Extrablatt der Bonner Zeitung; Manifest des deutschen Arbeiterkongresses

Bemerkungen: Reproduktion; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Nro. 38. Montag, den 25. Dezember 1848. [] Extrablatt der Bonner Zeitung [] Belehrung des Handwerkerstandes und zur Besprechung und Förderung seiner Interessen. [] Redacteur: Prof. Gottfried Kinkel. [] Dies Extrablatt erscheint...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: N.N., Carthaus, Bonn
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 09.1848
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/B3518C38-C645-498A-85C0-198A212FEEE9
Description
Summary:Bemerkungen: Reproduktion; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Nro. 38. Montag, den 25. Dezember 1848. [] Extrablatt der Bonner Zeitung [] Belehrung des Handwerkerstandes und zur Besprechung und Förderung seiner Interessen. [] Redacteur: Prof. Gottfried Kinkel. [] Dies Extrablatt erscheint jeden Montag. Preis vierteljährig 7 1/2. Ggr. Der Bonner Zeitung wird dasselbe gratis beigegeben. Anzeigen der Handwerker 3 Pfg. per Zeile. [] Manifest [] des [] deutschen Arbeiterkongresses [] an die konstituirende [!] Versammlung zu Frankfurt a. M. [] Unter diesem Titel hat der im Herbst d. J. zu Berlin versammelt gewesene und durch Beitritt des Gesellenkongresses in Frankfurt verstärkte Arbeiter-Kongreß eine Art Einleitung zu seinen Beschlüssen abgefaßt, die wir hier abdrucken, weil sie uns über die jetzige, von den Machthabern freilich noch nicht genehmigte Stellung des Arbeiterstandes ein helles Licht zu verbreiten scheint. Das Manifest lautet: [] Hohe National-Versammlung! [] Indem der unterzeichnete Kongreß der Arbeiter für sich so wie im Namen und Auftrag seiner Kommittenten, eines großen Theils der Arbeiter Deutschlands, Einer hohen deutschen National-Versammlung die von ihm durch einmüthige Berathung festgestellten Grundzüge einer den Anforderungen der Zeit entsprechenden Organisation der Arbeiter überreicht und zu geneigter Berücksichtigung bei der Berathung der Grundrechte des deutschen Volks angelegentlichst empfiehlt, übernimmt er zugleich die Verpflichtung, seine Anträge durch die nachfolgenden Erläuterungen zu unterstützen. [] Mit der gespanntesten Aufmerksamkeit und mit hingebender Erwartung haben die Arbeiter, nachdem die politische Bewegung Europa's auch sie in Anspruch genommen, sie zur Mitwirkung und, nach langer Zeit wieder, zum hoffen erweckt hat, die Maßregeln, welche die deutschen Staaten zur Begründung besserer Staatseinrichtungen ergriffen haben, namentlich den Entwurf, betreffend die Grundrechte des deutschen Volks und die davon ausgehenden Berathungen der hohen deutschen National-Versammlung verfolgt. [] Sie haben nunmehr leider die Ueberzeugung erlangt, daß auch in der Verfassungsurkunde für Deutschland die sociale Frage eben so wenig wie in anderen Verfassungsarbeiten, eine Stelle finden könne. [] Wir wollen der Besorgnis nicht Raum geben, daß eine hohe National-Versammlung bei Nennung der socialen Frage sich unwillig abwenden oder uns blos mit einer trocknen Erwähnung der französischen "Nationalwerkstätten" zur Ruhe verweisen werde. Wir würden in solchem Einwurfe nichts Anderes, als eine, uns freilich überraschende Unkunde des Gegenstandes erblicken und der Kürze halber nur antworten: Wenn eine edelmüthige Nation in ihrem ersten Aufwallen für einen guten Zweck eine ganz falsche Maßregel ergreift, so liegt darin keine Widerlegung der Sache und kaum ein Vorwurf für jene Nation; wer aber beide Momente in dieser Thatsache hervorhebt, beweist entweder sein Unvermögen oder seine Abgeneigtheit, auf dieselbe weiter einzugehen. [] Da uns aber ein solches Nichtanstehen oder Nichteingehen auf die Lebensfrage eines großen Theils der europäischen Bevölkerung seitens der Staatsmänner und Volksvertreter fast allenthalben entgegentritt, so müssen wir uns wohl fragen, was die Augen einsichtsvoller Männer in diesem Stücke verdunkle und ihre Einsicht beschränke? Die Antwort auf diese Frage liegt uns nahe, sie lautet: Wir Arbeiter und unsre Angelegenheiten stehen den Augen der Staatsmänner, wie diese bisher durch das Staatsleben gebildet wurden, zu fern, ja für die Meisten waren die Arbeiter eigentlich gar nicht als Staatsbürger da und sichtbar, sondern nur als Ziffern in den Bevölkerungslisten und in den Berechnungen der Volksmacht. [] Der Staat kennt nur den Besitz, als etwas Bleibendes, und die Besitzenden als bereits verschiedentlich organisirte und leiblich vorhandene Staatsbürger-Kasten; diese Massen liegen dem Staatsmanne, der über eine neue Konstitution verhandelt, lebendig vor Augen, sind durch spezielle Gesetze organisirt und seine neue Arbeit hat es nun blos damit zu thun, den Umständen gemäß da und dort einige Umgestaltungen anzubringen. [] Die Gesammtheit der Arbeiter steht dagegen nicht als eine bestimmte Staatsbürgermasse, welche einen Besitz habe und in diesem geschützt oder besser geordnet werden müsse, vor den Augen der Gesetzgeber. Die Gesetzgebung ist gegen sie nur beschränkend und maßgebend gewesen; an die Stelle des Schutzes stellt sie bei ihnen den Grundsatz: "dem Arbeiter ist erlaubt, in aller Freiheit und aus allen Kräften zu arbeiten und von dem Lohn der Arbeit zu leben." [] Der Staat verfährt in diesem Stück gewissermaßen richtig; denn so lange der Arbeiter nur als eine zerstreute Menschenmenge zu betrachten ist, läßt sich auch nichts Gesetzlichbestimmtes für ihn als Ganzes, oder für Glieder desselben, als Ganze, zur Beschützung von Rechten begründen. [] Es ist also vor allem erforderlich, daß die Arbeiter, um ihr Arbeiten als einen bestimmten Besitz in das Grundgesetz des Staats einzuführen, sich selbst als lebendige Gemeinschaften, gleichsam als politisch-beseelte Körperschaften, unter die übrigen Bürger hinstellen und den Staatsmännern bemerklich machen. [] Dies konnte nur von den Arbeitern selbst ausgehen. Es war bisher versäumt worden, ist aber von uns, soweit es der Augenblick zuläßt, nachgeholt worden, und die Organisation der Arbeiter Deutschlands, wie sie jetzt im Leben steht, liegt in den Grundzügen ihres Verfassungs-Statuts Einer hohen National-Versammlung vor Augen. Mit ihr steht in engster Verbindung das Statut über die Association der Arbeit, welches als zweiter Theil beigelegt ist. [] So organisirt, in dem Vorsatze, an der weiteren Ausbildung unseres Organismus mit aller Macht fortzuarbeiten, und in dem uns hiemit wiedergebornen Bewußtsein unserer Persönlichkeit und unserer Berechtigungen im Staatsleben treten wir setzt unter unsere Mitbürger und vor den gesetzgebenden Körper unserer Wahl, mit der Bitte: [] in der künftigen Gesetzgebung auch uns, als Besitzer der Arbeit, anzuerkennen und solche gesetzlichen Bestimmungen eintreten zu lassen, durch welche die Existenz und Fortdauer unserer Organisation und Association für alle Zeiten geschützt, und ihre weitere gedeihliche Ausbildung von Seiten des Staats begünstigt werden möge. [] Unsere Anträge für diesen Zweck liegen im dritten und vierten Theile vor; sie beziehen sich theils auf das Verhältniß der Arbeiter zu den Gemeinden, und auf die Rücksichten, welche sie von deren Verfassungen in ihrem Interesse erwarten, theils auf diejenigen allgemeinen Maßregeln, durch welche die Sache der Arbeiter in der Grundverfassung Deutschlands ihre Stütze und ihre Wurzel finden wird. [] Aus dem Vorgetragenem wolle Eine hohe deutsche National-Versammlung ersehen, daß wir frei von chimärischen Ansprüchen sind, wohl aber die Logik der Zeit unsre eigne hinlänglich auf Erfahrungswegen kennen gelernt haben, um einerseits unsre Erwartungen zu beschränken, andererseits aber auch nicht vor scheinbaren oder vorgespiegelten Schwierigkeiten u. Hindernissen zu erschrecken, wo wir deutlich erkannt haben, daß da oder dort tief und radikal eingegriffen werden müsse, wenn nicht alle Mühe vergeblich sein und das etwa zur Beruhigung Vermittelte bei näherer Betrachtung nur als eine Täuschung der Einbildungskraft erfunden werden solle. [] Das eine nämlich, worauf es bei allen Neugestaltungen im jetzigen Staatsleben wesentlich ankommt, ist dieses, daß die Staaten aus dem früheren rohen Naturzustande des Krieges, des Prunkes und der List, in welchem sich jeder ganz nach außen gegen die anderen Staaten wenden mußte, um sich gegen sie entweder zu schützen, oder sie durch sein Auftreten nach Art wilder Streiter, die sich wie Kinder putzen und bemalen, zu blenden, oder sie durch seine Diplomatie zu betrügen, daß sie aus diesem rohen mittelalterlichen Naturzustände der Staaten, oder richtiger der regierenden Autokraten, nunmehr auf sich selbst zurückkehren und das Wohl der Staatsbürger im Innern als die Hauptaufgabe ihres Daseins zu betrachten anfangen, welchem sie ihre ganze Aufmerksamkeit widmen, und von dem alten absolutistischen Prunk, so wie von der endlosen Streitfertigkeit des Heeres und von der Verschwendung der Bureaukratie möglichst viel ersparen müssen, um den edleren und besseren Zwecken der Menschheit obliegen zu können. [] Wir, die Arbeiter, sind von Natur die Stützen der Ruhe und Ordnung, denn wir wissen sehr wohl, daß wir zum Leben vor Allem der Ruhe und Ordnung bedürfen. Wir reichen unseren Mitbürgern und unseren Gesetzgebern die Hand und die Verheißung unseres Worts: Ja! wir wollen die Ruhe und Ordnung, der Staaten aufrecht erhalten, - wir können es verheißen, denn wir haben die Kraft dazu und sind uns unserer politischen Bedeutung bewußt. [] Nur notgedrungen würden wir, wenn wir abgewiesen würden, wenn der alte Wahn aufrecht erhalten und unserer Rechte auch fernerhin, wie früher, von keinem der Machthaber auf humane Weise gedacht würde, der Geißel des Schicksals gehorchen, und unter der Macht der finstern Noth aus den wärmsten Freunden der bestehenden Ordnung zu den bittersten Feinden derselben werden müssen. [] Berlin, 2. September 1848. [] Der Arbeiter-Kongreß. [] Vermischte Nachrichten. [] Köln 23. Dez. Heute Nachmittag haben die Geschwornen die Angeschuldigten Anneke, Esser und Gottschalk freigesprochen. Man konnte dieses, wenn man den Anklageakt und die Zeugenaussagen von den beiden vorigen Tagen ins Auge faßte, ohne Mühe voraussehen: gleichwol ist es eine für den Sieg der revolutionären Bewegung jedenfalls sehr wichtige Thatsache. Das Bestreben der Gerichtshöfe scheint jetzt, da die politische Verfolgung durch Geschworne scheitert, stark dahin zu gehen, ihren Anklage-Akt auf kleinere Vergehen zu richten, um so ihre Angeschuldigten vor der Correctionellkammer stellen zu können. Wie man uns sagt, werden wir nächstens davon etliche Exempel erleben. [] r- Siegburg 23. Dez. Heute wurde hier der Abgeordnete und Stellvertreter nach Frankfurt gewählt; der Wählkampf war ein sehr heißer, aber unsere Partei hat gesiegt; der Advokat-Anwalt Bürger Kyll in Cöln ist Abgeordneter und der Referendar Bermbach (gemäßigter Demokrat) von hier Stellvertreter. [] Düsseldorf, 21. Dez. Im Atelier Hasenclevers entsteht ein neues Bild aus der neuesten Zeitgeschichte: "Ueberbringung einer Petition der arbeitenden Klasse an einen hochweisen Gemeinderath." Im Glanze der altererbten Weisheit im alterthümlichen Saale des Rathhauses sitzen die wohlachtbaren Räthe ohne Rath gegenüber einer Deputation von vier Männern aus dem Volke. Es ist die schöne Zeit des Sommers von 1848, jene schwüle Periode der Vedrängniß für alle Machthaber und Würdenträger; darum ist das Fenster des Sitzungssaales weit offen. Aber draußen vom Markte kommt auch eben keine Kühlung für die geängsteten Seelen herein - im Gegentheil ist dort eine vielversprechende Volksversammlung aufgestellt, harrend, hoffend oder drohend, je nachdem, ihre vier Deputieren, deren erster, ein vierschrötiger Arbeiter, die Petition überreicht, sind gut gewählt, es fehlt selbst nicht der überall unvermeidliche Wühler darunter. Vorn am Tische sitzt ein schreckgejagter Stadtrath von sehr wohlhabendem Aeußern, aber wie trocknet er sich den Schweiß, wie bläst er in der Hitze seiner Beklemmung! Daneben die verkörperte Erbweisheit, Fassung und Ruhe heuchelnd, dann ein Wohlwollender, der aber diese Art von Bitten durchaus nicht geeignet findet, weiter unten ein Mißvergnügter, auf dessen Lippen zu lesen: "So weit muß es kommen mit dem Volke" und so weiter. - Die Lokalität deutet auf eine alte deutsche Stadt, wie man denn die alten Städte als den Sitz der ächten Senatoren-Gelahrtheit zu betrachten gewohnt ist. Das Bild ist einstweilen noch Skizze, wird aber vom Künstler bald in größerm Maßstabe ausgeführt, und verspricht eine Hauptzierde der nächsten Ausstellung zu werden. [] Königsberg 17. Dez. Die vor einigen Tagen eröffnete "Gewerbehalle" in dem Graf Borkeschen Hause auf Königsgarten, das zu dem Zwecke vorläufig auf zwei Jahre gemiethet, ist ein vortreffliches Institut, durch dessen Begründung der Gewerbeverein sich um die Industrie unserer Stadt wohl verdient gemacht hat. Seine Hauptbestimmung liegt darin, daß namentlich die kleineren geschickten Handwerker und Künstler unserer großen Stadt die Produkte ihres Gewerbefleißes hier niederlegen und verkaufen lassen können, ferner: daß das Publikum von der sehr großen Unbequemlichkeit, seinen Haus- und Wirthschaftsbedarf in den vielfach zerstreut liegenden Werkstätten der ausgedehnten Stadt mühsam und zu schwankenden Preisen aufzukaufen, befreit wird und einen Centralpunkt mitten in der Stadt hat. Durch die von einer Prüfungs-Commission festgesetzten festen Preise werden die Käufer vor Uebervortheilungen, die Verkäufer vor Spottpreisen gesichert. Auf beiden Seiten eben so nützlich als bequem. Die eingehenden Gegenstände häufen sich in solcher Menge, daß das große, aus etwa 20 geräumigen Zimmern bestehende Lokal alsbald wird vergrößert werden müssen. Mehre der größten Zimmer enthalten solide und elegant gearbeitete Möbel, deren mäßige Preise uns in Erstaunen gesetzt haben, darunter Spiegel, Tische, Stühle, Sekretäre, Kommoden, Sophas, Armsessel, Bettgestelle, Matratzen, Bettschirme, Rouleaux. Andere Zimmer sind mit vorzüglich guten musikalischen Instrumenten, Flügeln u. dergl. m. angefüllt. Dann steht man in verschiedenen Abtheilungen Porzellansachen, weiße und gemalte, Drechsler- und Bernstein-Arbeiten, Kupfer-, Blech- und Eisengeräthe, Woll- und Leinwandwaaren, Bürstenfabrikwaaren, Seilerarbeiten, mechanische Gegenstände, Sattler- und Riemerarbeiten, Gegenstände, der Buchbinderei u. dergl. mehr. Ja, will man noch mehr, noch Größeres und Schöneres sehen, dann nehme man die Equipagen in Augenschein, die in der Wagenremise dieser Gewerbehalle befindlich sind. Eine derselben - wie es sich von selbst versteht - auch das Fabrikat eines Königsberger Gewerbetreibenden, ist vorzüglich elegant und überhebt uns der Mühe, viel kostspieliger und umständlicher derlei Equipagen aus Berlin oder Paris zu verschreiben. - Zur Erhaltung dieses ungemein wichtigen Instituts, das mit den Darlehns- und ähnlichen Instituten in Verbindung steht, zahlt jeder Lieferant von dem Verkaufsgelde seiner hier ausgestellten und veräußerten Gegenstände 1 Ggr. vom Thaler ab. Auch fließen zur Kaffe des Gewerbevereins, der dieses Institut pflegt, die Stättegelder, welche die Aussteller des Weihnachts-Bazars im "Moskowiter-Saale entrichten. Diese betragen 5 bis 10 Thaler für ein Zelt oder eine Verkaufsstelle. [] Theater in Bonn [] Bonn 22. Dez. Fidelio. Große Oper in 2 Akten von Ludwig van Beethoven. [] Ohne Zweifel hat Hr. Löwe auf heute zur Feier der Freisprechung Gottschalk's und Anneke's vor den Assisen zu Cöln die Aufführung grade dieser Oper gelegt, in welcher auch ein Opfer der büreaukratischen Willkühr beim letzten Finale in alle bürgerlichen Rechte wieder eingesetzt wird. Wir sagen Hr. Löwe für diese zarte Aufmerksamkeit unsern verbindlichen Dank. [] Florestan (Hr. Bernard), ein kühner Demokrat, hat den hohen Behörden einige Wahrheiten mehr gesagt als die Censur sonst zu erlauben pflegte, und hat dafür das Vergnügen im Kerker eine Arie von der Freiheit zu singen. Eine Appellation an höhere Instanzen ist mit den gewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden, da im väterlichen Beamtenstaat sich lauter Stufen von Unter- und Ober-Vätern emporgipfeln, so daß Ein und dasselbe Individuum den Untergebenen stets als gestrenger Vater, und den Vorgesetzten als unmündiges Kind gegenüber steht, hier ist nun die erste Instanz: Rokko der Kerkermeister Hr. Zingler, welcher dem gefangenen Demokraten Speise, Trank und Gehör verweigert, alles auf höhern Befehl des Gouverneurs Don Pizarrohr. (Rafael.) Dieser Gouverneur ist nun nicht eigentlich was man sonst unter dem Statthalter einer Provinz versteht, sondern scheint eher im Rang eines simplen Landraths oder Oberbürgermeisters zu stehn. Er seinerseits erfreut sich, wie wir aus einigend Dialogen ersehen, eben nicht der größten Popularität, und tritt nur in der Arie: "ha welch ein Augenblick, die Rache werd' ich kühlen." ganz triumphirend auf, wo er Militär requirirt hat, das ihn im Chor akkompagnirt. Dieser Gewaltige zittert nun wieder vor einem als Regierungs-Kommissar gesandten Minister, der die Rechtmäßigkeit einiger wahrscheinlich Unter dem Schutz des Belagerungszustands vorgenommenen Verhaftungen untersuchen soll. Dieser Minister, Don Fernando (Hr. Fernau), ist aber auch noch nicht der Gott Vater, sondern er deutet auf eine im Hintergrunde aufgestellte Büste, und singt: "des bestenKönigs Wink und Wille führt mich zu Euch ihr Armen her, daß ich der Frevel Nacht enhülle, die All' umfangen dumpf und schwer." Gewiß hat der erste Rang bei dieser Scene mit Rührung daran gedacht, wie poetisch das Königthum ist, wenn es so die Hand aus den Wolken streckt, und hie und da einen ungerecht Eingekerkerten aus reiner Gnade befreit. Doch wir mehr prosaischen Praktiker können selbst dann, wenn der Kerker eine gemalte Coulisse ist, uns nicht der Ansicht erwehren, daß die gnädigen Retter sehr überflüssig wären, sobald ihre Diener keine unschuldig Verfolgten mehr schüfen. Wie dem auch sei, selbst hier, trotz Minister und gütigem König, wäre dennoch der Wühler Florestan verloren gewesen, denn: [] "dem Staate liegt daran [] "Den bösen Unterthan [] "Schnell aus dem Weg zu räumen" - [] singt Pizarro - wenn nicht eine emanzipirte Frau in Männerhosen, von energischen Charakter, wie die Freiheitsmänner sie lieben, sich seiner gerechten Sache angenommen und ihn auf revolutionärem Wege durch einen reinen Akt der Selbsthülfe dem Büreaukraten Don Pizarro entrissen hätte. [] Man verzeihe uns die muntre Stimmung bei einer so ernsten Oper: indeß die heutige Aufführung verlockt ein wenig zu humoristischer Auffassung. Frau Rafael als Leonore hatte ihre Rolle nicht hinreichend einstudirt, und ward dadurch Schuld an großer Verwirrung. Die Scene im letzten Quartett, welche der Glanzpunkt der Oper ist, wenn sie nur halbwegs mit Feuer gespielt wird, ging völlig wirkungslos vorüber. Leonorens Stellung war steif und unschön, nichts von heroischer Selbstvergessenheit sprach sich darin aus. Wir sind weit entfernt, und nach dieser Einen Leistung über die Befähigung der Frau, Rafael ein absprechendes Urtheil zu erlauben. Es könnenäußere Hindernisse zusammentreffen, die einer sonst tüchtigen Sängerin die Muße rauben, sich auf eine so schwierige Rolle vorzubereiten. In diesem Falle wünschen wir von Herzen, daß der Künstlerin bald Gelegenheit geboten werde, den ersten ungünstigen Eindruck auszulöschen, welches ihr bei ihrer sehr guten Stimme und ihrer einnehmenden persönlichen Erscheinung gewiß nicht schwer werden dürfte. Hr. Rafael und Hr. Bernard spielten und sangen beide sehr gut, ein doppeltes Verdienst bei einer Musik, die so schwer zu treffen ist, und zugleich die feinste geistreichste Schattirung fordert. Hrn. Ziegler sahen wir heute zuerst in einer größern Gesangspartie, und müssen ihm das Lob geben, daß er dieselbe sehr korrekt einstudirt hatte. Ein Uebelstand bleibt es indeß, daß seine Stimme in der Tiefe gar keine Kraft hat; bei allen Ensemblestücken fehlte deßhalb das Fundament. Ein Grundbaß, an dem der Akkord der andern Stimmen eine rechte Stütze hat, ist bei künstlich harmonisirten Compositionen eins der ersten Erfordernisse. [] Chor und Orchester bemühten sich redlich ihrer schweren Aufgabe zu genügen. Wir hoffen, daß bei künftigen Wiederholungen dieser herrlichen Oper sich mehr und mehr ein vollkommener Einklang erringen lasse. [] d- [] Carthaus, Bonn NRW 2/7 D 3/154 - 180 - 2012 - 1. 49 Kl. A
Published:09.1848