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warum [] Dr. Erhard Eppler [] am 9. Dezember 1926 als Sohn eines Studiendirektors in Ulm geboren, ist in Schwäbisch Hall aufgewachsen. 1943 wurde er eingezogen. Nach dem Krieg studierte er Deutsch, Englisch und Geschichte. 1951 promovierte er zum Dr. phil. Bis zu seiner Wahl in den Bundestag 1961 war er Studienrat in Schwenningen. In Bonn arbeitete er bis 1966 im Finanzausschuß; 1967/68 trat er als außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion hervor. Seit Oktober 1968 ist er Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. [] 1952 war Dr. Eppler Mitbegründer der Gesamtdeutschen Volkspartei Gustav Heinemanns. 1956 trat er der SPD bei. 1959 wurde er Kreisvorsitzender in Rottweil. Seit 1968 gehört er dem Vorstand des SPD-Landesverbandes Baden-Württemberg an. [] In der evangelischen Kirche wirkt er als stellv. Synodale und Mitglied der Öffentlichkeitskammer der EKD. Dr. Eppler ist verheiratet und hat vier Kinder. [] ... bin ich Sozialdemokrat [] Als ich 1926 in Ulm an der Donau als viertes von sieben Kindern geboren wurde, hat niemand an meiner Wiege gesungen, daß ich einmal Sozialdemokrat sein würde. Mein Vater, Mathematiker und Direktor eines Gymnasiums, hat wohl vor 1933 liberal gewählt, ebenso wie meine Mutter, in deren Elternhaus, einem Ulmer Pfarrhaus, Friedrich Naumann und Theodor Heuss verkehrten. [] Als ABC-Schütze, 1933, lernte ich kichernd "Heil Hitler" sagen, und was ich in der Schule über die SPD erfuhr, war so abscheulich, daß ich einmal meinen Vater fragte, wie denn ein Sozialdemokrat aussehe. Seine trockene Antwort "Wie andere Leute auch" war eines meiner ersten politischen Erlebnisse. [] Ich gehöre - wie Klaus Schütz, Jochen Vogel, Horst Ehmke - zu der Altersgruppe, die noch einiges vom Krieg mitbekam: Mit 16 1/2 Jahren Flakhelfer, dann Arbeitsdienst und schließlich noch ein Jahr Panzerjäger. Wer die letzten Zuckungen des Nazireiches miterlebt hat, wurde meist aus einem sehr simplen Grunde politisch aktiv: Dies nie wieder! Und dann kam die zweite Frage: Wer kann es am ehesten verhindern? [] Ich gestehe, daß ich der SPD nicht mit ungemischter Begeisterung gegenüberstand. Nicht, weil ich die Schauermärchen geglaubt hätte, die damals noch umliefen. Ich hatte Respekt davor, einer straff geführten, nach außen geschlossenen Partei beizutreten - einfach, weil man erst von innen sieht, wie groß der Bewegungsspielraum für den einzelnen, auch für den eigenwilligen einzelnen, in der SPD ist. [] 1952 kam ich in Tübingen mit Carlo Schmid in Kontakt. Mich interessierte damals besonders die Außenpolitik. Was Carlo Schmid dazu zu sagen hatte, gefiel mir zu 80 Prozent. Was Gustav Heinemann zu sagen hatte, zu 95 Prozent. Und so begann mein politischer Weg mit Gustav Heinemann in der GVP, der Gesamtdeutschen Volkspartei - allerdings in der sicheren Ahnung, daß er eines Tages in die SPD einmünden würde. [] So kam ich schon im Januar 1956 zur SPD. Inzwischen hatte ich mich intensiver mit dem Politiker beschäftigt, der die politische Atmosphäre meines Elternhauses bestimmt hatte: Friedrich Naumann. Dabei wurde mir klar, daß sein Erbe heute am besten bei den Sozialdemokraten aufgehoben ist. Ein Wort wie: "Entweder der Staat demokratisiert die Industrie oder er beugt sich vor der industriellen Aristokratie" paßt eben nicht mehr in die FDP, sondern in die SPD. Demokratie ist auf die Dauer nicht denkbar, wenn sie sich nur auf die staatlichen Institutionen beschränkt. Es geht - und das wußte schon der linksliberale Naumann - um die Demokratisierung aller Lebensbereiche, von der Universität über die Verwaltung bis zur Industrie. Und wer könnte dies erreichen, wenn nicht die Sozialdemokraten? [] Daß die CDU für mich nicht in Frage kam, hängt mit dem "C" in ihrem Namen zusammen. Wem theologische Reflexion nicht ganz fremd ist, dem muß dieses "C" ein Ärgernis bleiben, wie immer man es dreht und interpretiert. Niemand kann christliche Politik machen, sondern allenfalls vernünftige Politik. Und auch das geht oft daneben. Das "C" in einem Parteinamen wird für die Kirchen zur Belastung. Die SPD ist in ihrem Verhältnis zu den Kirchen sauberer, bescheidener, glaubhafter. [] Die SPD ist nach der Zukunft hin orientiert. Sie hat seit hundert Jahren nicht zuerst gefragt: wie war das früher, und müssen wir denn wirklich etwas ändern? Das ist die konservative Grundhaltung. Die SPD hat immer gefragt: wie soll diese Stadt, dieses Land, dieses Schulsystem, diese Sozialversicherung in 5 oder 10 Jahren aussehen, und was ist hier und heute zu tun, damit sie dann richtig aussehen? [] Dies ist die einzige Haltung, in der wir mit der Zukunft fertig werden. Wer Planung für suspekt hält, wird noch in diesem Jahrhundert unter die Räder kommen. Planung muß in unserem Lande geschehen für Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Forschungsstätten. Aber sie muß auch international geschehen: für den Hunger, die Arbeitslosigkeit, den Analphabetismus in der Dritten Welt. Denn es ist auf dieser kleinen Erde gar nicht mehr möglich, daß es den einen gut und den anderen miserabel geht. Daher fallen meine Aufgaben in der Entwicklungspolitik und meine Überzeugungen als Sozialdemokrat zusammen. [] Schließlich geht es mir um den Frieden. Jenseits des Friedens gibt es keine Existenz mehr, hat Gustav Heinemann gesagt, von dem ich neben Fritz Erler am meisten gelernt habe. Natürlich wollen auch die anderen demokratischen Parteien den Frieden. Aber es geht in der Politik nicht nur darum, ob man etwas will, sondern wieviel man dafür einzusetzen bereit ist, wieviel einem eine Friedensordnung wert ist. Und da meine ich, haben Männer wie Willy Brandt besser als andere begriffen, worauf es ankommt. [] Ich bin jetzt 42 Jahre alt und habe 8 Jahre Parlament und ein Jahr Kabinett hinter mir: Finanzausschuß, Auswärtiger Ausschuß, Entwicklungsministerium. Ich bin selbst gespannt, was ich noch für meine Partei tun kann, in der Regierung, im Parlament oder anderswo. Zu allem, was ich getan habe, stehe ich, auch wenn eine gehörige Portion Dummheit dazu gehören würde, alles für richtig zu halten, was man gemacht hat. Ich wundere mich heute, wie schwer mir vor 14 Jahren der Schritt in die SPD fiel. Ich fühle mich in dieser Partei zu Hause, obwohl es auch in ihr jeden Tag Ärger gibt. Und wenn ich meine ganze weitverzweigte Familie ansehe, dann stelle ich fest: was damals Überraschung auslöste, ist heute selbstverständlich: die SPD ist die Partei, die man kritisiert, weil man auf sie setzt und von ihr mehr erwartet als von anderen. [] Ihr Erhard Eppler [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn
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