Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: SPD-Landesvorstand Bayern, Signatur 76
Junge Wähler! [] Wenn man euer Leben betrachtet, scheint es, ihr wäret nur zum Leiden geboren worden. [] Fast mit dem Tage eurer Geburt krachten schon die Schüsse auf dem Balkan, Ihr konntet noch nicht nach dem Brote rufen, aber schon gab es für euch keines. Der erste große Krieg begann und ihr machtet die ersten Gehversuche. [] Ihr hattet keine Eltern. Der Vater war an der Front, die Mutter mußte arbeiten, denn die Unterstützung war viel zu klein. Ihr hattet nichts zu essen. [] Erst als ihr in die Bürgerschule kamt, da wurde das Leben friedensmäßig. [] Ihr sahet mit euren jungen Augen eine neue Welt wachsen. [] In Wien hatte die Sozialdemokratie die Mehrheit und formte das Antlitz unserer Stadt. Die ersten Gemeindebauten erstanden. Und mit jedem Jahre, um das ihr älter wurdet, wuchs um euch ein Stück Roten Wiens. [] Als ihr aus der Schule austratet, da bekamen die Mütter für ihre Säuglinge Pakete mit allem, was das Kind die ersten Monate an Wäsche braucht. Die Schulkinder konnten in den Planschbecken tollen, Spielplätze entstanden, Jugendheime wurden errichtet. [] Ihr lerntet drei Jahre - und es war eure schönste Zeit. [] Die Sozialdemokratie hatte ihre mächtigen Organisationen ausgebaut, die Freude ins Leben der Arbeiter trugen. Ihr waret im Turnverein, im Schwimmverein, bei den Naturfreunden, in der Sozialistischen Arbeiterjugend. [] Ein Sonntag im Sommer in der Lobau, im Winter im Wienerwald zeigte ein Bild, als ob die ganze Jugend schon rot wäre. [] Aber der Zwang, zu rationalisieren, zuerst, weil zu wenig Ware nach dem Kriege da war, dann der gesteigerte Konkurrenzkampf der kapitalistischen Länder, machte die Industrie zu ergiebig. Die Welt wurde reich - aber weil sie reich wurde, wurdet ihr arm. [] 1,000.000 X. 45 - V. 782 [] Alle Magazine füllten sich mit Gütern. Doch der Lohn hielt nicht Schritt. Die Arbeiterschaft der Welt konnte nicht kaufen, was sie erzeugte. [] Es kam die Wirtschaftskrise. [] Sie war die zweite Freudenbotschaft des Kapitalismus für euch. Und sie kam gerade, als ihr ausgelernt hattet. Der Vater war arbeitslos oder im Kriege gefallen, der Bruder war schon arbeitslos, jetzt kamt ihr noch nach Hause. Als ihr geglaubt hattet, das Leben begönne, begann das Stempeln. [] Der Faschismus sah seine Zeit gekommen. Er rüstete die Heimwehr aus, um den "revolutionären Schutt" wegzuräumen, das heißt alles, was sich die Arbeiterschaft im jahrzehntelangen Kampf errungen hat. Die Verzweiflung der Arbeitslosen versuchte er für seine Zwecke auszunützen (5-Schilling-Mandln) [!], Die organisierte Arbeiterschaft wurde provoziert (Wiener Neustadt, St. Pölten, Schattendorf). Aber so, wie man in vielen Fällen die Heimwehr und die Nazi nicht auseinander halten konnte (Steirische Heimwehr), so war auch der grüne Faschismus ein Vorläufer des braunen. Als die Heimwehr und die Reaktion 1934 siegten, wurde nicht nur die Sozialdemokratie besiegt, sondern das demokratische Österreich. [] Viele von den jungen Menschen, die knapp vor dem Kriege oder während des ersten Weltkrieges geboren worden sind, haben in den Reihen des Schutzbundes gekämpft, aber viele glaubten, besser davonzukommen, wenn sie sich abseits hielten, [] Sie kämpften in den Februartagen nicht für ihre Überzeugung, aber sie starben gegen ihre Überzeugung im Wahnsinnskrieg des Dritten Reiches. [] Wir sind dem Schicksal unserer Klasse verbunden. [] Es ist ein großer Wagen, der in die Zukunft fährt, davon kann keiner abspringen, ohne unter die Räder zu kommen. [] Was 1938 mit dem Einmarsch der deutschen Truppen kam, war nur die logische Folge von 1934. [] Was hat man uns damals nicht alles versprochen. Ein Paradies! Arbeit, Brot, Freiheit, Frieden! [] Arbeit hatten wir, wie jeder Totengräber, Brot, wie jeder zum Tod Verurteilte noch eine Henkersmahlzeit bekommt. [] Freiheit - ja, zum Sterben an den Fronten oder im KZ, und Frieden, ach, den bekamen wir in der Weite des Meeres, in den Steppen Rußlands, auf den Friedhöfen Deutschlands. [] Alles, was die Nazi machten, war Kriegsvorbereitung, war Rüstung. [] Reichsautobahnen - Aufmarschstraßen, Autarkie - Selbstversorgung im Kriegsfall, Aufbau der Schwerindustrie - Tanks und Kanonen, Volkswagenfabrik Fallersleben ... [] Es war ein Krieg deutscher Kultur: deutsche Kultur im KZ, Verwüstung in allen besetzten Gebieten. [] Und die Rechnung dieses Krieges zahlte die Jugend, die nun das erstemal zur freien Wahl geht. [] Denkt an die eisigen Nächte in Rußland, an das Grauen der Materialschlacht im Westen, an eure Heimat, die ihr als Trümmerfeld fandet, als ihr heimkehrtet. [] Wollt ihr das wieder erleben? - Es gibt nur ein Mittel: die Sozialistische Partei Österreichs muß die Macht bekommen. [] Denkt daran, was eine einzige Atombombe, auf eine japanische Stadt abgeworfen, anrichtete. Wollt ihr das erleben? Es gibt nur ein Mittel dagegen: die Sozialistische Partei muß an die Macht. [] Denkt an die hungernden Kinder, an die zerstörte Industrie, an die gesprengten Brücken. Soll das wiederkommen? Es gibt dagegen nur ein Mittel: gebt der Sozialistischen Partei die Macht. [] Wenn im Jahre 1938 die ganze Jugend zu Hitler gekommen wäre und verlangt hätte, auf sechs Monate nach Italien gebracht zu werden - man hätte über die Hirnrissigkeit dieser Idee gelacht. "Das arme Deutschland kann sich das nicht leisten." [] Aber dann sind wir sechs Jahre auf Urlaub gefahren nach Asien, nach Afrika, nach dem Nordkap, nach Italien und Frankreich und weit hinaus auf das unendliche Meer, und dabei sind die deutschen Arbeiter an den Fronten, statt in den Betrieben gestanden. Im Frieden soll es nicht gehen, daß wir einmal im Jahre auf vier Wochen auf Urlaub fahren können? [] Kann diese Welt gut sein? Muß die nicht geändert werden? Wir bauten einen Ost-, einen West-, einen Atlantikwall. Wir bauten Flaktürme, tausende Splittergräben und Bunker. [] Alle Häuser, die die Gemeinde Wien gebaut hat - und das waren 60.000 Wohnungen - kosteten 1 Milliarde Schilling. Hitler hat vor Kriegsbeginn schon 90 Milliarden Reichsmark für Rüstung ausgegeben, das sind fünfeinhalb Millionen Wohnungen, eine Stadt, achtmal so groß wie Wien. Und was ist alles noch in den 6 Jahren ausgegeben worden? Hätte dieses arme Deutschland nicht ein Paradies werden können, wenn wir, statt Krieg zu führen, für den Frieden gearbeitet, wenn wir statt Flaktürme, Ost-, West- und Atlantikwälle Häuser gebaut hätten? [] Unser ganzes Leben war ein Opfergang, Wir mußten zwei Kriege erleben, mußten arbeitslos sein, hunderttausende von uns mußten sterben und Krüppel werden, und vor uns liegen wieder Jahre bitterster Not. [] Doch wenn wir noch in Freud und Frieden leben wollen, wenn wir wollen, daß unsere Kinder einmal ein schöneres Leben haben, dann gibt es für uns nur eines: sozialistisch wählen! [] Wir wollen, wie wir einst Wien gebaut haben, Österreich bauen. [] Häuser für die Wohnungslosen, Spielplätze und Heime für die Kinder. Wir wollen ein Land des Friedens, der Arbeit und des Aufbaues werden - und wenn ihr das gleiche wollt, dann wählt die [] Sozialistische Partei
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