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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals NR. 5 - APRIL 1956 [] Ausgabe Bremerhaven [] Sirene [] NACHRICHTENBLATT FÜR DIE MITGLIEDER DER IG METALL AUF DEN WESER-WERFTEN [] Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich [] Gegenüber den Verschleppungsmanövern der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände hat der Beirat der IG Metall eindeutig Stellung bezogen. [] Der Beirat hält eine Fortsetzung der Arbeitszeitgespräche zwischen dem DGB und der Bundesvereinigung für sinnlos. Deshalb wurde der Vorstand der IG Metall durch den Beirat beauftragt schnellstens in Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverbund der Metallindustrie einzutreten. Dabei soll den Metallindustriellen ein konkreter Plan vorgelegt werden, wie und in weichem Zeitraum die 40-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich zu erreichen ist. [] Der Beirat erklärt weiterhin: [] Wenn in einer angemessenen Frist diese Verhandlungen ohne Ergebnis bleiben sollten, müßten andere gewerkschaftliche Mittel angewandt werden. [] Dann müßte dort, wo Manteltarife zur Erneuerung anstehen, die ganze Kraft der IG Metall zur Durchsetzung der Forderung auf Arbeitszeitverkürzung eingesetzt werden. [] Das ist eine offene und klare Kampfansage. [] Familie wartet [] 40 Stunden sind genug [] Aufruf [] zum 1. Mai 1956 [] Am 1. Mai dieses Jahres danken wir den Mitgliedern der Gewerkschaften unseres Bundes dafür, daß sie durch ihre Haltung und durch ihre Einsicht die Spaltung der deutschen Gewerkschaften verhindert haben. Der Anschlag auf die Einheit der Gewerkschaften ist abgewehrt; die Kraft der einheitlichen und unabhängigen Gewerkschaftsbewegung hat sich bewährt. Die freie, unabhängige deutsche Gewerkschaftsbewegung steht mit ihrer ganzen Kraft bereit, die Demokratie im öffentlichen Leben und in den Betrieben gegen alle Widersacher zu verteidigen. [] Aus dem Vertrauen auf die eigene Kraft ist das Aktionsprogramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes entstanden. Seit der Veröffentlichung des Aktionsprogramms um 1. Mai des vergangenen Jahres ist es den Gewerkschaften gelungen, Erhöhungen der Löhne und Gehälter für Millionen von Arbeitern, Angestellten und Beamten durchzusetzen. [] Erste Erfolge auf dem Wege zu einer allgemeinen Verkürzung der Arbeitszeit sind erreicht! [] Unsere Forderung auf Erhöhung der Renten wird heute von der überwiegenden Mehrheit des Volkes als berechtigt anerkannt. [] Das Aktionsprogramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat Weg und Ziel der im Deutschen Gewerkschaftsbund vereinigten Gewerkschaften in den zurückliegenden zwölf Monaten bestimmt. Geschaffen durch den Bundeskongreß, ist es Ausdruck des Willens und der Anstrengungen, die die Mitglieder der Gewerkschaften unseres Bundes im letzten Jahr unternommen haben. [] Es ist und bleibt ureigenste Aufgabe der Gewerkschaften, die menschliche Arbeitskraft zu schützen, die Existenz zu sichern und den Lebensstandard zu verbessern. [] Die Forderungen unseres Aktionsprogramms bleiben auf der Tagesordnung. Wir rufen alle Gewerkschaftsmitglieder auf, sich mit ganzer Kraft für ihre Verwirklichung einzusetzen. [] Von den öffentlichen und privaten Arbeitgebern erwarten wir mehr Verständnis und eine schnellere Bereitschaft zur Lösung der anstehenden sozialen Fragen: [] "Gebt den Alten und Rentnern das, worauf sie nach einem Leben voller Anstrengungen und Entsagungen Anspruch haben, durch entsprechende Erhöhung ihrer Renten! [] Gebt den arbeitenden Menschen zum Schutze ihrer Arbeitskraft das längere Wochenende, damit sie vor Frühinvalidität und vorzeitigem Verfall ihrer körperlichen und geistigen Kräfte bewahrt bleiben!" [] Die Gewerkschaften und ihr Bund werden nicht ruhen und nicht rasten, bis die Forderungen des Aktionsprogramms Wirklichkeit geworden sind. [] Wie in den vergangenen Jahren, so erheben wir auch an diesem 1. Mai eindringlich unsere Stimme für die Wiedervereinigung unseres Volkes und unseres Landes. Auch unser Volk hat und behält sein Recht auf Selbstbestimmung. Es muß wieder zusammenkommen, was zusammengehört. [] Freiheit und Selbstbestimmung der Völker dienen dem Frieden; Unfreiheit und Herrschaft über die Völker erhöhen die Spannungen und tragen schwere Gefahren für die friedliche Weiterentwicklung in sich. [] An diesem 1. Mai richten wir ein besonderes Wort an alle die Arbeiter, Angestellten und Beamten, die noch nicht zu uns gehören: [] Niemand ist zu gering und niemand ist zu hochgestellt, um nicht dennoch durch seine Mitgliedschaft in den Gewerkschaften des DGB Mitstreiter zu werden und dadurch dem sozialen Fortschritt zu dienen. [] Düsseldorf, den 1. Mai 1956 [] Deutscher Gewerkschaftsbund [] Bundesvorstand [] W. Freitag [] "Nein, ich kann um Sonnabend nicht so zeitig kommen - wir haben leider noch keine 40-Stunden-Woche" [] Die "Berlin" während ihrer Liegezeit auf Dock im Norddeutschen Lloyd Bremerhaven. [] Der ehemalige Dampfer " Gripsholm" wurde in einer Geste gegenüber der gespaltenen Viersektorenstadt in "Berlin" umbenannt. Die "Berlin" fährt den Liniendienst Bremerhaven - New York. [] Beim Nachziehen der Kurbeilagerbolzen im Maschinenraum der "Berlin". [] Links im Bild der große Bruder eines Schraubenschlüssels. Damit er sich bewegt, wird er gerammt. [] In der Gießerei der Bremer Atlas-Werke: Einguß in eine 5-Tonnen-Form. [] Die Tätigkeit der Gießer ist gefährlich und schlecht bezahlt. Die Gießer sind ein Mangelberuf, in ihm arbeiten zumeist ungelernte oder angelernte Arbeiter. [] Kollegen [] Eure Gewerkschaft bereitet sich zur Zeit auf weitgehende Manteltarif -Verhandlungen vor. Stärkt die Position Eurer Gewerkschaft für diese kommenden Tarifverhandlungen: Sorgt dafür, dass die noch abseitsstehenden Kollegen Mitglieder der IG Metall werden. [] Unser Ziel: [] Jede Werft 100 prozentig gewerkschaftlich organisiert. [] FINANZIELLE LEISTUNGEN DER IG METALL, VERWALTUNGSSTELLE BREMERHAVEN: [] Wir zahlten 1955 fast an jeden 4. Kollegen Krankenunterstützung, im Schnitt 23.- DM, insgesamt 49858.- DM. [] Wir zahlten an 740 Rentner insgesamt 84 000.- DM Invalidenunterstützung. [] Während des Werftarbeiterstreiks 1953 erhielten 3600 streikende Bremerhavener 1107 000.- DM an Streikunterstützung. Alle seit der Währungsreform bis dahin gezahlten Beiträge erhielten die Kollegen damit zurück und hatten doch noch den Anspruch auf die übrigen Unterstützungen der IG Metall. [] Im Jahre 1955 zahlten wir allein an Sterbegeld 10 660.- DM. [] Diese Zahlen beweisen: [] Alle nicht für Kampfzwecke benötigten Beiträge fließen an die Mitglieder in Form sozialer Unterstützung zurück. Immer mehr Arbeitnehmer erkennen die wirtschaftspolitische Notwendigkeit der Gewerkschaften. 1955 traten in Bremerhaven 1600 Kollegen der IG Metall als Mitglieder bei. [] Der 1. Mai 1956 [] IN BREMERHAVEN [] 9 Uhr [] Aufstellung des Maiumzuges auf dem Neumarkt Geestemünde [] 10 Uhr [] Abmarsch zum Platz vor dem Stadthaus Lehe (über Grashofstraße - Schillerstraße - Rheinstraße - Friedrich-Ebert-Straße - Fährstraße - Bürgermeister-Smidt-Straße [!] - Lloydstraße - Hafenstraße - Hinrich-Schmalfeld-Straße) [] 11 Uhr [] KUNDGEBUNG [] Es spricht: Bürgermeister a. D. Paul Nevermann, Hamburg [] Kein Gewerkschafter fehlt bei dieser Demonstration für das gewerkschaftliche Aktionsprogramm. Kein Gewerkschafter ohne Maiabzeichen [] Lest die illustrierte Maizeitung des DGB [] NORDDEUTSCHER LLOYD - WERFT [] Der Betriebsrat meint: [] Wir brauchen ein neues Sozialgebäude! [] Die alte Kantine entspricht schon lange nicht mehr den an sie gestellten Anforderungen. [] Trotz der Ausweichmöglichkeiten zur alten Lloydkantine brauchen wir eine neue, moderne Kantine. [] Endlich sollte ein Sozialgebäude gebaut werden, in dem neben einer neuen Kantine u. a. auch der Betriebsrat zweckmäßigere Räumlichkeiten beziehen kann. [] Unterkunftsräume fehlen [] Die vorhandenen Unterkunftsräume und die sanitären Einrichtungen reichen nicht mehr aus. [] Die Beanspruchung durch die Fremdfirmen und durch das Personal der zur Reparatur liegenden Schiffe macht diesen Mangel noch spürbarer. [] Ganz besonders gilt das für den alten Betriebsteil in Höhe des Kaiserdocks I, hier muß schnellstens Abhilfe geschaffen werden. [] Hier hat der Betriebsrat der AG "Weser"-Seebeck-Werft das Wort: [] Die Selbsthilfe der Arbeiter und Angestellten machte es möglich, die durch den Krieg und seine Folgen stark mitgenommene Seebeck-Werft der AG "Weser" wieder arbeitsfähig zu machen. Wir wollen uns jener Zeit erinnern wo durch gemeinsame Anstrengungen die Stillegung verhindert werden konnte. Die Werft arbeitet, Aufträge sind vorhanden, die Hochkonjunktur ermöglichte viele betriebliche Verbesserungen. [] Aber vieles ist noch zu tun. [] Vor allem in sozialer Beziehung. [] Das Fehlen von Aufenthalts- und Duschräumen macht sich stark bemerkbar. Die Elektriker zum Beispiel müssen während der Pausen immer in ihrer Werkstatt bleiben. Für sie wird hoffentlich bald eine Lösung gefunden werden. [] Die Schlosserei wurde zwar neu gebaut, doch bisher fehlten die unbedingt notwendigen Heizungsanlagen. Die behelfsmäßigen Ölöfen waren nur ein unzureichender Ersatz. [] Die beschränkten Investitionsmittel ließen zunächst den Bau von Heizungsanlagen nicht zu. Das Drängen des Betriebsrates gegenüber der Werftleitung und im Aufsichtsrat hatte Erfolg: Bis zum Herbst 1956 werden die Heizungsanlagen für die, Schlosserei erstellt sein. [] Den neuen Lehrlingen schmeckt es noch mal so gut in der modernen Kantine der Seebeck-Werft. [] Die Unfallgefahr bannen! [] Auf der Seebeck-Werft geschehen zuviel Unfälle. Die Unfallziffern sind höher als bei anderen Werften. Trotz der dauernden Bemühungen unserer Unfallvertrauensleute konnte die Unfallquote bisher nicht gesenkt werden. Wir veröffentlichen deswegen eine Aufstellung der Unfälle des Monats März. Diese nüchternen Zahlen sollten zu denken geben. Im Oktober und November 1955 waren monatlich 100 Unfälle zu verzeichnen. Im Dezember 1955 ging diese Anzahl auf 69 zurück. Im Januar 1956 erhöhte sich die Zahl auf 86. Im Februar waren es 85 und im März 95. [] Kollegen! Helft durch verstärkte Vorsichtsmaßnahmen die steigenden Unfallzahlen zu verhindern! [] Die hohe Anzahl der Arm- und Beinverletzungen deutet darauf hin, daß vielfach Unachtsamkeiten Unfälle herbeigeführt haben. Dazu kommt die mangelhafte Betriebssicherheit. Kabel und Schläuche behindern vielfach die Zugänge zum Arbeitsplatz. Das brauchte nicht zu sein und kann von heute auf morgen abgestellt werden. Die Werftleitung sollte sofort etwas tun, um die Unfallgefahr zu verringern. [] Kollegen, meldet Unfallquellen sofort den Unfallvertrauensleuten oder dem Betriebsrat. Damit helft Ihr Euch und Euren Kollegen. [] Unfälle im Monat März 1956 [] Aufteilung der Betriebsunfälle: [] Tödliche Unfälle - [] schwere Unfälle - [] mittelschwere Unfälle 1 [] minderschwere Unfälle 3 [] leichte Unfälle 83 [] (4 Kopfverletzte, 34 Arm und Hand, 38 Bein und Fuß, 7 Körper) [] Augenverletzte 4 [] Vergiftungen 4 [] Gesamtsumme 95 [] Von den Betriebsunfällen entfallen auf: [] Werkstätten des Schiffbau 17 [] Werkstätten des Maschinenbau 16 [] Lager und Werftgelände 11 [] Neubauten (an Bord) 45 [] Reparaturschiffe (einschl. Slip und T-Dock) 6 [] Gesamtsumme 95 [] Ein neuer Start [] WAHLSIEG DER IG METALL BEI LLOYD-MOTOREN [] Die Belegschaft der Lloyd-Motoren-Werke in Bremen wählte am 9./10. April ihren neuen Betriebsrat. Die Wahlbeteiligung betrug bei den Arbeitern 82 v.H., bei den Angestellten 81 v. H. [] Während die Angestelltenvertreter gemäß der Gruppenwahl auf einer Liste gewählt wurden, lagen den Arbeitern fünf verschiedene Vorschlagslisten vor. [] Liste Nr. 1 war die Liste der IG Metall. Auf ihr kandidierten mit Unterstützung der Ortsverwaltung der IG Metall Kandidaten, die sich in der Vergangenheit zum Sprecher der Belegschaft gegen die Praktiken der bisherigen Betriebsräte gemacht hatten. [] Die ehemaligen Betriebsrate hatten eigene Listen aufgestellt. [] Der neonazistische Deutsche Arbeiter-Verband trat unter der Tarnbezeichnung "Unabhängige Wählergemeinschaft" auf und glaubte, aus der anscheinenden Uneinigkeit der Belegschaft Kapital schlagen zu können. [] Konzentrierte Aufklärung der bisher schlecht organisierten Belegschaft durch die gewerkschaftlichen Vertrauensleute, offene Worte der IG-Metall-Kandidaten über die bisherigen Betriebsratspraktiken und ein sofortiges Ausschlußverfahren aus der IG Metall gegen die Schuldigen an der Uneinigkeit in der Belegschaft wirkten als reinigendes Gewitter. [] "Neuer Start", das illustrierte Nachrichtenblatt für die IG-Metall-Mitglieder bei Lloyd-Motoren hatte wesentlichen Anteil an der Wiedererringung einer gefestigten gewerkschaftlichen Position. [] Der neue Start gelang: [] 67,2% der abgegebenen Stimmen erhielt die IG-Metall-Liste, die damit 15 der 20 Arbeiter-Betriebsräte stellt. Die Liste der ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden erhielt nur 12,8% = 2 Betriebsratssitze. Der DAV konnte nur noch 10,2% für sich buchen = 2 Betriebsräte. [] Eine sogenannte "Liste der Körperbehinderten, Schwerbeschädigten, Rentner und Kriegerwitwen" erhielt 5,1% der Stimmen, obwohl zu diesem Personenkreis ca. 20% der Belegschaft gehören. [] Bei den drei gewählten Angestelltenvertretern handelt es sich um je ein Mitglied der IG Metall und der DAG und um einen Nichtorganisierten. [] Zieht man in Betracht, daß der Gewerkschaft in diesem schnell hochgeschossenen Betrieb mit einer Belegschaft ohne traditionsmäßige Bindungen an die Arbeiterbewegung besonders schwierige Aufgaben gestellt waren, so ist dieses Wahlergebnis ein großer Erfolg. Und dazu eine eindeutige Absage an die Gewerkschaftsspalter und eine Lektion für die ehemaligen Betriebsräte, die glaubten, ohne die Gewerkschaft auskommen zu können. [] Die Belegschaft der Lloyd-Motoren-Werke bekannte sich also bei dieser Betriebsratswahl zu einer geeinten Gewerkschaft und gegen die Kandidaten der Separatlisten und Splittergruppen. [] Bemerkenswert ist außerdem, daß im neuen Betriebsrat kein Kommunist vertreten sein wird. [] Beiderseits fatal [] Der 1. SED-Sekretär Walter Ulbricht und der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände Paulsen sind gesellschaftlich gesehen durch Welten voneinander getrennt. [] Vernimmt man allerdings ihreÄußerungen zur 40-Stunden-Woche, dann fallen die Grenzen: Der Vertreter des sowjetzonalen Staatskapitalismus und der Vertreter der bundesrepublikanischen Unternehmer haben einen täuschend ähnlichen Standpunkt. [] Ulbricht sprach auf der 3. SED-Parteikonferenz zum 2. Fünfjahrplan der "DDR"". Dabei verkündete er, daß während seiner Laufzeit (1956-1960) der 7-Stunden-Tag erreicht und die 40-StundenWoche in bestimmten Industriezweigen eingeführt werden soll. [] Großer Jubel der KP-Presse. Ihnen fiel ein Stein vom Herzen: anscheinend hatten sich doch nun endlich auch die SED und der FDGB in ihrem Herrschaftsbereich die Forderungen des DGB-Aktionsprogrammes (mit dem sie heuchlerisch soviel Propaganda machen) zu eigen gemacht. [] Aber, wie furchtbar traurig für das Werfttribünenecho und andere Befehlsempfänger-Echos: [] SED-Ulbricht hatte die Einführung von 7-StundenTag und 40-Stunden-Woche von fast den gleichen Voraussetzungen abhängig gemacht wie die bundesrepublikanischen Unternehmervertreter. Es ist ein eigenartiges Vergnügen, die einschlägigen Stellen des Jahresberichtes der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände mit der entsprechenden Ulbricht-Erklärung zu vergleichen. Paulsen und Ulbricht sind beide "im Prinzip natürlich für die 40-Stunden-Woche"', aber... Was beide zur Voraussetzung der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich machen, bedeutet einen weiteren und verstärkten Raubbau an der menschlichen Arbeitskraft. [] Ist es nicht beiderseits fatal, sich in seinen Ansichten so nahe zusammengerückt zu wissen? Ist das nicht wieder einmal ein erneuter Beweis, wie sehr die Arbeitgeberinteressen gegenüber den Arbeitnehmern übereinstimmen? Dabei ist es gleich, ob es die Interessen des Staats-, des Monopol- oder des Privat-Kapitals sind. Gegenüber den Arbeitnehmern ist ihre Sprache die gleiche: [] Ulbricht: [] "Der Zeitpunkt des Übergangs zum verkürzten Arbeitstag wird in jedem Industriezweig und in jedem Betrieb davon abhängen, bis wann die realen Bedingungen geschaffen werden, die die unbedingte Erfüllung der im zweiten Fünfjahrplan vorgesehenen Steigerung der Arbeitsproduktivität und Senkung der Selbstkosten gewährleisten." [] "All das macht erforderlich, die bisherigen Arbeitsnormen zu überprüfen und entsprechend den neuen Produktionsbedingungen zu erhöhen." [] Paulsen: [] "Wie die Lohnfrage, so ist aber auch die Frage einer generellen Verkürzung der Arbeitszeit in der deutschen Volkswirtschaft ein Produktionsproblem . . ." [] "Eine Verringerung der Produktion kann bei einer effektiven Verkürzung der Arbeitszeit nur vermieden werden, sofern durch technische Maßnahmen im Zuge einer verstärkten Rationalisierung, also durch erhöhten Einsatz von Investitionsmitteln die verkürzte Arbeitszeit ausgeglichen werden kann. Bei der derzeitigen Kapazitätsauslastung der deutschen Wirtschaft erfordert dies aber Kapital und Zeit." [] Ist der Arbeiter ein Mensch 2. Klasse? [] Gibt es überhaupt eine Begründung dafür, daß sein Lohn im Krankheitsfalle nicht fortgezahlt wird? Kann man den Arbeitern verweigern, was längst für die Beamten und Angestellten zur Selbstverständlichkeit wurde? Womit will man denn noch die Karenztage ohne Einkommen und ohne Leistungen der Krankenkasse begründen? Wie lange glaubt denn der Staat und der "Sozialpartner" Millionen Arbeiterinnen und Arbeitern die Lohnfortzahlung vorenthalten zu können? Wie lange noch sollen Krankheiten verstärkte soziale Unsicherheit in die Arbeiterfamilien bringen dürfen? [] Was wird nicht alles über die ",Managerkrankheit" geschrieben! Doch, was schreibt man über die Unzahl der Arbeiter, die aus Angst vor der 50prozentigen Einkommensminderung sich nicht krankschreiben lassen, oft gar nicht zum Arzt gehen und ihre Krankheit verschleppen und weiterarbeiten, bis sie auf dem Hund sind? [] Hier liegt kein Mißstand vor, das ist eine soziale Schande und zugleich ein volkswirtschaftlich unverantwortlicher Verschleiß wertvoller Arbeitskräfte. Deshalb fordern Arbeiter, Angestellte und Beamte gemeinsam im gewerkschaftlichen Aktionsprogramm: [] "Es ist unbillig und ungerecht zugleich, daß Arbeitern bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit in den ersten sechs Wochen kein Lohn gezahlt wird. Um dieses seit Jahren und Jahrzehnten bestehende Unrecht zu beseitigen, ist eine Lohnweiterzahlung durch Tarifvertrag oder Gesetz einzuführen." [] Bei den neuen Manteltarifverhandlungen wird die IG Metall den Arbeitgebern die Lohnfortzahlung als eine ihrer Hauptforderungen stellen. [] Endlich muß dieses Unrecht an Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern beseitigt werden. [] Unsere Forderung noch der 40-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und die Forderung auf Lohnfortzahlung bei Krankheit gehören eng zusammen. Dafür wollen wir nicht nur am 1. Mai demonstrieren, dafür wollen wir in der Zukunft unsere gewerkschaftliche Kampfkraft aufbieten. [] Verantwortl.: IG Metall, Ortsverwltg. Bremen, F. Düßmann. - Druck: Buchdruckwerkst. Hannover GmbH
Published:05.1956