Volksabstimmung an der Saar

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; .. Volksabstimmung [] AN DER SAAR .. [] Auszug aus der Dr.-Schumacher-Rede zur Saarfrage, gehalten am 10. März 1950 im Bundestag. [] Die Saarfrage ist in jeder Richtung ein Beispiel dafür, daß endlich die Klärung über eine große und entschei...

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Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Hannoversche Presse, Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Hannover
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Published: 10.03.1950
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Online Access:http://hdl.handle.net/11088/7FE43212-1C6F-4429-823C-E15701BBB4AE
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; .. Volksabstimmung [] AN DER SAAR .. [] Auszug aus der Dr.-Schumacher-Rede zur Saarfrage, gehalten am 10. März 1950 im Bundestag. [] Die Saarfrage ist in jeder Richtung ein Beispiel dafür, daß endlich die Klärung über eine große und entscheidende Frage erfolgen muß: Gelten die Grundsätze der Alliierten, die sie proklamiert und für die sie gekämpft haben, auch für das Verhältnis der Alliierten gegenüber dem deutschen Volk? Oder gelten die Grundsätze, die die Besiegten in den zwölf Jahren des Dritten Reiches gehabt haben, jetzt als Behandlungsmethode der Alliierten gegenüber den Deutschen? Wir fürchten in der psychologischen Konsequenz für unser Volk nichts mehr, als wenn vom Westen her Methoden angewandt werden, die dem Westen nicht angemessen sind. [] Die Demokratie, die von uns immer gewollt wurde, hat ja zur Voraussetzung, daß die Deutschen jetzt die Demokratie aus eigenem Willen als notwendig erachten. Es ist im Sinne der Menschheit und Europas unklug, diesem Willen zur Demokratie immer neue schwere Hemmnisse in den Weg zu legen. Man muß ganz offen sagen, daß politische Grundsätze von den Alliierten nicht nur deklamiert werden dürfen. [] Seitdem die unselige Idee der Koppelung des gleichzeitigen Eintritts Deutschlands und des Saargebietes in den Europarat im vorigen Jahre von Frankreich in die Debatte geworfen wurde, ist immer die Taktik des Bagatellisierens verhängnisvoll gewesen. Es ist gut, daß trotz aller Beschreibungen der auswärtigen Presse, wie fürchterlich hysterisch und gefühlserregt das deutsche Volk reagiert habe, die Aeußerungen der deutschen Politiker sehr besonnen gewesen sind. Es gibt aber Aeußerungen, die zwar im Ausland als nationalistisch verschrien werden, die indes die Vernunft zeigen, die man bei manchen Auslandsstimmen in der Behandlung der deutschen Frage einschließlich der Saarfrage schmerzlich vermissen muß. [] Man sollte unterlassen, uns mit dem Fluchwort: "Das sind unverbesserliche Nationalisten!" einfach überfahren zu wollen. Die Formulierung, die Saarfrage sei ein Prüfstein für den deutschen Nationalismus, ist von uns nicht anzunehmen. Es besteht gewiß die Gefahr, daß sie ein solcher Prüfstein würde: aktuell aber ist die Saarfrage ein Prüfstein der alliierten Demokratie gegenüber den Deutschen. [] Uns wird eine Politik der vollendeten Tatsachen offeriert; nicht der mit einem Donnerschlag vollendeten Tatsachen, aber der Stück für Stück vollendeten Tatsachen. Es ist im menschlich-demokratischen Sinne keine gute Politik, uns jetzt mit dem Hinweis auf den Friedensvertrag vertrösten zu wollen. Schließlich darf man auch nicht übersehen, daß Monsieur Schuman im Januar dieses Jahres zu den drei Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gesagt hat: Frankreich werde auch im Friedensvertrag für die Durchsetzung der Ziele seiner Saarpolitik kämpfen. Wenn wir das, was die "New York Times" die verschleierte Annexion nennt, etwas laienhaft, ein Ueberprotektorat nennen könnten, dann ist das doch in seiner ganzen Bedeutung für den Bruch der Prinzipien internationaler Demokratie klar. [] Dem französischen Volk können wir Sozialdemokraten, da unsere ganze Konzeption ja auf Europa und auf der Aussöhnung der Völker beruht, sagen: Das, was im Sinne der Wiedergutmachung und der Sicherheit für dich, französisches Volk, notwendig und unverzichtbar ist, das wäre von diesem deutschen Volk auch mit anderen Methoden als den bisher angewandten zu erreichen gewesen. Grenzländer können Bindeglieder oder können trennende Wälle sein. Wenn man den Versuch macht, im Zeichen Europas immer wieder kleine oder größere Korrekturen zu nationalstaatlichem und nationalwirtschaftlichem Vorteil vorzunehmen, dann müssen wir der anderen Seite sagen: Eine solche Haltung offenbart eine erschreckende Glaubenslosigkeit gegenüber Europa. [] In bezug auf die Saarfrage sind ja die völkerrechtlichen Formulierungen, ob Annexion oder Autonomisierung, nicht entscheidend. Entscheidend und die Politik der Deutschen wohl auf die Dauer bestimmend ist die Tatsache der Herauslösung eines deutschen Gebietes aus Deutschland! Dieser Akt ist ein absolut einseitiger Akt. Das französische Volk wünscht Ja gar nicht, diese Akte vorzunehmen, weil die großen Sorgen, die dieses Volk hat, seinen Blick von dem Grundsätzlichen dieser Politik ablenken. Das deutsche Volk muß diesen Grad der Einseitigkeit, diese Politik der konsequenten Ignorierung der Bundesrepublik, ihrer Regierung, ihres Parlaments als einen denkbar starken Akt bewußter Mißachtung empfinden. Europa ist eine gute Sache, und kein Franzose und kein Deutscher und kein anderer braucht sich zu schämen, für Europa mit dem ganzen Willen seiner Ehrlichkeit, und Uneigennützigkeit einzutreten. [] Wenn ich aus den Gründen der praktischen Auseinandersetzung gezwungen bin, jetzt eine Reihe von sachlichen Bemerkungen über die Methodik dieser Politik zu machen, sollen diese Bemerkungen keine Feindschaft aufreißen. Als sich die französische Regierung und die Saarregierung zusammensetzten, da waren alle fünf Entwürfe nicht etwa gemeinsam hergestellt. Alle Entwürfe waren vorher am Quai d'Orsay hergestellt. Die Saarregierung ist in diese Situation hineingestolpert. Sie hatte sich mit der Argumentation der großen Macht, die sachlich fundiert war, als Kleiner auseinanderzusetzen und hatte bestenfalls die Möglichkeit einer Taktik des Ab- und Aushandelns. [] Die Schaffung der wirtschaftlichen Ordnung an der Saar beruht doch auf der Tatsache, daß man jetzt nach rund fünf Jahren mit der Politik der Sequestierung und großer Kapitaltransaktionen den ökonomischen Unterbau jeder Form der Saarpolitik in die Hand der Okkupationsmacht gebracht hat. Was die Beherrschung der Kapitalsubstanz im weitesten Sinne des Wortes in der Politik bedeutet, brauche ich nicht durch Einzelbeispiele zu illustrieren. Wenn man jetzt die Geschichte der Saar betrachtet, dann sehen wir, daß diese Zersetzung der politischen Freiheit, dieses Unterdrücken der Meinung, dieses Operieren mit Hunger und Ausweisung, mit Organisationsauflösung dazu geführt hat, daß die Behauptung des Saarstandpunktes oder gar des deutschen Standpunktes an der Saar heute auf kleine Kreise und Minderheiten in den politischen Parteien angewiesen ist. [] Die politische Willensrichtung sucht nach Ausdruck. Der Protest des Industrieverbandes Bergbau an der Saar, das ist der politische Ausdruck der unterdrückten Meinungsfreiheit. Eine politische Willensbildung findet ihren Ausdruck auch auf außenpolitischen Gebieten, wenn man die politischen Instrumente unterdrückt und maßregelt. [] Als Vertreter einer Partei, der so weitgehend das Vertrauen der Arbeiter gehört, muß ich darauf hinweisen, daß die Politik, die der französische Hohe Kommissar des Saargebietes gemacht hat, von einer absoluten Nichtachtung der arbeitenden Menschen getragen ist. In einem Brief des Monsieur Granval an Herrn Hoffmann vom 16. November 1949 wendet er sich eindeutig gegen das wirtschaftliche und politische Mitbestimmungsrecht der Arbeiter in den Betrieben. [] Wenn darüber hinaus für die Allgemeinheit etwas interessant sein sollte, dann ist es der Umstand, daß diese Gesetzentwürfe vor ihrer Zuleitung an das Saarparlament dem französischen Hohen Kommissar zugehen. Da möchte ich fragen: Wie ist dieser Tatbestand mit der Aeußerung eines französischen Ministers zu vereinbaren - an dessen subjektiver Ehrlichkeit wir nicht den geringsten Zweifel haben -, daß der Saarlandtag tun und lassen könne, was er wolle? [] Mir will scheinen, als ob die außerparteimäßigen politischen Manifestationen jetzt dazu führen werden, daß das arbeitende Volk an der Saar geschlossen zu dem Standpunkt der Einheitsgewerkschaft Bergbau hinübergehen wird. Nun möchte ich fragen: Welches Vertrauen hat die Saarregierung bei diesen Menschen? Und welches Vertrauen hat sie bei der Okkupationsmacht? Ich wende mich nicht gegen eine Zusammenarbeit, aber dagegen, daß Menschen aus diesem Land zu Instrumenten werden. Die Beauftragung der Saarregierung geht nicht von der Bevölkerung, sie geht von der Besatzungsmacht aus. Es wird immer am gefährlichsten in der Politik, wenn sich ein Geßler einen Wilhelm-Tell-Hut aufsetzt. Der von den Franzosen ernannte Verfassungsausschuß und die daraus entstandene gelenkte und befohlene Verfassung sind nicht Imstande, eine freie Volksabstimmung der Bevölkerung des Saargebietes zu ersetzen. Ich will nicht polemisieren gegen den unglaublichen Versuch der Saarregierung, mit einem Heimtückegesetz gegen die doch deutsche Bevölkerung zu operieren. Ich möchte mich aber wenden gegen eine Methode, die kürzlich dazu geführt hat, daß, sehr souverän und autoritär, die durchaus wohlmeinenden Fußballer und Saarsportler von dem Herrn Hohen Kommissar angeschnarcht worden sind. Schließlich haben doch diese in ihren Aeußerungen nicht von politisch-taktischen Erwägungen bestimmten Menschen mit ihrem Wunsche nach Zusammenarbeit und Zusammenleben mit ihren deutschen Sportsfreunden nur das ausgedrückt, was im [] Grunde mehr als 90 Prozent der Saarbevölkerung denken und fühlen. Ich bin überzeugt, daß nicht nur weite Teile der Weltöffentlichkeit, sondern auch große Teile der wohlmeinenden und versöhnlichen Franzosen über den wahren Zustand der Dinge und der Methoden an der Saar ohne Unterrichtung sind. Dieser undemokratische Polizeistaat ist entstanden entgegen dem, was an Konzeption aus der alliierten Militärregierungs-Gesetzgebung der Vergangenheit sichtbar geworden ist. Ich erinnere an das Militärregierungs-Gesetz Nr. 53 vom 15. Juli 1945. Da heißt es in Artikel VII Ziffer g ausdrücklich: "Deutschland bedeutet das Gebiet des Deutschen Reiches, wie es am 31.12.1937 bestanden hat." [] Es ist schon mehrfach gesprochen worden von dem französischen Memorandum vom 10. April 1947 und der Rolle, die es auf der Moskauer Konferenz gespielt hat. Dazu möchte ich feststellen: Das deutsche Volk hat wohl von Mr. Bevin und von Mr. Marshall die Forderung nach der Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich gehört, hat wohl das Postulat vernommen, die Saarkohle nach Frankreich gehen zu lassen, aber die Deutschen hatten keine Gelegenheit zu hören, daß die Angelsachsen der Herauslösung des Saargebietes zustimmten. [] Ich halte es für die europäische Entwicklung nicht für richtig, wenn man von verantwortlicher französischer Seite jetzt gelegentlich vernimmt, daß Deutschland ja 1945 aufgehört habe zu existieren. Deutschland hat als Staat trotz seiner Beherrschung durch den Alliierten Kontrollrat niemals aufgehört zu existieren. Die Schaffung des Bonner Grundgesetzes hat diese Auffassung von dem einheitlichen Deutschland einschließlich der Saar, einschließlich der sowjetischen Besatzungszone und einschließlich der besetzten Gebiete östlich der Oder und Neiße, in nichts aufgegeben. Wie sehr die Alliierten von der Meinung beseelt sind, daß ganz Deutschland existiert, zeigt nicht zum wenigsten ihr Bemühen um die deutsche Einheit. In der Parole von den freien Wahlen, gefordert von dem amerikanischen Hohen Kommissar McCloy, liegt eine Anerkennung der Tatsache, daß die Bundesrepublik organisatorisch zwar nur auf einem Teil des deutschen Gebietes errichtet ist, daß sie aber der einzige demokratisch legitimierte Treuhänder für das ganze deutsche Gebiet ist. [] Nach der Saarverfassung hat die diplomatische Vertretung des Saargebietes Frankreich. Was soll das Saargebiet dann im Europarat? Es kann keinen Grad des Nutzens eines autonomen oder protektoratsmäßigen Saargebietes für Frankreich geben, der auch nur annähernd so groß wäre wie der Schaden, den Europa und Frankreich durch die Schaffung eines solchen Staatssurrogats erhalten. [] Im Jahre 1946 hat sich das französische Volk eine Verfassung gegeben. In deren Artikel 27 Absatz 2 heißt es: Keine Abtretung, kein Austausch, keine Hinzufügung von Gebiet ist gültig ohne die Zustimmung der interessierten Bevölkerung. [] Der französische Außenminister hat mehrfach öffentlich, aber auch in der Unterhaltung vom Januar uns Sozialdemokraten auf unseren Hinweis, daß die Saarverfassung undemokratisch sei und daß wir die Herauslösung nicht anerkennen, erklärt: Aber, meine Herren, warum protestieren Sie jetzt 1950? Sie hätten doch 1947 protestieren müssen. Ich mag die lange Skala der sozialdemokratischen Proteste hier nicht wiederholen. Aber ich werde einen Abschnitt aus einer sozialdemokratischen Resolution, gefaßt am 16. November 1947, rekapitulieren: "Die Saarverfassung, die unter Umständen beschlossen werden mußte, die eine freie Volksabstimmung vortäuschen sollten, und die in den wichtigsten Fragen den Kommissar einer fremden Macht zum souveränen Herrn über die Geschicke des Landes einsetzt, ist ein Hohn auf alle Demokratie." [] Ich glaube, man begeht auf deutscher Seite einen Fehler, wenn man das Saarproblem atomisiert oder isoliert von dem gesamteuropäischen Problem diskutiert. Der Artikel 3 des Europäischen Statuts erklärt: Jedes Mitglied des Europäischen Rates muß die Grundsätze der Herrschaft des Rechts und der Wahrung der Menschenrechte und grundsätzlichen Freiheiten für alle Personen, die seiner Jurisdiktion unterliegen, anerkennen. Bei einem gleichzeitigen Eintritt des Saargebietes wird die sozialdemokratische Fraktion des Bundestages keiner Vorlage zustimmen, die den Eintritt Deutschlands in den Europarat bedeutet. Nicht so sehr aus der Verteidigung der selbstverständlichen Rechte unseres Volkes als deswegen, weil wir Europa durch die Anwendung von Methoden, die früheren Jahrhunderten angemessen sein mögen, nicht desorganisieren lassen wollen. [] Heute ist durch die psychologische Ungeschicklichkeit, mit der man oft deutsche Fragen behandelt, die Saarfrage in ein Stadium gerückt, in dem sie der antideutschen "Nationalen Front" aus dem Osten die fehlende Propagandaformel liefert. In der Agitation der kommunistischen SEP und ihrer Hilfsvölker ist die Saarfrage bereits die bequeme Ablenkung von der Oder-Neiße-Linie. Nicht zu übersehen ist, daß diese Gefahr größer ist als in jedem anderen Stadium, weil wir heute in Deutschland eine siegreiche Zweihundert-Millionen-Macht auf unserem Boden haben, die agitatorisch die kommunistische Linie bei der Beeinflussung des deutschen Volkes längst zu den Akten gelegt hat und nur noch auf der nationalistischen Linie operiert. [] Ich gebe gern zu, daß viele Schwierigkeiten aus Ungeschicklichkeit entstanden sind, die ihrerseits nicht aus bösem Willen der Alliierten erwuchsen, sondern aus der opportunistischen Bequemlichkeit des obrigkeitlichen Regierens. Aber man soll nicht obrigkeitlich regieren in diesem Lande auf dem Rücken und auf Kosten der Demokratie. Die Existenz, die Vitalität und die politische Aktionsstärke der deutschen Demokratie sind ein proeuropäischer Faktor, den man ungestraft nicht im kleinsten beschneiden darf. [] Es ist unrecht, dem deutschen Volk als nationalistische Todsünde das vorzuwerfen, was selbstverständlich ohne Unterschied der Parteirichtung jedes Volk und jede Richtung für sich beanspruchen kann. Mit der Politik indes, wie sie sich jetzt in dem Komplex Saarfrage, Europaratsfrage ausdrückt, schafft man in Deutschland einen neuen Nationalismus. [] Ich muß die Warnung aussprechen, daß heute in Deutschland jeder Nationalismus antidemokratisch und antiwestlerisch ist, daß jeder Nationalismus im Sinne Europas und der Demokratie in der entscheidenden Frage unseres Zeitalters unzuverlässig macht. Warnen möchte ich, mit der Politik der billigen Vorwürfe die Faktoren in Deutschland zu schwächen, ohne die es keine deutsche und keine europäische Demokratie gibt. [] Es gibt bei aller Anerkennung französischer Interessen an der Saar auch deutsche Interessen an der Saar. Darum steuern wir auf das Ziel eines Friedensvertrages. Aber solange er nicht realisiert ist, sollten wir besonders auf wirtschaftspolitischem Gebiet, nicht auf territorialem Gebiet, das Ziel angehen, Anfänge zu schaffen in der gegenseitigen wirtschaftlichen Berücksichtigung der Interessen Frankreichs und Deutschlands durch direkte Fühlungnahme. [] Léon Blum, der große französische Sozialist, hat am 17. Januar 1950 einen Artikel geschrieben, in dem er ganz eindeutig zwei Forderungen in den Mittelpunkt stellt: erstens Volksabstimmung an der Saar und zweitens Untersuchung der strittigen juristischen Fragen zwischen Frankreich und Deutschland durch die Haager Schiedsgerichtsbarkeit. Ich nenne dieses Beispiel, um den Willen der Versöhnung zwischen beiden Völkern zu zeigen. Es wäre schlecht um die Idee der Internationalität bestellt, wenn Besiegte allein ihre Wortführer sind. Die Menschlichkeitsideen sind groß genug, um unbekümmert um die taktische Machtposition die Menschen zu bewegen und in politische Aktionen im Sinne des Ausgleichs und des Friedens zu bringen. Wenn die Klärung der politischen Saarfrage sich nicht ergibt, dann werden wir in der Welt dafür Verständnis finden, wenn wir eine Volksabstimmung an der Saar in Freiheit und ohne Furcht fordern. [] Wir sind auf dem Wege nach Europa. Aber es ist in der konkreten Situation nicht in erster Linie eine deutsche Schuld, wenn dieser Weg sehr viele Abirrungen und Umwege zeigt. In der Politik sind die Umwege immer das Gefährliche, denn auf Umwegen kommt man durch unwirtsame Gegenden mit einem politischen Klima, das dieser Entwicklung nicht immer zuträglich ist. Und es drohen Abhänge und Abstürze. Das geringste Risiko und die größte Kraft in der Politik hat eine Politik, die im vorliegenden Falle geradeaus auf Europa geht! [] Herausgeber: Vorstand der SPD - Druck: Hannoversche Presse, Druck- und Verlagsgesellschaft m. b. H., Hannover
Published:10.03.1950