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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; 17. JUNI [] FÜR EINHEIT IN FREIHEIT [] [] So kam es zum 17. Juni [] 9.7.1952 Ulbricht verkündet auf der SED-Parteikonferenz die letzte Phase der Sowjetisierung. [] 7.10.1952 Die "Volkspolizei" erhält sowjetrussische Uniformen und militärische Dienstgrade. [] 6.11.1952 Grotewohl gibt Versorgungsschwierigkeiten in Gemüse, Fleisch und Fetten zu. [] 19.12.1952 Die Kolchosierung der Sowjetzone beginnt. [] 4.2.1953 Grotewohl fordert vor der Volkskammer erhöhte Mittel zum Ausbau der Rüstung und der militärischen Volkspolizei. [] 14.2.1953 Die Sowjetzonenregierung gibt Versorgungsschwierigkeiten für Hausbrand und Kohle bekannt. [] 9.4.1953 Die Sowjetzonenregierung entzieht freien Berufsgruppen, Kaufleuten und Hausbesitzern die Lebensmittelkarten. [] 28.4.1953 Die evangelische junge Gemeinde wird verboten. [] 7.5.1953 Chemnitz und Fürstenberg (Oder) werden umbenannt in "Karl-Marx-Stadt" und "Stalinstadt". [] 28.5.1953 Die Erhöhung der Arbeitsnormen wird befohlen. [] [] Das war zuviel: [] "Volkswacht", Gera, Nr. 98 vom 28. April 1953: Hinweg mit den Bremsklötzen! Wir fordern von der Regierung Maßnahmen zur Erhöhung der Normen! Und zwar schnell! [] Nach der Normerhöhung vom 28. Mai 1953 ergaben sich für den Arbeiter bei gleichbleibender Leistung Lohneinbußen bis zu 45%. [] [] Hier begann es [] Siebzig Arbeiter des Baublocks 40 in der Ostberliner Stalinallee werden in die Geschichte den deutschen Volkes als die unbekannten Helden eingehen, die in der Sowjetzone das Panier der Freiheit errichteten. [] Ob die ersten Siebzig ursprünglich mit Billigung ihrer Funktionäre aufbrachen, um durch einen temperierten Protest der Regierung Gelegenheit zu geben, den zu stark gewordenen Druck zu mildern oder ob die Arbeitsniederlegung und der Marsch ohne Wissen der Funktionäre begann, ist unwichtig. Angesichts des mit Parteikränzen bedeckten Stalin-Denkmals wurde die Arbeitsniederlegung als Protest gegen die Heraufsetzung der Arbeitsnormen beschlossen. Drei Stunden danach marschierten bereits Tausende von Arbeitern. Wie von einer Lawine wurde jeder mitgerissen. Der Zug ging in die Wilhelmstraße zum ehemaligen Luftfahrtministerium, in dem sich die Büros der SED-Regierung befinden. "Abtreten - Ihr alle müßt zurücktreten!" Dieser Schrei kam aus Tausenden von Kehlen, als zwei Regierungsfunktionäre den Versuch machten, zu den Arbeitern zu sprechen. Von einem erbeuteten Lautsprecherwagen wurde die Parole für den 17. Juni ausgegeben: Generalstreik! Die SED-Regierung war ratlos. Vom Brandenburger Tor holten junge Ostberliner Arbeiter das Zeichen des Terrors, die Sowjetfahne, und hißten zwei schwarz-rot-goldene Flaggen. [] [] Überall ließen die Arbeiter und Handwerker ihre Arbeit im Stich und schlossen sich dem Demonstrationszug an [] In den Arbeiterbezirken Berlins entstanden Züge, die in das Zentrum der Stadt strebten. Schnell wurden Schilder und Transparente angefertigt und mit antikommunistischen Parolen versehen [] SED-Transparente, HO-Schilder, russische Inschriften und die verhaßten kommunistischen Fahnen wurden heruntergeholt, zerfetzt, zertrampelt und verbrannt [] Das Volk hafte sich unter Führung der Arbeiterklasse gegen eine Regierung erhoben, die vorgab, eine Arbeiterregierung zu sein. Ohne den militärischen Eingriff der Sowjets wäre sie von den Arbeitern hinweggefegt worden [] [] Die Ereignisse des 17. Juni fuhren wie ein Blitz in die Schein-Ruhe des Ostens [] Mit einem Schlag flog die Propagandafassade des SED-Regimes beiseite und die großartige Szene einer Revolution für die Freiheit wurde sichtbar, wie sie die moderne Welt seit über 100 Jahren nicht mehr erlebt hatte. Kein politisches Regime in Europa der letzten 150 Jahre wurde so sichtbar von der Masse eines ganzen Volkes verurteilt, wie das kommunistische Gewaltregime der SED. [] Als die Flamme der Erhebung von Berlin auf die gesamte Sowjetzone übergriff, als überall die Arbeiter marschierten, die Zuchthäuser stürmten und die politischen Gefangenen befreiten - da wußten die SED-Herren aus Pankow und ihre Meister aus Moskau kein anderes Rezept, als mit Panzern aufzufahren, das Standrecht zu verhängen und der Volkspolizei den Schießbefehl zu geben. [] Der 17. Juni wurde zum tragischen Dementi gegen alle, die die Zustände in der Sowjetzone verharmlost hatten [] [] Das Beispiel des Freiheitswillens der Berliner Arbeiter löste in der Sowjetzone ein gewaltiges Echo aus. Überall demonstrierten die Werktätigen gegen ihre Unterdrücker und schlossen sich dem Generalstreik an. Mit Sowjetpanzern, Volkspolizei und Standrecht wurde der Aufstand der Arbeiter niedergeschlagen [] [] DER SOWJETSTERN ZEIGT RISSE [] Die Nachricht vom Berliner Aufstand verbreitete sich trotz Nachrichtensperre, Meinungsterror und Gewalt bis tief ins Herz der Sowjetunion. [] In Prag erhoben sich die Arbeiter. In Warschau und Budapest, in Preßburg und Bukarest kam es zu Kämpfen. In den ehemals baltischen Staaten flogen kommunistische Parteihäuser in die Luft. Polnische Partisanen sprengten die Bahnstrecken und die Ferngasleitung von Wladenburg nach Görlitz. Über Schlesien mußte der Ausnahmezustand verhängt werden. [] In polnischen und tschechischen Kohlenrevieren kam es zu Aufruhr und Schießereien, und in der Nähe von Königshütte flogen 17 sowjetische Panzer in die Luft. In der Tschechoslowakei mußten Soldaten in die Kohlengruben einfahren, um die Förderung sicherzustellen. Dort wurden sie zu bewaffneten Arbeiterantreibern. Das kommunistische Regime entlarvte sich damit geradezu sinnbildlich als das arbeiterfeindlichste Regime, das jemals eine Herrschaft ausgeübt hatte. [] Als eine Folge den 17. Juni stürzte Berija, der Mann, der noch vor kurzem als ein Nachfolger Stalins galt, der allgewaltige Innenminister, Chef des Geheimdienstes, Leiter der Atomwirtschaft. Er wurde als Gegenspieler Malenkows erledigt. Ein Erdrutsch kam damit in Bewegung. Überall wurden seine Anhänger abgesetzt oder liquidiert. In der Sowjetzone wurden Zaisser und Herrnstadt, seine Günstlinge, verhaftet. Die großen Säuberungsaktionen in der Sowjetunion griffen auf die Satelliten über. In Ungarn wurde der allmächtige Chef der Geheimpolizei Gabor beseitigt, in Rumänien Patrascanu erschossen und der Sekretär des Politbüros Chisinevski abgesetzt. Überall waren Verhaftungen an der Tagesordnung. Bis heute sind die Auswirkungen erkennbar. [] Selbst in den riesigen Zwangsarbeitsgebieten der Sowjetunion weckte der Aufstand des 17. Juni bei den versklavten Menschen den Widerstandsgeist. Im berüchtigten Workutagebiet in Nordrußland begann im Sommer 1953 ein Streik, dem sich über 250000 Zwangsarbeiter anschlossen. Der Generalstaatsanwalt Rudenkow, früher sowjetischer Hauptankläger in Nürnberg, fuhr zur Beilegung der Unruhen in das Sklavenlagergebiet. Nach sieben Streiktagen wurden mehrere Divisionsverbände herangeholt, mit Waffengewalt gegen die Streikenden vorgegangen und standrechtliche Erschießungen befohlen. Allein aus einem Lager ist bekanntgeworden, daß 96 Tote und 180 Verwundete das Fazit des Aufstandes waren. [] [] Karte der Zwangsarbeitsgebiete in der Sowjetunion [] [] DER 17. JUNI hat für die ganze freie Welt sichtbar den Kommunismus entlarvt. Bis in den entferntesten Winkel wurde es offenbar: Die Sowjets haben die Arbeiter zu Sklaven gemacht. Nie wieder kann sich die Sowjetmacht auf eine Legitimation durch die Arbeiterklasse berufen. Sie ist als arbeiterfeindlich erkannt. Der Aufstand der Verzweiflung, die Toten des 17. Juni, sie stehen zwischen den Arbeitern und dem Kommunismus. Die Welt ist nach dem 17. Juni nicht mehr die gleiche wie vorher. [] [] An den Särgen der Opfer des Berliner Aufstandes legte Bundeskanzler Adenauer in unserer aller Namen den Schwur ab: [] "Wir werden nicht ruhen und nicht rasten - diesen Schwur lege ich ab für das ganze deutsche Volk - bis auch die Menschen in der Sowjetzone wieder Freiheit haben, bis ganz Deutschland wieder vereint ist in Frieden und in Freiheit." [] In Deutschland ist der 17. Juni über alle Parteischranken hinweg zum großen einigenden Ereignis geworden. Geschlossen feiern wir diesen Tag als Tag der deutschen Einheit. Wir begehen ihn nicht als Sieg, sondern als Mahnung an die Welt, Deutschland die Einheit in Freiheit zu geben. Wir erheben die Forderungen der Freiheitskämpfer des 17. Juni zur Forderung der Nation: [] FREIE WAHLEN IN GANZ DEUTSCHLAND [] FRIEDEN FÜR GANZ DEUTSCHLAND [] SICHERHEIT FÜR GANZ DEUTSCHLAND [] [] BILDER, DIE DIE WELT ERSCHÜTTERTEN [] Nur der Mut der Verzweiflung kann Menschen dazu befähigen, mit Steinen, Brecheisen, Knüppeln, ja mit der nackten Faust einen hoffnungslosen Angriff auf kanonenstarrende Panzer zu machen, die im Namen einer angeblich von Proletariern beherschten [!][beherrschten] Weltmacht gegen sie in Bewegung gesetzt wurden. [] [] 17. JUNI [] Dieser Tag geht in die Geschichte ein als DER ANFANG VOM ENDE des kommunistischen Gewaltregimes [] [] Herausgeber: Volksbund für Frieden und Freiheit e.V., Bonn, Schaumburg-Lippe-Straße 2
Published:17.06.1953