An die zukunftsgläubige Jugend!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; AN DIE ZUKUNFTGLÄUBIGE JUGEND! [] Es ist menschlich verständlich, daß viele junge Menschen, als Folge der furchtbaren Erlebnisse der letzten Jahre, heute bitter enttäuscht sind, sich belogen und verraten, unverstanden und vereinsamt fühlen,...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Kreis Reutlingen
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1946 - 1947
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/21520E00-62DE-40A6-9BDB-7251034998E5
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; AN DIE ZUKUNFTGLÄUBIGE JUGEND! [] Es ist menschlich verständlich, daß viele junge Menschen, als Folge der furchtbaren Erlebnisse der letzten Jahre, heute bitter enttäuscht sind, sich belogen und verraten, unverstanden und vereinsamt fühlen, in Gleichgültigkeit und Interesselosigkeit versinken, nichts mehr glauben und von Politik nichts mehr wissen wollen und sich von den Parteien fernhalten. Dennoch sind diese negativen Reaktionen falsch und schädlich, weil sie den langsamen seelischen Untergang dessen bedeuten, der sich ihnen hingibt. Nur der Mensch, der auf Schicksalsschläge positiv reagiert, der am Leben des Ganzen aktiv teilnimmt, nur der politische Mensch wirkt mit an der Gestaltung des Geschickes der Gesamtheit und damit seines eigenen. [] Seht Euch einmal um und überlegt: Entweder errichtet die junge Generation zusammen mit der älteren aus den Trümmern der vergangenen Epoche eine neue bessere Welt - oder sie wird nie errichtet! Wer das erkannt hat - und viele junge Menschen haben es schon erkannt -, der schaut nicht mehr zurück in das Dunkel der Vergangenheit, sondern beginnt wieder lebensbejahend und mit neuer Hoffnung in die Zukunft zu blicken und sich für die Schaffung eines neuen Lebens zu interessieren. Er weiß, daß unser aller Zukunft das ist, was wir aus ihr machen, daß sie davon abhängt, wie wir die Gegenwart meistern. Wer sich heute nicht bewährt, kann nicht erwarten, daß ihm künftig vom Schicksal eine Chance geboten wird. Alles im Leben will durch eigene Leistung errungen sein. [] In der Tat: So furchtbar viel ist in unserer Heimat zerstört, daß der Wiederaufbau nur unter vielerlei Entbehrungen und größtem Opfermut durchgeführt werden kann. Millionen Deutsche sind arm geworden: sie haben alles verloren, Hab und Gut, Haus und Hof. Sie alle müssen sich eine neue Existenz aufbauen. Dazu kommen Millionen Flüchtlinge aus dem Osten, die der Hilfe bedürfen. Jetzt gilt es zu zeigen, was Kameradschaft, was Menschlichkeit und gegenseitige Hilfe bedeutet! Wenn hier nicht alle Allen zu helfen bereit sind, geht alles zugrunde! [] Immer mehr junge Menschen beginnen heute, den Scheinidealen der letzten Jahre den Laufpaß zu geben. Sie erkennen, daß es nun für sie gilt, die verlorenen Jahre einzuholen, wieder zu lernen und sich für den Lebenskampf stark zu machen. Ueberall gehen sie daran, sich vom Gewesenen auf die Zukunft umzustellen. Sie sehen ein, daß sie es sich nicht leisten können, weiter tatenlos herumzustehen und zuzuwarten, indes die Aktiveren, die ihre Enttäuschung überwunden haben, sich bereits wieder in das Leben einschalten, sich auf neue Stellungen vorbereiten und sich zugleich durch Teilnahme an dem Leben der Parteien die Möglichkeit sichern, ihre politischen Wünsche zu äußern und ihrer Verwirklichung zuzuführen. Nichts ist gefährlicher, als träumend an der Ecke zu stehen, während das Leben vorübereilt und die Tüchtigen die Gelegenheiten ergreifen, die sich ihnen bieten. Wer allzulange zögert, läuft Gefahr, eines Tages, wenn er endlich erwacht, überall zu spät zu kommen und den Anschluß ans Leben endgültig zu verpassen. Denn in der neuen Gemeinschaft, die aus den Trümmern der alten heraufwächst, bestimmt kein Führungsanspruch, sondern allein die Persönlichkeit, die Leistung und der Einsatz des Einzelnen den Platz, den er einnimmt. [] Heute gibt es nur noch ein Heldentum: das Heldentum unermüdlichen Einsatzes in harter täglicher Arbeit für den Aufbau einer neuen besseren Welt. Zu diesem Heldentum der Arbeit ruft das Schicksal heute unser Volk und besonders die Jugend auf. Davon, wie viele diesem Rufe folgen, hängt es ab, wie unser aller Zukunft sich gestaltet. Versucht es nur einmal, Euren Unmut über die erlebten Enttäuschungen durch Leistungen abzureagieren! Ihr werdet sehen, wie wohl das tut, wie es innerlich frei und stark macht, wie mit der Leistung wieder das Vertrauen zur inneren Kraft erwacht und wie mit dem Erwachen des Selbstbewußtseins zugleich der Aufstieg zu den Höhen des Lebens beginnt. Ihr werdet hellsichtig für die Wirklichkeit des harten Lebens, in das wir alle heute gestellt sind; Ihr werdet erkennen, daß wir für den Neuaufbau tüchtige Arbeiter und Handwerker aller Art brauchen, Kaufleute und Organisatoren, Techniker und Ingenieure, junge, zukunftgläubige Menschen, die ihren Mann stehen, weil sie wissen, was sie wollen. [] In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird es keinem leicht gemacht, sich im Leben durchzusetzen, sein Schicksal zu meistern und zu höheren Stellungen aufzusteigen. Aber die Schwere der Aufgabe hat noch nie junge Menschen abgeschreckt. Denn die Möglichkeit und die Kraft zum Aufstieg hat jeder in sich - er muß nur lernen, diese Möglichkeiten zu erkennen und seine schlummernden Kräfte zu entfalten. Er muß vor allem sein Wissen erweitern und vieles hinzulernen, damit er im friedlichen Wettbewerb der Kräfte seinen Mann steht. Er muß von der Freiheit und Freizeit, die er früher ja nicht besaß, den bestmöglichen Gebrauch für seine Zukunft zu machen lernen. Er soll nicht nur die Schönheiten der Natur und die Wunder des Lebens mit offenen Augen in sich aufnehmen, sondern auch die reichen Schätze des menschlichen Geistes, die unvergänglichen Werte der deutschen, europäischen und Weltliteratur kennenlernen und an den Fortschritten der Wissenschaft auf allen Gebieten teilhaben - lauter Dinge, die man der Jugend 10 Jahre bewußt vorenthalten hat! Wir wollen, daß den jungen Menschen alle Bildungsmöglichkeiten erschlossen werden; weil im Leben letztlich durchaus nicht die rohe Kraft entscheidet (die immer nur Scheinsiege zu erringen vermag), sondern der überlegene Geist. Es gilt, den jungen Menschen zu helfen, ihr Wissen und Können beständig zu erweitern und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhöhen und, wie dies in anderen Lindern selbstverständlich ist, ihre schlummernden Fähigkeiten und [] Talente zu erkennen und entwickeln zu lernen, ihre so lange gefesselten seelischen und geistigen Kräfte zu entfalten und ihre schlummernden Möglichkeiten zu entdecken und auszuwerten. [] Damit dies erreicht wird, haben sich die Aktiveren unter den jungen Menschen bereits den verschiedenen politischen Parteien zugewandt, die ja in einem demokratischen Volksstaat die beste Möglichkeit zur Erreichung dieser Ziele bieten. Und unter den demokratischen Parteien des neuen Deutschland wiederum ist es die fortschrittfreudige Sozialdemokratische Partei, die diese Möglichkeiten in besonderem Maße bietet und seit je die Bestrebungen der Volksbildung am stärksten gefördert hat und hier naturgemäß um so mehr durchzusetzen vermag, je mehr junge Menschen sich ihr anschließen und aktiv in ihr mitarbeiten. [] Wir jungen Menschen, die wir uns entschlossen auf das neue Ziel, die Schaffung einer besseren Zukunft, umgestellt haben, erblicken in der Sozialdemokratischen Partei die bestmögliche Plattform für die Verwirklichung unserer Ideale. Darüber hinaus verbindet uns mit dieser Partei der Glaube an den schließlichen Sieg des Guten im Menschen und in der Menschheit, und der Entschluß, unsere ganze Kraft für ein immer besseres gegenseitiges Verstehen einzusetzen, für eine immer segensreichere Zusammenarbeit untereinander und mit den anderen Völkern. [] Wir sind bereit, an der Verwirklichung des besseren Zeitalters, das wir ersehnen, mit all dem Idealismus, all der Liebe und Hingabe, die ungebrochen in uns leben, mitzuarbeiten. Und wir erwarten, daß alle zukunftgläubigen jungen Menschen beiderlei Geschlechts sich uns anschließen und unsere Reihen verstärken. Wir wollen, daß den jungen Menschen in unserem Volke die Möglichkeit gegeben wird, mit der ganzen Welt in Kontakt zu kommen, die Wesensart fremder Völker, ihre Kunst, Literatur und Lebensweisheit, ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen, Einrichtungen und Bestrebungen möglichst aus eigener Anschauung kennen zu lernen und sich so ein lebendiges Bild der Welt zu machen, wie sie wirklich ist. Bei alledem wollen wir Deutsche bleiben, aber zugleich erkennen, daß in den anderen Völkern die gleichen wertvollen, nach Licht, Freiheit und Glück strebenden Menschen leben wie bei uns. [] Freunde! Kameraden! Ihr wollt mitreden und mitbestimmen. Dazu aber müßt ihr zuerst mitmachen! Wer beiseite steht, kann nicht erwarten, daß er gehört wird. Wer sich aber mit Gleichgesinnten zusammenschließt, sich politisch betätigt und beim Wiederaufbau mit Hand anlegt, der wird auch gehört und hat die Möglichkeit, mitzubestimmen, wie es künftig in unserem Volke aussehen wird! Eben darum haben wir uns der Sozialdemokratischen Partei angeschlossen, die ja nichts anderes ist als der Ausdruck und das Instrument des Willens der in ihr Zusammengeschlossenen. Und wir können allen zukunftgläubigen jungen Menschen nur raten, das Gleiche zu tun! [] Wer hier nicht mitmacht, der begibt sich seines besten Rechtes: des Rechts der Mitbestimmung bei der Gestaltung der Zukunft unseres Volkes. Zugleich begibt er sich damit auch des Rechts der Kritik, wenn die Zukunft nicht so, wird, wie er sie erhofft! Seht Euch die Männer und Frauen an, die heute an der Spitze der örtlichen Parteigruppen, der Gemeinden, der Kreise und der Länder stehen, und nehmt Euer Recht wahr, durch Teilnahme an den Wahlen und an der Parteiarbeit das Gesicht der Parteien und die Zukunft unseres Volkes aktiv mitzubestimmen!! Das ist ja gerade der Vorzug der Demokratie gegenüber der Diktatur, daß jeder Einzelne das Geschick des Ganzen und die Entscheidungen der maßgebenden Männer mit beeinflußt und - wenn nötig - ändern kann! [] Und denkt ja nicht, das, was Ihr um Euch herum seht, sei schon Demokratie und Sozialismus! Wir stehen ja erst am Anfang des Aufbaus. Bisher konnten sich die positiven Kräfte der Demokratie und des Sozialismus in unserem Volke noch nicht entfalten. Daß das anders wird, hängt mit davon ab, ob Ihr Euch entschließt, Euch in das politische Leben einzuschalten und die Partei zu unterstützen und zu verstärken, die dasselbe will, was Ihr wollt: die Herbeiführung einer besseren, lebenswerteren Zukunft! [] Und noch eins bedenkt! Die Augen der Jugend der ganzen Welt blicken heute auf Euch, fragend, was die deutsche Jugend tun wird: wird sie ein drittes Mal dem Lockruf irgendeines politischen Rattenfängers folgen, der die Welt aufs neue ins Unglück stürzt? Oder wird sie sich von jenem neuen Geist erfüllen lassen, der heute die Herzen der Jugend der ganzen Welt durchbraust und sie zu kameradschaftlicher Zusammenarbeit führt? Wird die deutsche Jugend als einzige in der Welt beiseite stehen? Wir jungen deutschen Sozialdemokraten sagen nein! Wir glauben an den neuen Geist des Sozialismus und der Demokratie, der Volksherrschaft und der Zusammenarbeit der Völker. Wir wollen nicht hassen, sondern verstehen. Deshalb bleiben wir doch Deutsche - aber nicht im Gegensatz zu den Andern, sondern als gleichberechtigte friedliche Partner neben den Andern. Wir wollen die andersartigen Denkwelten der Völker rings um uns begreifen lernen und ihnen gegenüber duldsam sein, wie ja auch wir Duldsamkeit bei den Anderen uns gegenüber erwarten. Wenn so alle den ehrlichen Willen zum Aufbau einer neuen, friedlichen und freien Welt mitbringen, dann wird aus den Trümmerfeldern Europas allmählich eine schönere Welt erblühen, in der es wieder jedem Freude macht, als freier Mensch seine schöpferischen Kräfte im friedlichen Wettbewerb der Geister zu betätigen. [] Freunde! Kameraden! Erkennt, daß Ihr durchaus nicht vor dem Nichts steht! Das Leben geht weiter und jeder von Euch hat die ganze Zukunft vor sich. Darum rufen wir Euch: Setzt Eure berechtigten Ansprüche auf Mitarbeit am öffentlichen Leben durch! Erkämpft Euer Recht auf Selbstbestimmung Eurer Zukunft und Aufstieg im Leben zu wachsender Freiheit, zu Erfolg und Glück! Schließt Euch uns, die wir das Gleiche wollen, an! Wir jungen Sozialdemokraten sind keine konfessionellen oder politischen Dogmatiker, sondern fortschrittsfreudige, für alles Edle und Gute aufgeschlossene, an die Zukunft des Menschengeschlechts glaubende und für sie kämpfende, Frieden und Freiheit bejahende Menschen! Zeigt der Welt, daß wir mit unserem Glauben an die deutsche Jugend recht haben! Schließt Euch der Sozialdemokratischen Partei an, damit wir gemeinsam allen Nöten und Schwierigkeiten zum Trotz ein edleres und schöneres Deutschland des Friedens und der Freiheit errichten! Arbeitet in unseren Reihen mit, dann habt Ihr die Gewißheit, daß keine Klique von Abenteurern je wieder die Möglichkeit findet, erneut ein ganzes Volk in Unglück und Elend zu stürzen! Helft mit! Dann sind die furchtbaren Opfer, die unser Volk in den vergangenen Jahren gebracht hat, nicht umsonst gewesen! Dann erblüht aus dem Chaos der Vergangenheit eine neue, glücklichere Zukunft, in der der Einzelne frei von Furcht, Hunger und Not, von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung leben und sich entfalten kann! [] Sozialdemokrat sein heißt für diese bessere Zukunft kämpfen! [] Wegen evtl. Anfragen und Beitrittserklärungen wenden Sie sich bitte an die Sozialdemokratische Partei - Kreis Reutlingen - Reutlingen, Lederstraße 67.
Published:1946 - 1947