Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals;
Klare Fronten [] Die CDU als Unternehmerpartei [] Von Dr. Kurt Schumacher [] In Frankfurt ist eine politische Entscheidung gefallen. Die CDU/CSU hat im Wirtschaftsrat den sozialdemokratischen Anspruch auf das Wirtschaftsamt der Doppelzone abgelehnt. [] Das Verwaltungsamt für Wirtschaft war die einzige bizonale Position, die die Sozialdemokratie bisher innegehabt hatte. Dementsprechend war sie für die SPD unverzichtbar. Hier mußte eine klare Antwort auf eine klare Frage erfolgen: Aufbau des bankerotten [!][bankrotten], politisch und wirtschaftlich schuldigen Restkapitalismus oder ein sozialökonomischer Neubau. [] Der Exekutivausschuß in dem die Sozialdemokraten die Mehrheit haben, hatte dem Plenum des Wirtschaftsrates den Plan vorgelegt, zwei Sozialdemokraten und drei CDU-Leute als Direktoren bizonaler Verwaltungen zu bestimmen. [] Totalitätsanspruch der CDU [] Die CDU hat unter allen Umständen das Amt für Wirtschaft erkämpfen wollen. Sie sah die Konsequenz, daß dadurch die Sozialdemokratie zwangsläufig aus allen Möglichkeiten der wirtschaftspolitischen Verantwortung in der Doppelzone hinausgedrängt werden mußte. Sie hat aber diese Folgen akzeptiert und es für richtig gehalten, alle fünf bizonalen Aemter für sich zu kapern. Die CDU hat damit den Versuch gemacht, die totale Macht für die gesamte Wirtschaft in Westdeutschland an sich zu reißen. Dabei sind ihr peinliche und aufschlußreiche Fehler passiert. Von den fünf Direktoren sind drei Münchener, ein Beweis für die Richtigkeit der Meinung, daß eine sachliche Politik der CDU in Bayern längst durch die Methoden der persönlichen Vorteile abgelöst ist. [] SPD für klare Verhältnisse [] Die CDU/CSU verkündet überall eifrig und geschwätzig ihre Koalitionsbereitschaft. Die Sozialdemokratie ist für Klarstellung der wirklichen Verhältnisse. Die CDU versucht in fast allen Ländern, am meisten in Bayern, die Position einer rücksichtslosen Regierungspartei auszunutzen und gleichzeitig die Vorteile einer hemmungslosen Opposition für sich zu beanspruchen. In dem Fall des Wirtschaftsrates aber standen für die Sozialdemokraten die einfachsten Lebensinteressen der arbeitenden Bevölkerung in Frage. Sie war darum bereit, ehrlich und loyal mit allen aufbauwilligen Kräften zusammenzuarbeiten, um das Leben des Volkes zu erhalten. In der CDU aber haben die Geschäftsinteressen über die politischen Erwägungen gesiegt. [] Antidemokratische Tendenzen der CDU [] Das Wesen der CDU als einer totalitären Partei wird durch diese Methoden klargestellt. Ein Vergleich ist nur mit der naiven Dreistigkeit der kommunistischen Blockpolitik möglich. Es hieße unseren Sinn für Humor überanstrengen, wenn man von uns verlangt, eine demokratische Ligitimation der CDU anzuerkennen. Die Zusammensetzung des Wirtschaftsrates entspricht nicht den Wahlergebnissen der Doppelzone. Außer den Sozialdemokraten, dem Zentrum und den Kommunisten sind auch sehr große Teile der Anhängerschaft der CDU vom Willen zur sozialen Neugestaltung getragen. Die Bevölkerung der Doppelzone wünscht nicht die Politik der Unternehmer als Linie des wirtschaftlichen und sozialen Aufbaus. Außerdem wird die CDU ja wissen, daß sie nicht nur geistig, politisch und konfessionell, sondern auch gerade von der sozialen Seite her in einer großen Krise ist, der diese improvisierte Partei sehr wenig widerstehen kann. Die Wahlen vom 20. April in der britischen Zone dürften darüber Klarheit geschaffen haben. [] Ersatzprogramme und soziale Phrasenproduktion können diese Tatsache nicht aus der Welt schaffen. Reden, wie die des Kölner Kardinals, die die berufsständische Ordnung preisen, zeigen nicht nur den unsozialistischen, sondern auch den antidemokratischen Charakter dieser Partei. [] CDU gegen Sozialismus [] Die CDU/CSU muß wissen, daß sie mit der Frankfurter Entscheidung den Sozialismus, ja sogar die soziale Linie aufgegeben hat. Bei dem Spiel mit dem Sozialismus vor den staunenden Augen der katholischen Arbeitermassen ist ihr der Ball aus der Hand gefallen. Eindeutig steht die CDU/CSU als reine Unternehmerpartei da. [] Jetzt ist die CDU zusammen mit der FDP Trägerin der Wünsche des deutschen Restkapitalismus. Die unbelehrbaren und in ihrem Denken und ihrer Politik nicht mehr korrigierbaren Cliquen und Klassen sind durch die CDU vorläufig in die Kommandopolitik der westdeutschen Wirtschaft gebracht worden. Die in ihrer Grundhaltung vorgestrigen Parteien wollen das Wirtschaftssystem von vorgestern zur Herrschaft bringen. CDU und FDP sind Nutznießer des Verbotes der Sozialdemokratie in der Ostzone. Sie wollen jetzt Nutznießer der Aufteilung Deutschlands in zwei Teile sein. Mit ihrer privatkapitalistischen Wirtschaftspolitik vertiefen sie den trennenden Graben. Sie haben kein Gefühl der Verantwortung gegenüber dem ganzen Deutschland. Sie müssen wissen, wie sehr ihre Politik in Westdeutschland die Folgen haben muß, die arbeitenden Massen abzustoßen. [] CDU als kommunistischer Schrittmacher [] In einer Zeit, in der die Ostblockpolitik Europa aufspaltet und Deutschland mittendurch reißt, geben das deutsche Unternehmertum und seine politische Vertretung, die CDU und die bürgerlichen Splitter, den Kommunisten die bequeme Gelegenheit, den Westen als kapitalistisch und antisozialistisch zu denunzieren und ihren eigenen Staatskapitalismus als Sozialismus anzupreisen. [] So fortschrittliche und lebensnotwendige Initiativen wie der Marshall-Plan und die neue amerikanische Politik in den Direktiven kommen dadurch in die Gefahr, durch diese aufdringliche Bundesgenossenschaft der Besitzbürger von den Massen kompromittiert zu werden. [] Das Sozialprodukt ist in Deutschland zu klein geworden, um Ausbeutungs- und Monopolgewinne zu tragen. Die Interessen der Massen sind in den schärfsten Widerspruch zu der Klassenpolitik der bürgerlichen Parteien gekommen. Die jetzt von der CDU geführte Politik gefährdet die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Magnetwirkung der Doppelzone auf dieübrigen Zonen. Sie schwächt die Kaufkraft der konsumgüterbedürftigen Massen zugunsten der Unternehmerchancen. Die Kommunisten aller Länder werden ihr dankbar sein! [] SPD unbeirrt [] Die Sozialdemokratie kämpft unbeirrbar um Demokratie und Sozialismus! Für sie ist die Entscheidung von Frankfurt ein Provisorium in einer Kette von Provisorien. Bald wird das heutige Provisorium zugunsten einer sozialistischen Entwicklung überwunden sein. Die Sozialdemokratische Partei kämpft im Geiste der Freiheit. Schließlich war es ja Jefferson, der Schöpfer der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der 1816 geschrieben hat: "Nicht die Besitzenden garantieren uns die Fortdauer der Freiheit, sondern das Volk!"
|