in der Ostzone und in der vereinigten Westzone (in Gramm je Tag): [] Schwerarbeiter Arbeiter [] Ostzone Westzone* Ostzone Westzone* [] Brot 450 500 400 390 [] Fleisch 50 44 40 29 [] Fett 30 20 15 12,4 [] Nährmittel 50 116 35 80 [] Zucker 25 40 20 38 [] Kartoffeln 500 570 500 430 [] Die erwähnte Schwerstarbeiterkarte der Ostzone, die in Großstädten zur Ausgabe gelangt und in allererster Linie ein Mittel zur Belohnung von ergebenen und zuverlässigen Dienern des Regimes ist, ist mit der Schwerstarbeiterzulage der westlichen Besatzungszone nicht zu vergleichen. Während im Osten die Schwerstarbeiterkarte neben den Ergebenen und Dienern des Regimes den leitenden Personen in Verwaltung und öffentlichen Betrieben ausgegeben wird und sie den Arbeitern in der Industrie nur in ganz besonders seiten gelagerten [] *) Während in der Ostzone alle Arbeiter, die nicht als Schwer- bzw. als Schwerstarbeiter gelten, zur Gruppe der Normalarbeiter gezählt werden, gibt es in der Westzone hierfür noch drei Unterteilungen: Mittelschwerarbeiter, Teilschwerarbeiter und Normalarbeiter. Um ganz objektiv zu sein, wurde als Maßstab für die Berechnung der Tagesrationssätze im Westen die mittlere Gruppe, d. h. die der Teilschwerarbeiter angenommen. [] Fällen zugute kommt, erhält die Schwerstarbeiterzulage im Westen tatsächlich der Arbeiter, der seiner Arbeit entsprechend auch die Schwerstarbeiterzulagen verdient - nach unserer Meinung ist allerdings dieser Kreis noch viel zu gering, [] Die Normalverbrauchergruppe, zu der in der Ostzone ebenso wie in der Westzone auch die Angestellten gerechnet werden, ist hier wie dort ernährungsmäßig wesentlich schlechter gestellt. So erhält ein Normalverbraucher in der Ostzone täglich 350 g Brot (in der Westzone 285 g), Nährmittel 25 (45), Zucker 20 (36), Kartoffeln 500 (285). Fleisch und Fett, das zur Zeit weder in der Ostzone noch in der Westzone voll beliefert wird, soll daher nicht in Betracht gezogen werden. Von Vorteil für die Verbraucher in der Westzone ist jedoch, daß sie jede Woche zusätzlich 250 g Fisch bzw. 125 g Hering bekommen, während in der Ostzone Fisch auf die Fleischabschnitte angerechnet wird. Die hier zum Vergleich gestellten Rationssätze sind für einen für die britisch-amerikanische Zone höchst ungünstigen Zeitpunkt herangezogen worden, und zwar für die 111. Zuteilungsperiode (2.-29. Februar 1948). Bekanntlich wurden die Rationssätze in der Westzone Ende vorigen Jahres bzw. im Januar dieses Jahres sowohl für Brot und Kartoffeln als auch für Fett und Fleisch vorübergehend gekürzt. Wenn, wie aus der Gegenüberstellung ersichtlich, die Zuteilung im Westen sich mit denen der Ostzone im allgemeinen trotzdem die Waage halten, so ergibt sich - ganz objektiv gesehen -, daß im Westen bisher immer höhere Rationen zugeteilt (und auch ausgegeben!) wurden als in der Ostzone. So betrug der Kalorienwert der auf eine Normalverbraucherkarte zugeteilten Lebensmittel Ende 1947 in der Ostzone 1316, in der Westzone [] dagegen 1553 Kalorien. Während in der Westzone eine vernunftmäßige Untergliederung von Kinderkarten vorgenommen wurde müssen wir feststellen, daß es eine solche Untergliederung der verschiedensten Altersstufen bei Kindern in der Ostzone nicht gibt. In der Ostzone gibt es nur eine einheitliche Kinderkarte von 0-14 Jahre. Während in der Westzone eine weitere Untergliederung von Kartengruppen - richtigerweise auf die körperliche Entwicklung junger Menschen Rücksicht nehmend - stattgefunden hat, gibt es eine solche Untergliederung zur Hilfe der Jugend in der Ostzone nicht. Dort erhalten alle über 14 Jahre alten Bewohner die Kartengruppe "Sonstige Verbraucher", wenn sie nicht gerade durch ihre berufliche Tätigkeit in die Gruppe der Arbeiter fallen. Die in der Ostzone so oft gepriesene angebliche Kinder- und Jugendfreundlichkeit des herrschenden Regimes wird sehr deutlich in der Nichtuntergliederung der Altersgruppe von Kindern und Jugendlichen als ein propagandistischer Bluff erkannt. [] Während in der Westzone werdende Mütter bereits ab vierten Monat der Schwangerschaft eine Zusatzkarte erhalten, gibt es eine solche in der Ostzone erst ab sechsten Monat der Schwangerschaft, wobei die verabreichten Rationssätze in der Westzone höher sind. Darüber hinaus gibt es Sonderaufrufe für verschiedene Kategorien von Verbrauchern, die jedoch keiner bestimmten Regel unterworfen sind und je nach Provinz und Arbeitsgebiet gewissen Abweichungen unterliegen. [] Eine Sonderregelung der Verpflegung ist für die in den Bergwerken der Ostzone beschäftigten Arbeiter getroffen worden. Hier bekommen der unter Tage beschäftigten Arbeiter als auch das ingenieurtechnische Personal unter Tage sowie die bei der Gewinnung von Kalisalzen in den Bergwerken und bei der Herstellung von Superphosphat Beschäftigten neben der üblichen Schwerarbeiterkarte folgende Zusatzrationen monatlich: 600 g Fleisch 300 g Fett, 150 g Nährmittel, 50 Zigaretten sowie täglich 250 g Brot. Bei Erfüllung des festgesetzten Arbeitssolls mit mehr als 100 Prozent bekommen Bergarbeiter unter Tage noch außerdem täglich ein markenfreies Essen, bestehend aus 400 g Kartoffeln, 50 g Nährmittel, 10 g Fett, 50 g Fleisch, 100 g Brot, ferner 2 Zigaretten. Außerdem werden den Untertagearbeitern bei besonders guten Leistungen Prämien in Form von Lebensmittelpaketen von Fall zu Fall zuerkannt. Arbeiter und das ingenieurtechnische Personal der Kohlengruben, die über Tage beschäftigt sind, erhalten zusätzlich nur das Mittagessen (jedoch nur dreimal wöchentlich Fleisch) und 30 Zigaretten monatlich, ferner 100 g Käse. Haben die Arbeiter über Tage ihr Soll mit mehr als 100 Prozent erfüllt, bekommen sie zusätzlich weitere 10 Zigaretten je 10 Tage. Bei Nichterfüllung des Arbeitspensums wird ihnen das Mittagessen entzogen. [] Zum Vergleich seien hier die Rationssätze der Bergarbeiter in den Westzonen angeführt. Diese betragen für eine Zuteilungsperiode (vier Wochen) für Untertagearbeiter zusätzlich zur Normalverbraucherkarte: 1865 g Fett, 4000 g Fleisch, 2500 g Nährmittel, 12000 g Kartoffeln. Seit Mitte Januar 1948 wird an die Bergarbeiter der Westzone vorübergehend zwar nur die Hälfte Fett ausgegeben als Ausgleich dafür bekommen sie aber die doppelte Menge Zucker. Außerdem bekommt ein Bergarbeiter je Tabakwarenperiode 60 Zigaretten sowie eine Flasche Schnaps monatlich. Eine Gegenüberstellung der Tagesration für Untertagearbeiter in den Bergwerken der Ostzone und der britisch-amerikanischen Zone ergibt folgendes Bild: [] Tagesration [] Osten Westen [] Brot 700 760 [] Fleisch 120 157 [] Fett 50 70 [] Nährmittel 125 134 [] Kartoffeln 900 715 [] Bei den angeführten Lebensmittelzuteilungen in der Ostzone handelt es sich nur um die lt [!] Karte theoretisch zustehenden Mengen. Die tatsächliche Belieferung sieht jedoch in der Praxis ganz anders aus. So wird die zugeteilte Fleischmenge in der ganzen sowjetischen Besatzungszone in der Regel nur zu einem Drittel, und zwar immer nur für eine Dekade je Monat beliefert. Für die übrigen zwei Dekaden gibt es für Fleisch Austauschprodukte, die aber dem Kaloriengehalt des Fleisches bei weitem nicht entsprechen. Die Austauschprodukte werden von den Ernährungsämtern je nach der zur Verfügung stehenden Art und Menge dieser Produkte festgesetzt. Angesichts der sehr unterschiedlichen Versorgungslage der einzelnen Gebiete der Ostzone weichen daher auch die für Fleisch jeweils festgesetzten Austauschprodukte in den verschiedenen Gebieten wesentlich voneinander ab. In der Regel wird für eine Dekade Fleisch als Austauschprodukt Quark geliefert, und zwar für 50 g Fleisch 200 g Quark. Für das übrige Fleisch gibt es teilweise Fisch im Verhältnis 1:1, Wurst im Verhältnis von 100:60 bzw. für 50 g Fleisch 100 g Zucker. [] Auch die Belieferung mit Fett, die bis zum Beginn des Jahres 1947 - wenn auch vielfach mit großer Verspätung - im allgemeinen voll erfolgte, wurde in den letzten Monaten nicht mehr eingehalten. Als Ersatzprodukt für Fett gab es Zucker, in geringem Umfang auch Fleisch oder Quark. [] Von Januar bis Februar 1948 gelangte fast in der ganzen Ostzone überhaupt kein Fett zur Ausgabe; nur Kinder bis fünf Jahre bekamen Fett. [] Die Auslieferung der Nährmittel erfolgt zwar voll, doch ist die Qualität derselben sehr schlecht. Und zwar kommen zur Verteilung vielfach bitteres Hafermehl oder schlecht geschälte Haferflocken, grobe Graupen, Nudeln aus sehr dunklem Mehl oder Bratlingspulver. Die Gemüsebelieferung ist zumeist sehr mangelhaft. In verschiedenen Städten, wie Leipzig, Dresden und Potsdam, hat es im Laufe des verflossenen Sommers überhaupt kein Gemüse oder Obst gegeben. [] Als einziges Nahrungsmittel wird in der sowjetischen Besatzungszone das Brot in der zugestandenen Höhe ohne Verzögerung beliefert. Doch ist die Qualität des Brotes äußerst minderwertig. Reines Roggenmehl darf überhaupt nicht verbacken werden. Es enthält immer eine beträchtliche Beimischung von grobem Hafer- oder Gerstenmehl und anderen Ersatzprodukten. Darüber hinaus müssen die Bäcker in der Ostzone aus 1 kg Mehl 11/2 kg Brot backen, was bei dem schlechten Mehl ein außergewöhnlich wasserhaltiges Brot ergibt. (In den Westzonen beträgt der Ausbuk 1:1 1/3, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß hier bedeutend besseres Mehl zur Auslieferung gelangt.) [] An Kartoffeln waren für den Winter 1947/48 in der sowjetischen Besatzungszone 3 Zentner je Person zur Einkellerung vorgesehen. Die Belieferung ist jedoch bis jetzt nur teilweise durchgeführt. Ein bereits im Februar 1948 verzeichneter katastrophaler Kartoffelmangel in der Ostzone läßt eine nachträgliche Belieferung mit Winterkartoffeln sehr fraglich erscheinen. Auch im Sommer 1947 fiel die Kartoffelzuteilung in der ganzen Ostzone fast vollkommen aus. Anstatt Kartoffeln gab es zumeist Salzgemüse oder Sauerkohl, und zwar im Verhältnis von 1:2, wobei festgestellt werden muß nach eigenen Angaben der sowjetisch lizenzierten Zeitungen daß das Salzgemüse schwere gesundheitliche Schäden verursachte und die Krankenhäuser in den Großstädten mit Magenkranken überfüllt waren. Das von dem Salzgemüse gesagte trifft auch für die - zum großen Teil aus getrockneten Kartoffelschalen bestehenden - verausgabten Kartoffelflocken zu. [] Die Milchbelieferung, die in der Sowjetzone schon immer katastrophal war, hat in den letzten Woche eine weitere Verschlechterung erfahren. Selbst für Kleinkinder wurde die Milchzuteilung gekürzt. So wird in Halle den Kindern im Alter von 2 bis 5 Jahren neuerdings nur jeden zweiten Tag 1/4 Liter Magermilch verabfolgt; eine Kürzung der vollkommen unzureichenden Menge von 1/4 Liter Vollmilch täglich konnte bei diesen Kleinkindern nicht gut vorgenommen werden. Dagegen wurde den Kindern von über 5 Jahren die Vollmilch gänzlich entzogen. [] Die Milchbelieferung ist teilweise so katastrophal, daß in amtlichen Bekanntmachungen der sowjetisch besetzten Zone bekanntgegeben werden muß, daß jede Ausgabe von Milch an Kinder über fünf Jahre und Kranke (trotz ärztlicher Anordnung) verboten ist. Bei den obigen Darlegungen handelt es sich ausschließlich um die Versorgungsverhältnisse in den größeren Städten der Ostzone. Die Versorgungslage der Kleinstädte und der landlosen Bevölkerung des flachen Landes ist jedoch noch viel schlechter, da diese eine Gruppe tiefer als die Stadtbevölkerung versorgt werden. Auch ist die Belieferung in der Provinz zumeist noch viel unregelmäßiger als in den Städten, so daß die hier wohnhafte Bevölkerung als der am schlechtesten versorgte Teil der Bewohner der Ostzone angesehen werden muß. Nicht besser ist auch die Lage der meisten Neusiedler, denen jegliche Fleisch- und Fettzuteilungen entzogen wurden, obgleich die meisten von ihnen noch kein Vieh besitzen. [] Sonderzuteilungen für privilegierte Personen [] Seit dem 1. Mai 1947 haben die russischen Behörden für die ganze Ostzone eine besondere Zusatzverpflegung für deutsche Spezialisten eingeführt, für die besondere Lebensmittelgutscheine durch die SMA ausgegeben werden. Diese Sonderzuwendungen sind in drei Gruppen eingeteilt: Sondergruppe, Gruppe 1 und Gruppe 2. Die Sondergruppe erhalten Regierungsmitglieder, hervorragende Wissenschaftler und Künstler. In die Gruppe 1 sind Wissenschaftler, wissenschaftliche Betriebsleiter, Künstler, Universitätsprofessoren und Dozenten und Rektoren von höheren Schulen eingereiht. Die Gruppe 2 erhalten hohe Staatsbeamte, Abgeordnete, Ingenieure in Reparationsbetrieben und SAGs, Lehrer für Spezialfächer, Spezialisten in russischen AGs und Reparationsbetrieben sowie in einigen Fällen Angestellte und Arbeiter der russischen Dienststellen. [] Die Zuteilungen betragen je Monat ungefähr (in Gramm): [] Sondergruppe Gruppe 1 Gruppe 2 [] Fleisch 4000 2500 2000 [] Butter 1000 1000 800 [] Zucker 1000 750 500 [] Nährmittel 4000 3000 2000 [] Brotmehl 6000 5000 5000 [] Kaffee-Ersatz 200 100 100 [] Kartoffeln 20000 10000 10000 [] Zigaretten 400 Stück 300 Stück 200 Stück [] Die Lebensmittel für diese Sonderzuteilungen werden dem deutschen Versorgungsbereich ohne Rücksicht auf den allgemeinen Versorgungsplan entnommen. [] Diese Bevorzugung der Intellektuellen und Künstler wird vielfach mit Recht als eine Bestechung dieser Kreise angesehen doch erklärt man hierzu seitens der SEP-Kreise, daß es sich hier lediglich um einen Ausdruck der Wertschätzung handele, deren sich die Kulturschaffenden in der Sowjetzone ebenso wie in der Sowjetunion seitens der Behörden erfreuten. [] Außerdem gelangen an führende Politiker der drei Blockparteien SEP, CDU und LDP, an Personen mit wichtigen Funktionen sowie an bestimmte Journalisten laufend Lebensmittelpakete mit Schmalz, Mehl, Zucker, Hülsenfrüchten usw. zur Verteilung. Für die Ausgabe dieser als "Stalin-Pakete" bekannten Zuwendungen gibt es keine festen Regeln. Sie werden nach der jeweiligen wertmäßigen Beurteilung der betreffenden Personen von Fall zu Fall zugebilligt, wobei die Pakete von den Bedachten bei der russischen Stelle selbst abgeholt werden müssen. [] Ursachen des Lebensmittelmangels [] Wenn nun die Bevölkerung der Ostzone trotz des - wie dargelegt - sehr beträchtlichen Überschusses an landwirtschaftlichen Erzeugnissen ernährungsmäßig dennoch sehr unzulänglich, in mancher Hinsicht sogar schlechter als die in den Westzonen versorgt wird und wenn seit der russischen Besetzung aus den Ländern der Ostzone - bis auf geringe Kartoffel- und Getreidelieferungen trotzdem keine Lebensmittelabgaben an die Westzonen erfolgt sind, so liegen für diese bedauerliche Gestaltung der Dinge folgende besonders augenfällige Ursachen vor: 1. Ein außerordentlich hoher Rückgang der Ernteerträge und 2. Ausfuhr großer Mengen von Lebensmittel nach Rußland, enormer Verbrauch durch die russischen Besatzungsangehörigen und übermäßige Verarbeitung der Kartoffeln zu Sprit. [] Der Rückgang der Ernteerträge [] Neben dem in ganz Deutschland durch das Fehlen von Kunstdünger verursachten Rückgang der Ernteerträge, war in der sowjetischen Besatzungszone die überstürzte und unsachgemäße Bodenreform der Hauptgrund für die ungünstige Entwicklung. Die Bebauung der Neusiedlerstellen konnte bis jetzt nur sehr mangelhaft durchgeführt werden, da den Neusiedlern weder Zugvieh noch landwirtschaftliche Geräte zur Verfügung stehen. Hinzu kommt der Mangel an Naturdünger, da die Russen vor der Freigabe der Gutshöfe das Vieh fast restlos abschlachteten oder mitnahmen und außerdem der Viehbestand der Bauernwirtschaften durch willkürliche Beschlagnahme stark dezimiert wurde. Im Vergleich zum letzten Friedensjahr 1938 mit dem Höchststand landwirtschaftlicher Bebauung und dem letzten Kriegsjahr 1944 mit den bereits spürbaren Folgen des Krieges, stellte sich der Ernteertrag 1946 in der Sowjetzone folgendermaßen dar: [] Durchschnittserträge Durchschnittserträge [] (in dz/ha) 1946 (in %) [] 1938 1944 1946 v. 1938 v. 1944 [] Roggen 21,0 17,7 11,6 52,2 65,5 [] Brotgetreide 24,4 19,8 12,8 52,2 64,6 [] Weizen 30,7 24,8 16,0 52,1 64,5 [] Gerste 28,9 22,4 14,5 50,2 64,7 [] Hafer 27,2 17,7 14,5 53,3 81,9 [] Hülsenfrüchte 16,5 13,9 10,3 62,4 74,0 [] Kartoffeln 163,2 142,0 120,4 73,7 84,8 [] Zuckerrüben 291,2 239,3 163,7 56,2 68,4 [] Futterrüben 468,7 304,8 233,3 51,1 78,5 [] Raps und Rübsen 22,1 13,5 6,2 28,2 45,9 [] Lebensmittelausfuhr nach Rußland [] Die in den Jahren 1945 und 1946 ganz ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung der Ostzone durchgeführe [!] [durchgeführte] willkürliche Ausfuhr von Lebensmitteln aller Art nach Rußland wurde auch im Jahre 1947 systematisch und planmäßig fortgesetzt. Umfassende Angaben über die Lebensmitteltransporte nach Rußland sind nicht zu erlangen, da diese Transporte streng geheim, vielfach sogar getarnt vor sich gehen. Anhaltspunkte über den Umfang der Ausfuhr ergeben sich jedoch aus dem beobachteten Güterverkehr auf den Grenzstationen der Ostzone. So passierten im Laufe des Monats Februar 1947 folgende Transporte von Nahrungsgütern die Grenze der Ostzone in Richtung Rußland: [] 11 Züge mit 454 Waggons Mehl [] 9 " " 448 " Getreide [] 25 " " 1166 " Zucker [] 1 Zug " 50 " Textilien. [] Im Monat April 1947 gingen an nur einem einzigen Grenzübergang, und zwar Frankfurt/O., folgende Lebensmitteltransporte nach Rußland: [] 11 Züge mit 474 Waggons Zucker [] 1 Zug " 52 " Getreide [] 1 " " 44 " Schweinen [] 1 " " 44 " Textilien. [] Des weiteren wurde festgestellt, daß nach dem Osten abgehende Lebensmitteltransporte auch als UNRRA-Sendungen getarnt und durch die Tschechoslowakei geleitet wurden. An einem Tage allein wurden vier Züge festgestellt, die Zucker, Mehl und in Marmeladeneimern getarnte Butter enthielten. Die Waggons waren plombiert und trugen die Aufschrift "UNNRA''. [] Als Beispiel für die hohe Lebensmittelausfuhr nach Rußland kann das Land Thüringen angeführt werden, wo von der gesamten land-wirtschaftlichen Erzeugung im ersten Halbjahr 1947 nach Rußland geliefert werden mußten: [] Fleisch 92 Prozent [] Eier 34 Prozent [] Fett 46 Prozent [] Getreide 28 Prozent [] Kartoffeln 18 Prozent [] Die in der Ostzone bestehenden Konservenfabriken arbeiten fast ausschließlich für russischen Bedarf, da für die deutsche Zivilbevölkerung Konserven nicht zur Ausgabe gelangen. So wurde z. B. die gesamte Obsternte - bis auf ganz geringe Mengen - den Konservenfabriken zugeführt. Auch die Fleischkonservenfabriken sind trotz des geringen Viehbestandes zum Teil in Betrieb. In der Fleischkonservenfabrik von Heine in Halberstadt wurden z.B. im 4. Quartal vorigen Jahres 400 Merino-Schafe zu Konserven verarbeitet. Die Schafe stammten von einem Gut in der Nähe von Halberstadt. Die Abschlachtung erfolgte entgegen einem ausdrücklichen Befehl der Landwirtschaftsabteilung der SMA Karlshorst auf Anordnung der Reparationsabteilung. [] Die Versorgung der sowjetischen Besatzungsangehörigen, die ausschließlich aus deutschen Beständen erfolgt, stellt außerdem eine sehr bedeutende Belastung für die Ernährungswirtschaft der Ostzone dar. Diese Belastung wirkt sich besonders fühlbar bei den hochwertigen landwirtschaftlichen Produkten aus, da die Zuteilung dieser Produkte an die einzelnen Besatzungsangehörigen ungewöhnlich groß ist. So mußten im Sommer 1947 für jedes Familienmitglied der russischen Besatzungsangehörigen täglich unter anderem 250 g Butter, 2 Liter Milch und 2 Eier geliefert werden. Bei der hohen Zahl der Besatzungsangehörigen in der Sowjetzone bedeuten Zuteilungen in dieser Höhe, daß die Butter- und Fettproduktion der Zone weitgehendst für die Besatzungsmacht bereitgestellt werden muß. Bei Nichtlieferung der geforderten Mengen für die Besatzungstruppen werden die für die Versorgung der deutschen Bevölkerung dringendst benötigten Nahrungsmittel rücksichtslos beschlagnahmt. [] Wie weitgehend auch die Zuckerproduktion von der russischen Besatzungsmacht in Anspruch genommen wird, davon zeugt nachstehende Aufstellung über den Zuckerverbrauch in der Provinz Sachsen-Anhalt im Jahre 1946: [] Rohzucker Weißzucker [] (in Tonnen) (in Tonnen) [] Deutsche Zivilbevölkerung 220 27000 [] Rote Armee 1800 260000 [] Ausfuhr (zonal und interzonal) 83760 116000 [] Das Land Sachsen hat die Auflage erhalten, für 1948 auf Reparationskonto 230000 t Zucker zu liefern (Anordnung von 1947 war das Reparationskonto-Soll 200000 t). Da der Ertrag der diesjährigen Ernte wesentlich geringer als in den Vorjahren ist, wird die Zuckerproduktion des Landes 200000 t nicht übersteigen, so daß die Erfüllung der Reparationsforderungen Schwierigkeiten machen wird. Daß dabei der Zivilsektor die allergrößten Opfer bringen muß, braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden. [] Dazu kommt eine weitgehende Inanspruchnahme der Kartoffelernte für die von der Besatzungsbehörde angeordnete Spiritusproduktion. So wurden z. B. allein in Sachsen-Anhalt aus dem Wirtschaftsjahr 1946 bis April 1947 für die Alkoholproduktion 2,25 Millionen Zentner Kartoffeln verwendet. Diese Menge hätte ausgereicht, um 3/4 Zentner Kartoffeln pro Kopf der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt zusätzlich zu verteilen. [] Laut amtlichen Angaben sind in der gesamten Ostzone im Wirtschaftsjahr 1946/47 für die Spiritusproduktion 4,76 Prozent der Kartoffelernte verwendet worden, was bei einer Gesamternte von 11495000 t eine Menge von 547162 t Kartoffeln ergibt. Je Kopf der Bevölkerung macht das 31,3 kg Kartoffeln aus. Als weiteres Beispiel für die enorme und vielfach unrationelle Spiritusproduktion in der Ostzone sei die Spiritusfabrik Zehdenick im Lande Brandenburg angeführt, wo allein für die Zeit vom Frühjahr bis Oktober 1947, also für einen Zeitabschnitt, in welchem die Spiritusfabrikation normalerweise eingestellt wird, eine Produktionsmenge von 3 Millionen Liter Spiritus vorgesehen war. Als die alten Kartoffelvorräte aufgebraucht waren, mußten die Bauern aus der Umgebung von Zehdenick unreife Kartoffeln aus der Erde holen. Zum Teil hatten diese Kartoffeln erst die Hälfte der eigentlichen Größe erreicht. [] Für das neue Wirtschaftsjahr 1947/48 soll - wenn man den Ankündigungen Glauben schenken kann - die Spiritusproduktion in der Ostzone angesichts der schlechten Kartoffelernte wohl um ein Drittel gekürzt werden. Das ergibt aber immer noch eine Menge von 364774,7 t Kartoffeln, die damit der Menschlichen Ernährung entzogen werden. [] Herausgeber: Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands [] Göttinger Drckerei- [!] [Druckerei] u. Verlagsgesellschaft mbH., CFA 606, 446/ 5 48, Kl. C
Published:01.1948 - 05.1948