Offener Brief an Herrn Willy Max Rademacher

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Offener Brief [] an Herrn Willy Max Rademacher [] den Vorsitzenden der FDP in Hamburg [] Als Sie am 12. Oktober auf der Trauerfeier für die FDP selbst das Wort ergriffen, sagten Sie, Sie hätten schon, bevor Sie von meinen Plakaten Kenntnis ha...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Wilkening, Eduard, Auerdruck GmbH, Hamburg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 12.10.1949 - 06.01.1999
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/26C68BE4-2029-45A2-86E7-646645D957C4
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Offener Brief [] an Herrn Willy Max Rademacher [] den Vorsitzenden der FDP in Hamburg [] Als Sie am 12. Oktober auf der Trauerfeier für die FDP selbst das Wort ergriffen, sagten Sie, Sie hätten schon, bevor Sie von meinen Plakaten Kenntnis hatten, einen offenen Brief an mich verfaßt, den Sie aber nicht zur Verlesung bringen würden. Damit erweckten Sie den Eindruck wahren Edelmutes. [] Dieser Eindruck wurde häßlich verwischt durch die Tatsache, daß Sie, als Sie vorzeitig die Versammlung verließen, die Pakete mit dem vervielfältigten offenen Brief aufrissen und ihren jungen Freunden zur Verteilung am Ausgang übergaben. Leider habe ich keinen abbekommen. Ich erhielt ihn erst am 13. Oktober mittags durch einen Freund. [] In diesem, Ihrem offenen Brief benutzen Sie die bequeme Taktik der Verleumdung, und trotzdem Sie nach meinen Ausführungen klar erkennen mußten, daß der Inhalt Ihres Briefes verleumderisch war, ließen Sie ihn verteilen. [] Ich kann hier nicht auf jeden Punkt eingehen, aber ich will die wichtigsten herausgreifen. [] Sie behaupten, ich nähme für mich in Anspruch, das ERP-Programm erfunden zu haben. Das ist eine bewußte Unwahrheit. In meinem, Ihnen vorliegenden Vortrag vor den Funktionären der FDP am 28. April, der in meinem Antrag auf ein Vertrauensvotum gipfelte, habe ich gesagt, daß ich am 4. Dezember 1946 in der "Hamburger Freien Presse" einen Artikel veröffentlichte, in dem ich als Etappen Europas zum Erfolg nannte: den Wiederaufbau der deutschen Arbeitskraft durch ausreichende Ernährung, den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft und den Ausgleich des deutschen Außenhandels; alles in einem Programm, das sich über vier Jahre erstrecken müsse und einen Investitionskredit von 3 Mrd. Dollar seitens der USA für Deutschland erforderlich machen würde. Ich sagte ferner, daß am 5. Juni 1947 Außenminister Marshall seinen Plan vorlegte, und fuhr wörtlich fort: "Selbstverständlich bilde ich mir nicht ein, daß der Marshallplan auf meinen Zeitungsartikel zurückzuführen ist." [] Ich stelle fest, Sie haben gelogen. Sie sagen, jeder kaufmännische Lehrling hätte das damals genau so gut erkannt wie ich. Weshalb haben Sie denn nicht so etwas geschrieben? [] Sie bestreiten, daß ich der Gründer des "Bund Freies Hamburg" und der Partei Freier Demokraten war. Sie wissen das nicht besser, denn Sie waren nicht dabei, als der "Bund Freies Hamburg" gegründet und ich von meinen etwa zwölf Freunden beauftragt wurde, ihn bei der Militärregierung anzumelden. Ich glaube, Sie waren auch nicht dabei, als die Partei Freier Demokraten gegründet wurde. [] Sie behaupten, mein einziges Verdienst an dem Zusammenschluß der Zonenpartei sei die Namensgebung gewesen. Sie waren nicht dabei und können daher nicht wissen, daß die in Opladen versammelt gewesenen Vertreter von, wenn ich nicht irre, fünfzehn demokratischen Gruppen sich einen ganzen Tag lang über die Namensgebung gestritten hatten und, als ich dort zehn Minuten vor Mitternacht ankam, in heller Aufregung auseinanderzulaufen begannen, weil man sich schon über diese Einzelheit nicht einigen konnte. Sie waren nicht dabei, als ich gerade durch den einfachen Vorschlag der Namensgebung "Freie Demokratische Partei", den ich aus dem auch von mir vorgeschlagenen Namen "Partei Freier Demokraten" abgeleitet hatte, die Sache sofort schlichtete. Sie reden von Dingen, die Sie nicht kennen. Das ist nichts Neues. Sie waren nicht dabei, als ich in Opladen sagte: "Politiker sein, heißt Kreuzesträger sein." Für mich hat sich das bewahrheitet, dank Ihrer Tätigkeit. Sie sagen, die FDP wäre erst etwas geworden, seit Herr Heuß an ihre Spitze gestellt sei, und ich bin überzeugt, Herr Heuß wird von Ihrer Methode der Verdrehung weit abrücken. [] Sie werfen mir vor, daß ich zur Bedingung gemacht hätte, als Spitzenkandidat für die Bonner Wahl und nachher für die Bürgerschaftswahl aufgestellt zu werden. Sie verschweigen meine Begründung, die ganz einfach lautete, daß ich nur von solcher Stelle aus die Partei wieder auf den richtigen Weg bringen könne und nicht als einer von vielen. [] Sie werfen mir vor, daß ich mir durch meine, wie Sie es nennen, Skurrilität in den letzten Jahren eine Anzahl von Todfeinden gemacht hätte [!] Ich bin der Ansicht, daß nicht ich, sondern die dauernd hin und her schwankenden Gestalten, die jetzt ganz offen in die Reaktion abgeglitten sind, sich skurril, auf deutsch komisch, verzerrt, sonderbar, verhalten haben. Selbstverständlich können sie einen geraden Kurs nicht erkennen. [] Was aber die Herren, die Sie namentlich anführen, betrifft, und die Sie aus Ihren eigenen taktischen Gründen zu meinen Todfeinden ernennen, so erinnere ich Sie an die Tatsache, daß mir zu meinem 60. Geburtstag am 29. April dieses Jahres von allen Abteilungen der FDP Hamburg Glückwünsche mit großen Blumenarrangements überbracht wurden, und ich kann Ihnen sagen, daß der von Ihnen erwähnte Herr Franz Blücher, den Sie auch als meinen Todfeind aufzählen, mir einen in herzlichsten Tönen gehaltenen Glückwunschbrief schrieb, dessen Abschrift Ihnen zur Verfügung steht, wenn er Sie interessiert. [] War das alles Heuchelei oder begann die Todfeindschaft erst am 30. April dieses Jahres? Aber ich glaube, sie begann erst an dem Tage, als ich Ihnen allen klarmachte, daß ich das Abrutschen in die Reaktion nicht mitmachen würde! [] Sie erwähnen einige Fragen, in denen meine politische Ansicht von der anderer Mitglieder der FDP abwich, und sagen, daß man mir deshalb in der Partei nicht mehr vertraute, weil ich eigenwillig sei. Nach Ihrer Ansicht ist anscheinend der Afterwurm der beste Politiker, nicht aber derjenige, der eine eigene Meinung überzeugt vertritt. [] Sie behaupten, daß die Fraktion des Vaterstädtischen Bundes sich nach der Wahl wieder in die einzelnen Fraktionen auflösen würde. Wie ist die Tatsache, daß man den Kandidaten einen Revers vorlegt, mit dem sie sich verpflichten sollen, die Fraktion Vaterstädtischer Bund nicht zu verlassen, mit dieser Ihrer Behauptung in Übereinstimmung zu bringen? [] Sie können mich natürlich verleumden, denn Sie sind immun, Herr Abgeordneter. Vom sichern Port läßt sich nicht nur gar trefflich raten, sondern auch gar trefflich Gift verspritzen. Ihre Taktik wird in der in Hamburg erscheinenden "Welt" vom 13. Oktober wie folgt gekennzeichnet: "Ein von Rademacher an Wilkening vor kurzem geschriebener 'Offener Brief', den der Vorsitzende der FDP, wie er sagte, nicht verlesen wollte, wurde nach Schluß der Versammlung an den Türen dem überraschten Publikum in die Hand gedrückt." [] Es haben sich nach Schluß der Versammlung bei mir nicht weniger als 151 Männer und Frauen, darunter ein erfreulich großer Teil unserer Jugend, zur Mitarbeit in der Liberalen Vereinigung gemeldet. [] Bitte, genehmigen Sie den Ausdruck meines herzlichen Beileids zu der Trauerfeier im Andenken an eine versinkende Freie Demokratische Partei. [] 13. Oktober 1949 [] Eduard Wilkening [] Herausgeber: Eduard Wilkening, Hamburg. - Druck: Auerdruck GmbH., Hamburg 1
Published:12.10.1949 - 06.01.1999